TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/31 96/19/2679

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Veröffentlicht am 31.10.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §8 Abs1;
AsylG 1991 §8 Abs2;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §13 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der 1987 geborenen AR in N, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Rudolf Tobler jun. in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Dezember 1994, Zl. 103.993/4-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Dezember 1994 wurde der vom Inland aus gestellte Antrag der Beschwerdeführerin vom 3. Jänner 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Sie sei daher nicht berechtigt, die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften zu beantragen. Gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor einer (weiteren) Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen gewesen. Mit ihrer Inlandsantragstellung habe die Beschwerdeführerin der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan. Ihr Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (19. Mai 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der am Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides ausgegebenen Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

§ 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1, § 6 Abs. 2 und § 13 AufG in der Fassung vor der genannten Novelle lauteten auszugsweise:

"§ 1. (1) ...

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

...

6. aufgrund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

1.

von österreichischen Staatsbürgern oder

2.

von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

...

§ 6. (1) ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung kann auch vom Inland aus gestellt werden.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 genannten Fremden keine Anwendung."

§ 7 und § 8 des Asylgesetzes 1991 (AsylG 1991) lauten:

"§ 7. (1) Ein Asylwerber, der gemäß § 6 eingereist ist, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt hat (vorläufige Aufenthaltsberechtigung). Der Asylwerber hat sich den Asylbehörden für Zwecke des Verfahrens nach diesem Bundesgesetz zur Verfügung zu halten.

§ 8. (1) Die Asylbehörde kann aus Anlaß der Erlassung eines Bescheides, mit dem ein Asylantrag abgewiesen wird, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen einem Fremden von Amts wegen den befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet bewilligen, wenn die Abschiebung rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist oder ihm wegen der Situation in seinem Heimatstaat oder - sofern er staatenlos ist - in dem Staat, in dem er zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, aus wichtigen Gründen nicht zugemutet werden kann.

(2) Die befristete Aufenthaltsberechtigung ist für höchstens ein Jahr zu bewilligen. Sie kann um jeweils höchstens ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn die Gründe für ihre Bewilligung andauern."

Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihr Vater sei im Jahre 1992 als politisch Verfolgter nach Österreich geflüchtet und habe dabei die Beschwerdeführerin mitgenommen, weil sie als nächste Angehörige ihres Vaters schon aufgrund seiner Flucht mit gravierendsten Repressalien der Behörden ihres Heimatstaates zu rechnen gehabt hätte und aufgrund ihres Alters nicht in der Lage gewesen wäre, für sich selbst zu sorgen. Die Beschwerdeführerin habe sodann in Österreich um politisches Asyl angesucht. Dieser Antrag sei mit einem letztinstanzlichen Bescheid vom 11. Mai 1993 abgewiesen worden, weil die Beschwerdeführerin nach Ansicht der Asylbehörde bereits in Ungarn Verfolgungssicherheit erlangt habe. Während der Dauer ihres Asylverfahrens sei die Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1991 vorläufig zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen. Einem Antrag ihres Vaters auf Aufschiebung seiner Abschiebung wegen Unzulässigkeit gemäß § 37 FrG sei von der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg mit Bescheid vom 28. Juni 1996 stattgegeben und die Aufschiebung bis 28. Juni 1997 bewilligt worden. Nicht nur in der Person ihres Vaters, sondern auch bei der Beschwerdeführerin lägen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 FrG vor.

Mit diesem Vorbringen bestreitet die Beschwerdeführerin die Annahme der belangten Behörde, sie habe sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, nicht. Schon daran scheitert die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 1 AufG. Im übrigen hat der abgewiesene Asylwerber seinen Antrag betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vor einer weiteren Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/19/0666).

Wenn die Beschwerdeführerin darauf verweist, daß sie ungeachtet der Abweisung ihres Asylantrages Gefahr liefe, in ihrem Heimatstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, so ist ihr zu entgegnen, daß diese Umstände nicht zu einer Erteilung der Aufenthaltsbewilligung trotz Vorliegens des Versagungsgrundes nach § 6 Abs. 2 AufG aF zu führen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zlen. 96/19/3402,

AW 96/19/1873). Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Gründe können bei der Entscheidung über die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 von Bedeutung sein oder aber mit einem Antrag gemäß § 36 Abs. 2 FrG geltend gemacht werden.

Wenn sich die Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, beruft, ist ihr folgendes zu entgegnen:

Nach dem diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zugrundeliegenden Verständnis des § 6 Abs. 2 AufG aF ist diese Bestimmung auf Fremde, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes im Inland aufhielten, nicht unmittelbar anwendbar. Dabei erachtete der Verfassungsgerichtshof in Ansehung von Personen, die sich seit vielen Jahren bzw. seit ihrer Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und die die Frist zur Verlängerung ihrer Bewilligung relativ kurzfristig versäumt hatten, eine Schließung der von ihm angenommenen Regelungslücke in Analogie zu § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG aF für geboten.

Im Falle der Beschwerdeführerin kann es dahingestellt bleiben, ob man im Hinblick auf die Übergangsregelung des § 13 Abs. 1 AufG überhaupt von einer Regelungslücke sprechen kann. Jedenfalls hat auch der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) die Auffassung vertreten, daß die - seines Erachtens der Sache nach analoge - Anwendung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG auf abgewiesene Asylwerber durch den Verwaltungsgerichtshof nicht dem Art. 8 Abs. 1 MRK widerspreche.

Die Beschwerdeführerin vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, die aus den zitierten Erläuternden Bemerkungen ersichtliche Zielvorstellung des Aufenthaltsgesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen zu verhindern, könne nur dann zu Lasten eines Antragstellers ausschlagen, wenn er seinen Asylantrag geradezu rechtsmißbräuchlich gestellt habe. Dies sei jedoch bei ihr nicht der Fall gewesen.

Dieser Auffassung ist zu entgegnen, daß die von ihr zutreffend erkannte Zielsetzung des Aufenthaltsgesetzes auch bei Fremden zum Tragen kommt, die ihren Asylantrag nicht in der Absicht gestellt haben, damit Einwanderungsvorschriften zu umgehen. Entscheidend ist, daß im Falle der gedachten Zulässigkeit der Inlandsantragstellung nach negativem Abschluß eines Asylverfahrens der sonst für Einwanderungswillige geltende Grundsatz, wonach die Entscheidung vom Ausland aus abzuwarten ist, im Ergebnis durchbrochen wäre (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0593).

Wenn die Beschwerdeführerin meint, die Versagung der Aufenthaltsbewilligung verstoße gegen das Sachlichkeitsgebot, weil sie zu einer Umgehung des Abschiebungsschutzes führe, ist ihr zu entgegnen, daß dieser bei Vorliegen der in § 37 Abs. 1 FrG genannten Umstände unabhängig davon besteht, ob für den Fremden eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt ist oder nicht.

Schließlich meint die Beschwerdeführerin, daß, sollte man eine Abschiebung für unzulässig erachten, gleichzeitig aber ein Aufenthaltsrecht ablehnen, sich "ein rechtlich unerträglicher Schwebezustand" ergäbe. Dieser Argumentation ist zunächst zu entgegnen, daß dieser Schwebezustand vom Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen wurde, weshalb seine Qualifikation als "rechtlich unterträglich" wohl nicht zutreffend sein kann. Jedenfalls dann, wenn dieser Schwebezustand für einen Fremden aus tatsächlichen Gründen unerträglich zu sein droht, wird ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliegen, in dem die Asylbehörde ihr in § 8 Abs. 1 AsylG 1991 eingeräumtes Ermessen im Sinne einer amtswegigen Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung zu üben haben wird. Das Aufenthaltsrecht dient nicht dazu, eine - allenfalls pflichtwidrige - Unterlassung einer solchen Ermessensübung durch die Asylbehörde zu substituieren.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996192679.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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