TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/29 W276 2214988-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W276 2214988-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Gert WALLISCH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX . XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer („BF“) reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.01.2016 in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.01.2016 gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er ein einfacher Hirte und ständig unterwegs gewesen sei. Die Taliban hätten ihn und seine Familie der Spionage verdächtigt. Die Taliban hätten seinen Bruder auch für einen Spion gehalten und ihn getötet. Er sei immer nur mit seinen Tieren unterwegs gewesen und habe mit Politik und Spionage nichts zu tun gehabt. Die Taliban hätten ihn einmal mitgenommen und gefoltert. Dann hätten sie ihn auf freien Fuß gesetzt. Anschließend hätten sie ihn mit dem Umbringen bedroht. Er habe sein Land auf keinen Fall verlassen wollen. Er habe ein schönes Leben dort gehabt und durch die Viehzucht und den Viehhandel auch gut verdient, aber die Taliban hätten ihn töten wollen. Als sie ihn wieder bedroht hätten, habe er sein Haus und seine Kühe verkauft. Seine Frau und seine Kinder seien bei seinen Eltern untergebracht. Sie seien wahrscheinlich nicht in Sicherheit. Der BF mache sich große Sorgen.

I.3. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich („BFA“) am 06.03.2018 gab der BF an, dass er der Volksgruppe der Paschtunen angehöre und sunnitischer Moslem sei.

Er sei in der Provinz XXXX , in XXXX geboren. Er habe sieben Jahre lang die Koranschule besucht und könne lesen und schreiben. Er habe als Hirte und Bauer gearbeitet. Zuletzt habe er einen Laden besessen in dem er gebrauchte Schuhe verkauft habe. Er habe vor ca. zwölf Jahren geheiratet und habe fünf Kinder. Seine Ehefrau, seine Kinder, seine Mütter und drei seiner Brüder hielten sich in Pakistan auf. Die Familie seines ältesten Bruders und fünf Onkel mütterlicherseits lebten noch in XXXX . Sein Haus und die Grundstücke habe der BF verkauft. Seine Familie in Pakistan habe drei Kühe, davon lebten sie. Er stehe einmal oder zweimal im Monat mit seiner Frau in telefonischem Kontakt. Die Familie seines Bruders in XXXX werde von dem Bruder der Frau versorgt. Er habe über Facebook mit ca. 17 oder 18 Personen bzw. Verwandten Kontakt, die meisten wohnten in XXXX .

Zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates gab er an,

dass die Taliban seinen Bruder umgebracht hätten. Sie hätten Informationen gewollt, wann und wo sich die nationalen Soldaten in XXXX bewegten. Diesem Verlangen sei sein Bruder nicht nachgekommen, weswegen dieser umgebracht worden sei. Zuerst habe sein Bruder einen Drohbrief mit Anweisungen bekommen, was er machen müsse und zwei Tage später sei dieser entführt worden. Sein Bruder sei fünfzehn Tage eingesperrt gewesen bis man seine Leiche auf einer bekannten Straße gefunden habe. Zwei Monate nachdem der BF angefangen habe, im Zentrum von XXXX zu arbeiten, hätten die Taliban ihn mitgenommen. Er habe in diesen zwei Monaten sehr viele Drohanrufe von den Taliban bekommen, auf die er nicht reagiert habe. Zehn Tage sei er eingesperrt gewesen. Er sei während dieser Zeit nicht ganz bei Bewusstsein gewesen. Sie hätten ihn oft geschlagen. In der letzten Nacht des zehnten Tages hätten amerikanische Soldaten auf den Unterschlupf zugegriffen. Der BF sei dann am Stützpunkt der amerikanischen Soldaten aufgewacht. Sie hätten ihn darüber informiert, was passiert sei und er habe ihnen berichtet, was ihm wiederfahren sei. Er sei schwer verletzt gewesen und habe einige Knochenbrüche gehabt. Nach vierzig Tagen hätten sie den BF ins Zentrum ins Krankenhaus gebracht, wo er eine Nacht verbracht habe. Während des Krankenhausaufenthaltes habe er zu Hause angerufen. Seine Frau habe ihn gewarnt nicht nach Hause zu kommen, da die nationalen Soldaten dort nach ihm gesucht hätten. Der BF sei dann am nächsten Tag nach Hause gegangen, ohne dass es jemand bemerkt habe. Die Nacht habe er zu Hause verbracht. In der Früh habe er den Drohbrief der Taliban im Vorzimmer gefunden, in dem gestanden sei, dass er ein Spion der amerikanischen Soldaten sei und sie ihn nicht am Leben lassen würden, weil viele ihrer Leute durch die Taliban ums Leben gekommen seien. Kurz danach seien die nationalen Soldaten vor der Tür gestanden, sein Sohn habe die Tür aufgemacht, während sich der BF in einem Zimmer versteckt habe. Sie hätten wieder nach ihm gefragt und seiner Familie Angst gemacht, indem sie auf das Haus geschossen hätten. Seine Frau habe zu den Soldaten gesagt, dass sie ihr einen Tag Zeit geben sollten, damit sie ihn bekommen, weil er noch nicht zu Hause gewesen sei. Die Soldaten hätten damit gedroht, dass sie seine Familie mitnehmen würden, wenn er am nächsten Tag nicht dort sei. Sie hätten gedacht, dass er ein Spion der Taliban sei. Nachdem die Soldaten weg gewesen seien, habe der BF das Haus, das Grundstück und die Tiere verkauft. Er habe das nötigste mitgenommen und sei ins Zentrum zum Bruder seiner Frau geflüchtet. Von dort sei er dann ausgereist.

I.4. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 06.03.2018 wurde dem BF das eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 30.03.2018 zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Er erklärte, dass seine Krankheit noch nicht ausgeheilt sei und er Schafstörungen und Alpträume habe. Außerdem legte er ein Schreiben der Distriktbehörde in XXXX vor, in dem bestätigt werde, dass sein fünfzehnjähriger Bruder vor ca. drei Monaten von den Taliban getötet worden sei und der BF Probleme mit den Taliban gehabt habe. Sein Cousin mütterlicherseits, der ihm dieses Schreiben organisiert habe, lebe in einem Dorf im Herkunftsdistrikt des BF, sowie die Familie seines Bruders, seine fünf Onkel mütterlicherseits und die Familie seiner Frau. Sein Schwager wohne in der Stadt XXXX .

I.5. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen festgelegt (Spruchpunkt VI).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass nicht festgestellt werden könne, dass er in seinem Herkunftsstaat einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder ist. Das Ermittlungsverfahren habe auch keine Gründe ergeben, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz gem. § 8 AsylG 2005 führen könnten.

I.6. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Beschwerde. Der BF sei einer Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und Verfolgung aus politischen/religiösen Gründen ausgesetzt. Er sei der Gefahr ausgesetzt, von den Taliban ermordet zu werden und sei massiven konkret gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlung ausgesetzt gewesen, hinsichtlich derer die afghanischen Behörden weder schutzfähig noch schutzwillig seien.

I.7. Am 19.12.2019 wurden Integrationsunterlagen des BF an das BVwG übermittelt.

I.8. Am 27.05.2020 fand vor dem BVwG eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des BF und seiner Rechtsvertretung statt. Die belangte Behörde verzichtete auf die Durchführung und die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Auf die Verlesung des gesamten Akteninhalts sowie Akteneinsicht wurde verzichtet. Der BF legte weitere Bescheinigungsmittel und ärztliche Befunde vor und verwies im Übrigen auf die bereits im bisherigen Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel. Von dem erkennenden Richter wurden Länderberichte und zahlreiche weitere Länderinformationen in das Verfahren eingebracht (vgl Pkt II.2 dieses Erkenntnisses). Der BF und seine Rechtsvertretung verzichteten auf eine schriftliche Stellungnahme zu den eingebrachten Länderberichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II. 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF führt den im Spruch genannten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Er spricht auch etwas Dari und Deutsch.

Der BF ist im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz XXXX geboren und aufgewachsen. Er hat sieben Jahre lang eine Koranschule besucht. Er hat einen Schuhhandel betrieben und war auch als Viehzüchter bzw. Viehhändler tätig. Er besaß vor seiner Ausreise ein Eigentumshaus, mehrere Grundstücke und mehrere hundert Kühe und Schafe. Im Haus des BF haben, neben seiner Kernfamilie, noch sein älterer Bruder und dessen Familie sowie seine drei jüngeren Brüder gewohnt. Er hat durch den Verkauf seiner Besitztümer einen Erlös von 8.000.000, -- Afghani lukriert, wovon eine Hälfte an seine Ehefrau ging und die andere Hälfte an die Ehefrau seines verstorbenen Bruders. Die Schlepperkosten des BF wurden auch aus einem Teil dieses Verkaufserlöses finanziert.

Die Ehefrau und die Kinder des BF haben nach seiner Ausreise bis zur Geburt der jüngsten Tochter noch fünf Monate bei seinem Schwager in der Stadt XXXX gewohnt. Seine Tochter ist im Haus seines Onkels in der Stadt XXXX geboren. Im Anschluss an ihre Geburt ist seine Kernfamilie nach Pakistan gezogen, wo sie zusammen mit seine Mutter wohnen. Der BF unterstützt seine Familie von Österreich aus nicht finanziell. Seine zwei jüngeren Brüder und zwei Onkel väterlicherseits leben auch in Pakistan. Seine fünf Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits, sein Schwager und die Familie seines älteren Bruders leben in XXXX . Er steht in regelmäßigem telefonischem Kontakt zu einer Ehefrau. Er steht auch zu seinen Verwandten in Afghanistan über Facebook in Kontakt.

II.1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

II.1.2.1. Der BF war oder wäre zukünftig, aufgrund einer ihm unterstellten Spionagetätigkeit, keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban oder Soldaten der afghanischen Nationalarmee ausgesetzt.

Sein älterer Bruder und einer seiner jüngeren Brüder wurden nicht aufgrund einer konkreten und individuellen Bedrohung durch die Taliban getötet.

Dem BF drohen im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung individuell und konkret weder Eingriffe in seine körperliche Integrität noch Lebensgefahr durch Mitglieder der Taliban, Soldaten der afghanischen Nationalarmee oder durch andere Personen.

Der BF wäre konkret auf Grund der Tatsache, dass er sich in Europa bzw. im Westen aufgehalten hat, in Afghanistan keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt. Es wäre auch nicht jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa bzw. dem Westen nach Afghanistan kommt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt.

II.1.3. Zur Situation des BF in Österreich:

Der BF befindet sich spätestens seit 07.01.2016 durchgehend im Bundesgebiet und ist illegal eingereist. Er stellte am 21.01.2016 den Antrag auf internationalen Schutz. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er wurde mit Urteil des LG XXXX vom 14.03.2017 vom Vorwurf des Vergehens der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs. 3 2. Satz StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Das Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen § 125 StGB wurde ebenso eingestellt.

Der BF befindet sich seit Oktober 2016 aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung in unregelmäßigen Zeitabständen in medikamentöser Behandlung. Zuletzt wurde bei ihm eine Anpassungsstörung mit Depression und Störungen von anderen Gefühlen diagnostiziert. Er nimmt die ihm verschriebenen Medikamente Sertalin, Aripiprazol und Dominal. Er steht nicht in regelmäßiger Behandlung eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin. Unter Medikamenteneinnahme geht es dem BF geht. Er ist nicht suizidal.

Außerdem wurden beim BF unspezifische Brustschmerzen und Nikotinabusus diagnostiziert. Seine eingeschränkte Leistungsbreite in der Ergometrie ist auf Trainingsmangel zurückzuführen. Die weitere kardiale Abklärung war unauffällig. Es wurde eine Nikotinkarenz empfohlen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF an schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet. Der Gesundheitszustand des BF steht seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen.

Er bezieht Leistungen für die Unterbringung, die Krankenversicherung und das Taschengeld aus der Grundversorgung. Er hat seit 08.03.2019 ein Gewerbe „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Handelsagent“ angemeldet. Er importiert Reis aus Pakistan und exportiert Schuhe nach Pakistan. Dem BF wurde zwecks einer Überprüfung der Hilfsbedürftigkeit vom Amt der OÖ. Landesregierung aufgetragen bis 15.06.2020 alle Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen ab Dezember 2019 nachzureichen. Am 13.07.3030 wurde ein weiterer Termin bezüglich der Überprüfung der Hilfsbedürftigkeit des BF vereinbart. Er ist derzeit nicht selbsterhaltungsfähig.

Der BF hat Deutschkurse bis zum Sprachniveau B1 Teil 1 besucht. Er hat die Prüfung A1-Fit für Österreich des ÖIF und die Integrationsprüfungen des ÖIF für das Sprachniveau A2 bestanden. Er spricht einigermaßen Deutsch.

Er hat Hilfstätigkeiten im Bereich der Ortsbildpflege und der allgemeinen Bauhoftätigkeiten im Rahmen der gemeinnützigen Beschäftigung seiner jeweiligen Wohnsitzgemeinde absolviert und dafür jeweils einen Anerkennungsbeitrag erhalten. Er war im Rahmen eines Wohnprojektes für Asylwerber in seiner früheren Unterkunft im Ausmaß von 120 Stunden ehrenamtlich als Koch tätig. Er hat an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen.

In seiner Freizeit geht er Laufen und ins Kino. Er ist kein Mitglied in einem Verein und geht, außer Kinobesuchen, keinen kulturellen Aktivitäten nach. Er hat Kontakt zu Kunden seines Unternehmens, sonstige freundschaftliche Kontakte zu Österreichern führte er nicht konkret ins Treffen.

Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich.

II.1.4. Zur Situation im Fall der Rückkehr nach Afghanistan:

Dem BF würde bei einer Überstellung nach Afghanistan in die Provinz XXXX ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK drohen.

Ihm steht jedoch eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat zur Verfügung. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen, kann aber auch Unterstützung seitens seiner Familienangehörigen erwarten sowie Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen. Es ist dem BF möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie, aufgrund des Corona-Virus, ist festzuhalten, dass der BF aktuell XXXX Jahre alt und soweit gesund ist bzw. keine relevanten Vorerkrankungen aufweist, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt (s. Pkt. II.1.5.3.). Ein bei einer Überstellung des BF nach Afghanistan vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist hierzu nicht erkennbar.

II.1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

II.1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 18.05.2020:

Allgemeine Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil, nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (LIB 13.11.2019, S. 18). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (LIB 13.11.2019, S. 18-19).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten. Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, S. 19). Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (LIB 13.11.2019, S. 23)

Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September – im Gegensatz zu 2019 – von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (LIB 13.11.2019, S. 24).

Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen. Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 1.12.2018 und 15.5.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, S. 25).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, S. 26).

Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel (LIB 13.11.2019, S. 26).

Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, S. 27).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, S. 27).

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (LIB 13.11.2019, S. 27). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern. Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen (LIB 13.11.2019, S. 28).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (LIB 13.11.2019, S. 29).

Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, S. 29).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul – beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige „Ring Road“, die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren „high-profile“-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. „Sicherheitslage (allgemeiner Teil)“ entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen. Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen „Zarghun Belt“ (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur „Green Zone“ - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle „Green Zone“; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt – alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani- Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal („terrorists to hire“), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte – fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe – noch – auf keine größere Veränderung hinsichtlich des „Modus Operandi“ der Taliban an (AAN 5.2.2018).
Für den Zeitraum 1.1.2017 – 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan. Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 61).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (LIB 13.11.2019, S. 61).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum. Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen. Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (LIB 13.11.2019, S. 61).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (LIB 13.11.2019, S. 61).

Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen. In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete. Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert. Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet. Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (LIB 13.11.2019, S. 62).

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (LIB 13.11.2019, S. 63).

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert. Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (LIB 13.11.2019, S. 63).

Herat

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden. Herat ist in 16 Distrikte unterteilt. Zudem bestehen vier weitere „temporäre“ Distrikte. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt. Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (LIB 13.11.2019, S. 105).

Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden. Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (LIB 13.11.2019, S. 107).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden. Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (LIB 13.11.2019, S. 106).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (LIB 13.11.2019, S. 106).

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als „sehr sicher“ gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (LIB 13.11.2019, S. 106).

Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (LIB 13.11.2019, S. 106).

Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (LIB 13.11.2019, S. 106-107). 2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (LIB 13.11.2019, S. 107).

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 108).

In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen. Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, S. 108). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften. Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LIB 13.11.2019, S. 109). Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (LIB 13.11.2019, S. 109).

Kandahar

Die Provinz Kandahar liegt im Süden Afghanistans und grenzt im Norden an Uruzgan und Zabul, im Westen an Helmand (UNOCHA 4.2014) und im gesamten Süden und Osten teilt sich Kandahar eine lange Grenze mit Pakistan (AAN 12.8.2019; vgl. UNOCHA 4.2014). Kandahar ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Arghandab, Arghistan, Daman, Ghorak, die Provinzhauptstadt Kandahar, Khakrez, Maruf, Maiwand, Miyanishin, Nesh, Panjwayee, Reg (Shiga), Shah Wali Kot, Shorabak, Spin Boldak und Zhire (CSO 2019; vgl. IEC 2018) sowie die „temporären“ Distrikte Dand und Takhta Pul (CSO 2019; vgl. IEC 2018; AAN 16.8.2018). Temporäre Distrikte sind Verwaltungseinheiten, die nach Inkrafttreten der Verfassung 2004 vom Präsidenten aus Sicherheits- oder anderen Gründen genehmigt, aber noch nicht vom Parlament beschlossen wurden (AAN 16.8.2018).

Nach Schätzungen der afghanischen zentralen Statistikorganisation (CSO) beträgt die Bevölkerung von Kandahar für den Zeitraum 2019-20 1.368.036, davon 614.254 Personen in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Paschtunen sind die mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe Kandahars. Zudem gibt es kleinere Gruppen von Belutschen, Hazara und Tadschiken sowie anderen Ethnien, die normalerweise als Farsiwan, d.h. Farsi/Dari-Sprecher bezeichnet werden (AAN 12.8.2019; vgl. NPS o.D.).

Die Ring Road verbindet die Provinzhauptstadt Kandahar mit den großen Ballungszentren Herat und Kabul. Eine nordwärts führende Straße in Richtung Uruzgan teilt sich in Kandahar-Stadt. Auf dem Weg nach Süden verbindet eine Straße die Stadt Kandahar mit dem afghanisch-pakistanischen Grenzübergang Spin Boldak-Chaman (iMMAP 19.9.2017; vgl. TD 5.12.2017), einem der bedeutsamsten Grenzübergänge Afghanistans (AAN 12.8.2019). Spin Boldak und Chaman sollen wichtige Schmugglerzentren sein (AAN 12.8.2019). In der Vergangenheit wurde von sicherheitsrelevanten Vorfällen auf der Autobahn zwischen Sheberghan und Mazar-e Sharif berichtet. Reisende gerieten demnach ins Kreuzfeuer, als Sicherheitskräfte und Taliban-Aufständische auf der Autobahn in den Distrikten Aqchah in Jawzjan und Char Buluk in Balkh zusammenstießen (PAJ 18.11.2018). In Kandahar-Stadt gibt es einen Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Im Jahr 2016 wurde das Pipeline-Projekt Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien (TAPI) eingeweiht (TN 24.2.2018), das darauf abzielt, Gas von Turkmenistan nach Indien zu transportieren (TN 17.6.2019; vgl. MENAFN 13.4.2019; TN 24.2.2018). Die Pipeline soll durch Afghanistan entlang der Ring Road von Herat nach Kandahar führen (TN 24.2.2018) und auch Afghanistan mit turkmenischem Gas versorgen. Zudem wurde von der afghanischen und turkmenischen Regierung unter anderem eine Absichtserklärung zu Stromlieferungen an Afghanistan unterzeichnet. Neben Herat und Farah soll dabei auch in Kandahar ein Umspannwerk entstehen (TN 17.6.2019; vgl. MENAFN 13.4.2019).

Laut dem UNODC Opium Survey 2018 war Kandahar nach dem benachbarten Helmand im Jahr 2018 das zweitgrößte Schlafmohnanbaugebiet Afghanistans. Im Vergleich zu 2017 ist die Größe der Anbaufläche in Kandahar 2018 um 16% gesunken. Die wichtigsten Anbaugebiete von Schlafmohn sind Berichten zufolge die Distrikte Maiwand, Zhire, Nesh, Spin Boldak und Panjwayee (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Kandahar ist angeblich der „Geburtsort“ der Taliban und hat daher symbolische Bedeutung für die Gruppe (ISW o.D.; vgl. AAN 12.8.2019; EC 18.5.2019). Während der Talibanherrschaft 1996-2001 lag der Sitz der Taliban in Kandahar (AAN 12.8.2019; vgl. AJ 18.7.2019) und nach ihrem Sturz im Jahr 2001 war Kandahar jener Ort, in dem sich die Taliban neu gruppierten und begannen, die NATO-Truppen zu bekämpfen (EC 18.5.2019; vgl. AJ 18.7.2019). Darüber hinaus kommt Kandahar aufgrund seiner geographischen Lage an der Grenze zur pakistanischen Provinz Belutschistan, die als sicherer Hafen der Taliban gilt und als wichtiges Rekrutierungszentrum dient sowie der Rolle des Schlafmohnanbaus in der Provinz strategische Bedeutung zu (LWJ 19.10.2017; vgl. REU 22.5.2018).

Der mächtige Polizeichef und starke Mann General Abdul Razeq, der die Taliban ab 2011 aus Kandahar-Stadt sowie Zentral- und Westkandahar vertrieben und für relative Stabilität im Süden Afghanistans gesorgt hat, wurde im Oktober 2018 ermordet (AAN 12.8.2019). Die Parlamentswahl, die kurze Zeit später stattfinden hätte sollen, wurde in Kandahar daher um eine Woche verschoben (AAN 26.10.2018; vgl. UNGASC 28.2.2019). Befürchtungen, dass das von Razeq errichtete Sicherheitsregime nach seinem Tod zugunsten der Taliban zusammenbrechen würde, bewahrheiteten sich bislang nicht – jedoch soll es zu vermehrten Kämpfen gekommen sein (AAN 12.8.2019). Unter Razeqs Nachfolger (und Bruder) Tadin Khan kontrollieren die Regierungskräfte mit Stand August 2019 Zentralkandahar, während die Taliban in entlegeneren Distrikten Zugewinne gemacht haben (AAN 14.8.2019).

Führer und Mentoren von Al-Qaida sind unter anderem in Kandahar aktiv, wobei ihre Gesamtanzahl in Afghanistan auf rund 240 Personen geschätzt wird, wovon sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul aufhalten (UNSC 13.6.2019).

Aufseiten der Regierungskräfte untersteht Kandahar der Verantwortung des 205. ANA Corps (USDOD 6.2019; vgl. NATO 16.7.2018) das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - South (TAAC-S) untersteht, welche von US-amerikanischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 537 zivile Opfer (204 Tote und 333 Verletzte) in Kandahar. Dies entspricht einer Abnahme von 25% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierte Sprengkörper (IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und Suchoperationen (UNAMA 24.2.2019).

Die Sicherheitslage in der Provinz Kandahar hat sich, Informationen im August 2019 zufolge, in den letzten Monaten verschlechtert (KP 17.8.2019; vgl. AAN 12.8.2019). Die Taliban sind in manchen Distrikten aktiv und führten oft terroristische Aktivitäten durch, während die Regierungskräfte regelmäßig Operationen gegen die bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppierungen vornehmen (KP 17.8.2019). Die afghanischen Sicherheitskräfte führen mit Unterstützung ausländischer Streitkräfte 2018 und 2019 regelmäßig Operationen in Kandahar durch (z.B. KP 17.6.2019; vgl. BAMF 17.6.2019; KP 6.7.2019; KP 20.5.2019; KP 28.1.2019; KP 22.1.2019; PAJ 19.1.2019; PAJ 4.1.2019; RFE/RL 5.10.2018). Auch kommt es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Aufständischen der Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften (KP 18.7.2019; vgl. KP 16.6.2019, PAJ 5.1.2019) sowie Angriffe auf Kontrollposten der afghanischen Sicherheitskräfte (RFE/RL 9.4.2019; PAJ 30.3.2019, AN 2.1.2019, ARN 17.7.2018).

Erreichbarkeit von Städten in Afghanistan:

Beachtenswert ist die Vollendung der „Ring Road“, welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (LIB 13.11.2019, S. 229). Die Ring Road, auch bekannt als Highway One, ist eine Straße, die das Landesinnere ringförmig umgibt. Die afghanische Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts. Sie verbindet außerdem Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 230-231).

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt. Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul – Herat und Kabul – Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan Airlines angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (LIB 13.11.2019, S. 236).

Der Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ist ein internationaler Flughafen. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. Mehrere internationale Airlines fliegen nach Kabu- (LIB 13.11.2019, S. 237).

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet. Folgende internationale Airline fliegt nach Maza-e Sharif: Turkish Airlines aus Istanbul. Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kabul und Maimana (LIB 13.11.2019, S. 237).

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet. Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen nach Kabul, Farah und Chighcheran (LIB 13.11.2019, S. 238).

Religionsfreiheit:

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt. Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus; in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist. Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie. Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (LIB 13.11.2019, S. 277).

Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen. Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist, sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (LIB 13.11.2019, S. 277).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung. Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung. Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen. Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (LIB 13.11.2019, S. 278).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 35 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht. Schätzungen zufolge, sind: 40 bis 42% Pashtunen, 27 bis 30% Tadschiken, 9 bis 10% Hazara, 9% Usbeken, ca. 4% Aimaken, 3% Turkmenen und 2% Belutschen (LIB 13.11.2019, S. 287).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 287-288).

Paschtunen

Ethnische Paschtunen sind mit ca. 40% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sind sind sunnitische Muslime (MRG o.D.a). Die Paschtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments – jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 13.3.2019). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (BI 29.9.2017).

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA 7.2016).

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden (BFA 7.2016; vgl. NYT 10.6.2019) und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA 7.2016).

Die Taliban sind eine vorwiegend paschtunische Bewegung (BBC 26.5.2016; vgl. RFE/RL 13.11.2018, EASO 9.2016, AAN 4.2011), werden aber nicht als nationalistische Bewegung gesehen (EASO 9.2016). Die Taliban rekrutieren auch aus anderen ethnischen Gruppen (RFE/RL 13.11.2018; vgl. AAN 4.2011, EASO 9.2016). Die Unterstützung der Taliban durch paschtunische Stämme ist oftmals in der Marginalisierung einzelner Stämme durch die Regierung und im Konkurrenzverhalten oder der Rivalität zwischen unterschiedlichen Stämmen begründet (EASO 9.2016).

Grundversorgung und Wirtschaft:

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt (AA 2.9.2019; AF 2018). Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belegte Afghanistan 2018 lediglich Platz 168 von 189 des Human Development Index. Die Armutsrate hat sich laut Weltbank von 38% (2011) auf 55% (2016) verschlechtert. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte gibt es vielerorts nur unzureichende Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport (AA 2.9.2019).

Die afghanische Wirtschaft ist stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Das Budget zur Entwicklungshilfe und Teile des operativen Budgets stammen aus internationalen Hilfsgeldern (AF 2018; vgl. WB 7.2019). Jedoch konnte die afghanische Regierung seit der Fiskalkrise des Jahres 2014 ihre Einnahmen deutlich steigern (USIP 15.8.2019; vgl. WB 7.2019).

Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt (ILO 5.2012; vgl. ACCORD 7.12.2018). Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (FAO 2018; vgl. Haider/Kumar 2018), wobei der landwirtschaftliche Sektor gemäß Prognosen der Weltbank im Jahr 2019 einen Anteil von 18,7% am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat (Industrie: 24,1%, tertiärer Sektor: 53,1%; WB 7.2019). Das BIP Afghanistans betrug im Jahr 2018 19,36 Mrd. US-Dollar (WB o.D.). Die Inflation lag im Jahr 2018 durchschnittlich bei 0,6% und wird für 2019 auf 3,1% prognostiziert (WB 7.2019).

Afghanistan erlebte von 2007 bis 2012 ein beispielloses Wirtschaftswachstum. Während die Gewinne dieses Wachstums stark konzentriert waren, kam es in diesem Zeitraum zu Fortschritten in den Bereichen Gesundheit und Bildung. Seit 2014 verzeichnet die afghanische Wirtschaft ein langsames Wachstum (im Zeitraum 2014-2017 durchschnittlich 2,3%, 2003-2013: 9%) was mit dem Rückzug der internationalen Sicherheitskräfte, der damit einhergehenden Kürzung der internationalen Zuschüsse und einer sich verschlechternden Sicherheitslage in Verbindung gebracht wird (WB 8.2018). Im Jahr 2018 betrug die Wachstumsrate 1,8%. Das langsame Wachstum wird auf zwei Faktoren zurückgeführt: einerseits hatte die schwere Dürre im Jahr 2018 negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft, andererseits verringerte sich das Vertrauen der Unternehmer und Investoren. Es wird erwartet, dass sich das Real-BIP in der ersten Hälfte des Jahres 2019 vor allem aufgrund der sich entspannenden Situation hinsichtlich der Dürre und einer sich verbessernden landwirtschaftlichen Produktion erhöht (WB 7.2019).

Arbeitsmarkt

Schätzungen zufolge sind 44% der Bevölkerung unter 15 Jahren und 54% zwischen 15 und 64 Jahren alt (ILO 2.4.2018). Am Arbeitsmarkt müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA 4.2018). Somit treten jedes Jahr sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können (WB 8.2018). In Anbetracht von fehlendem Wirtschaftswachstum und eingeschränktem Budget für öffentliche Ausgaben, stellt dies eine gewaltige Herausforderung dar. Letzten Schätzungen zufolge sind 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos – Frauen und Jugendliche haben am meisten mit dieser Jobkrise zu kämpfen. Jugendarbeitslosigkeit ist ein komplexes Phänomen mit starken Unterschieden im städtischen und ländlichen Bereich. Schätzungen zufolge sind 877.000 Jugendliche arbeitslos; zwei Drittel von ihnen sind junge Männer (ca. 500.000) (BFA 4.2018; vgl. CSO 2018).

Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Es gibt einen großen Anteil an Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen, was auf das hohe Maß an Informalität des Arbeitsmarktes hinweist, welches mit der Bedeutung des Agrarsektors in der Wirtschaft einhergeht (CSO 8.6.2017). Im Rahmen einer Befragung an 15.012 Personen, gaben rund 36% der befragten Erwerbstätigen gaben an, in der Landwirtschaft tätig zu sein (AF 2018).

Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Eine Quelle betont jedoch die Wichtigkeit von Netzwerken, ohne die es nicht möglich sei, einen Job zu finden. (BFA 4.2018). Bei Ausschreibung einer Stelle in einem Unternehmen gibt es in der Regel eine sehr hohe Anzahl an Bewerbungen und durch persönliche Kontakte und Empfehlungen wird mitunter Einfluss und Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt (BFA 13.6.2019). Eine im Jahr 2012 von der ILO durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen. Analysen der norwegischen COI-Einheit Landinfo zufolge, gibt es keine Hinweise darüber, dass sich die Situation seit 2012 geändert hätte (BFA 4.2018).

In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Ministerium für Arbeit und Soziale Belange (MoLSAMD) und der NGO ACBAR angeboten; dabei soll der persönliche Lebenslauf zur Beratung mitgebracht werden. Auch Rückkehrende haben dazu Zugang – als Voraussetzung gilt hierfür die afghanische Staatsbürgerschaft. Für das Anmeldeverfahren sind das Ministerium für Arbeit und Soziale Belange und die NGO ACBAR zuständig; Rückkehrende sollten auch hier ihren Lebenslauf an eine der Organisationen weiterleiten, woraufhin sie informiert werden, inwiefern Arbeitsmöglichkeiten zum Bewerbungszeitpunkt zur Verfügung stehen. Unter Leitung des Bildungsministeriums bieten staatliche Schulen und private Berufsschulen Ausbildungen an (BFA 4.2018).

Neben einer mangelnden Arbeitsplatzqualität ist auch die große Anzahl an Personen im wirtschaftlich abhängigen Alter (insbes. Kinder) ein wesentlicher Armutsfaktor (CSO 2018; vgl. Haider/Kumar 2018): Die Notwendigkeit, das Einkommen von Erwerbstätigen mit einer großen Anzahl von Haushaltsmitgliedern zu teilen, führt oft dazu, dass die Armutsgrenze unterschritten wird, selbst wenn Arbeitsplätze eine angemessene Bezahlung bieten würden. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind (CSO 2018).

Wirtschaft und Versorgungslage in den Städten Herat, Kabul und Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (GOIRA 2015).

Herat

Der Einschätzung einer in Afghanistan tätigen internationalen NGO zufolge gehört Herat zu den „bessergestellten“ und „sichereren Provinzen“ Afghanistans und weist historisch im Vergleich mit anderen Teilen des Landes wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf (BFA 13.6.2019). Aufgrund der sehr jungen Bevölkerung ist der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter in Herat – wie auch in anderen afghanischen Städten – vergleichsweise klein. Erwerbstätige müssen also eine große Anzahl an von ihnen abhängigen Personen versorgen. Hinzu kommt, dass die Hälfte der arbeitstätigen Bevölkerung in Herat Tagelöhner sind, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind (USIP 2.4.2015).

Die Herater Wirtschaft bietet seit langem Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019, WB/NSIA 9.2018), wie auch Bergbau und Produktion (EASO 4.2019). Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019). Manche alten Handwerksberufe (Teppichknüpfereien, Glasbläsereien, die Herstellung von Stickereien) haben es geschafft zu überleben, während sich auch bestimmte moderne Industrien entwickelt haben (z.B. Lebensmittelverarbeitung und Verpackung) (EASO 4.2019). Die meisten der in KMUs Beschäftigten sind entweder Tagelöhner oder kleine Unternehmer (GOIRA 2015). Die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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