TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/2 I416 2210121-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2020
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Entscheidungsdatum

02.07.2020

Norm

ASVG §5 Abs2
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs11
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52
IntG §9
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 2210121-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.07.2020, zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I., II. und III. als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV., V. und VI. Folge gegeben und die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig erklärt.

" XXXX wird gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus “ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet ein, und stellte am 12.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 12.11.2015 gab der Beschwerdeführer zu seiner Fluchtroute an, dass er im Juni 2014 mit dem Flugzeug von Kairo nach Istanbul geflogen sei, wo er sich bis ca. Mitte Oktober 2015 aufgehalten habe. Danach sei er über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gereist. Er sei dann von Graz mit dem Zug nach Wien und von dort nach Hamburg, von Hamburg nach Paris, von Paris wieder zurück nach Deutschland und von Deutschland wieder mit dem Zug nach Graz gereist. Nachgefragt führte er dazu aus, dass er von Mazedonien bis Slowenien schlecht behandelt worden sei, auch in Deutschland sei er schlecht behandelt worden, weshalb er wieder nach Österreich zurückgekehrt sei. Zu seinem Fluchtgrund führte er zusammengefasst aus, dass ihn und seine Freunde das ägyptische Militärregime verfolgt habe, dass ein Großteil seiner Freunde verhaftet worden sei, worauf er geflüchtet sei. Zudem sei er durch das autoritäre Militärregime von seiner Fakultät suspendiert worden, da er an Veranstaltungen der Opposition beteiligt gewesen sei. Gefragt, was er bei seiner Rückkehr in seine Heimat befürchte, führte aus, dass er sofort verhaftet werden würde und nicht wisse was mit ihm passieren würde, da ihm vorgeworfen werden würde, dass er ein Mitglied einer Terrororganisation, nämlich der muslimischen Bruderschaft sei, obwohl er kein Mitglied dieser Organisation sei.

3.       Mit E-Mail vom 20. Jänner 2017 wurden im Bundesamt die Kopie eines Reisepasses sowie die Kopie eines ägyptischen Führerscheins und die Kopie einer Geburtsurkunde mit angeschlossener beglaubigter Übersetzung übermittelt.

4.       Mit Schriftsatz vom 17.05.2017 erfolgte eine Vollmachtsbekanntgabe für RA Mag. Michael-Thomas Reichenvater.

5.       Mit 17.01.2018 wurde der Beschwerdeführer von der Grundversorgung abgemeldet, als Grund wurde angegeben, dass der Beschwerdeführer nicht hilfsbedürftig sei.

6.       Mit Schriftsatz vom 13.07.2018 wurden folgende Urkunden in Kopie in Vorlage gebracht: Versicherungsbestätigung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft datiert mit 26.2.2018; Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs datiert mit 17.5.2017; ein österreichischer Führerschein; Honorarnoten von Jänner - Juni 2018; eine Rechnung der Firma Kleintransporte XXXX datiert mit 30.06.2018; eine Strafregisterbescheinigung datiert mit 5.7.2018. Am 16.8.2018 wurden vom Beschwerdeführer folgende weitere Unterlagen persönlich vorgelegt: Ein Bescheid der Universität XXXX vom 23. Jänner 2017 hinsichtlich seines Antrages auf Zulassung zum ordentlichen Studium für die Studienrichtung Betriebswirtschaft, Studienbeginn Sommersemester 2017; Studienbestätigungen für das Sommersemester 2017; ein Stammdatenblatt der Universität XXXX ; eine Studienzeitbestätigung vom 01.03.2017; einen Ausweis für Studierende der Universität XXXX gültig bis 30.4.2018; ein Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria vom 19.1.2018 betreffend einer Gewerbeberechtigung gültig ab 17.1.2018; eine Versicherungsbestätigung der gewerblichen Sozialversicherungsanstalt; diverse Honorarnoten über erbrachte Subleistungen des Beschwerdeführers; zwei Rechnungen der Firma Kleintransporte XXXX ; ein Zeugnis zur Integrationsprüfung A1 vom 19.6.2018; die vollständige Kopie seines Reisepasses;

7.       Am 16.08.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen führte er aus, dass er XXXX heißen würde, am XXXX 1989 in Kuwait geboren und Staatsangehöriger von Ägypten sei. Er gehöre der Volksgruppe der Araber an, und sei muslimischen Glaubens. In Ägypten, habe er sechs Jahre die Volksschule besucht, nach der Mittelschule die Oberstufe und dann drei Jahre die Universität. Nachgefragt, gab er an, dass er an einer Privatuniversität Wirtschaft studiert habe. In Ägypten habe er zusammen mit seinem Vater, seiner Mutter und zwei Schwestern in ihrem Haus gelebt, seine Eltern, zwei seiner Schwestern und sein Bruder würde immer noch an der Heimatadresse leben, sein Vater sei bereits in Pension und die anderen würden arbeiten. Außerhalb seines Heimatlandes, würden noch ein Bruder und eine Schwester in Kuwait City und eine weitere Schwester in Saudi-Arabien leben. Er gab weiters an, dass er regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie in Ägypten habe. Er führte weiters aus, dass er in Ägypten Kleidung an- und verkauft und damit seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Zu seinem Fluchtgrund führte er zusammengefasst aus, dass er nach der Revolution im Bekleidungshandel gearbeitet habe und in der Türkei Kleidung gekauft habe, um sie in Ägypten zu verkaufen. Zu dieser Zeit sei es schwierig gewesen, er habe dann Probleme auf der Universität gehabt, es seien Muslimbrüder festgenommen worden. Die Türkei habe die Muslimbrüder unterstützt und sei er immer wieder gefragt worden - da er ja in die Türkei geflogen und von dort wieder zurückgekommen sei - was er mache und wohin er geflogen sei. Seiner Tätigkeit, sei da es sich um eine „schwarze“ Tätigkeit gehandelt habe ein Riegel vorgeschoben worden, dies sei mit allem passiert, was aus der Türkei kam. Weiters wurde ausgeführt, dass man mit spätestens mit 27 Jahren in Ägypten zum Militär einrücken müsse, er sei 25 Jahre alt gewesen und es hätten ihm noch mehr als zwei Jahre auf der Uni gefehlt. Er gab dazu an, dass selbst wenn man studieren würde man mit 27 einrücken müsse und er das nicht gewollt habe, weil diese Soldaten auch zur Bekämpfung der Terroristen herangezogen würden. Es sei so gewesen, dass er nicht einrücken habe wollen und habe er sich gedacht, dass er in die Türkei gehen würde und sei es relativ einfach gewesen hierher zu kommen. Nachgefragt, ob er persönlich oder konkret bedroht worden sei, gab er wörtlich an: „Nein, es ist nie jemand gekommen mich zu bedrohen.“ Gefragt, was er bei einer etwaigen Rückkehr nach Ägypten befürchten würde, führte der Beschwerdeführer wörtlich aus: „Ich wollte noch etwas Wichtiges hinzufügen. Bei der ersten Einvernahme sagte ich, dass sich politische Probleme hatte, aber das ist so nicht korrekt. Man hat mir gesagt, dass ich das so sagen solle. Die Araber auf dem Weg haben mir das gesagt. Aber das stimmt so nicht.“ Gefragt, ob er persönlich aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung in seinem Heimatland Ägypten von staatlicher Seite verfolgt werde, gab der Beschwerdeführer wörtlich an: „Nein, von der Politik verstehe ich überhaupt nichts.“ Letztlich führte der Beschwerdeführer befragt, warum er von der Türkei weiter nach Europa gereist sei, wörtlich aus: „Ich war da schon lange und mein Traum war es nach Europa zu kommen.“ Die Möglichkeit zu den Feststellungen zur Situation im Heimatland Ägypten eine Stellungnahme abzugeben gab der Beschwerdeführer wörtlich zu Protokoll: „Ich weiß eh wie die Lage in Ägypten ist.“ Zu seinen Lebensumständen im Bundesgebiet, führte er aus, dass er gesund sei und an keinen Krankheiten leiden würde, dass er seit Jänner 2018 keine Unterstützung mehr bekomme, da er arbeiten würde, gefragt welchen Beruf er gerne ausüben würde, sofern ein Österreich bleiben könne, gab der Beschwerdeführer an: „In der Logistik.“

8.       Mit Bescheid vom 19.10.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten „gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten „gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab und wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt (Spruchpunkt III.). „Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung „gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde „gemäß § 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung „gemäß § 46 FPG“ nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für seine freiwillige Ausreise wurde „gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG" mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgestellt (Spruchpunkt VI.).

9.       Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 19.11.2018 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte darin inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass das Ermittlungsverfahren sich als mangelhaft darstelle, da einerseits schon allein die Antragstellung auf internationalen Schutz ausreichen würde, den Beschwerdeführer umgehend bei zwangsweiser Rückkehr in sein Heimatland am Flughafen festzunehmen und zu inhaftierten, zudem habe der Beschwerdeführer sein Land fluchtartig verlassen, da er sich geweigert habe, den Militärdienst in Ägypten abzuleisten und hätte die belangte Behörde ergänzende Ermittlungen darüber anstellen müssen, welchen Sanktionen Wehrdienstverweigerer in Ägypten ausgesetzt seien. Darüberhinaus würde die gegenständliche Entscheidung jedenfalls vehement in das Privatleben des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 MRK eingreifen, da der Beschwerdeführer gerichtlich unbescholten sei, er der deutschen Sprache sowohl in Wort als auch in Schrift mächtig sei und sein weiterer Verbleib in Österreich, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Der Aufenthalt sei als finanziell abgesichert anzusehen und habe der Beschwerdeführer im Verfahren sämtliche Urkunden in Vorlage vorgebracht, die seine soziale Integration dokumentieren würden. Die belangte Behörde habe in Wahrheit überhaupt keine Interessenabwägung vorgenommen und würde die Nichtvornahme einer Interessenabwägung bzw. Berücksichtigung den bestehenden Interessen des Beschwerdeführers nach Art. 8 Abs. 2 EMRK widersprechen. Es werde daher beantragt, eine mündliche Beschwerdebehandlung anzuberaumen, in Stattgebung gegenständlicher Beschwerde den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in der Sache selbst zu entscheiden und dem Antrag auf internationalen Schutz stattzugeben, jedenfalls aber dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten zuzubilligen, anderenfalls dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und sohin von einer Rückkehrentscheidung dauerhaft Abstand zu nehmen und infolgedessen festzustellen, dass seine Abschiebung nach Ägypten unzulässig sei, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

10.      Beschwerde und Bezug habender Bescheid wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2018 vorgelegt.

11.      Mit Schriftsatz vom 14.2.2020 wurden dem Bundesverwaltungsgericht noch folgende Urkunden vorgelegt: Bestätigungen hinsichtlich der erfolgreichen Teilnahme an den Ausbildungsmodulen „Autoaufbereitung Praxiskurs Outside 1, Autoaufbereitung Praxiskurs outside 2, Kommunikation und Kalkulation“ im Rahmen der Ausbildung zum Dipl. Autoaufbereiter; ein Zeugnis zur Integrationsprüfung A2; ein ÖSD Zertifikat Deutsch B1; einen Führerschein ausgestellt von der Landespolizeidirektion XXXX ; einen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria vom 16.9.2019 bezüglich der Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (Kfz Service); einen Einkommensteuerbescheid aus 2018;

Am 01.07.2020 erfolgte In Anwesenheit des Beschwerdeführers im Beisein seines Rechtsvertreters und in Abwesenheit der belangten Behörde eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht. In dessen Verlauf wurden seitens des Beschwerdeführers folgende nachstehende Unterlagen vorgelegt: Bestätigung vom XXXX vom 26.6.2020 über ehrenamtliche Tätigkeiten; Bestätigung über Wohnsitznahme von Jänner bis März 2020 in einem Studentenheim; 17 Empfehlungsschreiben; Fotokopien der Sterbeurkunden der Eltern am Handy; Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen dem Beschwerdeführer und „ XXXX “ Service GmbH vom 29.04.2020; ein Mietvertrag bezüglich einer Garage vom 11.05.2020 zur Ausübung seines Gewerbes;

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ägyptens und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz 2005. Der Beschwerdeführer ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund, ledig, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer hält sich seit zumindest 15.11.2015 im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer hat in Ägypten laut eigenen Angaben die Volkschule, Mittelschule und allgemeinbildende höhere Schule besucht und war danach von 2006 bis 2009 auf der Universität. Der Beschwerdeführer hat keinen Universitätsabschluss.

Der Beschwerdeführer hat sich in Ägypten mit dem Handel von Bekleidung seinen Lebensunterhalt verdient.

Der Beschwerdeführer hat in Ägypten noch zwei lebende Schwestern, zu denen er ab und zu Kontakt hat. Der Beschwerdeführer hat noch weitere Geschwister die in Kuwait leben, ein Bruder befindet sich im Irak.

Der Beschwerdeführer ist erwerbsfähig. Der Beschwerdeführer hat in Österreich am 17.01.2018 ein freies Gewerbe, „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchstzulässigen Gesamtgewicht insgesamt 3.500kg nicht übersteigt unter der Verwendung von 1 KFZ“, angemeldet. Der Beschwerdeführer hat seit 06.09.2019 ein freies Gewerbe mit dem Wortlaut „Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (Kfz-Service)“.

Der Beschwerdeführer ist seit 17.01.2018 bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft krankenversichert, pensionsversichert und unfallversichert.

Der Beschwerdeführer bezieht seit 17.01.2018 keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer bestreitet seinen Lebensunterhalt durch das oben angeführte Gewerbe. Der Beschwerdeführer ist am Arbeitsmarkt integriert und selbsterhaltungsfähig.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte, es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich.

Der Beschwerdeführer hat hinsichtlich seiner Integration, ein ÖSD Zertifikat Deutsch B1 vom 15.7.2019, ein Zeugnis zur Integrationsprüfung vom 15.12.2018, Teilnahmeprüfungen an den Ausbildungsmodulen - Autoaufbereitung Praxiskurs outside 1, Autoaufbereitung Praxiskurs outside 2, Kommunikation und Kalkulation - im Rahmen der Ausbildung zum diplomierten Autoaufbereiter, einen Mietvertrag vom 22. Juni 2020, eine Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen „ XXXX Service GmbH“ und dem Beschwerdeführer vom 29.4.2020, einen Mietvertrag über eine Garage zur Ausübung seines Gewerbes vom 11.5.2020, eine Bestätigung des XXXX vom 26.6.2020 über die Leistung von 51 freiwilligen Stunden im Zeitraum vom August 2018 bis jetzt, sowie 17 nicht personalisierte Empfehlungsschreiben vorgelegt.

Der Beschwerdeführer spricht qualifiziert Deutsch und hat gemeinnützige Tätigkeiten ausgeübt. Der Beschwerdeführer ist seit 28.1.2020 als freiwilliger Mitarbeiter beim Besuchsdienst und seit 26.3.2020 als freiwilliger Mitarbeiter bei der XXXX tätig. Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet aufgrund seiner Gewerbeausübung und der Teilnahme an einem Vorstudienlehrgang der Universität XXXX und seiner ehrenamtlichen Tätigkeit über umfangreiche soziale Kontakte.

Der Beschwerdeführer ist um seine Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht bemüht und kann von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Ägypten aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder sein wird.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm in Ägypten Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in Ägypten seinen Militärdienst verweigert hat und aus diesem Grund verfolgt wird. Es konnte sohin nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Ägypten aufgrund staatlicher Verfolgung verlassen hat.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanter Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Ägypten und der individuellen Rückkehrsituation:

Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten übermittelt. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

Politische Lage

2013 übernahm Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, damals Verteidigungsminister und Befehlshaber der Streitkräfte (FH 4.2.2019; GIZ 12.2018), die Macht durch einen Putsch und stürzte den gewählten Präsidenten Mohamed Morsi von der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit der Muslimbrüder (FJP) (FH 4.2.2019). Al-Sisi war seit 12.8.2012 Minister für Verteidigung und Militärproduktion unter Ministerpräsident Hesham Qandil in der Regierung von Mohamed Mursi (GIZ 12.2018). Seit dem 8.6.2014 ist Abdel Fattah Al-Sisi, Präsident Ägyptens. Der Verfassung zufolge ist eine Kandidatur nur einem Zivilisten erlaubt. Al-Sisi musste aus dem Militärdienst austreten, um bei den Wahlen antreten zu können (GIZ 12.2018).

Am 17.6.2019 brach der ehemalige, erste frei gewählte Präsident Ägyptens, Mohammed Mursi, in einer Gerichtsverhandlung zusammen und starb später in einem Krankenhaus. Offizielle Todesursache ist Herzversagen (BAMF 24.6.2019).

Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt (FH 4.2.2019). Bei den Präsidentschaftswahlen im März 2018 gewann Präsident Abdel Fattah Al-Sisi mit 97% der gültigen Stimmen eine zweite Amtszeit (AA 24.6.2019a; vgl. AI 26.2.2019; FH 4.2.2019) und setzte sich deutlich gegen den einzig verbliebenen Gegenkandidaten Mousa Mostafa Mousa durch (AA 24.6.2019a).

Die Wahlen waren durch Unterdrückung und Überwachungsbemühungen der Regierung beeinträchtigt, und die Amtszeit von Präsident Sisi ist von einem harten Vorgehen gegen abweichende Stimmen geprägt (TI 23.2.2019). Die Präsidentschaftswahl 2018 bot den Wählern keine echte demokratische Wahl und wurde unter anderem durch Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt (FH 4.2.2019). Vor der Abstimmung wurden lautstarke Oppositionelle inhaftiert und zum Schweigen gebracht (FH 4.2.2019). Die übrigen Kandidaten wurden im Vorfeld verhaftet oder zogen ihre Kandidatur zurück (AA 24.6.2019a). Legitime Oppositionskandidaten wurden unter Druck gesetzt, sich noch vor dem Wahlkampf zurückzuziehen. Schließlich stand Al- Sisi einem anerkannten Herausforderer gegenüber, Mousa Mostafa Mousa, dem Vorsitzenden der Oppositionspartei Al-Ghad. Mousa warb für Al-Sisi, bevor er selbst ins Rennen ging (FH 4.2.2019).

Kritische Äußerungen über Ägypten und politische Kommentare, auch in den sozialen Medien, können unter anderem als strafbare Beleidigung und Diffamierung Ägyptens oder des Staatspräsidenten bzw. als strafbares „Verbreiten falscher Gerüchte" angesehen werden und eine Strafverfolgung nach sich ziehen (AA 1.7.2019). Bereits im Jänner 2018 verstärkten die Behörden das Vorgehen gegen Dissens und verhafteten willkürlich mindestens 113 Personen, nur weil sie friedlich ihre Meinung äußerten. Unter den Verhafteten befanden sich viele hochrangige Politiker, die den Präsidenten öffentlich kritisiert oder bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn kandidiert hatten. Sami Anan, der ehemalige Stabschef des Militärs, wurde im Jänner 2018 verhaftet, nachdem er seine Kandidatur angekündigt hatte. Abdelmonim Aboulfotoh, Gründer der Misr Al- Qawia-Partei, wurde im Feber 2018 in Bezug auf von ihm gegebene Medieninterviews verhaftet. Im April 2018 verurteilte ein Militärgericht Hisham Genina, den ehemaligen obersten Wirtschaftsprüfer Ägyptens, zu fünf Jahren Gefängnis, nachdem er den Präsidenten in einem Medieninterview kritisiert hatte. Im Oktober 2018 bestätigte ein Gericht eine Bewährungsstrafe von drei Monaten wegen "öffentlicher Unsittlichkeit" gegen den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Khalid Ali und disqualifizierte ihn damit erneut von der Kandidatur (AI 26.2.2019).

Die Wahl wurde durch eine geringe Wahlbeteiligung, die Nutzung staatlicher Ressourcen und Medien zur Unterstützung der Kandidatur von Al-Sisi, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt. Die Wahlkommission drohte Nichtwählern mit Geldstrafen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen (FH 4.2.2019).

Im Feber 2019 verabschiedeten Parlamentarier in Ägypten eine Reihe von Verfassungsänderungen, welche die Macht des Präsidenten konsolidieren und gleichzeitig das Militär als die ultimative Autorität des Landes wiederherstellen soll (TI 23.2.2019). Die im April 2019 in Kraft getretenen Verfassungsänderungen eröffneten mit einer Spezialklausel dem Staatspräsidenten die Möglichkeit, über die gegenwärtig festgelegten zwei Amtsperioden hinaus bis 2030 im Amt zu bleiben. Zudem sehen diese Verfassungsänderungen erhebliche Eingriffe in die Gewaltenteilung und eine weitere Stärkung der Kontrolle des Militärs über das zivile Leben vor (AA 24.6.2019a). Die vorgeschlagenen Änderungen würden die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängern. Präsident Sisi sollte im Jahr 2022 zurücktreten (TI 23.2.2019).

Seit Amtsantritt setzt Präsident Al-Sisi den Schwerpunkt auf Reformen im Wirtschaftsbereich, um Ägypten aus der Krise zu führen (ÖB 1.2019). Arbeitsschwerpunkte der ägyptischen Regierung unter Ministerpräsident Mustafa Madbouly bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der „Egypt Vision 2030“ legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der sich auch an den internationalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert (AA 24.6.2019a). Nach Zuspitzung der Wirtschaftskrise (u.a. akuter Devisenmangel) wurden im Herbst 2016 im Rahmen eines vom IWF gestützten Reformprogramms der ägyptischen Regierung die Wechselkurse freigegeben und schrittweise Subventionskürzungen (Strom, Treibstoff) vorgenommen. Das Reformprogramm zeigt mittlerweile deutliche Erfolge und Verbesserungen bei den wirtschaftlichen Eckdaten, birgt aber auch weiterhin die Gefahr sozioökonomisch bedingter Unruhen, da Maßnahmen kurz- bis mittelfristig eine starke Belastung für die Bevölkerung darstellen (starker Anstieg der Inflation und Verlust von Arbeitsplätzen) (ÖB 1.2019). Durch die Preiserhöhung kam es sporadisch zu kleinen Protesten, die von der Polizei unterdrückt wurden. Die Polizei reagierte mit Härte auf die friedlich gegen Sparmaßnahmen protestierenden Demonstranten (AI 26.2.2019).

Ein neues Gesetz, das im Juli 2018 verabschiedet wurde, erlaubt es dem Präsidenten, hochrangige Führer der Streitkräfte zu benennen, die er für begangene Vergehen vor Strafverfolgung schützen will. Der Zeitraum umfasst den 14.8.2013, als die Sicherheitskräfte und die Armee während der Auflösung der Sitzblockaden (Sit-ins) von Rabaa al-Adawiya und Nahda an einem einzigen Tag bis zu 1.000 Menschen töteten (AI 26.2.2019). Die vorgeschlagenen Änderungen würden auch die Rechtsstaatlichkeit und die Aufsicht über die Exekutive untergraben. Das Militär würde "Hüter des Staates" werden. Die Änderungen würden auch zur Auflösung der Nationalen Medienbehörde führen (TI 23.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegyptensicherheit/212622, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, httPs://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (24.6.2019): Briefing Notes 24. Juni 2019, Zugriff 9.7.2019

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006365.html. Zugriff 1.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 1.7.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (1.2019): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002309/ALB+%C3%84gypten+2018.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        TI - Transparency International (13.2.2019): The alarming message of Egypt’s constitutional amendments, https://www.transparency.org/news/feature/the_alarming_message_of_egypts_constitutional_amendments, Zugriff 5.7.2019

Sicherheitslage

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).

Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).

Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018" gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.05.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).

Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegvptensicherheit/212622. Zugriff 1.7.3019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Derniere minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/. Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb jedweder rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 22.2.2019).

Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 22.2.2019).

Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Andersdenkende inhaftieren zu können und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und Mitarbeiter ein. Die Behörden verwendeten Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen und ließen weiterhin Hunderter von Menschen ungestraft verschwinden. Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen wurden nicht untersucht. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten zahlreiche Menschen zum Tode (AI 26.2.2019; vgl. AI 23.5.2018). Sie hatten im August 2013 an Massenprotesten vor der al-Fateh-Moschee teilgenommen. Das Verfahren gegen die insgesamt 494 Angeklagten war grob unfair. Gerichte verließen sich bei der Urteilsfindung maßgeblich auf Berichte des nationalen Geheimdienstes und ließen Beweise zu, die nicht stichhaltig waren, darunter auch unter Folter erpresste »Geständnisse«. Zivilpersonen mussten nach wie vor mit unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten rechnen. Mindestens 384 Zivilpersonen wurde 2017 vor Militärgerichten der Prozess gemacht (AI 23.5.2018).

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für den Rechtsbeistand, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 13.3.2019).

Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 12.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Ägypten, https://www.amnestv.org/download/Documents/POL1067002018GERMAN.PDF. Zugriff 2.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH: Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegvpten/geschichte-staat/. Zugriff 2.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 2.7.2019

Sicherheitsbehörden

Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei (USDOS 13.3.2019).

Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden weit verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 22.2.2019). In den meisten Fällen hat die Regierung Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen, die zu einem Umfeld der Straflosigkeit beitragen, nicht umfassend untersucht. Die Regierung verfügt nicht über wirksame Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch. Die offizielle Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019).

Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 2.7.2019

Korruption

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzte das Gesetz nicht konsequent um (USDOS 13.3.2019).

Korruption ist auf allen Ebenen der Regierung weit verbreitet. Offizielle Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung korrupter Aktivitäten sind nach wie vor schwach und ineffektiv. Nach einer Änderung des Strafgesetzbuches im Jahr 2015 können Angeklagte in Fällen finanzieller Veruntreuung die Inhaftierung durch Zahlung von Entschädigung vermeiden; die Strafen sind meist gering. Die Administrative Control Authority (ACA), die für die meisten Antikorruptionsinitiativen zuständige Stelle, verfolgt oft politisch motivierte Korruptionsfälle, operiert allerdings undurchsichtig (FH 4.2.2019).

Die Korruptionsbehörde der Regierung (Central Agency for Auditing and Accounting) legte dem Präsidenten und dem Premierminister Berichte vor, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung standen (USDOS 13.3.2019).

Laut Corruption Perceptions Index 2018 befindet sich Ägypten auf Platz 105 von 180 Ländern (TI 2018). Ägypten erreichte in diesem Jahr nur 35 von 100 Punkten im Index und lag damit deutlich unter dem globalen Durchschnitt von 43 (TI 13.2.2019).

Quellen:

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2006365.html, Zugriff 5.7.2019

-        TI - Transparency International (13.2.2019): The alarming message of Egypt’s constitutional amendments, https://www.transparency.org/news/feature/the_alarming_message_of_egypts_constitutional_amendments, Zugriff 5.7.2019

-        TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018, Egypt, https://www.transparency.org/cpi2018. Zugriff 5.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 5.7.2019

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen bestätigten, dass die Regierung weiterhin unkooperativ ist (USDOS 13.3.2019). NGOs bleiben weiterhin Belästigungen und Einschränkungen ausgesetzt und sehen sich in den letzten Jahren mit Massenschließungen und Schikanen in Form von Bürodurchsuchungen, Verhaftungen von Mitgliedern, langwierigen Rechtsfällen und Reisebeschränkungen konfrontiert (AI 26.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Ein neues sehr restriktives Gesetz über die Gründung und Kontrolle von NGOs wurde im Mai 2017 vom Präsidenten unterzeichnet (AI 23.5.2019; FH 4.2.2019). Dieses räumt den Behörden weitreichende Befugnisse ein, um NGOs die offizielle Registrierung zu verweigern, sie aufzulösen und ihre Verwaltungsräte zu entlassen. Das Gesetz sieht fünf Jahre Gefängnis vor, sollten die Organisationen Rechercheergebnisse ohne Genehmigung der Regierung veröffentlichen (AI 23.5.2019). Die Arbeit von NGOs und Vereinigungen wird soweit eingeschränkt, dass eine freie Zivilgesellschaft unmöglich gemacht wird. Verstöße gegen das Gesetz können mit drakonischen Haftstrafen geahndet werden. Viele prominente Menschenrechtsverteidiger sind wegen ihrer Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen (u. a. aus Protest gegen das Demonstrationsgesetz) in Haft (AA 22.2.2019). Die Bestimmungen sehen Strafen bis hin zur lebenslangen Freiheitsstrafe für die Beantragung oder Annahme ausländischer Mittel zur Untergrabung der Staatssicherheit vor (USDOS 13.3.2019). Ausländische Finanzierung („Foreign Funding“) von NGOs wird mit empfindlichen Geldstrafen belegt (AA 22.2.2019). Das Gesetz ermöglichte die Errichtung einer neuen Regulierungsbehörde, die von den Sicherheitsbehörden dominiert wird. Für jede Art von Forschung oder Umfrage vor Ort und jede Art von Zusammenarbeit mit ausländischen NGOs wird die Zustimmung der Regulierungsbehörde eingefordert. Gesetzesverstöße können zu Bußgeldern und bis zu fünf Jahren Gefängnis führen (FH 4.2.2019).

Für NGOs bleibt das Klima sehr repressiv (FH 4.2.2019). Zahlreiche Personen und Organisationen der Zivilgesellschaft sind weiterhin von Ermittlungsverfahren, Kontensperrungen, Ausreiseverboten, Einschüchterungen und unverhältnismäßig langer Untersuchungshaft betroffen. Zudem gibt es glaubhafte Berichte über zahlreiche Fälle erzwungenen Verschwindenlassens (AA 24.6.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652#content_1. Zugriff 9.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 9.7.2019

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Ägypten, https://www.amnesty.org/download/Documents/POL1067002018GERMAN.PDF. Zugriff 9.7.2019

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2006365.html. Zugriff 9.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 9.7.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend (AA 24.6.2019a). Die im Januar 2014 angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. In der Praxis werden diese Rechte immer weiter eingeschränkt, vor allem bürgerlich-politische Rechte. Allerdings hat Ägypten den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention, wie auch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 22.2.2018).

Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 12.2018).

Das Ausmaß der ägyptischen Menschenrechtskrise weitete sich aus, da die Behörden Gegner, Kritiker, Satiriker, aktuelle und ehemalige Menschenrechts- und Arbeitsrechtsaktivisten, Journalisten, Präsidentschaftskandidaten und Überlebende sexueller Belästigung verhafteten. Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Gegner zu inhaftieren, und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und deren Mitarbeiter ein. Die Behörden wandten Einzelhaft, Folter und weitere Arten von Misshandlungen an und ließen Hunderte von Menschen ungestraft verschwinden. Untersuchungen von Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen wurden unterlassen. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten Hunderte von Menschen zum Tode. Menschen wurden aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Orientierung verhaftet. Die Behörden hinderten Christen daran, ihren Glauben frei auszuüben, und verabsäumten es, die Verantwortlichen für sektiererische Gewalt zur Verantwortung zu ziehen. Die Streitkräfte setzten bei einer laufenden Militäroperation im Sinai verbotene Streubomben ein (AI 26.2.2019).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren der übermäßige Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Das Problemfeld bei den bürgerlichen Freiheiten beinhaltet gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 13.3.2019).

Weiters gibt es glaubhafte Berichte über Folter und Misshandlungen auch mit Todesfolge in Haftanstalten der Staatssicherheit und Polizeistationen. Die Todesstrafe kommt unter Staatspräsident Al-Sisi wieder verstärkt zur Anwendung und wird seit Dezember 2017 auch vermehrt vollstreckt. Im Namen der Terrorismusbekämpfung und Sicherung der Stabilität geht die staatliche Repression mit erheblichen Verletzungen grundlegender Menschenrechte einher. (AA 24.6.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtig (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 11.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 11.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 11.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 11.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 11.7.2019

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt (AA 22.2.2019). Im World Press Freedom Index 2019 belegt Ägypten Rang 163 von 180 (AA 24.6.2019a). Das Antiterrorismusgesetz von 2015 sieht für Journalisten empfindliche Geldstrafen für das Abweichen von der offiziellen Linie der Berichterstattung, etwa über Terroranschläge, vor (AA 22.2.2019). Die Verfassung sieht die Redefreiheit und die der Presse vor, beinhaltet aber eine Klausel, wonach diese in Kriegszeiten oder anlässlich einer öffentlichen Mobilisierung einer begrenzten Zensur unterworfen werden kann (USDOS 13.3.2.2019).

Kritische Stimmen finden in den Medien kaum Gehör - sei es in den direkt gesteuerten Staatsmedien oder in den privaten Medien, die durch Selbstzensur auf Regierungslinie berichten oder kommentieren. Nur einzelne Zeitungen und vor allem Onlineportale bieten kritischen Stimmen noch einen gewissen Raum. Auf diese Medien wird zunehmender Druck ausgeübt. Seit Mai 2017 sind über 400 Webseiten, darunter die von zahlreichen (Online-)Medien, wie u.a. Al Jazeera, MadaMasr, Daily News Egypt, ohne Angabe zu Urheber und Rechtsgrundlage gesperrt. Durch das neue Presse- und Cybercrime-Gesetz wurden neue Rechtsgrundlagen für die Sperrung von Webseiten und die Kontrolle klassischer und sozialer Medien geschaffen. Insbesondere im Fernsehen wird fast alles ausgeblendet, was die offizielle Sicht in Frage stellt. Das Anti-Terrorismusgesetz von 2015 stellt einen tiefen Einschnitt in die professionelle Arbeit von Journalisten in Ägypten dar. Es schränkt ihre Recherchemöglichkeiten erheblich ein und entzieht ihnen die freie Wahl ihrer Quellen. Journalisten wurden im Berichtszeitraum wiederholt an freier Berichterstattung gehindert und zahlreiche Journalisten befinden sich in Haft (AA 22.2.2019). Die Flut von Verhaftungen von Regierungskritikern vor den Präsidentschaftswahlen 2018 hat deutlich gemacht, dass die Äußerung von Dissens zu Verhaftungen und Inhaftierungen führen kann, was zu mehr Selbstzensur und vorsichtiger Diskussion in der Zivilgesellschaft geführt hat (FH 4.2.2019).

Laut Committee to Protect Journalists weist Ägypten die weltweit dritthöchste Zahl inhaftierter Journalisten (25) auf. Regelmäßig kommt es zur Verhaftung und Verurteilung von Journalisten, Bloggern und Autoren kritischer Beiträge in sozialen Medien wegen u.a. „Verbreitung falscher Nachrichten“. Im August/September 2018 in Kraft getretene neuen Presse- und Cybercrime-Gesetze vergrößern staatliche Kontroll- und Sanktionierungsmöglichkeiten weiter durch Verwendung vager Rechtsbegriffe, Drohung mit hohen Geldstrafen und Genehmigungsauflagen. Entgegen dem in der Verfassung verankerten Zensurverbot erhielt der Supreme Council for Media Regulation im März 2019 das Recht, Fernsehsendungen und Zeitungen zu verbieten, Webseiten zu blockieren, den Auftritt von Personen in Fernsehen und Radio zu verhindern und harte finanzielle Sanktionen zu verhängen. Unterstellung von SocialMedia-Accounts mit mehr als 5.000 Nutzern unter die Presseaufsicht und neue Sperrbefugnisse für Webseiten legalisieren die Sperrung von über 500 Webseiten seit Mai 2017 (AA 24.6.2019a).

Die Regierung regulierte die Lizenzierung von Zeitungen und kontrollierte den Druck und die Verteilung der Mehrheit der Zeitungen, darunter private Zeitungen und die der oppositionellen politischen Parteien. Die Verfassung schützt das Recht auf Privatsphäre, auch im Internet. Die Verfassung sieht die Vertraulichkeit und die "Unverletzlichkeit" der postalischen, telegraphischen und elektronischen Korrespondenz vor. Die Verfassung verbietet es der Regierung, Bürger, die alle Formen der Internetkommunikation nutzen wollen, "willkürlich" zu unterbrechen, zu trennen oder zu entziehen. Das Anti-Terror-Gesetz kriminalisiert die Nutzung des Internets, wenn durch die Verwendung terroristische Ideen, Überzeugungen, oder Handlungen gefördert werden. Das

Gesetz ermächtigt den Staatsanwalt und die Ermittler auch, die Online-Kommunika

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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