TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 G308 2230511-2

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Veröffentlicht am 26.05.2020
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Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G308 2230511-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Marokko, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der betroffenen Fremde (BF) wurde am XXXX.01.2020 um XXXX Uhr im Zug XXXX mit einem Ticket nach Milano im Rahmen einer fremdenrechtlichen Kontrolle angetroffen. Er wurde dabei nach § 39 FPG festgenommen und auf die Polizeiinspektion XXXX-Hauptbahnhof gebracht, wo die Festnahme gemäß § 40 BFA-VG angeordnet wurde.

Er gab bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Landespolizeidirektion Kärnten am XXXX.01.2020 an, dass er von Österreich nach Italien reisen wolle, dort seien sein Vater, sein Onkel und Freunde. Er habe ca. Euro 11,-- und serbische Dinar 112,--.

Es liegt kein Reisedokument vor und kein Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet vor.

Mit Mandatsbescheid vom XXXX.01.2020 wurde die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Schubhaftbescheid wurde vom BF am XXXX.01.2020 um XXXX Uhr persönlich übernommen. Die belangte Behörde führte begründend aus, der BF sei illegal nach Österreich eingereist und wolle illegal nach Italien weiterreisen. Er habe daher die österreichische Rechtsordnung missachtet, er sei mittellos. Er habe keine familiären und privaten Bindungen zum Bundesgebiet. Es liege daher Fluchtgefahr vor und sei davon auszugehen, dass er die nächste Möglichkeit wahrnehmen werde um nach Italien zu gelangen. Sein "Drang nach Italien zu reisen" scheine auch dadurch gegeben, weil er angegeben habe, Verwandte in Italien zu haben. Die Verhängung der Schubhaft sei auch verhältnismäßig, weil er mehrmals angegeben habe, nach Italien reisen zu wollen, obwohl er Österreich nicht auf legalem Weg verlassen könne. Die Verhängung eines gelinderen Mittels komme aufgrund seiner finanziellen Situation nicht in Betracht, weiters habe er keine Unterkunft und familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Es bestehe daher eine beträchtliche Gefahr des Untertauchens und liege eine ultima-ration-Situation vor.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.01.2020, persönlich übernommen vom BF am 02.01.2020 um 15:45 Uhr, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 FPG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt, einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte IV. bis VI.). Laut dem am 24.04.2020 vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten IZR-Auszug wurde dagegen kein Rechtsmittel erhoben und ist der Bescheid am 03.02.2020 in Rechtskraft erwachsen.

Der Beschwerdeführer ist nicht bereit, in seinen Herkunftsstaat auszureisen. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und seit XXXX.01.2020 im Polizeianhaltezentrum XXXX polizeilich gemeldet. Sonstige Wohnsitzmeldungen liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer verfügt über kein Reisedokument, er legte jedoch vor der belangten Behörde ein Foto seines marokkanischen Reisepasses auf seinem Mobiltelefon vor.

Laut Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.05.2020 ist die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft Marokkos am 07.02.2020 beantragt und zuletzt am 19.05.2020 urgiert worden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht sozial verankert. Weder bestehen familiäre Bindungen noch hat er hier je eine legale Erwerbstätigkeit ausgeübt. Er hat auch keine gesicherte Wohnmöglichkeit im Inland. Er verfügt - abgesehen von geringen Barmitteln - über keine finanziellen Mittel für seinen Lebensunterhalt.

Bei ihm bestehen keine signifikanten gesundheitlichen Probleme (Einsichtnahme in die Aufenthaltsinformation vom 24.04.2020 der Landespolizeidirektion XXXX, Anhaltezentrum XXXX).

Flüge nach Marokko sind derzeit ausgesetzt (Auskunft IATA - International Airtransport Association, https://www.iatatravelcentre.com/international-travel-document-news/1580226297.htm, abgerufen am 25.05.2020).

Die EU hat ihre Außengrenzen bis 15.06.2020 geschlossen (https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/health/coronavirus-response/travel-and-transportation/travel-and-eu-during-pandemic_de /, abgerufen am 25.05.2020).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das Bundesverwaltungsgericht holte einen Zentralmelderegister- und Strafregisterauszug sowie einen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister ein. Die genannten Informationsquellen aus dem Internet betreffend Schließung der EU-Außengrenze und der Flugbeschränkungen in Marokko liegen dem Gerichtsakt ein.

Dass der Beschwerdeführer nicht bereit ist, in seinen Herkunftsstaat auszureisen, sowie die Feststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich ergeben sich aus seinen eigenen Angaben. Im Übrigen liegen keine Beweisergebnisse vor, aus denen sich eine soziale Verankerung des Beschwerdeführers in Österreich ableiten lässt. Hinsichtlich allfälliger gesundheitlicher Probleme wurde in die Anhalteinformationsdatei Einsicht genommen, daraus waren keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie etwa häufiger Arztbesuch, zu erkennen.

Rechtliche Beurteilung

§ 76 FPG lautet:

(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX.01.2020 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Gegenständlich liegt auch eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, nämlich eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG vor.

Der BF verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Finanzierung seines Unterhaltes und über keinen aufrechten Wohnsitz. Es wurden keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt und bestehen im Bundesgebiet keine feststellbaren familiären Beziehungen. Damit ist auch § 76 Abs. 3 Z 9 FPG erfüllt.

Unter Berücksichtigung dieser nach wie vor vorliegenden Umstände kann von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden.

Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, der mangelnden Vertrauenswürdigkeit sowie seiner fehlenden sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet.

Das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) durch die zuständige Auslandsvertretungsbehörde, nämlich gegenständlich die Botschaft von Marokko, ist im Laufen.

Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft ist, dass nach wie vor die Aussicht besteht, dass für den BF ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann (vgl VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).

Das Verfahren hinsichtlich einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates wird seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl effizient und nachhaltig geführt, so wurde am 12.03.2020 über Ersuchen der Botschaft neuerlich übermittelt und wurde am 19.05.2020 die Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei der Botschaft Marokkos urgiert. Nach Auskunft der belangten Behörde ist die Botschaft zwar geschlossen, es können aber weiterhin Anträge auf Ausstellungen von Heimreisezertifikaten gestellt werden, ebenso können Urgenzen eingereicht werden. Es haben sich keine Umstände ergeben, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht möglich wäre, die Verhältnismäßigkeit der gegenständlichen Anhaltung ist zum Entscheidungszeitpunkt, insbesondere im Hinblick auf die das Betreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, nach wie vor gegeben.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen. Der Zweck der Schubhaft kann auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden, zumal der BF mittellos ist und keine Unterkunftmöglichkeit besteht.

Die in § 80 Abs. 4 Z 1 und Z 2 FPG vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von 18 Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten.

Sollten die Einschränkungen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie bei Reisebewegungen jedoch weit über Mai 2020 hinaus verlängert oder gar unbefristet angeordnet werden, wird die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft des BF zu hinterfragen sein, zumal dann voraussichtlich nicht mehr von der Möglichkeit einer zeitnahen Abschiebung nach Marokko ausgegangen werden kann.

Die andauernde Schubhaft kann daher - auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung - fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, ging doch der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage klar hervor, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte. Zudem war derzeit zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Auswirkungen der Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie (COVID-19) auf die Fortsetzung (oder Anordnung) der Schubhaft, insbesondere zu einer allfälligen daraus resultierenden Reduktion der Fluchtgefahr sowie auf die Möglichkeit einer zeitnahen Rückführung fehlt und dies aktuell über den konkreten Einzelfall hinaus für zahlreiche Rechtssachen relevant sein könnte.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Pandemie Revision zulässig Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2230511.2.00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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