Entscheidungsdatum
26.05.2020Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §13 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Findeis über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 63, vom 1.4.2020, Zahl …, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung als gewerberechtlicher Geschäftsführer in der Stellung eines Arbeitnehmers, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
B E G R Ü N D U N G
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 63,vom 1.4.2020, Zahl …, wurde gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 dem Beschwerdeführer die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des Gewerbes: „Gastgewerbe in der Betriebsart Restaurant“ für die Funktion eines gewerberechtlichen Geschäftsführers in der Stellung eines Arbeitnehmers verweigert. Begründet wurde dies von der belangten Behörde damit, dass der Beschwerdeführer mit Urteilen
1) des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31.8.2004, GZ …, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren;
2) des Bezirksgerichtes C. vom 12.2.2013, GZ …, wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren;
3) des Landesgerichts D. vom 7.5.2018, GZ …, wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen, gemäß § 136 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verlängert auf 5 Jahre);
4) des Bezirksgerichtes E. vom 19.12.2019, GZ …, wegen des Vergehens der Unterhaltsverletzung nach § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt wurde und der Nachsichtwerber darüber hinaus in 3 weiteren, nicht gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 Ausschluss begründeten Fällen verurteilt worden sei und die Tätigkeit eines gewerberechtlichen Geschäftsführers im Bereich des Gastgewerbes durch die damit verbundener Anordnungsbefugnis und es durch die Position geschaffenen Entscheidungs- und Vertrauensspielraums zweifelsfrei geeignet sei, Vermögensdelikte und somit gegen dieselben Rechtsgüter gerichtete Delikte zu begehen. Die im Gastgewerbe üblicherweise hohe Kundenfrequenz sowie der Kontakt zu Lieferanten, Mitarbeitern und sonstigen Geschäftspartnern ermöglichten und erleichterten den missbräuchlichen Zugang bzw. Umgang mit Fremdvermögenswerten, beispielsweise durch Manipulation von Rechnungen, Lieferscheinen, Kassenbeständen etc., aber auch durch einen unbefugten Gebrauch von Betriebsmitteln zu privaten Zwecken zum Nachteil der jeweils geschädigten Personen. Der Beschwerdeführer sei in einem Zeitraum von 19 Jahren insgesamt in sieben Fällen rechtskräftig verurteilt worden, davon seien vier Verurteilungen ausschlussbegründend im Sinne des § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994. Während dieses langen Zeitraumes und seines zwischenzeitlich fortgeschrittenen Alters und der damit anzunehmen Persönlichkeitsentwicklung sei der Beschwerdeführer offensichtlich nicht in der Lage gewesen, seine finanzielle und private Situation zu stabilisieren: Weder sei erkennbar, dass ihn die mehrfachen strafgerichtlichen Verurteilungen dazu veranlasst hätten, sein Leben fortan in geordneten Bahnen zu lenken, noch vermochte die Rechtswohltat der bloß bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen einen Sinneswandel bei ihm herbeizurufen. Faktum sei, dass er trotz längerer Wohlverhaltensphasen von mehreren Jahren regelmäßig strafrückfällig geworden sei und damit auch wiederholt eine Verlängerung der auferlegten Probezeit von 3 auf 5 Jahre in Kauf genommen habe. Nachdem im gegenständlichen Fall das der letzten gerichtlichen Verurteilung zugrunde liegende strafbare Verhalten erst 3 Monate, bzw. auch die der vorliegenden, für das Nachsichtsverfahren im Verhältnis zur Unterhaltsverletzung wesentlichere Verurteilung nicht einmal 2 Jahre zurückliege (das strafbare Verhalten sei erst vor 2 ½ Jahren begangen worden), liege kein ausreichend langes Wohlverhalten vor, welches bei der behördlich anzustellenden Prognose einen positiven Verfahrensabschluss bewirken hätte können. Dadurch, dass sowohl die letzte Tathandlung als auch Verurteilungen erst vor kurzer Zeit erfolgt seien und daher auch die 3- bzw. 5-jährige Probezeiten nicht einmal ansatzweise abgelaufen seien, sodass aufgrund seiner Stellungnahme darüber hinaus nicht von einer zwischenzeitigen finanziellen Stabilisierung seiner Vermögenslage auszugehen sei (Privatkonkurs, hohe Schulden) und daher gerade deshalb die Befürchtung der Begehung weiterer Vermögensdelikte bei der geplanten Tätigkeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, lägen die Voraussetzungen für eine Nachsichtserteilung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor.
Gegen den Bescheid richtet sich das vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Rechtsmittel des Beschwerdeführers. Es sei seine innigste Hoffnung, dass seinem Ersuchen, ihn als gewerberechtlichen Geschäftsführer für den Betrieb, den er gerade aufbaue, entsprochen werde. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass laut dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.9.2010, 2010/04/0026, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt worden sei, dass das dort relevante Finanzdelikt der Abgabenhinterziehung in unmittelbarem Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit gestanden sei. Der Schaden wäre durch die bewusste Verschleierung der tatsächlichen Einkünfte, indem Umsätze und Erlöse in Täuschungsabsicht nicht ordnungsgemäß im buchhalterischen Rechenwerk des Unternehmens erfasst worden seien, entstanden. Dem wären unrichtige Steuererklärungen gefolgt, die finanziellen Vorteil des Nachsichtswerbers und Einfluss auf die Umsatzsteuer genommen hätten. Dessen Antrag sei wegen der Befürchtung nicht stattgegeben worden, er würde dieselbe oder eine ähnliche Straftat neuerlich begehen. Dem sei im Hinblick auf seine eigenen Betrugsdeliktes entgegenzuhalten, dass ihm mit der von ihm beantragten Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung als gewerberechtlicher Geschäftsführer kein Vorteil verschafft würde, denn zwischenzeitig sei eine Änderung im Zahlungssystem erfolgt: Heute müsse der Kunde selbst zum Terminal und die Buchung über seine Kreditkarte mittels Unterschrift genehmigen. Hinzukomme, dass er den kompletten finanziellen Schaden wieder gut gemacht habe. Außerdem habe er noch nie steuerlich betrogen. Dazu komme, dass das Landesgericht Wien eine positive Prognose betreffend seine Persönlichkeit gestellt habe und eine bedingte Strafe verhängt habe, die ihm die Möglichkeit eingeräumt habe weiterzuarbeiten und das Geld zurückzuzahlen. Das Gericht habe Recht behalten. Er habe sich geändert und danach nie wieder betrogen. Er sei wirklich nicht mehr der Mensch von damals (zur Tatzeit sei er ca 26 Jahre gewesen, derzeit sei er fast 43 Jahre alt. Er denke, dass sich jeder Mensch im Zuge der Lebensjahre grundlegend verändere und er ersuche dies zu berücksichtigen. Auch habe er die Verantwortung für sein Handeln immer übernommen.
Bezüglich des unbefugten KFZ-Gebrauchs führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass die Zulassungsbesitzerin dieses Leasing-Fahrzeuges, Frau F., die Mutter seines Freundes und Geschäftspartners G., diesem das KFZ zur alleinigen Nutzung und Verfügung übergeben und der Beschwerdeführer schon damals bei G. gewohnt und deshalb jederzeit und uneingeschränkt Zugang zum Fahrzeugschlüssel gehabt habe. Es sei daher unzutreffend, dass er diesen Schlüssel widerrechtlich erlangt hätte. Frau F. habe sich gegenüber der Polizei im Zuge einer Vernehmung rechtfertigen müssen habe der Polizei gegenüber immer wieder deutlich gemacht, dass es für sie vollkommen in Ordnung sei, dass er das Auto verwendet habe. Zu dem Urteil des Bezirksgerichtes E. sei es nur gekommen, da er angegeben habe, das KFZ, ungefragt genommen habe. Ihm sei es darum gegangen, Probleme für G. oder F. zu vermeiden, weil er damals keinen Führerschein gehabt hätte. Es sei keineswegs der Fall gewesen, dass ihm F. oder der eigentlich Verfügungsberechtigte G. die Nutzung des Fahrzeuges verweigert hätten. Er wisse, dass es unsinnig gewesen sei, das KFZ ohne Lenkberechtigung zu lenken, aber es sei ihm wichtig gewesen zu seiner 75-jährigen Mutter, die schwer an Asthma und COPD erkrankt sei und an diesem Tag unter schwerer Atemnot gelitten habe, aber sich dennoch weigere, zum Arzt zu gehen, zu fahren, um sich einen Überblick über deren Situation zu verschaffen. Er ersuche dies sowie den Umstand zu berücksichtigen, dass er keine sinnlose „Spritztour“ unternommen habe. Auch habe er seinen Führerschein wieder erlangt.
Auch wenn es zutreffe, dass im Gastgewerbe erleichterter Zugang zu alkoholischen Getränken bestehe, gebe er zu bedenken, dass Alkohol bei jedem „BILLA“ mindestens genauso leicht gekauft werden könne. Er trinke selten Alkohol. Das Personal für den Betrieb stehe schon fest, es seien nur Kellner vorgesehen, die weder rauchten noch tränken.
Zu Verletzung der Unterhaltspflicht führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass diese Straftat mit einer Berufsausübung in keinerlei Zusammenhang stehe. Ihm sei sehr wohl bewusst gewesen, dass die Existenzen seiner Ex-Lebensgefährtin und seiner Tochter durch das nicht bezahlen der Alimente nicht gefährdet worden seien. Ihm sei klar gewesen, dass der Staat vorerst einspringen würde und er dem OLG die Unterhaltschulden zurückzuzahlen habe. Er habe kein Geld gehabt (und habe es noch immer nicht), um den Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Er habe insgesamt vier Kinder und sei für zwei (im Alter von 8 und 13 Jahren) noch unterhaltspflichtig.
Zurzeit befinde er sich in einem aufrechten Abschöpfungsinsolvenzverfahren, das noch 2 Jahre andauere. Derzeit werde er zum Zweck der Kapitalrückführung an seine Gläubiger auf 25 % unterhalb des Existenzminimums gepfändet. Daraus ergebe sich, dass ihm lediglich 100 Euro zum Leben verblieben. Bei Gewährung der Nachsicht könne er die Position des Geschäftsführers des Lokals H. in Wien, J.-straße, übernehmen, dann könnte er anstelle der derzeitig 800 Euro AMS-Einkünfte 1.700 Euro Gehalt erzielen. Eine positive Entscheidung wäre daher sowohl zugunsten des Staates (Wegfall des Arbeitslosengeldes) und zugunsten der Gläubiger des Beschwerdeführers. Dass er seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkäme verspreche er.
Wichtig wäre ihm, darauf hinweisen, dass ihm zeitgleich mit seiner Verurteilung durch das BG C. vom 7.5.2013 die Bewilligung zur Ausübung des geschäftsführenden Gesellschafters für den Betrieb „K.“ (Buffet und Sauna Restaurant im Freibad) in L., M.-straße, erteilt worden sei. Die erste Saison sei hervorragend gelaufen, weshalb etwa 150.000 Euro in den Betrieb reinvestiert hätten werden können. Da im 2. Jahr (2014) das Wetter nicht mitgespielt habe, sei es letztlich zum Konkurs gekommen. 2019 habe er als Pächter im Zusammenwirken mit G. eine Schutzhütte (Wanderhütte) in N. („P. Haus“) geleitet. Durch sein großartiges Konzept habe er den Umsatz verdreifachen können. Leider sei der Verpächter gierig geworden und habe im Zuge der Vertragsverlängerung eine Verdoppelung der Pacht begehrt, was die Verlängerung des Vertrages vereitelt habe. Zum neuen Projekt der H. in Wien, (Einzelunternehmen G.) seien bereits Renovierungsarbeiten und Investitionen erfolgt. Außerdem gelte es ein 200.000 Euro Darlehen zu bedienen. Dazu würde jeder Cent benötigt, weshalb es wichtig wäre, dass der Beschwerdeführer selbst den gewerberechtlichen Geschäftsführer ausüben könne, statt monatlich 2.000 Euro an jemanden zu bezahlen, der mit dem Konzept nichts zu tun habe und nicht wirklich tätig werden könne. Das Restaurant sei als Familienbetrieb anzusehen und innerhalb der Familie begehe man ohnehin keine Straftaten. G. selbst möchte den Beschwerdeführer als gewerberechtlichen Geschäftsführer einsetzen. Er ersuche nochmals ihn die Arbeit verrichten zu lassen, wofür er tatsächlich qualifiziert sei, alles andere gefährde das neue Unternehmen schon bevor es eröffnet worden sei.
Dem Rechtsmittel schloss der Beschwerdeführer von Frau F. und G. unterzeichnete Stellungnahmen vom 27.4.2020 an, die die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Fahrzeugverwendung bzw. der Gastronomieprojekte in N. und Wien, J.-straße vollinhaltlich bestätigen.
Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien liegt nachstehender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31.8.2004, rechtskräftig seit 31.8.2004, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 2. Fall StGB nach dem 2. Strafsatz des § 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, die unter Setzung einer Probezeit gemäß § 43 Abs. 1 StGB von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Er wurde schuldig erkannt, zwischen März 2003 und April 2003 in Wien mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten, sich unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eines schweren Betruges eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Angestellte der … Kreditkarten AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich dass der Berechtigte Kreditkarteninhaber eine Abbuchungsermächtigung im genannten 3-stelligen Betrag durch seine Unterschrift erteilt hätte, wobei er zur Täuschung verfälschte Urkunden, und zwar Kreditkartenbelege verwendete, auf denen er aus jeweils 2-stelligen Beträgen eine 3-stellige Zahl durch Einfügen der Ziffer „1“ an der Hunderterstelle erstellte, zur Überweisung von Geldbeträgen an den Inhaber R. S. verleitete, die nachgenannte Personen bzw. den zum Ersatz Inanspruch genommenen R. S. am Vermögen um jeweils 100 Euro schädigte, und zwar
1. am 19.3.2003 den T.; 2. vor dem 30.4.2003 den U.; 3. am 1.4.2003 den V.; 4. vor dem 17.4.2003 W.; 5. vor dem 19.4.2003 den X.; 6. am 21. 3. 2003 den Y.; 7. am 31.3.2003 den Z.; 8. am 9.4.2003 den Q.. Der Beschwerdeführer arbeitete damals als Kellner und manipulierte in zumindest acht Fällen die Kreditkartenbelege der Kunden. Er wusste, dass er durch seine Verfälschung der Rechnungsbelege eine Straftat begeht und was sich im Klaren, dass seine Vorgehensweise einen Vermögensnachteil des S. bedeuten würde. Er nutzte die sich ihm bietende Gelegenheit jeweils bewusst aus und nahm die Tatumstände billigend in Kauf, weil er durch die Betrügereien einen Vermögensvorteil erlangen wollte. Er handelte darüber hinaus in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Sein Handeln war auf unbestimmte Zeit angelegt. In der Hauptverhandlung am 31.8.2004 leistete der Beschwerdeführer an den Privatbeteiligten 500 Euro an teilweiser Schadensgutachung. Bei der Strafbemessung wurde das teilweise Geständnis und die teilweise Wiedergutmachung des Schadens als mildernd berücksichtigt, erschwerend die Vielzahl der Angriffe im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit gewertet. Von der Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht wurde in Anbetracht der ersten derartigen Verurteilungen des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht.
Erneut wurde der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht C. mit Urteil vom 12.2.2013, GZ …, (rechtskräftig seit 15.12.2013), wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
Mit Beschluss vom 4.1.2017 hat das Bezirksgericht E., AZ …, gegen den Beschwerdeführer ein Abschöpfungsverfahren rechtskräftig eingeleitet und ist dieses zurzeit anhängig.
Das Landesgericht D. erkannte den Beschwerdeführer mit Protokollsvermerk und gekürzter Urteilausfertigung vom 7.5.2018 (rechtskräftig am selben Tag), AZ …, wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und 2 StGB schuldig und verhängte über ihn unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt: Er hatte am 18.9.2017 in Ab. ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den Pkw der F., Kennzeichen …, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen, indem er damit Fahrten von Ab. nach Ac. bzw. von Ac. nach Wien durchführte, wobei er die Tat beging, indem er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch eine in den §§ 129 bis 131 StGB schilderten Handlungen, nämlich durch Benützung eines widerrechtlich erlangten Schlüssel, verschaffte. Das Geständnis wurde mildernd, erschwerend kein Umstand gewertet.
Noch am Tattag hatte der Beschwerdeführer bei der Landespolizeidirektion Niederösterreich, Bezirkspolizeikommando Ad. dazu angegeben, seit 4.12.2016 wegen alkoholisierten Lenkens keinen Führerschein mehr zu besitzen. Da er ab 19.9.2017 auf der „Af.“ arbeiten wollte und deshalb nach Wien, Ag. in die Wohnung seiner Mutter zog, übersiedelte er von Ac. nach Wien. Als er den Autoschlüssel der Mutter seines Freundes G. in dessen Wohnung liegen sah, hatte er die Idee, sich das Auto zum Umzug auszuborgen. Der Freund hätte nicht gesehen, dass er Schlüssel nahm. Hätte er G. gefragt, hätte er ihm das sicher nicht erlaubt. Bei der polizeilichen Anhaltung … in K., bei der er weder Zulassungsschein noch Führerschein vorweisen konnte, gab der Beschwerdeführe sofort zu, das Auto ohne Einverständnis der Besitzerin genommen zu haben.
Am 19.12.2019 (rechtskräftig am selben Tag) erkannte das Bezirksgericht E. den Beschwerdeführer mit Protokollsvermerk und gekürzter Urteilsausfertigung, GZ …, erneut eines Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig, indem er seit 4.7.2017 bis 19.12.2019 in Ac., dadurch, dass er für seine minderjährige Tochter Ak. Al., (Geburtsjahr: 2011), keine oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen tätigte, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblichst verletzte und dadurch bewirkte, dass der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre. Der Beschwerdeführer wurde unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten bedingt verurteilt; aufgrund zweier einschlägiger Vorverurteilungen kam eine Diversion nicht in Betracht. Gleichzeitig wurde mit Beschluss die Probezeit zu … auf fünf Jahre verlängert.
Mit Ansuchen vom 29.1.2020 beantragte der Beschwerdeführer die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des Gewerbes: „Gastgewerbe in der Betriebsart Restaurant“ für die Funktion eines gewerberechtlichen Geschäftsführers in der Stellung eines Arbeitnehmers.
Diese Feststellungen gründen sich auf das Parteienvorbringen im vorliegenden Antrag, die rechskräftigen Verurteilungen (und diesbezüglichen Akten) sowie die Auskunft aus der Insolvenzdatei.
Das Verwaltungsgericht hat erwogen:
Entsprechend § 13 Abs. 1 GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie
1. von einem Gericht verurteilt worden sind
a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder
b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und
2. die Verurteilung nicht getilgt ist.
Gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 kann der Gewerbeinhaber für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist.
Gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde im Fall des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 GewO 1994 die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.
Mit dem Nachsichtsrecht soll vermieden werden, dass Bestimmungen, die für den Regelfall richtig sind, auf Ausnahmefälle angewendet, zu widersinnigen Ergebnissen führen (EB 1973). Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 ist dann zu erteilen, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht (vgl. VwGH 18.2.2015, Ra 2014/04/0035; 17.4.12012, 2008/04/0009).
Die Behörde hat bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf das Persönlichkeitsbild des Verurteilten Bedacht zu nehmen (vgl. etwa VwGH 17.9.2010, 2010/04/0026).
Auch wenn dem Beschwerdeführer zugute zu halten ist, dass seine gravierendste, ausschlussbegründende Straftat, ein Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 2. Fall StGB am längsten, nämlich bereits 17 Jahre zurückliegt, ist er darauf hinzuweisen, dass er außer diesem (im Zuge seiner Kellnerlaufbahn gesetzten Straftat), am 18.9.2017 neuerlich ein Vermögensdelikt gesetzt hat, dessen Probezeit noch nicht einmal abgelaufen ist. Dieses Vergehen, das seiner ersten Verantwortung zufolge ebenfalls mit seiner beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stand, da er ein Transportmittel zum Wohnungsumzug nach Wien im Zusammenhang mit einer neuen Arbeitsstelle benötigt hat. Dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Rechtsmittel ein beschönigendes, wenn auch äußerst unglaubwürdiges Motiv für den Gebrauch des KFZ benennt, da dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zufolge der Wahrheitsgehalt einer zum Geschehen zeitnahen Aussage viel größer ist, als der einer nach Jahren aus konkreten Zweckmäßigkeitserwägungen präsentierten Version, vermag das Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers nicht in einem günstigen Licht darzustellen. Auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten und von F. und G. unterfertigten, mit der Darstellung des Beschwerdeführers übereinstimmenden Stellungnahmen, war nicht näher einzugehen, da die Gewerbebehörde an die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung gebunden ist.
Der Beschwerdeführer setzte aber nicht nur diese beiden ausschlussbegründenden Vermögensdelikte, sondern zwei weitere strafbare Handlungen gegen die Familie, wobei die jeweilige Unterlassung (Ende des jeweiligen Tatzeitraumes: 11.2.2013 und 19.12.2019) in einer gröblichen Verletzung der Unterhaltspflicht bestand, denn § 198 Abs 1 StGB pönalisiert ausschließlich gröbliche Verletzungen der im Familienrecht begründeten Unterhaltspflicht, wodurch bewirkt wird, dass der Unterhalt oder die Erziehung des Unterhaltsberechtigten gefährdet wird oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet wäre. Auch wenn im Hinblick auf die Eigenart dieser beiden strafbaren Handlungen nicht die Begehung solcher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, belegen diese strafbaren Delikte, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war seine finanzielle und private Situation nachhaltig zu stabilisieren.
Hinsichtlich der Eigenart der strafbaren Handlung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22.12.1999, VwSlg. 15.308A/1999, ausgesprochen, dass den gewerberechtlichen Geschäftsführer grundsätzlich eine Verantwortlichkeit lediglich für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und für die Einhaltung der gewerblichen Vorschriften trifft und die Überwachung der Einhaltung sonstiger bei der Gewerbeausübung zu beachtenden Vorschriften nicht in seinen Verantwortungsbereich fällt. Dass im konkreten Fall dem Antragsteller allerdings erheblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zu Teil werden soll, erhellen seine Rechtsmittelausführungen betreffend das „neue Projekt“ (nach seinem „großartigen Konzept“ in N., das wegen der Gier des Verpächters mit 31.12.2019 beendet hätte werden müssen), welches er als Familienbetrieb ansieht (und sich offenbar als Familienangehörigen), für welchen bereits viele Renovierungsarbeiten und Investitionen erfolgt seien, wofür es ein 200.000 Euro Darlehen zu bedienen gelte, wozu „wir (sic!) dringend jeden Cent benötigen“, und wofür es wichtig wäre, dass er selbst als gewerberechtlicher Geschäftsführer fungiere und nicht jemand, „der mit dem Konzept nichts zu tun hat und nicht wirklich tätig werden kann“. All dies legt Umstände, wie wesentliche Entscheidungsbefugnisse im Innenverhältnis nahe, die auf einen maßgeblichen Einfluss des Beschwerdeführers auf den Betrieb der Geschäfte des G. hinweisen.
Das Verwaltungsgericht Wien teilt die Auffassung der belangten Behörde, dass die konkrete Tätigkeit des Antragstellers als gewerberechtlicher Geschäftsführer im Bereich des Gastgewerbes durch die damit verbundene Anordnungsbefugnis und des im vorliegenden Fall geschaffenen Entscheidungs- und Vertrauensspielraumes unzweifelhaft geeignet ist gegen fremdes Vermögen gerichtete strafbare Handlungen zu setzen (vgl. Verurteilungen nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 2. Fall StGB und § 136 Abs. 1 und 2 StGB). Die im Gastgewerbe übliche hohe Kundenfrequenz sowie der Kontakt zu Lieferanten, Mitarbeitern und sonstigen Geschäftspartner ermöglichen bzw. erleichtern den missbräuchlichen Zugang bzw. Umgang mit fremden Vermögenswerten, wie Manipulation von Belegen, aber auch den unbefugten Gebrauch von Betriebsmitteln zu privaten Zwecken zum Nachteil der jeweils geschädigten Person.
Fallbezogen ist die Schadensgutmachung zum Betrugsdelikt positiv zu berücksichtigen. Dem gegenüber wiegt die regelmäßige Strafrückfälligkeit, selbst in den letzten Jahren, schwer.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der im Hinblick auf die zu erstellende Prognose insoweit inhaltsgleichen Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ausgeführt, dass die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht schematisch außer Betracht bleiben können. Vielmehr bedarf es bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfüllt sind. Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise für das Nachsichtsverfahren (vgl. auch dazu VwGH 17.9. 2010, Zl. 2010/04/0026, mwN).
Solche nach dieser Rechtsprechung besonderen Umstände für eine Berücksichtigung der bedingten Strafnachsicht können vorliegend - wie aus den konkreten Urteilen ersichtlich ist – nicht abgeleitet werden. Auch die angeführte Schadensgutmachung vermag daran nichts zu ändern.
Das Verwaltungsgericht Wien erachtet außerdem den Zeitraum des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers seit des letzten Vermögensdeliktes zu kurz, um die in § 26 Abs. 1 GewO 1994 genannte Befürchtung nicht mehr als gegeben ansehen zu können, zumal noch nicht einmal die strafgerichtlich festgesetzte Probezeit von drei Jahren abgelaufen ist. Es kann daher noch nicht von einer eine negative Prognose nach § 26 Abs. 1 GewO 1994 ausschließenden Wandlung des Persönlichkeitsbildes ausgegangen werden. Das persönliche Fortkommen des Nachsichtwerbers ist bei der Beurteilung der Voraussetzungen nicht von Belang.
Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Überdies liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Gewerbeberechtigung; Ausschluss; Nachsicht; gerichtliche Verurteilung; PrognoseentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.105.014.5063.2020Zuletzt aktualisiert am
07.10.2020