TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/9 VGW-101/014/599/2020, VGW-101/V/014/600/2020, VGW-101/V/014/601/2020, VG

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Entscheidungsdatum

09.06.2020

Index

95/01 Elektrotechnik
20/05 Wohnrecht Mietrecht

Norm

ETG 1992 §9 Abs3
WEG 2002 §2 Abs2
WEG 2002 §11 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Findeis über die Beschwerde 1) des Herrn A. B. und die Beschwerde des 2) des Herrn C. D., 3) des Herrn E. F., 4) der Frau G. F., 5) der Frau J. H. und 6) der Frau K. L., gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 36, vom 15.11.2019, Zahl MA 36-1-2019-6, betreffend einer Anordnung nach dem Elektrotechnikgesetz 1992, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde der Sechstbeschwerdeführerin ist begründet. Der Bescheid wird betreffend Frau K. L. behoben.

Hinsichtlich des Erst-, des Zweit-, des Drittbeschwerdeführers sowie der Viert- und Fünftbeschwerdeführerin wird der Bescheid dahin abgeändert, dass die anzuwendenden Rechtsvorschriften § 9 Abs. 4 iVm § 3 Abs. 1 und 2 Elektrotechnikgesetz 1992 idF BGBl. I Nr. 27/2017 lauten.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

BEGRÜNDUNG

Mit Bescheid vom 15.11.2019, Zahl MA 36-1-2019-6, ordnete der Landeshauptmann von Wien gegenüber den Eigentümerinnen und Eigentümern und somit Betreiberinnen und Betreibern der elektrischen Anlage in der Wohnung Top 6, im Haus auf der Liegenschaft in Wien, M.-gasse an, die elektrische Anlage in der Wohnung Top 6 unverzüglich allpolig außer Betrieb zu nehmen. Die genannte elektrische Anlage dürfe erst nach Vorliegen eines Elektrobefundes, mit dem eine gemäß § 12 ETG 1992 befugte Person bestätige, dass die genannte Anlage den in § 3 Abs. 1 und leg. cit. festgelegten Bestimmungen entspreche, wieder in Betrieb genommen werden. Dieser Elektrobefund sei der Magistratsabteilung 36 vor Inbetriebnahme der Anlage vorzulegen. Weiters schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es wäre anlässlich der Ortsverhandlung am 14.11.2019 festgestellt worden, dass sich die Vorzählersicherungen im Elektroverteiler im Stiegenhaus schräg gegenüber Top 6 befänden. Die Anlage sei zu Beginn des Augenscheins spannunglos geschaltet gewesen. Neben der Eingangstür in der Wohnung habe sich der Wechselstromzähler befunden, der auf einem Holzbrett montiert gewesen sei. Darüber befänden sich zwei Sicherungselemente mit eingeschraubten Sicherungsköpfen (Stotz-Automaten). Eine Schutzleiterverteilerschiene sei nicht vorhanden gewesen, im Vorzimmer seien gewebeisolierte Leitungen aus der Wand geragt, deren Enden blank und nicht gegen direktes Berühren gesichert gewesen seien. Weiters habe sich im Vorzimmer eine Zwillingsleitung, die lediglich im Verputz verlegt gewesen sei, befunden. Neben dem Fenster im Vorzimmer habe sich eine Aufputz-3-fach-Schutzkontakt- Steckdose, neben der ein Einzelleiter mit blankem Ende aus der Wand geragt sei, befunden. Im mittleren Raum seien gewebeisolierte Leitungen aus der Wand geragt, an denen Lusterklemmen angeschlossen gewesen seien. An der Wand gegenüber den Fenstern sei eine Netzsteckdose ohne Schutzleiter-anschlussmöglichkeit gewesen. Im letzten Raum hätten gewebeisolierte Leitungen, deren Ende blank und nicht gegen direktes Berühren gesichert gewesen seien, aus der Wand geragt. Die Deckenauslässe in allen drei Räumen seien gewebeisoliert und ohne Schutzleiter ausgeführt gewesen. Kurzzeitig sei die elektrische Anlage für Messungen in Betrieb genommen worden. Messtechnisch habe an der 3-fach-Schutzkontaktdose kein Schutzleiter ermittelt werden können. Die elektrische Anlage sei durch Abheben der Vorzählersicherungen spannungslos geschaltet worden. Aufgrund der vorgefundenen Mängel sei eine Sperre und ein Benützungsverbot der elektrischen Anlage ausgesprochen worden. Neben den angeführten Mängeln habe nicht ausgeschlossen werden können, dass noch weitere versteckte Mängel bestünden, da zur Beurteilung des Sachverhaltes keine bzw. keine zeitaufwendigen Zerlegearbeiten vorgenommen worden seien.

Die Behörde habe, wenn festgestellt werde, dass der Zustand oder Betrieb einer elektrischen Anlage oder eines elektrischen Betriebsmittels dem ETG 1992 oder den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen nicht entspreche und dadurch eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Personen oder für Sachen drohe und der gesetzmäßige Zustand nicht sofort hergestellt werde gemäß § 9 Abs. 4 Z 1 leg. cit. an der elektrischen Anlage jene Maßnahmen zu verfügen, die geeignet seien, die Gefahr abzuwenden. Könne die Gefahr nicht anders abgewendet werden, habe die Behörde die Außerbetriebnahme in erforderlichen Ausmaß zur an Wendung der drohenden Gefahr zu verfügen. Die Missstände stellten infolge der Nichteinhaltung der Österreicher Vorschriften und Bestimmungen für die Elektrotechnik (ÖVE) aber auch der eine Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen dar.

Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde sei auszuschließen gewesen, weil die vorzeitige Vollstreckung nach dem Wesen der festgestellten Mängel im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge dringend geboten gewesen sei.

In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides wird angeführt, dass eine rechtzeitig eingebracht und zulässige Beschwerde aufschiebende Wirkung besitze, und der Bescheid bis zur abschließenden Entscheidung nicht vollstreckt werden dürfe.

Gegen diesen Bescheid richten sich die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers vom 9.12.2019 sowie die Beschwerde der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführerinnen vom 16.12.2019.

B. führt in seinem Rechtsmittel aus, dass die Wohnung Top 6 in einem völlig desolaten Zustand sei. Die vormalige Mieterin sei vor einigen Monaten verstorben und habe die Wohnung in diesem Zustand - massiver Investitions Rückstau seit Jahrzehnten – hinterlassen. Die Wohnung sei vom Rechtsstatus her allgemeine Fläche mit verbücherter Benützungsvereinbarung.

Die Liegenschaft sei seit vielen Jahren intensiv streitverfangenen, wobei der Zweitbeschwerdeführer immer wieder dafür gesorgt habe, dass die Wohnung Top 6 nicht saniert worden sei bzw. habe werden können. Dem Erstbeschwerdeführer sei daran gelegen seine Parteistellung/rechtliches Gehör und Information zu wahren. Im Verfahren … sei er nicht aber eingebunden gewesen, obwohl er Betroffener gewesen sei. Betroffen sei er insbesondere deshalb, da im Rahmen der Teilungsklage GZ …, LGZRS Wien, der Zweitbeschwerdeführer versuche, ihm vom Gericht die Top 6 zuweisen zu lassen. Er beantrage die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Entscheidung eines Richters (und nicht eines Rechtspflegers) sowie im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Zulassung der ordentlichen Revision.

Den Ausführungen der Zweit- und Drittbeschwerdeführer sowie der Viert- bis Sechstbeschwerdeführerinnen in deren gemeinsamen Rechtsmittel vom 16.12.2019 zufolge verletze der bekämpfte Bescheid das Grundrecht auf Eigentum, das verfassungsrechtlich geschützte Gleichheitsgebot und geschützte subjektive Rechte der Beschwerdeführer/innen. Der Bescheid sei wegen mangelhafter Sachverhaltsfeststellung und materieller Rechtswidrigkeit sowie inhaltlicher Widersprüchlichkeit fehlerhaft und daher aufzuheben.

Das gegenständliche Haus sei ein sogenanntes Mischhaus, in dem es Wohnungen gebe, an denen ein dingliches Wohnungseigentum gemäß WEG 2002 begründet sei und Wohnungen, die sich lediglich im sogenannten schlichten (ideellen) Miteigentum befänden, wobei diesen Miteigentümern an ihrer Wohnung ein ausschließlich für sich geltendes obligatorisches Betretung- und Benützungsrecht zugewiesen sei. Nach der herrschenden Rechtsmeinung und Judikatur sei im Falle des Bestehens von Wohnungseigentum der Wohnungseigentümer selbst – und nicht (auch) die anderen Wohnungseigentümer und Miteigentümer – für die in seiner Wohnung bestehende Elektroanlage zuständig und verantwortlich. Ganz allgemein sei alles, was das Innere der Wohnung betreffe, Sache des jeweiligen Wohnungseigentümers. Im Umkehrschluss sei der Wohnungseigentümer als solcher zwangsläufig nicht für das Innere und somit für die in anderen Wohnungen gelegenen Elektroanlagen zuständig und verantwortlich, weil sich diese außerhalb seiner Eigentumswohnung und damit außerhalb seines Ingerenz- und Verantwortungsbereiches befänden. Andernfalls würde er für seine eigenen Elektroanlagen alleinverantwortlich sein und darüber hinaus zusätzlich mitverantwortlich für fremde Elektroanlagen: Das widerspräche dem Gleichheitsgrundsatz, weil die Wohnungseigentümer im konkreten Fall eine für die Erhaltung ungerechtfertigte finanzielle Mehrbelastung – zusätzlich zur vollen finanziellen Haftung für die Erhaltungsarbeiten in ihrer Eigentumswohnung – auferlegt bekämen. Dies sei rechtlich im gegenständlichen Fall auch deshalb von Belang, weil der für diese Liegenschaften bestehende Wohnungseigentumsvertrag vom 2.12.1997 in seinem § 6 Abs. 1 bestimme, dass „alle Aufwendungen, die sich aus dem Besitz oder Eigentum der vertragsgegenständlichen Liegenschaft ergeben, von allen Miteigentümern, nach dem Verhältnis der Nutzflächen gemäß den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes …zu tragen sind“… .

Wenn und soweit die Wohnungseigentümer vom Bescheid nicht erfasst werden (können), falle für sie somit aus dem Bescheid auch keine Verpflichtung zum Tragen der Aufwendungen an.

Jeder der fünf Beschwerdeführer/innen sei bezüglich bestimmter Wohnungen im verfahrensgegenständlichen Haus (dinglicher) Wohnungseigentümer gemäß WEG 2002. D. sei Wohnungseigentümer der Wohnung Top 1 und des Wohnungseigentumszubehörs Kellerabteil A, F. sei Wohnungseigentümer der Wohnung Top 7 und des Magzins sowie der Werkstätten …. G. F. sei Wohnungseigentümerin der Wohnung Top 5, J. H. sei Wohnungseigentümerin der Wohnung Top 4 und K. L. sei Wohnungseigentümerin der Wohnungen Top 2 und Top 3 (Beweis: Offenes Grundbuch, Wohnungseigentumsvertrag vom 2.12.1997, Einvernahme der Beschwerdeführer/innen als Parteien)

Diese Personen könnten folglich für diese ihre Eigentumswohnungen durch den angefochtenen Bescheid rechtlich nicht erfasst werden. Der bekämpfte Bescheid greife somit unzulässig in das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht des Eigentums und den Gleichheitsgrundsatz ein. Der Hinweis der Behörde, dass die Auflage entsprechend einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien „primär den Eigentümer“ treffe, entlasse die Behörde nicht aus ihrer Pflicht präzis zu ermitteln, wer im konkreten Fall „Eigentümer“ sei. Insofern wäre die Unterscheidung zwischen den (dinglichen) Wohnungseigentümern und den schlichten (ideellen) Miteigentümern für die Behörde relevant gewesen.

Die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer/innen seien daneben zudem (nur) schlichte Miteigentümer mit einem ausschließlichen persönlichen Nutzungs- und Verfügungsrecht an ihnen konkret zugewiesenen Wohnungen dieses Hauses und zwar D. bezüglich der Wohnungen Top 1 und Top 8, Ing. F. bezüglich der Wohnung Top 9, G. F. bezüglich der Wohnung Top 10 und J. H. bezüglich der Wohnung Top 11. (Beweis: offenes Grundbuch, Einvernahme der BF).

Diese Rechtssituation habe die belangte Behörde nicht ermittelt, weshalb ein wesentlicher Mangel in der Feststellung des Sachverhaltes vorliege. Ein Blick in das Grundbuch hätte der Behörde eine einfach zugängliche und klare Antwort auf die Frage verschafft, welche Eigentümer der Liegenschaft hinsichtlich welcher Wohnung Wohnungseigentümer seien und welche nur schlichte (ideelle) Miteigentümer. Nur letztere – und diese lediglich bezüglich der (ideellen) mit Eigentumsanteile – könnten, und auch das nur theoretisch von dem durch den bekämpften Bescheid erteilten Auftrag erfasst werden. Da sich der Bescheid – undifferenziert nach Wohnungseigentümern und schlichten Miteigentümern – pauschal auf alle im Grundbuch EZ … Kat. Gem. P. als „Eigentümer“ eingetragenen Personen erstrecke, sei er bezüglich seiner personellen Reichweite zu weitreichend und daher rechtswidrig.

Die Wohnung Top 6 stehe seit 1999 im schlichten Miteigentum mit ausschließlichem Nutzungs- und Verfügungsrecht von R. S.. Ihr gehören die auf die Top 6 fallenden Eigentumsanteile; diese Wohnung gehöre nicht zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Alleinige Betreiberin und Inhaberin der elektrischen Anlage in dieser Wohnung sei daher S.. Diese habe die Wohnung am 27.9. 1999 durch Zuschlag einer gerichtlichen Versteigerung für den Preis von ÖS 40.000 erworben. Der Preis sei zu niedrig gewesen, weil diese Wohnung bereits seit 1946 von der Mieterin E. im Mieterschutz bewohnt worden sei und S. den bestehenden Mietvertrag übernehmen habe müssen. Seit der Übernahme des Mietvertrages durch die Miteigentümerin sei diese die (allein) Vermieterin der Wohnung Top 6 gewesen nicht die Eigentümergemeinschaft oder die anderen Wohnungs- oder Miteigentümer der Liegenschaft. S. habe als ausschließlich Nutzungs- und Verfügungsberechtigte der Wohnung seit 1999 sämtliche Mietzinseinnahmen für sich allein lukriert und damit auch die volle Verantwortlichkeit und Haftung für diese Wohnung im allgemeinen und deren Elektroanlagen besonderen übernommen bzw. zu tragen. Das mit dem schlichten Miteigentumsrecht an der Wohnung Top 6 verbundene ausschließliche Nutzungs- und Verfügungsrecht der S. mache diese allein verantwortlich und haftbar für die Einhaltung der Erhaltungspflicht im Inneren der Wohnung Top 6. Kein anderer Wohnungs- oder Miteigentümer wäre oder sei in dieser Rechtslage faktisch oder rechtlich in der Lage die Wohnung Top 6 zu betreten und in dieser für eine der Rechtslage entsprechende Elektroanlage zu sorgen oder die nun die behördliche angeordneten Maßnahmen umzusetzen.

Dementsprechend sei es den anderen Wohnungseigentümern und Miteigentümern bisher gar nicht bekannt gewesen, dass sich die Elektroanlage in der Top 6 in einem derart technisch vernachlässigten und rechtswidrigen Zustand befinde. Es sei ihnen weder rechtlich noch faktisch möglich, der jahrzehntelangen Vernachlässigung und Verwahrlosung dieser Wohnung durch S. entgegenzuwirken und Elektroanlage auf einen zeitgemäßen Zustand zu bringen.

Dem bekämpften Bescheid erteilten Auflagen träfen daher allein und ausschließlich die für den von der Behörde bemängeln Zustand der Elektroanlage in der Wohnung Top 6 verantwortliche Miteigentümerin R. S..

Abschließende monieren der Zweit- und Drittbeschwerdeführer sowie die Viert- bis Sechstbeschwerdeführerinnen, die widersprüchliche Aussage hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde in Spruch und Begründung einerseits und in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides andererseits. Während im Spruch die aufschiebende Wirkung dezidiert ausgeschlossen werde, sei diese in der Rechtsmittelbelehrung zuerkannt worden. Die widersprüchlichen Rechtsfolgen und die damit verbundene Rechtsunsicherheit stelle eine Rechtswidrigkeit dar, die zur Aufhebung des Bescheides führen müsse.

Unter Zugrundelegung des Schreibens des Erstbeschwerdeführers vom 12.9.2019 samt beigeschlossenen Seiten 1-10 und Fotografien des Befundes des S. T. vom 13.6.2019, in der Rechtssache H. S. gegen EG der Liegenschaft M.-gasse, GZ … vom 3.6.2019 in Wien, M.-gasse, Top 6, des Schreibens der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer/innen sowie von V. D. vom 21.10.2019, des Bezug habenden Grundbuchsauszuges, der Verhandlungsschrift zur Ortaugenscheinverhandlung der belangten Behörde vom 14.11.2019, der Beschwerden vom 9.12.2019 und 16.12.2019, des letzterer beigeschlossenen Wohnungseigentumsvertrages, sowie des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 3.10.2018, …, stellt das Verwaltungsgericht Wien folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:

Das Wohnhaus der Liegenschaft in Wien, M.-gasse ist ein sogenanntes Mischhaus, das teilweise im Wohnungseigentum und teilweise im schlichten Miteigentum steht. An den Wohnungen, an denen Wohnungseigentum nicht besteht, wurden einzelnen Wohnungseigentümern und auch schlichten Miteigentümern durch Benutzungsregelungen ausschließliche Benützungsrechte eingeräumt.

An der Wohnung M.-gasse Top 6 besteht schlichtes Miteigentum. Frau R. S. wurden diesbezüglich ausschließliche Benützungsrechte eingeräumt.

Die Sechstbeschwerdeführerin ist ausschließlich Wohnungseigentümerin (an Geschäftslokal 2/3). Die übrigen Beschwerdeführer sind entweder sowohl Wohnungseigentümer als auch schlichte Miteigentümer (D.,E. F., G. F. und H.) oder nur schlichter Miteigentümer (B.).

Der Zustand der elektrischen Anlage in der Wohnung Top 6 ist folgender:

Neben der Eingangstür in der Wohnung befindet sich der auf einem Holzbrett montierte Wechselstromzähler. Darüber sind zwei Sicherungselemente mit eingeschraubten Sicherungsköpfen (Stotz-Automaten) angebracht. Eine Schutzleiterverteilerschiene ist nicht vorhanden. Im Vorzimmer ragen gewebeisolierte Leitungen aus der Wand, deren Enden blank und nicht gegen direktes Berühren gesichert sind. Weiters existiert im Vorzimmer eine lediglich im Verputz verlegte Zwillingsleitung. Neben dem Fenster im Vorzimmer besteht eine Aufputz-3-fach-Schutzkontakt-Steckdose, neben der ein Einzelleiter mit blankem Ende aus der Wand ragt. Im mittleren Raum ragen gewebeisolierte Leitungen aus der Wand, an denen Lusterklemmen angeschlossen sind. An der Wand gegenüber den Fenstern ist eine Netzsteckdose ohne Schutzleiteranschlussmöglichkeit angebracht. Im letzten Raum ragen gewebeisolierte Leitungen aus der Wand, deren Enden blank und nicht gegen direktes Berühren gesichert sind. Die Deckensauslässe aller drei Räumen sind gewebeisoliert und ohne Schutzleiter ausgeführt.

Bei kurzzeitiger Inbetriebnahme der am 14.11.2019 zu Beginn spannungslos geschalteten Anlage war an der 3-fach-Schutzkonaktsteckdose kein Schutzleiter zu ermitteln. Die elektrische Anlage wurde danach durch Abheben der Vorzählersicherungen (im Elektroverteiler im Stiegenhaus schräg gegenüber von Top 6) spannungslos geschaltet.

Die Feststellungen hinsichtlich des Zustandes der elektrischen Anlage und deren gravierender Mängel, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine unmittelbar drohende Gefahr für Leben oder Gesundheit von Personen darstellen, basieren auf den anlässlich der Ortaugenscheinverhandlung getroffenen Feststellungen des Verhandlungsleiters der belangten Behörde Ing. W. am 14.11.2019. [Diese wurden von den Beschwerdeführen auch gar nicht in Abrede gestellt.]

Bezüglich der Eigentumsverhältnisse gründen sich die Feststellungen auf die im Akte einliegenden Grundbuchauszüge, den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 3.10.2018 und auf das in allen wesentlichen Punkten übereinstimmende Parteienvorbringen sämtlicher Beschwerdeführer/innen.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Elektrotechnikgesetz 1992 – ETG 1992 lauten:

„Sicherheitsmaßnahmen auf dem Gebiete der Elektrotechnik

§ 3. (1) Elektrische Betriebsmittel und elektrische Anlagen sind innerhalb des ganzen Bundesgebietes so zu errichten, herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben, dass ihre Betriebssicherheit, die Sicherheit von Personen und Sachen, ferner in ihrem Gefährdungs- und Störungsbereich der sichere und ungestörte Betrieb anderer elektrischer Anlagen und Betriebsmittel sowie sonstiger Anlagen gewährleistet ist. Um dies zu gewährleisten, ist gegebenenfalls bei Konstruktion und Herstellung elektrischer Betriebsmittel nicht nur auf den normalen Gebrauch sondern auch auf die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Benutzung Bedacht zu nehmen. In anderen Rechtsvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Personen werden durch diese Bestimmungen nicht berührt.

(2) Im Gefährdungs- und Störungsbereich elektrischer Anlagen und elektrischer Betriebsmittel sind jene Maßnahmen zu treffen, welche für alle aufeinander einwirkenden elektrischen und sonstigen Anlagen sowie Betriebsmittel zur Wahrung der elektrotechnischen Sicherheit und des störungsfreien Betriebes erforderlich sind.

….

(11) Die in den Abs. 1, 2 und 8 festgelegten Verpflichtungen hat je nach Art derselben derjenige zu erfüllen, der die elektrische Anlage oder die elektrischen Betriebsmittel errichtet, herstellt, einführt, instand hält, betreibt oder in Verkehr bringt. Unbeschadet der Pflichten der Wirtschaftsakteure gemäß § 9a ff kann der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft durch Verordnung oder die Behörde (§ 13) durch Bescheid auch dem Eigentümer der elektrischen Anlage oder des elektrischen Betriebsmittels die Erfüllung dieser Verpflichtungen auferlegen. Maßnahmen nach Abs. 2 können auch denjenigen aufgetragen werden, die über elektrische Anlagen, elektrische Betriebsmittel oder sonstige Anlagen im Gefährdungs- und Störungsbereich verfügungsberechtigt sind, sie errichten, herstellen, instandhalten oder betreiben. Hiebei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die Beseitigung dieser Gefährdung oder Störung auf wirtschaftlichstem Wege unter möglichster Wahrung der Interessen der Betroffenen herbeigeführt wird.

….

Die Überwachung elektrischer Anlagen

§ 9. (1) Elektrische Anlagen unterliegen hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen nach Maßgabe der folgenden Absätze der Überwachung durch die zuständige Behörde (§ 13). In anderen Rechtsvorschriften enthaltene Bestimmungen über die Überwachung von Betriebseinrichtungen und Betriebsmitteln werden hiedurch nicht berührt.

(2) Wer eine elektrische Anlage betreibt, hat den mit der Überwachung und sicherheitstechnischen Prüfung betrauten Personen Zutritt – bei Gefahr im Verzuge jederzeit – zu der elektrischen Anlage zu ermöglichen, jede erforderliche Unterstützung zu gewähren und ihnen die nötigen Auskünfte zu erteilen sowie die sicherheitstechnische Prüfung und eine zu ihrer Durchführung unerlässliche vorübergehende Inbetriebnahme oder Außerbetriebnahme der elektrischen Anlage zu dulden. Bei der Überwachung und sicherheitstechnischen Prüfung elektrischer Anlagen ist jede nicht unbedingt notwendige Störung oder Behinderung des Geschäftsbetriebes oder Betriebsablaufes zu vermeiden.

(3) Wird festgestellt, dass der Zustand oder Betrieb einer elektrischen Anlage diesem Bundesgesetz oder den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen nicht entspricht, hat die Behörde dem Betreiber der elektrischen Anlage mit Bescheid aufzutragen, den gesetzmäßigen Zustand innerhalb einer gleichzeitig festzusetzenden angemessenen Frist herzustellen. Als Betreiber der Anlage gilt deren Eigentümer, dessen Stellvertreter oder Beauftragte, subsidiär der Anlageninhaber sowie jede sonstige, offenkundig mit der tatsächlichen Betriebsaufsicht betraute Person.

(4) Wird festgestellt, dass der Zustand oder Betrieb einer elektrischen Anlage diesem Bundesgesetz oder den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen nicht entspricht und droht dadurch eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Personen oder für Sachen, hat die Behörde, wenn der gesetzmäßige Zustand nicht sofort hergestellt wird, jene Maßnahmen zu verfügen, die geeignet sind, die Gefahr abzuwenden; kann die Gefahr nicht anders abgewendet werden, hat die Behörde die Außerbetriebnahme der elektrischen Anlage in dem zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlichen Ausmaß zu verfügen, wobei auf den Betriebs- oder Versorgungszweck der elektrischen Anlage Bedacht zu nehmen ist.

(5) Die auf Grund der Abs. 3 und 4 zu erlassenden Bescheide haben die festgestellte Vorschriftswidrigkeit der elektrischen Anlage anzugeben. Getroffene Verfügungen sind auf Antrag aufzuheben, wenn der Behörde nachgewiesen wird, dass der gesetzmäßige Zustand hergestellt worden ist.“

Während seitens sämtlicher Beschwerdeführer kein Zweifel besteht, dass die vorliegenden Mängel an der elektrischen Anlage der Wohnung Top 6, der Herstellung des gesetzlichen Zustandes bedürfen, wird die Verantwortlichkeit insbesondere von den Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer/innen in Abrede stellt.

Hier ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 9 Abs. 3 ETG 1992 gilt als Betreiber der Anlage deren Eigentümer, dessen Stellvertreter oder Beauftragte, subsidiär der Anlageninhaber sowie jede sonstige, offenkundig mit der tatsächlichen Betriebsaufsicht betraute Person.

In den Erläuterungen zu § 9 Abs. 3 zur Regierungsvorlage des ETG 1992, 806 BlgNR XVIII. GP heißt es dazu:

„Im Abs. 3 wurde der Personenkreis, der als Anlagenbetreiber infrage kommt, um den Eigentümer erweitert. Ist dieser oder sein Stellvertreter oder Beauftragter (zB Hausverwaltung) nicht feststellbar, so kommt als verpflichtete der Anlageninhaber in Betracht. Damit sollen Abschieben der Verantwortung für die Behebung der Mängel der Anlage auf die jeweils im Gesetz nicht genannten Personen, wie es in der Vergangenheit beobachtet werden konnte, verhindert werden. Die Frage werde Kosten zu tragen hat, wäre, nach Maßgabe der Verantwortlichkeit für den nicht gesetzmäßigen Zustand der Anlage, nötigenfalls am Rechtsweg, zu klären und ist grundsätzlich nicht Gegenstand dieses Gesetzes es soll jedoch klargestellt werden, dass einem Arbeitnehmer nicht die Kosten für mangelhafte Anlagen in einem Betrieb auferlegt werden können.“

§ 2 Abs. 2 erster Satz WEG 2002 definiert das Wohnungseigentum als das u.a. dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen. Es ist nach § 11 Abs. 1 WEG 2002 mit dem Mindestanteil untrennbar verbunden und kann nur mit diesem zusammen veräußert werden. Das Wohnungseigentum ist somit als untrennbare Verbindung eines ideellen Miteigentumsanteils an der Liegenschaft mit einem ausschließlichen Servitut ähnlichen Nutzungsrecht an einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt konstruiert. Nur die aus dem Miteigenumtsanteil und dem Nutzungsrecht bestehende Einheit ist Gegenstand des Rechtsverkehrs. Der oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 6 Ob 162/98m eindeutig klargestellt, dass das mit den Miteigentumsanteilen untrennbar verbundene Wohnungseigentum im Verhältnis zum schlichten Miteigentum kein quanitatives „Mehr“, sondern ein aliud darstellt (siehe Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 3.6.2998, 5 Ob 112/08v).

Als Eigentümer im Sinne des § 9 ETG 1992 kommen jedenfalls diejenigen die schlichte Miteigentümer einer Liegenschaft sind, auf der sich die betreffende Baulichkeit befindet in Betracht, da es diesen Personen allein schon vermöge ihrer Sachherrschaft möglich ist, einem solchen behördlichen Auftrag zu entsprechen. Wurde einem Miteigentümer der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft eingeräumt, so beinhaltet dies nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine entsprechend eingeschränkte Verwaltungsvollmacht, die jedoch auf den Beschwerdefall keine Anwendung findet, da die Verpflichtung zur Erfüllung der Anordnung der Verwaltungsbehörde keine Verwaltungshandlung darstellt.

Der Verfassungsgerichtshof hat es im Erkenntnis vom 10.12.1997, B5012/96 - B1942/97; B513/97; B299/98 aus der Sicht des Gleichheitssatzes des Art. 7 Abs. 1 B-VG als unzulässig angesehen, hinsichtlich der Verpflichtung, einem baupolizeilichen Beseitigungsauftrag Rechnung zu tragen, Wohnungseigentümer wie einen sonstigen (Allein- oder Mit-)Eigentümer zu behandeln, der einer derartigen Beschränkung seiner Nutzungs- und Verfügungsbefugnis auf eine bestimmte "selbständige Wohnung oder eine sonstige selbständige Räumlichkeit" nicht unterliege, sondern - jedenfalls von Gesetzes wegen - über die Sache insgesamt (sei es auch im Falle des Miteigentums im Sinn des § 825 ABGB gemeinsam mit anderen) verfügen und sie "nach Willkür" benützen könne (§ 362 ABGB). Es sei nämlich evident, dass es einem solchen Eigentümer allein schon vermöge dieser Sachherrschaft möglich sei, einem behördlichen Auftrag der hier in Rede stehenden Art zu entsprechen, während der Wohnungseigentümer außerhalb des Objektes, auf das sich sein Wohnungseigentum beziehe, diese Möglichkeit nicht habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass diesem rechtliche Instrumente zur Verfügung stünden, gegebenenfalls den oder die anderen Wohnungs- bzw. Miteigentümer zu veranlassen, einem Beseitigungsauftrag zu entsprechen, und er in dieser Hinsicht nicht schlechter gestellt sei als ein sonstiger Miteigentümer.

Der Eigentümerbegriff des § 9 ETG ist daher verfassungskonformen dahin auszulegen, dass bei bestehendem Wohnungseigentum dem jeweiligen Wohnungseigentümer keine Aufträge erteilt werden dürfen, die sich - wenn man von jenen Teilen der Liegenschaft, die der allgemeinen Benützung dienen oder deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht (§ 2 Abs. 4 WEG), einmal absieht - nicht auf das seinem ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsrecht unterliegende Objekt beziehen.

Ausgehend davon ist lediglich die Beschwerde der Sechstbeschwerdeführerin berechtigt und war der Bescheid insoweit zu beheben, als sich der Bescheid an sie richtete. Alle übrigen Beschwerdeführerinnen sind schlichte Miteigentümer, für die das oben Ausgeführte gilt.

Die Spruchabänderung erfolgte zur Richtigstellung der anzuwendenden Rechtsvorschriften.

Es bedarf bei diesem Ergebnis keiner näheren Erörterung, ob im Beschwerdefall die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG gegeben waren, weil mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Hauptsache ein Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung jedenfalls seine Wirkung verliert (vgl. VwGH 27.5.2005, 2005/18/0518). In Anbetracht der Abweisung der Beschwerde des Erst-, Zweit- und Drittbeschwerdeführers sowie der Viert- und Fünftbeschwerdeführerin erübrigt sich daher auch eine Entscheidung betreffend die Zuerkennung der aufschiebende Wirkung (vgl. VwGH 21.10.2010, 2009/18/0498).

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen, weil die Verwaltungsakten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Die ordentliche Revision ist zulässig, da zum Verständnis des Eigentümerbegriffes in § 9 Elektrotechnikgesetz 1992 bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, dieser Rechtsfrage aber grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Überwachung elektrischer Anlagen; Betreiber; Eigentümer; Wohnungseigentum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.101.014.599.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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