TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/25 W195 2224930-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2224930-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2019, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 13.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am Tag der Antragstellung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, Generalsekretär der Bangladesch Nationalist Party (im Folgenden: BNP) des Polizeiverwaltungsbezirks XXXX zu sein. Als Funktionär der BNP sei er in seiner Heimat aufgrund seiner politischen Gesinnung sowohl von der Behörde als auch von Mitgliedern regierender Parteien verfolgt worden. Am XXXX sei er fälschlicherweise von der Polizei angezeigt worden. Ihm sei unter anderem ein Verstoß gegen das Sprengmittelgesetz und Widerstand gegen Staatsgewalt zur Last gelegt worden. Somit sei er sowohl von der Sicherheitsbehörde als auch von der Justizbehörde verfolgt worden. Da der BF kein Vertrauen zur Sicherheitsbehörde und zur Justiz habe, erwarte er kein faires Verfahren. Mehrere seiner Parteikollegen seien mittlerweile von den Sicherheitsbehörden verschleppt worden. Ob sie noch am Leben seien, sei ungewiss. Der BF habe Angst gehabt, getötet oder misshandelt zu werden, weshalb er beschlossen habe, das Land zu verlassen.

I.2. Am 19.12.2017 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, gegen ihn sei am XXXX von der Polizei eine Anzeige erstattet worden. Hiebei habe es sich um eine falsche Anzeige nach dem Sprengmittelgesetz gehandelt. Schon bevor die Polizei an die Tür geklopft habe, habe der BF am XXXX seine Wohnung verlassen. Zwei Monate sei er auf der Flucht gewesen und er sei am XXXX illegal zu Fuß mit einem Schlepper nach Indien ausgereist. Sein Grund für die Ausreise seien politische Gründe gewesen. Der BF habe Probleme mit dem Sicherheitsapparat und mit der Justizverwaltung gehabt und sei deshalb verfolgt worden. Der BF habe kein Vertrauen in diese Verwaltungseinheiten, er habe kein Vertrauen, dass ihn ein faires Verfahren erwarte. Als er noch in Bangladesch gewesen sei, seien einige Parteikollegen des BF von der Sicherheitsbehörde verfolgt und sogar verschleppt worden. Der BF wisse bis dato nicht einmal, ob sie noch am Leben seien, in welchen Zustand sie sich befänden und auch nicht, wo sie sich aufhielten. Der BF hätte Angst, misshandelt oder getötet zu werden. Deshalb habe er beschlossen, sein Heimatland zu verlassen. Da er kein Vertrauen zu den zwei Verwaltungseinheiten habe, ihm kein faires Verfahren erwarte und ihm noch dazu mit dem Tod gedroht worden sei, habe er sich entschlossen, das Land zu verlassen. Er wolle nicht getötet oder misshandelt werden.

Aufgefordert, seinen Fluchtgrund zu konkretisieren, führte der BF aus, er sei ja General Secretary bei der BNP und sei bei vielen Treffen und Demos dabei gewesen. Wegen seiner Tätigkeit sei ihm eine falsche Anzeige angehängt worden. Der BF habe kein Vertrauen zu den zwei Verwaltungseinheiten gehabt. Er sei von den zwei Verwaltungseinheiten unter Druck gesetzt worden. Als er auf der Flucht gewesen und versteckt gewesen sei, hätten die Familienangehörigen des BF gesagt, dass die Polizei zum BF nach Hause komme und nach dem BF suche und seine Familie unter Druck setzen würden. Nachdem der BF erkannt habe, dass man ihn festnehmen wolle und er ja eine „große Funktion“ in der Partei gehabt habe, sei ihm nichts Anderes übriggeblieben. Viele seiner Parteikollegen, sogar unterhalb seiner Funktion, seien verfolgt worden. Der BF sei sogar mit dem Tod bedroht worden, noch dazu habe er überhaupt kein Vertrauen zum Sicherheitsapparat. Er sei insgesamt nicht in Sicherheit gewesen.

Der BF wurde noch einmal aufgefordert, seinen Fluchtgrund zu konkretisieren und er gab dazu an, dass beispielsweise er und seine Kollegen in XXXX eine Demonstration organisiert hätten. Hiebei sei es zu einer Auseinandersetzung mit der Polizei gekommen, weil die Polizei die Demonstration nicht zulassen habe wollen. Wie üblich sei es dann zu einer Bombenexplosion gekommen.

Die Anzeige sei in der Polizeistation gemacht worden. Der BF habe von der Polizeistation die Nachricht erhalten. Er sei ins Büro gegangen und als er nachhause gekommen sei, habe man ihm gesagt, dass die Polizei dies mitgeteilt hätte. Es sei zuhause vorgesprochen worden, dass eine Anzeige gegen den BF erstattet worden sei. Der BF sei spätnachts nachhause gekommen und habe dann die Information bekommen. Er habe noch die Nacht zuhause verbracht und sei dann am XXXX im Morgengrauen hinaus. Er sei ja in der Früh von zuhause weggegangen, am Abend darauf sei die Polizei anscheinend wieder beim BF zuhause gewesen und habe mit seiner Ehefrau gesprochen. Sie hätten seine Ehefrau unter Druck gesetzt und sie gefragt, wo der BF sei bzw. hätten sie sie über seine politische Funktion ausgefragt. Sie sei überrascht über die Reaktion von ihnen gewesen und habe gesagt, dass sie nicht wisse, wo der BF sei bzw. habe sie seine politische Funktion bejaht. Seine Frau habe dem BF daraufhin gesagt, es wäre nicht gut, dass er nach Hause käme. Das habe der BF dann auch eingesehen. Er sei dann fünf bis sieben Tage versteckt gewesen und habe zu Hause angerufen. Man habe ihm gesagt, dass derweil nichts passiert wäre, aber er sollte sicherheitshalber nicht nachhause kommen, weil gegen ihn eine falsche Anzeige gemacht worden wäre. Der BF habe dann jemanden in XXXX veranlasst, bei der Polizeistation über seine Anzeige nachzufragen, was denn tatsächlich gegen ihn eingebracht worden sei. Der BF habe über seine Parteikollegen Informationen eingeholt.

In der Folge wurden dem BF Fragen zur BNP und deren Agenda gestellt und dem BF Vorhalte zu seinem Vorbringen gemacht.

I.3. Das BFA veranlasste die Übersetzung eines Konvoluts von vom BF vorgelegten Urkunden.

I.4. Am 18.06.2019 wurde der BF neuerlich vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde er zu seinen Sprachkenntnissen, seinem Gesundheitszustand, seinen Familienverhältnissen, seinem Privatleben in Österreich und zu den vorgelegten Urkunden befragt, ihm wurden einige detaillierte Fragen zu seinen Fluchtgründen gestellt und insbesondere die vorgelegten Dokumente in Zusammenhang mit seinen Angaben gesetzt. Weiters wurden ihm Fragen zu seiner Parteimitgliedschaft in der BNP gestellt.

Zusammengefasst wurde eingangs festgehalten, dass der BF bei seiner Schwägerin in Österreich wohnt, welche mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Eine Arbeit habe er nicht.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er wegen einer Anzeige vom XXXX das Land verlassen habe. Er sei des Sprengmittelgebrauches während einer Demonstration beschuldigt worden.

Diese Demonstration, an der der BF teilgenommen habe, sei eine Woche zuvor abgehalten worden. Die Parteianhänger als auch der BF hätten sich versammelt, um ein Meeting zu machen. Plötzlich sei die Polizei dazu gekommen, um das Meeting zu verhindern. Es gab eine Auseinandersetzung mit der Polizei, dann sei Sprengstoff gelegt worden, der dann explodiert sei. Einige Anhänger, so wie der BF, seien entkommen.

Eingeladen zu dem Meeting wurden die Parteimitglieder auf telefonischem Weg; insgesamt hätten ungefähr 15 bis 20 Personen teilgenommen. Er sei als Täter Nr 9 in der Anzeige genannt.

Zu seiner Mitgliedschaft und seiner Rolle in der BNP befragt führte der BF aus, dass er eine Mitgliedsbestätigung aus 2011 vorgelegt habe. Darin stünde, dass er seit dem Jahr 2011 die Funktion des Generalsekretärs ausübe. Er habe jedoch bereits „vor dem Jahr 2011 als Generalsekretär“ gearbeitet. Als er die Mitgliedsbestätigung 2011 behoben habe, habe er gesehen, dass er als Generalsekretär eingetragen sei.

I.5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.07.2019, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1–3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.6. Mit Schriftsatz vom 23.10.2019 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – durch einen Rechtsanwalt vertretenen – BF zur Gänze angefochten.

Neben der Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes und der behaupteten Fluchtgründe wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, dass das BFA ein einseitiges Ermittlungsverfahren geführt habe. Wie das BFA zu dem Schluss, dass der BF nicht glaubwürdig sei, komme, sei nicht erklärlich. Der BF habe ein glaubhaftes Vorbringen erstattet und es sei ihm objektiv gelungen, die Verfolgung glaubhaft zu machen. Das BFA habe seien Antrag auf internationalen Schutz zu Unrecht abgewiesen. Darüber hinaus habe das BFA eine unrichtige Interessenabwägung vorgenommen, es habe das Privat- und Familienleben des BF nicht berücksichtigt. Der BF sei seit über vier Jahren durchgehend im Bundesgebiet, habe die Deutschprüfung zum Niveau B2 erfolgreich absolviert, er sei Mitglied der XXXX , bei der XXXX , beim XXXX und des XXXX . Er habe familiäre Kontakte im Bundesgebiet. Er habe einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag und könne für den Fall der Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung Plus“ einer geregelten Arbeit nachgehen.

Es wurden die Anträge gestellt, den Bescheid zu beheben und dem BF Asyl bzw. subsidiären Schutz zu gewähren, in eventu, den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu, dem BF einen Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung Plus“ zu erteilen sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

I.7. Mit Schreiben vom 25.10.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Mit Schreiben vom XXXX wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den XXXX angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt. Aus Gründen der Corona-Pandemie wurde die Verhandlung auf den XXXX verschoben und das neue Länderinformationsblatt, Stand April 2020, übermittelt.

I.9. In Vorbereitung zu dieser Verhandlung übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter eine Stellungnahme und legte für den BF eine Gewerbeberechtigung (Hausbetreuung einschließlich Reinigung) von Dezember 2019 vor. Weiters wurde ein Reinigungsdienstleistungsvertrag (datiert März 2020), eine Mitgliedschaftsbestätigung der XXXX (seit 22. Februar 2020 Mitglied für Badminton) sowie ein ÖSD Zertifikat hinsichtlich Deutsch-B2 vorgelegt.

I.10. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

In der Verhandlung vom XXXX legte der BF nochmals die Bestätigung der Anmeldung zum freien Gewerbe Hausbetreuung (einschließlich Reinigungstätigkeiten) vom 02.12.2019 vor.

Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes gab der BF an, dass er Probleme mit der Schilddrüse habe, welche ärztlich behandelt werden. Eine lebensbedrohliche Erkrankung wurde vom BF nicht angeführt.

Zu seinem Familienstatus bemerkte der BF, dass er verheiratet sei und zwei Kinder habe. Er habe zu seiner Familie, welche in Bangladesch lebe, regelmäßigen, aber eher seltenen, nämlich alle 4 bis 5 Monate, Kontakt über Internet. Telefonie käme ihm zu teuer und Briefe schreiben würde er nicht. Noch dazu sei der Zeitunterschied von vier Stunden nach Ansicht des BF zu groß, um mit seiner Familie, die er sehr vermisse, öfters Kontakt zu haben. Deshalb würde er auch, sobald das Verfahren für ihn positiv abgeschlossen sei, versuchen, seine Ehefrau und die Kinder nach Österreich zu holen. Er mache jetzt schon Vorbereitungen, damit er seine Familie nachholen könne, etwa durch seine Arbeitsleistung. Seine Kinder gehen derzeit in eine englischsprachige Schule. Deutsch würden sie allerdings nicht lernen. Die Finanzierung seiner Ehefrau sowie seiner Kinder erfolge durch die Schwiegereltern.

Eine Schwester der Ehefrau lebt bereits seit vielen Jahren in Österreich; sie sei österreichische Staatsbürgerin; auch ihr Ehemann habe mittlerweile die Staatsbürgerschaft erworben. Die Schwägerin würde einen Zeitungsstand in einem Heim betreiben, der Schwager würde Taxi fahren. Der BF lebe bei dieser Familie. Eine Beziehung oder Kinder habe er nicht in Österreich.

Der BF selbst habe in Bangladesch studiert, den Master of Business Administration gemacht und dann in einer Bank (Export-Import) gearbeitet. Danach war er Geschäftsführer einer Textilfirma. Er selbst besitze kein Vermögen, sondern lediglich das Vermögen des mittlerweile verstorbenen Vaters, welches aber noch der Aufteilung mit seinen drei Schwestern harre. Sie hätten ein Haus im Dorf und angrenzend Wälder. Er selbst bzw. seine Familie würden derzeit in Dhaka wohnen, unmittelbar neben den Schwiegereltern.

Der BF plane das „Studium der Gesundheits- und Krankenpflege“, allerdings konnte der Aufnahmetest wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden. Diese Aufnahmsprüfung würde demnächst über Zoom erfolgen. Vorläufig arbeite er im Zuge seines Gewerbes für Hausbetreuung/Reinigung. Ab Mai 2020 erwarte er ein Nettoeinkommen von ca. € 1.200 bis € 1.300. Der entsprechende Vertrag sei unterzeichnet und wurde dem Gericht als Kopie vorgelegt.

Im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG wurde der BF auf seinem Wunsch hin teilweise auch in Deutsch einvernommen. Der VP stellte fest, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache sehr gut möglich war, weil der Sprachwortschatz ausreichend ist. Die Antworten erfolgten zumeist mit vollen Sätzen, sodass keine besondere Aufmerksamkeit erforderlich war. Der BF stellte damit unter Beweis, dass seine Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 waren, wie er diese Qualifikation mittels ÖSD-Zertifikat formell nachwies.

Zu seinem Fluchtgrund führte der BF – zusammengefasst – in der Verhandlung vor dem BVwG aus:

Es sei gegen ihn eine falsche Anzeige eingebracht worden. Diese Anzeige sei am XXXX von der Polizeibehörde XXXX , welche in der XXXX gelegen sei, gegen ihn erhoben worden und werfe ihn – als Täter Nr. 9 – vor, gegen das Sprengmittelgesetz gehandelt sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet zu haben.

Konkret sei er „seit 2011 Mitglied der BNP“. Im Verlauf der Verhandlung vor dem BVwG gab der BF jedoch an, bereits „3 bzw. 1 bis 2 Jahre zuvor“ Mitglied der Partei geworden zu sein, um später nochmals zu betonen, dass er „seit 2011 Mitglied“ gewesen sei. Seit damals – 2011 - sei er auch Generalsekretär der Partei für den Polizeiverwaltungsbezirk XXXX gewesen, welcher im Distrikt XXXX gelegen sei, ca 150 bis 200 km von seinem Arbeitsplatz und Wohnort in XXXX entfernt. Mit dem Bus benötige man 7 bis 8 Stunden, je nach Stau, manchmal auch nur sechs Stunden. Er habe seine Tätigkeit als Generalsekretär in XXXX per Telefon erledigt, manchmal sei er jedoch nach XXXX gefahren, wenn Treffen und so angestanden seien. Bei Demonstrationen sei er nicht dabei gewesen, bei Treffen aber schon, denn als Generalsekretär sei er verantwortlich; der Präsident mache so etwas nicht. Die Stadt XXXX habe ca. 15.000 bis 20.000 Einwohner. Er sei Generalsekretär von der BNP in XXXX gewesen; es habe „die Mitglieder vom Komitee, den Präsidenten, den Sekretär und zwei stellvertretende Sekretäre gegeben, ungefähr 7 bis 8 Personen“; sonst wären die „Mitglieder als Mitarbeiter“ tätig gewesen, also „10 bis 12 Mitglieder“. Seine Position war Generalsekretär auf der Polizeiverwaltungsebene, allerdings nur für zwei Jahre, denn dann hätte er flüchten müssen.

Zusammengefasst stellte sich somit heraus, dass der BF behaupteter Weise in einer von seinem Wohnort und Arbeitsplatz 150 bis 200 km entfernten Stadt mit 15.000 bis 20.000 Einwohnern „Generalsekretär“ der BNP mit einer Gesamtanzahl von ca. 20 Parteimitgliedern, war.

Circa eine Woche vor der angesprochenen Anzeige vom XXXX gegen den BF habe es eine Demonstration in XXXX , vor dem XXXX gegeben, an der der BF – nicht „in der Führung“ – teilgenommen habe. Während dieser Veranstaltung hätten „unsere Mitarbeiter“ Sprengmittel angewendet. „Üblicherweise wenden dies nur Mitarbeiter an“. Die Polizei habe jedoch darauf geachtet, wer in der „Führung“ gewesen sei. Sie selbst „hätten es nicht gemacht“. „Tatsächlich sei der Begriff Mitarbeiter falsch, denn es seien sogenannte Mitarbeiter von draußen. Man könne sagen, Terroristen von der Ortschaft. Mitarbeiter selbst haben ja eigens Positionen“.

Zwar seien, so der BF auf eine Frage hinsichtlich der Verantwortung von „Führungspersönlichkeiten einer Partei“, diese Personen auch verantwortlich, aber sie bekämen ja nicht mit, „was Mitarbeiter anstellen würden“. Es ginge nicht bis ganz nach oben. Das, was die Mitarbeiter von draußen anwenden, bekomme man ja nicht mit. Er selbst sei ja Generalsekretär gewesen, und, nachgefragt von Rechtsvertreter des BF, hätte er selbstverständlich versucht den Bombenanschlag zu verhindern.

Hinsichtlich des aktuellen Länderberichtes gab der BF keine Stellungnahme ab. Im Rahmen der Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass die Corona-Pandemie weltweit ca. 3,58 Mio Menschen erfasst habe, davon 1,16 Mio mittlerweile wieder genesen und 251.000 Todesfälle zu beklagen seien. In Bangladesch – mit über 161 Mio Bevölkerung - habe die Pandemie bis zum 04.05.2020 10.143 Menschen erfasst, und seien 181 Personen verstorben. In Österreich – über 8 Mio Einwohner - seien bis zu diesem Zeitpunkt knapp 15.600 Personen erkrankt und an die 600 Menschen gestorben.

Auf die Frage, ob es sonst noch Anzeigen gegen den BF gäbe, antwortete dieser mit „Nein“. Auf die Frage, „Gibt es sonst noch politische Verfolgung gegen Sie“? antwortete der BF mit einem klaren „Nein“.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in Erstbefragung AS 7 sowie bei Einvernahme vor dem BFA AS 81).

Der BF ist im Ort XXXX geboren (AS 7; 81). Zuletzt hat er in XXXX gewohnt (AS 11, AS 83, BVwG). Er hat in seinem Heimatland für zehn Jahre die Grundschule besucht, zwei Jahre AHS und hat den Universitätsabschluss „Master of Business Administration“ gemacht und vor seiner Ausreise aus Bangladesch zuvor bei einer Bank (BVwG), danach im Textilhandel gearbeitet (AS 82 und BVwG).

Der BF ist seit 2008 verheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn (AS 7 ff.; AS 82, BVwG). Seine Frau hält sich in XXXX , wohnhaft angrenzend zum Schwiegervater des BF, auf (AS 82, BVwG). Weiters halten sich drei Schwestern des BF in Bangladesch auf (AS 11). Zwischen dem BF und seiner Familie besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt.

Der BF ist im November 2015 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er ist in die Grundversorgung einbezogen bzw. bemüht er sich seit Dezember 2019 um ein eigenes Gewerbe (Hausreinigung). In Österreich ist der BF bemüht, sein Deutsch zu verbessern. Er würde gerne ein Diplom in Gesundheits- und Krankenpflege machen. In Österreich geht der BF aktuell einer gewerblichen Beschäftigung nach und erwartet monatlich ein Nettoeinkommen von € 1.200 bis 1.300,- (BVwG).

In Österreich ist der BF Mitglied der XXXX , der XXXX und des XXXX (AS 145). Er engagierte sich während seines bisherigen Aufenthaltes nicht ehrenamtlich.

Der BF ist seit 22.02.2020 Mitglied der XXXX .

Eine Schwägerin des BF, eine Schwester seiner Frau, ist verheiratet mit einem Bengalen; beide besitzen mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft. Der BF lebt mit dieser Familie. Es besteht aber weder eine Lebensgemeinschaft des BF in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des BF (AS 145, BVwG).

In Österreich hat der BF das ÖSD-Zertifikat B2 erworben (AS 241). Der BF verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse und kann sich verständlich ausdrücken. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF leidet an einer Schilddrüsenerkrankung, derentwegen er einmal täglich eine Tablette Novothyral einnimmt (AS 187 ff; BVwG); eine lebensbedrohliche Erkrankung wird nicht geltend gemacht.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet, seit 2011 Mitglied und zugleich Generalsekretär der BNP zu sein.

Allerdings habe der BF, nach seinen Aussagen, bereits drei, zwei oder ein Jahr vorher begonnen, für die Partei zu arbeiten.

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet, in einer von seinem Wohnort 150 bis 200 km entfernten Stadt XXXX mit 15.000 bis 20.000 Einwohnern „Generalsekretär“ der BNP mit einer Gesamtanzahl von ca. 20 Parteimitgliedern, gewesen zu sein; dies allerdings nur für ca. zwei Jahre, weil er dann Bangladesch verließ.

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet, in der Stadt XXXX Generalsekretär gewesen zu sein, aber dort nie an einer Demonstration teilgenommen zu haben. Gleichzeitig führt der BF aus, dass er an einer Demonstration in XXXX teilgenommen habe, wenn auch nicht in führender Funktion (andere Aussage vor dem BFA: Der BF habe mit dem Vorgesetzten die Parteimitglieder telefonisch einberufen; AS 147).

Auf Grund der Schilderung des Vorfalles in XXXX wäre der BF nach seinen Angaben zwar (unterschiedlich: nicht) verantwortlich für die Demonstration gewesen, hätte aber jedenfalls aktiv mitgemacht; bei dieser Demonstration, an der ca 20 Personen teilgenommen hätten (AS 147), seien Sprengmittel in Anwendung gebracht worden. Die Polizeistation in XXXX habe den BF in der daraufhin folgenden Anzeige zu diesen Vorfällen (Verstoß gegen das Sprengmittelgesetz sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt) als Nr 9 gereiht.

Der BF führte vor dem BVwG aus, an dieser Demonstration, bei der Sprengmittel und Widerstand gegen die Staatsgewalt erhoben wurde, teilgenommen zu haben.

Der BF führte ebenso aus, dass er die Anwendung von Sprengmittel verhindert hätte, weil verantwortliche Politiker dies machen würden.

Der BF hat keinen Anwalt zu seiner Verteidigung wegen der Anzeige kontaktiert, sondern hat das Land verlassen.

Sonstige Anzeigen oder eine sonstige politische Verfolgung sei nach Aussagen des BF nicht gegeben.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

1.       Politische Lage

Letzte Änderung: 06.04.2020

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 6.4.2020

?        bdnews24 (20.6.2019): Turnout in Upazila polls drops 50% from general elections, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/06/20/turnout-in-upazila-polls-drops-50-from-general-elections, Zugriff 6.4.2020

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

?        CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

?        DS – Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 6.4.2020

?        DS – Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse . Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

?        Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

?        PA – Prothom Alo (8.9.2019): BNP to join upazila polls: Fakhrul, https://en.prothomalo.com/bangladesh/news/201499/BNP-to-join-upazila-polls-Fakhrul, Zugriff 6.4.2020

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

?        HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

?        WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

2.       Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.04.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (22.3.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 2.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

?        AA - Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019):

Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

?        Kaipel, Simione Christina (2018): „Globaler Wandel – regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse“, Masterarbeit, Seite 41 – 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,

Number of Terrorism Related Incidents Year Wise 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020

?        SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,

Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

3.       Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 06.04.2020

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

4.      

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten