Entscheidungsdatum
07.07.2020Norm
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3Spruch
W276 2205417-1/26E
W276 2205417-2/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Gert WALLISCH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die RA MMag. Marion Battisti, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.06.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Gert WALLISCH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die RA MMag. Marion Battisti, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.06.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer („BF“) reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.05.2016 in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.05.2016 gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass sein Leben in Gefahr gewesen sei. Sie seien von den Taliban bedroht worden, weil sein Bruder bei einer Telekommunikationsfirma gearbeitet habe.
I.3. Am 24.02.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol („BFA“) ein Abschlussbericht der PI XXXX zum Verdacht auf Sachbeschädigung und Körperverletzung durch den BF ein.
I.4. Am 27.05.2017 langte beim BFA ein weiterer Abschlussbericht der PI XXXX zum Verdacht auf Körperverletzung durch den BF ein.
I.5. Am 20.07.2017 langten beim BFA zwei weitere Abschlussberichte der PI XXXX zum Verdacht auf gefährliche Drohung und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz durch den BF ein.
I.6. Am 22.08.2017 wurde das BFA durch die Staatsanwaltschaft XXXX vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 und 2 SMG gemäß § 35 Abs. 9 SMG verständigt.
I.7. Am 16.11.2017 langte beim BFA ein Abschlussbericht der PI XXXX zum Verdacht auf Körperverletzung durch den BF ein. Gleichzeitig wurde das BFA durch die Staatsanwaltschaft XXXX von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den BF wegen §§ 83, 84 StGB verständigt.
I.8. Am 18.12.2017 wurde das BFA von der Staatsanwaltschaft XXXX von der Einbringung eines Strafantrages gegen den BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB verständigt.
I.9. Am 05.01.2018 traf eine weitere Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 und 2 SMG gemäß § 35 Abs. 9 SMG beim BFA ein.
I.10. Am 14.02.2018 langte beim BFA ein Abschlussbericht des Landeskriminalamts Tirol zum Verdacht auf ein Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz gemäß § 27 Abs. 3 SMG durch den BF ein.
I.11. Am 19.02.2018 langte beim BFA eine Anzeige der PI XXXX gegen den BF wegen einer Ordnungsstörung aufgrund der Teilnahme an einem Raufhandel ein.
I.12. Am 19.03.2018 langte beim BFA der Beschluss des BG XXXX über die Einstellung des Strafverfahrens gegen den BF wegen § 83 Abs. 1 StGB gemäß §§ 198, 204 Abs. 1 StPO beim BFA ein.
I.13. Am 31.03.2018 langte beim BFA ein weiterer Abschlussbericht der PI XXXX zum Verdacht auf Beteiligung des BF an einem Raufhandel, ein.
I.14. Bei seiner Einvernahme am 23.05.2018 gab der BF vor dem BFA an, dass er der Volksgruppe der Paschtunen angehöre und sunnitischer Moslem sei. Er stamme aus der Provinz Kunar, in Said Abad, im Dorf XXXX und habe dort bis zu seiner Flucht gelebt. Er habe fünf Jahre lang die Schule besucht und habe danach je nach Bedarf als Hilfskraft im Textilgeschäft seines Onkels mütterlicherseits gearbeitet. Finanziell sei es ihnen gut gegangen. Sein Vater habe als Koch gearbeitet. Sein Bruder habe in einer Telekommunikationsfirma gearbeitet. Sie hätten ein eigenes Haus und ein Grundstück gehabt. Seine Familie habe alles verkauft und sei nach XXXX gezogen. Sein Vater arbeite immer noch als Koch. Dieser finde sporadisch eine Arbeit. Es gehe ihnen zurzeit finanziell nicht gut. Der BF stehe in Kontakt zu seiner Familie.
Zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates gab er an, dass er im Alter von vier Jahren mit seiner Familie aufgrund des Krieges in der Provinz Kunar nach Pakistan geflohen sei. Bis zu seinem siebten Lebensjahr hätten sie in Pakistan gelebt und seien dann wieder nach Afghanistan ins Heimatdorf zurückgekehrt. Nachdem die Taliban erfahren hätten, dass der Bruder des BF eine Stelle bei der Telekom bekommen habe und zusätzlich als Dolmetscher bei den Amerikanern gearbeitet habe, hätten sie angefangen, diesen telefonisch zu bedrohen. Sie hätten sich innerhalb des Heimatdorfes immer wieder woanders, hin und wieder auch bei verschiedenen Verwandten, aufhalten müssen, bis sein Vater irgendwann beschlossen habe, das Haus und die Grundstücke zu verkaufen, um die Ausreise zu finanzieren. Nach dem Verkauf des Hauses und der Grundstücke seien sie nach XXXX gezogen, von wo sein Vater die Ausreise organisiert habe. Der BF sei mit seiner gesamten Familie nach Pakistan gefahren, aber an der pakistanisch-iranischen Grenze hätten sie sich aus den Augen verloren. Der BF sei weitergereist und bei seiner Ankunft in Österreich habe er erfahren, dass seine Eltern nach XXXX zurückgegangen und mittlerweile dort aufhältig seien.
I.15. Am 31.05.2018 langte beim BFA ein weiterer Abschlussbericht der PI XXXX zum Verdacht auf Körperverletzung durch den BF ein.
I.16. Am 06.06.2018 langte beim BFA eine Stellungnahme des BF zu Länderfeststellungen ein.
I.17. Am 13.07.2018 langte beim BFA ein weiterer Abschlussbericht des Landeskriminalamts Tirol zum Verdacht des Raufhandels und der Körperverletzung durch den BF ein.
I.18. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 09.08.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit vierzehn Tagen festgelegt (Spruchpunkt VI).
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass nicht festgestellt werden habe können, dass er von den Taliban aufgrund der Tätigkeit seines Bruders verfolgt worden wäre. Er sei weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von staatlicher Seite verfolgt worden. Das Ermittlungsverfahren habe auch keine Gründe ergeben, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz gem. § 8 AsylG 2005 führen könnten.
I.19. Am 27.08.2018 wurde dem BFA mitgeteilt, dass über den BF die Untersuchungshaft verhängt wurde.
I.20. Am 29.08.2018 wurde der Strafantrag des LG XXXX , der gegen den BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB gestellt worden war, an das BFA weitergeleitet.
I.21. Gegen den Bescheid vom 09.08.2018 brachte der BF rechtzeitig Beschwerde ein. Es wurden diverse Länderberichte zitiert und es wurde versucht, die Beweiswürdigung der belangten Behörde zu entkräften. Der BF sei aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, der eine politische Gesinnung unterstellt wird sowie aufgrund seines Aufenthaltes im westlichen Europa einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.
I.22. Am 28.09.2018 langte beim BVwG ein weiterer Abschlussbericht der PI XXXX zum Verdacht auf schweren Raub, Raub und gefährliche Drohung durch den BF ein.
I.23. Mit Verfahrensanordnung wurde dem BF gemäß § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet wegen der Verhängung der Untersuchungshaft mitgeteilt. Anschließend wurde mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 02.10.2018 darüber abgesprochen, dass der BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 24.08.2018 verloren habe.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass gegen den BF am 24.08.2018 die Untersuchungshaft verhängt worden sei.
I.24. Am 08.11.2018 wurde dem BVwG die Anklageschrift gegen den BF wegen §§ 15, 142 Abs. 1 StGB, §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB, § 142 Abs. 1 StGB, § 229 Abs. 1 StGB und § 241e Abs. 3 StGB weitergeleitet.
I.25. Am 09.05.2019 brachte der BF eine Stellungnahme, medizinische Befunde und Integrationsunterlagen beim BVwG ein.
I.26. Am 14.06.2019 langte beim BVwG die Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den BF wegen § 127 StGB gemäß §§ 192 Abs. 1 Z 1 StPO ein.
I.27. Am 27.08.2019 langte beim BVwG das Urteil des LG XXXX (GZ: XXXX ) vom 09.01.2019 ein. Darin wurde der BF wegen des versuchten Raubes gemäß §§ 15, 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB nach § 142 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 5 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der über den BF verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 38 Abs. 1 StGB wurde die vom BF erlittene Untersuchungshaft vom 24.08.2019, 08.58 Uhr bis 09.01.2019, 17.43 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Der BF wurde wegen §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB, § 142 Abs. 1 StGB, § 229 Abs. 1 StGB und § 241e Abs. 3 StGB freigesprochen.
I.28. Am 11.11.2019 wurde dem BVwG die Mitteilung über die Ermittlung der Ehefähigkeit weitergeleitet.
I.29. Am 22.01.2020 langte beim BVwG die Vollmachtsbekanntgabe von RA MMag. Marion Battisti, 6020 Innsbruck samt Stellungnahme ein.
I.30. Am 09.06.2020 langte eine weitere Stellungnahme des BF beim BVwG ein.
I.31. Am 12.06.2020 fand vor dem BVwG eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des BF und seiner Rechtsvertreterin statt. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht zur Verhandlung erschienen. Auf die Verlesung des gesamten Akteninhalts sowie Akteneinsicht wurde verzichtet. Der BF legte weitere Bescheinigungsmittel vor. Vom erkennenden Richter wurden Länderberichte und zahlreiche weitere Länderinformationen in das Verfahren eingebracht (vgl Pkt II.2 dieses Erkenntnisses). Der BF und seine Rechtsvertreterin verzichteten auf eine schriftliche Stellungnahme zu den eingebrachten Länderberichten.
I.32. Am 18.06.2020 übermittelte der BF an das BVwG eine Einstellungszusage.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II. 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF führt den im Spruch genannten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari. Außerdem spricht er noch Paschtu und Deutsch.
Der BF ist im Distrikt XXXX in der Provinz Kunar geboren. Im Alter von vier Jahren ist er aufgrund der Sicherheitslage gemeinsam mit seiner Familie nach Pakistan gezogen, wo er bis zu seinem siebten Lebensjahr gelebt hat. Anschließend ist der BF mit seiner Familie in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Er hat fünf Jahre lang die Schule besucht. Dann hat er auf den Feldern gearbeitet und hat im Bekleidungsgeschäft seiner Onkel ausgeholfen. Die Familie des BF besaß ein Haus und Grundstücke, die sie vor seiner Ausreise verkauft haben. Durch den Verkaufserlös des Hauses und der Grundstücke finanzierte er auch seine Schlepperkosten.
Seine Eltern und seine zwei jüngeren Brüder leben in einer Mietwohnung in XXXX . Sein Vater arbeitet als Koch. Er steht jedenfalls zu seiner Mutter in Kontakt. Der BF hat sechs Tanten und sieben Onkel mütterlicherseits sowie vier Tanten und drei Onkel väterlicherseits. Ein Onkel väterlicherseits wohnt in XXXX , einer wohnt in Schweden und einer lebt in der Ukraine. Ein Onkel mütterlicherseits wohnt in Wien, die anderen sind immer an verschiedenen Orten, in Kanada, Amerika oder in Wien, aufhältig.
II.1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
II.1.2.1. Der BF war oder wäre zukünftig, aufgrund der Arbeitstätigkeiten seines älteren Bruders für ein Telekommunikationsunternehmen und als Dolmetscher für die Amerikaner, in Afghanistan keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt.
II.1.2.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF wegen seines Aufenthalts und seiner Lebensführung in Österreich konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.
II.1.2.3. Der BF war oder wäre zukünftig, aufgrund der Beziehung bzw. Eheschließung, mit seiner jetzigen Ehefrau, gegen den Willen seiner Familienangehörigen, in Afghanistan keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung durch seine Familienangehörigen, die staatlichen Behörden oder andere Personen ausgesetzt.
II.1.3. Zur Situation des BF in Österreich:
Der BF befindet sich spätestens seit 10.05.2016 durchgehend im Bundesgebiet und ist illegal eingereist.
Es wurde gegen den BF wegen des Verdachts auf Sachbeschädigung und Körperverletzung am 31.01.2017 ermittelt, zu diesen Sachverhalten war er geständig.
Es wurde gegen den BF wegen des Verdachts auf gefährliche Drohung am 31.01.2017 ermittelt. Dieses Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.
Es wurde gegen den BF wegen des Verdachts auf ein Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zwischen dem 01.012.2016 und dem 15.01.2017 ermittelt. Die Staatsanwaltschaft trat gemäß § 35 Abs. 9 SMG vorläufig von der Verfolgung zurück.
Es wurde gegen ihn wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB am 27.04.2017 ein Strafverfahren eingeleitet, welches nach Durchführung eines außergerichtlichen Tatausgleichs unter Uneinbringlicherklärung eines Pauschalkostenbeitrages gemäß §§ 198, 204 Abs. 1 StPO eingestellt wurde
Es wurde gegen den BF wegen des Verdachts auf Raufhandel am 13.07.2017 und der Körperverletzung am 29.07.2017 ermittelt.
Es wurde gegen den BF wegen des Verdachts auf schwere Körperverletzung am 15.07.2017 ermittelt. Dieses Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.
Es wurde gegen den BF wegen des Verdachts auf ein Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zwischen einem unbekannten Zeitpunkt und Oktober 2017 ermittelt. Dieser Verdacht hat sich nicht erhärtet.
Es wurde gegen den BF eine Anzeige wegen einer Ordnungsstörung aufgrund der Teilnahme an einem Raufhandel am 16.02.2018 erstattet. An dem Raufhandel war der BF nicht beteiligt.
Es wurde gegen den BF wegen des Verdachts des Raufhandels und der Körperverletzung am 16.03.2018 ermittelt. Dieses Verfahren ist noch offen.
Es wurde gegen den BF wegen des Verdachts des Diebstahls am 08.07.2018 ermittelt. Dieses Ermittlungsverfahren wurde gemäß §§ 192 Abs. 1 Z 1 StPO eingestellt.
Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX (GZ: XXXX ) vom 09.01.2019 wegen versuchten Raubes gemäß §§ 15, 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB nach § 142 Abs. 2 StGB in Anwendung des § 5 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der über den BF verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das teilweise Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel, der Umstand, dass die dem Schuldspruch zugrundeliegende Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht und dass es beim Versuch geblieben ist, wurden mildernd berücksichtigt. Besondere Erschwerungsgründe waren nicht ersichtlich. Gemäß § 38 Abs. 1 StGB wurde die vom BF erlittene Untersuchungshaft vom 24.08.2019, 08.58 Uhr bis 09.01.2019, 17.43 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Der BF wurde wegen §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB, § 142 Abs. 1 StGB, § 229 Abs. 1 StGB und § 241e Abs. 3 StGB freigesprochen.
Der BF war von September 2017 bis Mai 2018 regelmäßig in psychotherapeutischer Behandlung. Es wurde bei ihm mit Befundbericht vom 06.05.02019 eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Anpassungsstörung diagnostiziert. Ihm wurde damals das Medikament XXXX verschrieben. Seitdem hat er keinen psychiatrischen Befund vorgelegt. Er hat im Dezember 2019 an einem „ XXXX “ teilgenommen. Eine aktuelle Medikamenteneinnahme wurde vom BF nicht bescheinigt. Derzeit nimmt er einmal wöchentlich eine kultursensible und traumaspezifische Psychotherapie in Anspruch. Er ist nicht suizidal.
Außerdem wurde bei ihm am 03.05.2019 Neurodermitis, Alopecia areata und Akne papulopstulosa diagnostiziert. Diesbezüglich wurde ihm Ciscutan bei Bedarf und Mandelöl dauerhaft verschrieben.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF an schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet. Der Gesundheitszustand des BF steht seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen.
Er ist arbeitsfähig.
Er bezieht Leistungen für die Verpflegung, Miete und Krankenversicherung aus der Grundversorgung. Er ist seit 15.04.2020 halbtags als Erntehelfer beschäftigt. Darüber hinaus ist er in Österreich nie einer Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er verfügt über eine Einstellungszusage der Firma XXXX als Hafner- und Fliesenlegerlehrling für den Fall der Zuerkennung eines Aufenthaltsrechtes.
Der BF hat Deutschkurse bis zum Sprachniveau B2.2 besucht. Er hat das ÖSD-Zertifikat für das Sprachniveau A2 und die ÖIF-Integrationsprüfung für das Sprachniveau B1 bestanden. Er spricht bereits sehr gut Deutsch.
Er wurde jedenfalls bis Jänner 2020 im Projekt „ XXXX “ betreut. Der BF hat an einem Qualifizierungsprojekt XXXX teilgenommen. Er hat einen Basisbildungskurs absolviert und besucht derzeit einen Pflichtschulabschlusskurs. Er ist im Verein XXXX aktiv. Er verrichtet keine ehrenamtlichen oder gemeinnützigen Tätigkeiten. In seiner Freizeit geht er Schifahren, Turmspringen, laufen, schwimmen und Inlineskaten. Er nannte zwei Freunde namentlich und hat freundschaftliche Kontakte zu seinen Arbeitskollegen sowie den Teilnehmern des Pflichtschulabschlusskurses entwickelt.
Er hat seine österreichische Ehefrau im Rahmen des Projekts „ XXXX “ kennengelernt, wo diese für das Freizeitprogramm, für Lernhilfe in Deutsch und auch für psychologische Unterstützung zuständig war. Sie hat mit dem BF Deutsch gelernt und war ab Sommer 2018 Teil seines Betreuungsteams. Vor seiner Inhaftierung und bevor er bei seiner Ehefrau eingezogen ist lebte der – damals minderjährige – BF in einer betreuten Einzelwohnung, wo er auf Führung eines selbstständigen Lebens vorbereitet wurde. Seit seiner Haftentlassung am 09.01.2019 lebt er im gemeinsamen Haushalt mit seiner jetzigen Ehefrau, die dann ihre Tätigkeit für das Projekt „ XXXX “ einstellte. Aus dieser Wohngemeinschaft hat sich zunächst eine Beziehung entwickelt und am 09.11.2019 heirateten der BF und seine Ehefrau standesamtlich. Die beiden führen ein gewöhnliches Eheleben und üben zusammen verschiedene Freizeitaktivitäten, wie z.B. Schifahren und Schwimmen, aus. Sie unterstützen sich gegenseitig finanziell, ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden besteht allerdings nicht.
Außerdem leben eine Tante und ein Onkel väterlicherseits sowie seine Großmutter in Tirol. Einer seiner Onkel mütterlicherseits wohnt in Wien. Es besteht kein gemeinsamer Haushalt oder eine finanzielle Abhängigkeit zu diesen Familienangehörigen. Seit seiner Eheschließung hat der Kontakt zu diesen Familienangehörigen abgenommen.
II.1.4. Zur Situation im Fall der Rückkehr nach Afghanistan:
Dem BF würde bei einer Überstellung nach Afghanistan in die Provinz Kunar ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK drohen.
Ihm steht jedoch eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat zur Verfügung. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen, kann aber auch Unterstützung seitens seiner Ehefrau und Familienangehörigen erwarten sowie Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen. Es ist dem BF möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie, aufgrund des Corona-Virus, ist festzuhalten, dass der BF aktuell 19 Jahre alt und soweit gesund ist bzw. keine relevanten Vorerkrankungen aufweist, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt (s. Pkt. II.1.5.3.). Ein bei einer Überstellung des BF nach Afghanistan vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist hierzu nicht erkennbar.
II.1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
II.1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020:
Allgemeine Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil, nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten. Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren
Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten. Ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welcher Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens ist
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten. Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand.
Für den Berichtszeitraum 8.11.2019-6.2.2020 verzeichnete die UNAMA 4.907 sicherheitsrelevante Vorfälle – ähnlich dem Vorjahreswert. Die Sicherheitslage blieb nach wie vor volatil. Die höchste Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle wurden in der südlichen Region, gefolgt von den nördlichen und östlichen Regionen, registriert, die alle samt 68% der Zwischenfälle ausmachten. Die aktivsten Konfliktregionen waren in den Provinzen Kandahar, Helmand, Nangarhar und Balkh zu finden. Entsprechend saisonaler Trends, gingen die Kämpfe in den Wintermonaten – Ende 2019 und Anfang 2020 – zurück.
Die geographische Verteilung aufständischer Aktivitäten innerhalb Afghanistans blieb, im Vergleich der beiden Jahre 2018 und 2019, weitgehend konstant. Im Jahr 2019 fanden auch weiterhin im Süden und Westen Afghanistans weiterhin schwere Kampfhandlungen statt; feindliche Aktivitäten nahmen zu und breiteten sich in größeren Gebieten des Nordens und Ostens aus. Mit einer hohen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen – speziell in den südlichen, nördlichen und östlichen Regionen – blieb die Sicherheitslage vorerst volatil, bevor ein Zeitraum der Reduzierung der Gewalt registriert werden konnte. Die UNAMA registrierte für das gesamte Jahr 2019 10.392 zivile Opfer, was einem Rückgang von 5% gegenüber 2018 entspricht, aber auch die niedrigste Anzahl an zivilen Opfern seit dem Jahr 2013 bedeutet. Nachdem die Anzahl der durch ISKP verursachten zivilen Opfer zurückgegangen war, konnte ein Rückgang aller zivilen Opfer registriert werden, wenngleich die Anzahl ziviler Opfer speziell durch Taliban und internationale Streitkräfte zugenommen hatte. Im Laufe des Jahres 2019 war das Gewaltniveau erheblichen Schwankungen unterworfen, was auf Erfolge und Misserfolge im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen Taliban und den US-Amerikanern zurückzuführen war.
Seit Ende des Jahres 2019 haben Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente erheblich zugenommen. Im September 2019 fanden die afghanischen Präsidentschaftswahlen statt, in diesem Monat wurde auch die höchste Anzahl feindlicher Angriffe eines einzelnen Monats seit Juni 2012 und die höchste Anzahl effektiver feindlicher Angriffe seit Beginn der Aufzeichnung der RS-Mission im Januar 2010 registriert. Dieses Ausmaß an Gewalt setzte sich auch nach den Präsidentschaftswahlen fort, denn im Oktober 2019 wurde die zweithöchste Anzahl feindlicher Angriffe in einem Monat seit Juli 2013 dokumentiert. Betrachtet man jedoch das Jahr 2019 in dessen Gesamtheit, so waren scheinbar feindliche Angriffe, seit Anfang des Jahres, im Zuge der laufenden Friedensgespräche zurückgegangen. Nichtsdestotrotz führte ein turbulentes letztes Halbjahr zu verstärkten Angriffen feindlicher Elemente von insgesamt 6% und effektiver Angriffe von 4% im Jahr 2019 im Vergleich zu den bereits hohen Werten des Jahres 2018.
Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen. Zwischen 1.6.2019 und 31.10.2019 fanden 19 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 17), landesweit betrug die Zahl 88. Öffentlichkeitswirksame Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente setzten sich im Berichtszeitraum (8.11.2019-6.2.2020) fort: 8 Selbstmordanschläge wurden verzeichnet; im Berichtszeitraum davor (9.8.-7.11.2019) wurden 31 und im Vergleichszeitraum des Vorjahres 12 Selbstmordanschläge verzeichnet. Der Großteil der Anschläge richtetet sich gegen die ANDSF (afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte) und die internationalen Streitkräfte.
Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten
Nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen den USA und den Taliban war es bereits Anfang März 2020 zu einem ersten großen Angriff des ISKP gekommen. Der ISKP bekannte sich zu dem Angriff auf eine Gedenkfeier eines schiitischen Führers; Schätzungen zufolge wurden dabei mindestens 32 Menschen getötet und 60 Personen verletzt. Am 25.3.2020 kam es zu einem tödlichen Angriff des ISKP auf eine Gebetsstätte der Sikh (Dharamshala) in Kabul. Dabei starben 25 Menschen, 8 weitere wurden verletzt. Regierungsnahe Quellen in Afghanistan machen das Haqqani-Netzwerk für diesen Angriff verantwortlich.
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan.
Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel.
Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan.
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren.
Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern. Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen.
49 Angriffe werden dem ISKP im Zeitraum 8.11.2019-6.2.2020 zugeschrieben, im Vergleichszeitraum des Vorjahres wurden 194 Vorfälle registriert. Im Berichtszeitraum davor wurden 68 Angriffe registriert. Die Macht des ISKP in Afghanistan ist kleiner, als jene der Taliban; auch hat er viel Territorium verloren. Der ISKP war bzw. ist nicht Teil der Friedensverhandlungen mit den USA und ist weiterhin in der Lage, tödliche Angriffe durchzuführen. Aufgrund des Territoriumsverlustes ist die Rekrutierung und Planung des ISKP stark eingeschränkt.
Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen.
Kabul
Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20 (CSO 2019). Die Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten. Einige Quellen behaupten, dass sie fast 6 Millionen beträgt (AAN 19.3.2019). Laut einem Bericht, expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile – auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) – zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die afghanische zentrale Statistikorganisation (Central Statistics Organization, CSO) schätzt die Bevölkerung der Provinz Kabul für den Zeitraum 2019-20 auf 5.029.850 Personen (CSO 2019). Sie besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).
Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014). In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit internationalen und nationalen Passagierflügen bedient wird (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).
Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den „jüngsten Einwanderern“ (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).
Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen: Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine disruptive Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man „seine Nachbarn nicht mehr kenne“ (AAN 19.3.2019).
Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalen oder ethnischen Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art „Dorfgesellschaft“ entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018).
Aufgrund eben dieser öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFERL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird stark von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern gesichert (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Villages liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden – so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und andere britische Einrichtungen (RFERL 2.9.2019).
In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train, Advise and Assist Command – Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).
Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 1.563 zivile Opfer (261 Tote und 1.302 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einem Rückgang von 16% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmordangriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (UNAMA 2.2020).
Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden (KP 27.3.2019; vgl. TN 26.3.2019, SAS 26.3.2019, TN 23.10.2018,. KP 23.10.2018, KP 9.7.2018). Dabei kam es unter anderem zu zivilen Opfern (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch (TN 7.8.2019; vgl. PAJ 7.7.2019, TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019). Dabei wurden unter anderem Aufständische getötet (TN 7.8.2019) und verhaftet (TN 7.8.2019; PAJ 7.7.2019; vgl TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019), sowie Waffen und Sprengsätze konfisziert (TN 9.6.2019; vgl. PAJ 28.5.2019).
Balkh
Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).
Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).
Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).
Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).
Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 277 zivile Opfer (108 Tote und 169 Verletzte) in der Provinz Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 22% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe am Boden, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. (UNAMA 2.2020).
Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.
Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).
Herat
Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere „temporäre“ Distrikte – Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) –, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).
Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).
Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als „sehr sicher“ gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vgl. RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).
Auf Seiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vgl. KP 16.12.2018).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 400 zivile Opfer (144 Tote und 256 Verletzte) in der Provinz Herat. Dies entspricht einer Steigerung von 54% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierte Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 2.2020).
In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vgl. KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vgl. AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vgl. KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vgl. PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vgl. PAJ 30.6.2019) wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).
Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).
Kunar
Kunar liegt im Osten Afghanistans, an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Provinz grenzt im Norden an Nuristan, im Osten an Pakistan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa), im Süden an Nangarhar und im Westen an Laghman (NPS o.D.kn; vgl. UNOCHA 4.2014kn). Neben der Provinzhauptstadt Asadabad (NPS o.D.kn; vgl. OPr 1.2.2017kn) ist die Provinz in die folgenden Distrikte unterteilt: Bar Kunar (auch Asmar), Chapa Dara, Sawkay (auch Chawkay), Dangam, Dara-e-Pech (auch Manogi), Ghazi Abad, Khas Kunar, Marawara, Narang wa Badil, Nari, Noorgal, Sar Kani, Shigal, Watapoor und Sheltan (CSO 2019; vgl. IEC 2018, UNOCHA 4.2014kn, NPS o.D.kn, OPr 1.2.2017kn). Letzterer wird als „temporärer Distrikt“ definiert, was bedeutet, dass er als Teil der Provinz gilt, aber sein Status als solcher vom afghanischen Parlament noch nicht genehmigt wurde (AAN 16.8.2018; vgl. CSO 2019).
Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Kunar für den Zeitraum 2019-20 auf 490.690 (CSO 2019). Sie besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Pashai und Nuristani (NPS o.D.kn; vgl. OPr 1.2.2017kn).
Eine Autobahn führt von Jalalabad durch die Distrikte Nurgal, Chawkay, Narang, Asadabad, Shigal nach Asmar (MoPW 16.10.2015; vgl. UNOCHA 4.2014kn). Vom Distrikt Asmar führt eine Straße durch die Distrikte Ghaziabad und Nari in die Provinz Nuristan (ST 9.8.2018). Die Provinz hat eine 175 Kilometer lange Grenze mit Pakistan (NPS o.D.kn). Diese Grenze, auch als Durandlinie bezeichnet, erhält nun eine Grenzbefestigung, die sich derzeit in Bau befindet und weit fortgeschritten ist. Diese Grenzbefestigung durch Pakistan soll entlang der gesamten Länge der Grenze in zwei bis drei Jahren abgeschlossen sein. Auf die Art sollen grenzüberschreitende Bewegungen von Aufständischen und Schmugglern unterbunden werden. Jedoch werden auch die Bewegungen von Zivilisten eingeschränkt, die familiäre Beziehungen auf beiden Seiten der Staatsgrenze haben (GN 5.7.2019). Im Jahr 2016 berichtete eine Quelle von drei offiziellen Grenzübergängen zwischen Kunar und Pakistan: Arandu, Gursal und Nawa-Pass (Dawn 2.9.2016). Um von Kunar nach Pakistan zu gelangen müsse man über Nangarhar fahren – was einen Umweg von mehreren Stunden bedeutet. Es gibt jedoch mehrere inoffizielle Durchlässe durch den Grenzzaun, die von Schmugglern und Aufständischen genutzt werden, welche die pakistanischen Grenzwächter bestechen (GN 5.7.2019).
Laut UNODC Opium Survey 2018 wurde in Kunar auf einer Fläche von 1.723 Hektar Schlafmohn angebaut, was einem Anstieg der Anbaufläche von 6% entspricht (UNODC/MoCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Die in der Provinz aktiven terroristischen Organisationen sind unter anderem: ISKP (TN 14.3.2017; vgl. LWJ 30.6.2019b), al-Qaida (Tolo 14.3.2017; vgl. LWJ 30.6.2019a) und Lashkar-e Taiba (Tolo 14.3.2017). Berichten zufolge soll sich die Präsenz des ISKP auf die östlichen Regionen – Kunar und Nangarhar – konzentrieren; die Stärke der Organisation wird mit 2.500 – 4.000 Kämpfern beziffert. Angeblich sollen Kämpfer des ISKP in Kunar eine eigene lokal-gefärbte Version des Islamischen Staates gegründet haben; in manchen Fällen offenbar aus opportunistischen Gründen – in der Regel Dispute mit anderen aufständischen Gruppen – mit denen sie zuvor verbunden waren. Das Überlaufen wurde wohl auch dadurch begünstigt, dass viele Kunaris (im Gegensatz zu den meisten anderen Afghanen) Salafisten sind, was sie – aufgrund ideologischer Ähnlichkeiten – anfälliger für den Wechsel zum Islamischen Staat macht (TD 14.5.2019).
Die Anzahl der al-Qaida-Aufständischen in Afghanistan wird von offizieller Seite auf 240 geschätzt – wobei sich die signifikanteste Anzahl auf 3 Provinzen – Badakhshan, Kunar und Zabul – verteilen soll. Kunar ist nach wie vor eine Region, in der ausländische Aufständische zu finden sind; die Lashkar-e-Tayyiba rekrutiert hier nach wie vor und finanziert Aktivitäten. Afghanischen Beamten zufolge beträgt die geschätzte Anzahl ihrer Mitglieder in den beiden Provinzen Kunar und Nangarhar um die 500. Die Lashkar-e-Tayyiba soll versucht haben, Beziehungen zu den Taliban und dem ISKP zu unterhalten und einen Waffenstillstand zu erreichen. In letzter Zeit hat sie jedoch versucht, sich vom ISKP zu distanzieren und somit eine neutralere Rolle eingenommen (UNSC 13.6.2019). Kunar ist eine der Grenzregionen, wo ausländische Terrororganisationen aktiv sind und sichere Rückzugsgebiete unterhalten (UNSC 13.6.2019). Auch betreiben Mitglieder der Teherik-e Taliban Pakistan (TTP) in der Provinz Kunar eine Militärbasis – das sogenannte Ghazi Camp; sie verlagerten ihre Basis nach Räumungsoperationen durch das pakistanische Militär nach Kunar (Dawn 8.3.2018; vgl. LWJ 22.1.2019). Deren Mitglieder werden auf 3.500 geschätzt (UNSC 13.6.2019). Aufständische, die in Gebieten tätig sind, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, wie Chapadara und Dara-e-Pech, finanzierten sich durch Gewinne aus Entwaldung und Bergbau (IWPR 23.1.2018).
In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kunar in der Verantwortung des 201. ANA Corps, das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - East (TAAC-E) untersteht, die von US-amerikanischen und polnischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 256 zivile Opfer (77 Tote und 179 Verletzte) in der Provinz Kunar. Dies entspricht einem Rückgang von 36% gegenüber 2018. Die Hauptursachen für die Opfer waren Kämpfe am Boden, gefolgt von nicht explodierten Kampfmitteln (unexploded ordnance, UXO), Landminen und gezielten Tötungen (UNAMA 2.2020).
In der Provinz Kunar werden regelmäßig Sicherheitsoperationen durchgeführt (z.B. XI 4.7.2019; PAJ 13.6.2019; AJ 23.5.2019; KP 3.4.2019; TN 30.1.2019; UNAMA 24.2.2019; XI 24.9.2018), dabei wurden unter anderem Aufständische gefangen genommen oder getötet (z.B. PAJ 13.6.2019; BN 23.5.2019; KP 2.10.2018; AJ 15.6.2018), jedoch kam es unter anderem auch zu Todesopfern unter Zivilisten, z.B. im Mai 2019 (AJ 23.5.2019), sowie Dezember (UNAMA 2.24.2019) und Oktober 2018 (NYT 26.10.2018).
Zusammenstöße zwischen ISKP-Kämpfern und den Regierungskräften (KP 11.12.2018), aber auch zwischen ISKP-Anhänger und Taliban finden statt. Dabei werden Kämpfer auf beiden Seiten getötet und verletzt, zudem kommt es in manchen Fällen auch zu zivilen Opfern (ET 6.10.2018; vgl. UNSC 7.12.2018; KP 28.1.2019; KP 19.1.2019; PAJ 28.8.2018; KP 28.1.2019; KP 19.1.2019; PAJ 28.8.2018).
Erreichbarkeit von Städten in Afghanistan:
Beachtenswert ist die Vollendung der „Ring Road“, welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (LIB 13.11.2019, S. 229). Die Ring Road, auch bekannt als Highway One, ist eine Straße, die das Landesinnere ringförmig umgibt. Die afghanische Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts. Sie verbindet außerdem Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif.
In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt. Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul – Herat und Kabul – Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan Airlines angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt.
Der Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ist ein internationaler Flughafen. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. Mehrere internationale Airlines fliegen nach Kabul.
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet. Folgende internationale Airline fliegt nach Maza-e Sharif: Turkish Airlines aus Istanbul. Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kabul und Maimana.
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet. Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen nach Kabul, Farah und Chighcheran.
Religionsfreiheit:
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung