TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/10 W195 2209561-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2020
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Entscheidungsdatum

10.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2209561-3/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Erster Antrag auf internationalen Schutz:

I.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 21.03.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Er begründete seinen Antrag zusammengefasst damit, dass er mit einem Freund ein Liebesverhältnis und ab Dezember 2015 Geschlechtsverkehr mit seinem Freund gehabt habe. Ein älterer Mann habe dies im März 2016 mitbekommen und in weiterer Folge die Mutter des BF und das Oberhaupt der Moschee verständigt. Der BF sei bei der Polizei angezeigt worden, die Polizei habe die Anzeige jedoch nicht entgegengenommen und auch nichts gemacht, weil der BF damals erst 16 Jahre alt gewesen sei. Er sei von seiner Mutter zu Verwandten geschickt worden. Seine Verwandtschaft habe dann erfahren, dass er bisexuell sei, und ihm gesagt, dass er nicht bleiben könne. Er ging zu einem anderen Verwandten, der das auch erfahren habe und das Moscheeoberhaupt angerufen habe, damit jenes Oberhaupt ihn töten könne. Der BF sei daraufhin weggelaufen. Die Leute in seiner Heimatregion würden ihn töten. Zur Frage des BFA, ob er „immer noch homosexuell“ sei, gab er an, er sei noch jung, er gehe dahin, wie es sich weiterentwickle.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies den Antrag des BF mit Bescheid vom 05.07.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab; gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei.

Das BFA führte im Bescheid zusammengefasst aus, dass der BF persönlich unglaubwürdig sei und es nicht festgestellt werden könne, dass er sein Herkunftsland wegen seiner Homosexualität habe verlassen müssen. Selbst bei Wahrunterstellung wäre das Vorbringen aber nicht asylrelevant, da dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehen würde.

Der Bescheid des BFA wurde dem BF am 09.07.2018 zugestellt und erwuchs mangels Erhebung einer Beschwerde in Rechtskraft.

I.2. Gegenständlicher zweiter Antrag auf internationalen Schutz:

I.2.1. Am 16.10.2018 stellte der BF, nachdem er am 13.09.2018 nach illegaler Einreise aus Italien kommend aufgegriffen wurden war, einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am 17.10.2018 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 29.10.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Der BF führte zur Begründung des zweiten Antrages auf internationalen Schutz bei der Erstbefragung aus, er habe alle seine Gründe bereits beim ersten Antrag genannt; es sei in Bangladesch ein großes Problem, dass er schwul sei.

In seiner Einvernahme vor dem BFA gab er an, er stelle den neuen Antrag, da er homosexuell sei und das BFA wisse, wie ein homosexueller Mann in Bangladesch behandelt werde. Wenn er nach Bangladesch zurückkehren müsse, würde er getötet werden. Er habe noch immer dieselben Fluchtgründe wie bei seiner Einreise nach Österreich. Ein Freund habe ihm vor etwa vier oder fünf Tagen gesagt, dass er noch immer in Bangladesch gesucht werde. Er wolle hier in Österreich mit seiner persönlichen Meinung und Einstellung leben.

I.2.2. Das BFA wies mit Bescheid vom 30.10.2018, XXXX , den Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurück. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Das BFA sprach zudem aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.

Das BFA stellte im Bescheid zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz fest, dass der BF seine Angaben auf sein als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen im ersten Asylantrag stütze und er im gegenständlichen Verfahren unglaubwürdig weitere Fluchtgründe vorgebracht habe. Es habe sich daraus kein neuer Sachverhalt ergeben, die allgemeine maßgebliche Lage habe sich nicht geändert.

I.2.3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF eine Beschwerde.

I.2.4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2018, XXXX , wurde der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF bei der Einvernahme am 29.10.2018 angegeben habe, dass er homosexuell sei und er hier in Österreich mit seiner persönlichen Meinung und Einstellung leben wolle. Dass sich dieses Vorbringen ausschließlich auf Sachverhalte beziehe, die schon vor Beendigung des Vorverfahrens verwirklicht worden wären, könne nicht gesagt werden. Es gehe vielmehr - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde - über die im ersten Asylverfahren gemachten Angaben des BF wesentlich hinaus und mache eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen erforderlich.

I.2.5. Am 12.12.2018 wurde der BF erneut vom BFA niederschriftlich einvernommen. Der BF verneinte darin die Frage, ob er „derzeit eine Beziehung“ führe und gab auf die Frage, wie lange er bereits ohne Partner sei sowie ob er sich als homosexuell oder bisexuell bezeichne, an, dass er seit seiner Ausreise aus Bangladesch keinen Partner mehr gehabt habe und er bis jetzt keinen Geschlechtsverkehr mit Frauen gehabt habe. Der BF legte im Rahmen seiner Einvernahme ein Schreiben der Organisation XXXX vor.

I.2.6. Das BFA wies mit Bescheid vom 21.01.2019, XXXX , den Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) erneut wegen entschiedener Sache zurück. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Das BFA sprach zudem aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

Das BFA stellte zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz fest, der BF stütze seine Angaben auf sein als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen im ersten Asylantrag und habe im gegenständlichen Verfahren unglaubwürdig weitere Fluchtgründe vorgebracht. Es habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben, die allgemeine maßgebliche Lage habe sich nicht geändert.

I.2.7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF wiederum eine Beschwerde.

I.2.8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2019, XXXX wurde der Beschwerde erneut stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF seinen nunmehrigen Antrag einerseits damit begründe, dass er, wie er bereits im Vorverfahren angegeben habe, aufgrund homosexueller Handlungen, die er vor seiner Ausreise in Bangladesch vorgenommen habe, noch immer verfolgt werde. Mit diesem Vorbringen stütze er sich auf Ereignisse, die von der Rechtskraft des Vorbescheides umfasst seien. Insoweit sei den Ausführungen des BFA nicht entgegenzutreten. Der BF habe darüber hinaus jedoch bei der Einvernahme am 29.10.2018 neu angegeben, dass er homosexuell sei und er „mit [s]einer persönlichen Meinung und Einstellung hier [in Österreich] leben möchte.“ Das BFA sei diesem neuen Vorbringen des BF nicht entgegengetreten und habe dieses insbesondere nicht als unglaubhaft gewertet. Das BFA habe auch das Vorbringen des BF, wonach er homosexuell sei, nicht als unglaubhaft erachtet. Das BFA sei lediglich zu dem Ergebnis gekommen, dass das, was dem BF laut seinen Angaben in Pakistan an konkreten Erlebnissen und Verfolgungshandlungen widerfahren sein soll, nicht den Tatsachen entspreche. Das BFA werde im fortzusetzenden Verfahren das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete Parteivorbringen sowie allfällig zwischenzeitig vorgelegte Beweismittel zu berücksichtigen. Eine zurückweisende Entscheidung wegen entschiedener Sache komme im vorliegenden Fall nicht mehr in Betracht.

I.2.8. Am 20.02.2019 langte beim BFA ein vom Bezirksgericht Wels übermittelter Strafantrag aufgrund des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs. 1 StGB durch den BF beim BFA ein.

I.2.9. Am 30.04.2019 wurde der BF erneut vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Der BF legte eingangs ein Konvolut an Fotos, die ihn bei sozialen Aktivitäten zeigen, sowie diverse Schreiben, darunter des Vereins Queer Base und des Vereins „Homosexuelle Initiative Wien“, vor. Der BF gab in seiner Befragung zusammengefasst an, vom Staat versorgt zu werden und in Österreich Mitglied bei der XXXX ( XXXX ) und bei der Freikirche XXXX zu sein. Der BF habe keine Verwandten in Österreich, aber einige österreichische Freunde. Unter den Bengalen habe er nur seinen Partner und einen Freund. Der BF besuche einen Deutschkurs und spreche ein wenig Deutsch. Er sei gesund, habe aber manchmal Schmerzen im linken Brustbereich. In Bangladesch habe der BF mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder gelebt und die Familie habe den Lebensunterhalt durch die Arbeit seiner Mutter in einem Büro für Elektrizität bestritten. Der BF selbst habe nicht gearbeitet. Der Vater des BF sei verstorben.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, bereits in Bangladesch homosexuell gewesen zu sein und einen Freund gehabt zu haben, mit dem er häufig unterwegs gewesen sei. Als sie elf oder zwölf Jahre alt gewesen seien, hätten sie begonnen, sich zu küssen und im Alter von 13 oder 14 hätten sie weitere sexuelle Handlungen vorgenommen und mit 14 Jahren sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen. Dies sei bis August 2016 so weitergegangen, als die beiden in einem neu zu errichtenden Gebäude erwischt worden wären. Der BF sei von einer Person namens XXXX am Arm gepackt worden, aber er habe sich losreisen können und sei danach nicht mehr nach Hause, sondern direkt zu Verwandten gegangen. Bis der BF seine Verwandten erreicht habe, habe es eine Weile gedauert und inzwischen hätten viele von dem Vorfall erfahren, weshalb die Verwandten den BF nicht hätten aufnehmen wollen. Daher sei der BF zu einem Onkel seiner Mutter gegangen. Dort hätten Leute von der Ortschaft des BF angerufen und nach dem BF gefragt. Der BF sei daraufhin - ohne sich zu verabschieden -fortgegangen und sei mit einem Bus nach XXXX gefahren. Seine Mutter sei, nachdem der BF sie telefonisch kontaktiert habe, nach XXXX gekommen und habe dem BF erzählt, dass alle in der Ortschaft, auch die Moscheen, über den BF Bescheid wissen und nach ihm suchen würden. Alle möglichen Leute seien in ihr Haus gekommen und hätten auch den Bruder des BF bedroht. Nach dem Vorfall habe sich der BF nur mehr maximal ein Monat, in einem Hotel in XXXX , in Bangladesch aufgehalten. Während dieser Zeit sei er nicht bedroht worden, aber seine Angehörigen zu Hause schon. Die Mutter des BF habe diesem gesagt, dass 90 % der Bewohner Muslime seien und selbst der Staat und die Polizei gegen Homosexualität wären, weshalb er das Land verlassen solle. Die Leute aus der Ortschaft und die Polizei würden den BF noch immer suchen. Sein damaliger Freund sei aus einer reichen und recht machhabenden Familie und ein Freund des BF habe von Leuten aus der Ortschaft gehört, dass erzählt werde, der BF habe diesen zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Im Fall einer Rückkehr befürchte der BF, dass er kein ordentliches Leben führen könne. Falls er einen Partner finden würde, wäre es nicht möglich, mit diesem zusammenzuleben.

Der BF sei mit einem Asylwerber in einer Beziehung und habe diesen das erste Mal bei der XXXX im Dezember 2018 gesehen. Sie würden sich zwei bis drei Mal wöchentlich treffen. Der BF sei homosexuell und könne keinen Geschlechtsverkehr mit Frauen haben.

I.2.10. In der Stellungnahme des BF, vertreten durch die XXXX , vom 14.05.2019 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF glaubhaft und substantiiert vorgebracht habe, homosexuell zu sein und zur Untermauerung seines Vorbringens zahlreiche Beweismittel zur Vorlage gebracht habe. Die vorgelegten Fotos würden den BF mit seinem Lebensgefährten zeigen und die Schreiben, insbesondere der XXXX und der Homosexuellen Initiative Wien, würden eine Eingliederung in die LGBT-Community beweisen. Der BF habe im Verfahren detailliert dargestellt, wie sein Coming-Out-Prozess in Bangladesch gewesen sei und welche inneren Kämpfe und Zwänge er in einem konservativ-islamisch geprägtem Umfeld ausgeliefert sei.

Zu den Länderberichten wurde angeführt, dass dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu entnehmen sei, dass homosexuelle Personen in Bangladesch einerseits der gesellschaftlichen Diskriminierung, andererseits der staatlichen bzw. quasistaatlichen Verfolgung ausgesetzt seien. Es werde ein besonders prekäres Bild gezeichnet. Aktuell würden Menschen ihre von der Norm abweichende sexuelle Orientierung in Bangladesch nicht frei und offen leben und seien diese Menschen bemüht, die sexuelle Orientierung zu verheimlichen und zu verstecken, um einer Verfolgung zu entgehen. Berichte über die Verfolgungswahrscheinlichkeit in Bangladesch gebe es nicht, da es aufgrund der Gefahr und der Ängste der Betroffenen keine offen ausgelebte nicht-normative Sexualität gebe. Dabei sei auch auf die UNHCR SOGI Richtlinien vom 23.10.2012 Bedacht zu nehmen, wonach internationale Organisationen in bestimmten Ländern nach wie vor nur beschränkte Möglichkeiten hätten, Übergriffe gegen LGBTIQ-Personen zu beobachten und zu dokumentieren. Auch die Stigmatisierung rund um das Thema sexuelle Orientierung und/oder geschlechtliche Identität trage laut den Richtlinien dazu bei, dass Zwischenfälle nicht angezeigt werden würden. Die in den Länderberichten angegebenen Informationen können nur die Mindestanzahl der Übergriffe darstellen, da notwendigerweise eine oft erhebliche Dunkelziffer bleibe und sich nur das Niveau der Verfolgung von versteckt lebenden LGBTIQ-Personen, welche entdeckt worden seien, abbilde. In einem durch Human Rights Watch veröffentlichten Bericht werde ausgeführt, dass sich die LGBT-Community in Bangladesch unter permanentem Druck befinde. Verwiesen wurde zudem auf einen Bericht von Amnesty International, in dem von einer Zunahme der Gewalt und Morden durch Extremisten berichte, auf einen Bericht der Organisation Freedom House über dutzende Angriffe auf LGBT-Personen sowie auf Berichte in diversen Medien betreffend Morde an LGBT-Aktivisten, einer Verhaftung eines lesbischen Paares wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Beziehung, sowie ein Interview eines LGBT-Aktivisten, der Bangladesch aufgrund von Drohungen, einer Entführung und Vergewaltigung verlassen habe.

Weiters wurde auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes verwiesen, in denen ausgesprochen wurde, dass ein offenes Bekenntnis zur Homosexualität in Bangladesch unmöglich sei und oft durch die Familie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zur Verfolgungshandlungen führe sowie dass es zu Belästigungen, Missbrauch, Verhaftungen und Anhaltungen durch die Polizei komme und es zu weiteren massiven Diskriminierungen kommen könne.

Zur Verfolgungsgefahr des BF wurde ausgeführt, dass dem BF im Fall einer Rückkehr eine Ermordung drohe und der Familie des BF bereits Morddrohungen übermittelt worden seien. Die Familie des BF habe diesen verstoßen, auch sein Bruder habe sich gegen den BF gewandt. Die Mutter des BF habe dem BF geraten, nicht nach Bangladesch zurückzukommen. Die Länderberichte würden das Ausmaß der Verfolgung von LGBTI-Personen und die damit einhergehende Gefahr deutlich machen. Dem BF drohen neben Diskriminierung auch vielfältige Repressalien, welche willkürliche Inhaftierungen, rechtsgrundlose Anhaltung, (sexuellen) Missbrauch, Erpressung und Morddrohungen beinhalten. Aufgrund dieser Vielzahl alltäglicher Gelegenheiten, die eine Verfolgung asylrelevanten Ausmaßes unmittelbar hervorrufen können, sei von einer Gruppenverfolgung homosexueller Männer in Bangladesch auszugehen. Selbst wenn man keine individuelle Verfolgung annehme, sei der BF daher einer Gruppenverfolgung ausgesetzt. Ein Verbergen der sexuellen Orientierung im Herkunftsstaat zwecks Hintanhaltung von Verfolgungshandlungen zu verlangen, sei nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls unzulässig.

I.2.11. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17.05.2019 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass alleine aufgrund der Tatsache, dass der BF homosexuell sei, keine asylrechtliche Verfolgungsgefahr bestehe. Es werde nicht verkannt, dass Homosexuelle in Bangladesch mitunter einer Diskriminierung ausgesetzt werden können, jedoch erreiche diese keine asylrechtliche Intensität. Der BF habe, obwohl bekannt geworden sei, dass er homosexuell sei, circa einen Monat in XXXX ohne Probleme leben können. Es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, weiterhin in dieser Stadt zu leben. Beim BF handle es sich um einen jungen, arbeitsfähigen und gesunden Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb der BF keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Der BF sei in Bangladesch aufgewachsen und in die Schule gegangen und habe die überwiegende Zeit seines Lebens in Bangladesch verbracht. Es könne davon ausgegangen werden, dass der BF auch im Rahmen seines Familienverbandes – seine Eltern leben in Bangladesch – eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung gewährleistet sei. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.2.12. Mit Schriftsatz vom 12.06.2019 wurde der Bescheid des BFA seitens des – rechtsfreundlich vertretenen – BF zur Gänze angefochten.

Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass das Länderinformationsblatt ein prekäres Bild über die Situation von LGBTIQ-Personen zeichne, aber nicht ausreiche, um ein umfassendes Bild von der Lage zu erlangen, weshalb zwei ACCORD-Anfragebeantwortungen in Vorlage gebracht werden. Im Zuge der Einvernahme habe der BF XXXX erwähnt, mit dem der BF eine Beziehung führe. Im Rahmen seiner Ermittlungspflicht wäre das BFA daher verpflichtet gewesen, weitere Feststellungen bezüglich dieser Person zu treffen, auch nach dessen Befragung als Zeuge. Zum Beweis, dass der BF homosexuell sei, werde die zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn XXXX sowie von Herrn XXXX beantragt. Mit der erstgenannten Person führe der BF eine geschlechtliche Beziehung und mit der zweiten Person besuche der BF diverse Veranstaltungen, wie zuletzt den EuroPride PoolDay. Die Behörde habe zudem ihre Ermittlungspflicht verletzt, indem sie nicht durch konkretere Fragen bezüglich relevanter Sachverhaltselemente drauf hingewirkt habe, dass wesentliche Angaben gemacht werden.

Hinsichtlich der Beweiswürdigung wurde angeführt, dass die vorgelegten Beweismittel keine Berücksichtigung gefunden hätten und die Beweiswürdigung insgesamt äußerst „dürftig“ ausfalle. Dass (noch) keine strafrechtliche Verfolgung gegen den BF eingeleitet worden sei, möge seine Ursache darin haben, dass der BF damals noch minderjährig gewesen sei.

Zur rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des EuGH der Konnex zu einem Konventionsgrund gegeben sei, weil Homosexuelle eine bestimmte soziale Gruppe darstellen würden. Der VwGH habe ausgesprochen, dass von einem Asylwerber nicht erwartet werden könne, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim halte, um eine Verfolgung zu vermeiden; dies entspreche auch der Rechtsprechung des BVwG. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung, da es dem BF nicht zumutbar sei, seine sexuelle Orientierung zu verstecken und er im Fall der offenen Ausübung seiner Homosexualität im gesamten Staatsgebiet sowohl staatlich als auch gesellschaftlich verfolgt werden würde.

Zudem wurde dargelegt, dass dem BF als homosexuellem Mann, der seine sexuelle Orientierung auch leben möchte, in seinem Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe. Außerdem habe der BF ein schützenswertes Privatleben in Österreich. Er sei in die österreichische LGBTIQ* Community integriert. Zudem leide der BF an einer Depression und benötige deswegen Psychopharmaka und eine Psychotherapie, die dem BF in seinem Herkunftsland nicht zugänglich wäre. Auch dies verstärke seine Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet.

I.2.13. Am 13.06.2019 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.2.14. Am 13.06.2019 wurden die in der Beschwerde erwähnten Beilagen, die ACCORD Anfragebeantwortung zu Bangladesch: Lage von LGBT-Personen, speziell in XXXX und anderen Großstädten: Gewalt und Behandlung durch den Staat vom 30.05.2018 sowie die ACCORD Anfragebeantwortung zu Bangladesch: Bestimmungen und Anwendung des bangladeschischen Strafgesetzes zur Homosexualität, gesellschaftlicher Umgang mit Homosexualität, Existenz von Organisationen, die sich für LGBT-Personen einsetzen, Vernetzung von Homosexuellen, Berichte über Gewalt gegen Homosexuelle vom 01.06.2016, nachgereicht.

I.2.15. Am 09.07.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Vor dieser Verhandlung wurde dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt (Stand April 2020) zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt. Im Zuge der Verhandlung wurde der BF erneut ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.

Einleitend legte der BF diverse Empfehlungsschreiben, eine Einstellungszusage, Fotos und Bestätigungen über Deutschkurse vor (ein Zertifikat über den Abschluss wurde nicht vorgelegt); weiters wurden dem Gericht Ausdrucke von Facebook-Posts übermittelt.

Als Zeuge wurde XXXX namhaft gemacht; dieser sollte die Homosexualität des BF bestätigen können.

In der Beweisaufnahme führte der BF aus, dass er bei einer Einvernahme Probleme mit dem Dolmetscher hatte.

Der BF sei grundsätzlich gesund, habe jedoch psychische Probleme und nehme deshalb regelmäßig Medikamente ( XXXX ).

Kontakt zu seiner Familie habe er keinen, den letzten telefonischen Kontakt zu seiner Mutter habe er kurz nachdem er im Jahr 2018 nach Österreich gekommen sei, gehabt. Dieser Kontakt habe über einen Freund stattgefunden, weil sein Bruder nicht haben will, dass der BF mit der Mutter kontakt habe. Mittlerweile wisse der BF nicht, ob seine Familie noch in der gleichen Ortschaft wohne.

Der BF sagte aus, er sei am 13.03.2002 geboren worden. Er sei mit vier oder viereinhalb Jahren in die Schule gekommen. Die Schule habe er sieben Jahre lang besucht. Nach einem Vorfall, den Fluchtgrund, habe er sodann Bangladesch verlassen (BVwG VS S 7). Demnach wäre der BF 11 ½ Jahre alt gewesen, als er Bangladesch verließ.

Hingegen führte er später in der Verhandlung aus, dass er Bangladesch mit 14 ½ oder 14 Jahren und 7 oder 8 Monate verlassen habe (BVwG VS S 17).

Seine Mutter habe die Flucht samt Schleppung organisiert. Es habe dies vermutlich eine Million Taka gekostet, seine Mutter würde monatlich um die 20.000 bis 25.000 Taka in einem Elektrikerbüro verdienen; der BF gehe davon aus, dass sie Schmuck und Grundstücke verkauft habe, um die Ausreise zu finanzieren; er wisse es nicht genau.

Der BF hat keine Verwandten und keine Kinder in Österreich.

Gefragt, ob der BF eine Beziehung habe, antwortete er: „Nein, also Beziehung … verheiratet oder so eine Beziehung habe ich nicht.“.

Er habe jedoch regelmäßig homosexuellen Geschlechtsverkehr mit XXXX .

Er sei aktiv in der Queer-Community tätig und wurde dies auch durch den in der Verhandlung vor dem BVwG einvernommenen Zeugen XXXX bestätigt. Dieser berichtete, dass der BF „brav mithelfe“ bei diversen Veranstaltungen, dass der BF „leuchtende Augen“ bekäme, wenn er sich in der Community befände und man merken würde, dass sich der BF wohl fühle. Mittlerweile kenne man den BF innerhalb der Queer-Community. Der Zeuge selbst habe keinen homosexuellen Kontakt mit dem BF gehabt, und er wisse auch nichts über die Fluchtgründe. Der BF habe sie ihm nicht erzählt und er habe nicht danach gefragt. Sie würden sich auf Englisch und ein wenig Deutsch unterhalten.

Mit dem BF war ein Gespräch in deutscher Sprache möglich, der Sprachwortschatz ist jedoch sehr begrenzt; diese Feststellungen konnten im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG getroffen werden.

Der BF lebt von der Grundversorgung.

Nachgefragt, was der BF nach dem rechtskräftigen Bescheid des BFA vom 09.07.2018, mit dem der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen worden war, gemacht habe, sagte der BF, dass er im Bundesgebiet verblieb. Er habe auf der Straße, im Zug und in Bahnhöfen gelebt.

Einmal sei er versehentlich in Innsbruck in einen falschen Zug eingestiegen und nach Italien gefahren. Er sei zurückgeschickt, festgenommen und ins Gefängnis gebracht worden.

Nachdem er entlassen worden war, sei er in einem Lager für Minderjährige in Niederösterreich untergebracht worden. Dort habe er einen Jungen namens „ XXXX (phonetisch) getroffen, der ihm den Kontakt zu XXXX verschafft habe. Seinen ersten homosexuellen Geschlechtsverkehr in Österreich habe er erst im Jänner oder Februar 2019 gehabt.

Befragt durch den Richter gab der BF an, dass er in Österreich bisher mit sieben bis acht Personen, in Bangladesch mit drei bis vier Personen homosexuellen Geschlechtsverkehr gehabt habe (BVwG VS S 16); im Zuge der Verhandlung änderte der BF seine diesbezügliche Aussage betreffend Sexualpartner in Bangladesch (über Nachfrage des Beschwerdeführervertreters) und meinte, er hätte „so mit 1, 2 Personen …Sex und mit 4 bis 5 Personen … Sex-Spiele“ gehabt (BVwG S 22). Den ersten homosexuellen Geschlechtsverkehr in Bangladesch habe er im Dezember 2015 oder Anfang 2016 gehabt (BVwG VS 17).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der muslimischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Festgestellt wird, dass das BVwG vom Geburtsdatum 24.10.1999 ausgeht.

Der BF stammt aus XXXX . Er hat in Bangladesch – nach seinen Angaben – mit vier, viereinhalb Jahren mit der Schule begonnen und diese sieben Jahre lang besucht und nie gearbeitet. Widersprüchlich ist dazu die Aussage, dass der BF Bangladesch mit vierzehneinhalb Jahren Vor seiner Ausreise aus Bangladesch im Jahr 2016 lebte der BF in XXXX . Die Mutter des BF sorgte für den Lebensunterhalt der Familie. Der Vater des BF ist verstorben.

Die Mutter und der Bruder des BF leben in Bangladesch. Der BF hatte zuletzt ein bis zwei Monate nach seiner Einreise nach Österreich Kontakt zu seiner Familie. Er hat Kontakt zu einem Freund in Bangladesch.

Der BF verließ Bangladesch im Jahr 2016 und stellte am 21.03.2018 seinen ersten Asylantrag im Bundesgebiet, welcher mit Bescheid vom 05.07.2018 rechtskräftig abgewiesen wurde. Der BF verließ das österreichische Bundesgebiet. Am 13.09.2018 reiste der BF aus Italien kommend erneut illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.10.2018 den gegenständlichen zweiten Asylantrag.

Der BF bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der BF ist Mitglied des Vereins der XXXX Wien. Er besucht regelmäßig Deutschkurse (ohne Abschluss) und Veranstaltungen der XXXX sowie – laut schriftlicher Bestätigung - den Sonntagsgottesdienst und Veranstaltungen der Jugendgruppe der Freikirche XXXX . Gleichzeitig gibt der BF (mehrmals) zu Protokoll, dass er Muslim sei (zuletzt BVwG VS S 11). Der BF hat an einem „Workshop gegen die Angst“ des Vereins „PatInnen für alle“ teilgenommen.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder; er lebt in Österreich ohne Beziehung, hat aber nach seinen Aussagen regelmäßigen homosexuellen Geschlechtsverkehr.

Im Bundesgebiet befinden sich keine Familienangehörigen des BF.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist arbeitsfähig.

II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es wird festgestellt, dass mit rechtskräftiger Entscheidung vom 05.07.2018 der Antrag des BF auf internationalen Schutz und Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei.

Es wird festgestellt, dass der BF im Jahr 2018 das Bundegebiet (nach Italien) verließ, jedoch wieder nach Österreich geschickt wurde.

Es wird festgestellt, dass der BF am 16.10.2018 einen neuerlichen, den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Das vom BF im Rahmen seines ersten Antrags auf internationalen Schutzes geltend gemachte Vorbringen (bezüglich homosexueller Handlungen in seinem Herkunftsstaat) wurde bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziert. Es wird daher festgestellt, dass der BF seine Homosexualität in Bangladesch ausleben konnte, ohne von staatlichen Autoritäten verfolgt zu werden.

Es wird festgestellt, dass sich der in Bangladesch aufhältige Bruder des BF wegen der sexuellen Orientierung des BF gegen diesen gewendet hat und den Kontakt zum BF verweigert und auch den Kontakt zwischen dem BF und seiner Mutter unterbindet.

Es wird festgestellt, dass der BF in Österreich keine Beziehung hat.

Es wird festgestellt, dass der BF seit Jänner/Februar 2019 mit verschiedenen Personen in Österreich homosexuellen Geschlechtsverkehr hat, aber in keiner Beziehung mit den Geschlechtspartnern lebt.

Festgestellt wird, dass das gesamte Vorbringen des BF in der Beschwerde nur allgemeine Berichte widergibt, aber keine konkrete Verfolgungshandlung gegen den BF darlegte. Festgestellt wird, dass die während des Verfahrens vorgelegten Dokumente keine konkrete Verfolgungshandlung gegen den BF darlegten. Auch belegen insbesondere die Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 01.06.2016 und vom 30.05.2018 keine konkreten, individuellen Verfolgungshandlungen gegen den BF, sondern beziehen sich auf allgemeine Berichte aus den Jahren 2015 bis 2019.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF wegen seiner Homosexualität einer konkreten Verfolgung durch staatliche Organe und Autoritäten in Bangladesch ausgesetzt ist.

Es liegen auch keine anderen Gründe vor, aufgrund derer der BF in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte. Dem BF steht eine innerstaatliche Fluchtalternative, insbesondere in der Hauptstadt Dhaka (ca 20 Mio Einwohner), in der sich der BF ohne Verfolgungshandlungen aufhalten konnte, zur Verfügung.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 6.4.2020

?        bdnews24 (20.6.2019): Turnout in Upazila polls drops 50% from general elections, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/06/20/turnout-in-upazila-polls-drops-50-from-general-elections, Zugriff 6.4.2020

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

?        CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

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?        DS – Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse . Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

?        Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

?        PA – Prothom Alo (8.9.2019): BNP to join upazila polls: Fakhrul, https://en.prothomalo.com/bangladesh/news/201499/BNP-to-join-upazila-polls-Fakhrul, Zugriff 6.4.2020

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

?        HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

?        WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

Allgemeine Menschenrechtslage

Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 8.2019; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit
17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 8.2019).

Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwinden lassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen und Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 8.2019, siehe auch Abschnitt 5).

Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Delikten von Verleumdung juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).

Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 2020). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt waren. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von „Wegschauen“ über Annahme von Bestechungsgelder für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        EEAS - European External Action Service (1.1.2019): Statement by the Spokesperson on parliamentary elections in Bangladesh, https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/56110/node/56110_es, Zugriff 6.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 24.3.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 27.2.20191.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

?        UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 5.3.2019

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 26.3.2020

SOGI - Sexuelle Orientierung und Genderidentität

Homosexuelle Handlungen sind illegal und können nach § 377 des „Bangladesh Penal Code, 1860“ (BPC) mit lebenslangen Freiheitsentzug (ILGA 3.2019), mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, inklusive der Möglichkeit einer Geldstrafe bestraft werden (ILGA 3.2019; vgl. AA 27.7.2019).

Das Gesetz wird nicht aktiv angewandt.

Gerichtsverfahren oder Verurteilungen von Homosexuellen sind nicht bekannt (ÖB 8.2019). Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft (Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersex) berichteten, dass die Polizei das Gesetz als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen sowie feminine Männer, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu schikanieren (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 27.7.2019).

Homosexualität ist gesellschaftlich absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt. Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen (ÖB 8.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet (FH 2020). Bei einem durch das Human Rights Forum Bangladesh (HRFB) eingereichten Bericht beim UN-Ausschuss gegen Folter vom 29.6.2019 wurden für den Zeitraum 2013 bis 2018 insgesamt 434 Beschwerden wegen schikanöser Behandlungen oder Misshandlungen angeführt. Davon betrafen 294 Fälle Angriffe gegen Angehörige sexueller Minderheiten (HRFB 22.6.2019).

Eine besondere Rolle kommt dem „dritten Geschlecht“ zu, den sogenannten „Hijras“, Eunuchen und Personen mit unterentwickelten oder missgebildeten Geschlechtsorganen. Diese

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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