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E2D Assoziierung Türkei;Norm
61995CJ0285 Suat Kol VORAB;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde des (am 2. September 1969 geborenen) LÖ, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 8. Mai 1996, Zl. Fr 1560/2-1995, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. den §§ 19, 20 und 21 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen aus, der Beschwerdeführer sei seinen Angaben zufolge am 1. Mai 1991 nach Österreich eingereist. Er hätte von Verwandten aus Deutschland eine Einladung zum Besuch erhalten, sei jedoch im Bundesgebiet verblieben. Im Reisepaß des Beschwerdeführers sei ein von der deutschen Botschaft in Ankara am 2. April 1991 mit einer Gültigkeitsdauer vom 4. April 1991 bis 29. Juni 1991 ausgestellter deutscher Sichtvermerk ersichtlich.
Tatsache sei, daß das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz am 8. November 1994 die Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin rechtskräftig für nichtig erklärt habe. Ausgehend von den Feststellungen des Urteils dieses Gerichtes habe sich ergeben, daß die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden sei, dem Beschwerdeführer den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, weshalb die gegenständliche Ehe für nichtig erklärt worden sei. Nach den Gründen dieses Urteiles (in der Darstellung des Verfahrensganges wiedergegeben) sei die österreichische Staatsbürgerin Anfang 1993 von der Besitzerin eines namentlich genannten Lokales gefragt worden, ob sie Interesse hätte, für einen Geldbetrag von S 50.000,-- einen türkischen Staatsbürger zu ehelichen. Begründet sei dies damit worden, daß der türkische Staatsbürger, nämlich der Beschwerdeführer, aufgrund der Eheschließung in Österreich bleiben und hier arbeiten könne. Die Ehe würde nach einer gewissen Zeit ohnehin wieder geschieden werden. Die österreichische Staatsbürgerin habe in dieses "Geschäft" eingewilligt, obwohl sie den Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen habe. Sie habe den Beschwerdeführer erstmals bei einer Fahrt zur türkischen Botschaft in Wien getroffen. Anläßlich dieser Fahrt habe der Beschwerdeführer der österreichischen Staatsbürgerin erklärt, daß er nach einer Ehedauer von einem Jahr und drei Monaten sich wieder scheiden lassen wolle, weil er bis zu diesem Zeitpunkt seine Ziele verwirklicht haben werde. Bei dieser Gelegenheit habe die österreichische Staatsbürgerin von der Besitzerin des genannten Lokales S 10.000,-- als Vorschuß erhalten. Am 12. März 1993, dem Tag der Eheschließung, habe die österreichische Staatsbürgerin den Beschwerdeführer zum zweiten Mal getroffen. Nach der Eheschließung habe sie den Restbetrag von S 40.000,-- erhalten. In weiterer Folge hätten der Beschwerdeführer und diese österreichische Staatsbürgerin keinerlei persönliche Beziehungen zueinander unterhalten, es sei auch zu keiner gemeinsamen Hausstandsgründung und auch nicht zum Vollzug der Ehe gekommen.
Wenn der Beschwerdeführer - so die Bescheidbegründung weiter - behaupte, daß die Angaben seiner ehemaligen Ehegattin nicht den Tatsachen entsprächen und er mit dem Urteil nicht einverstanden sei, so seien diese Behauptungen nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer sei zu den Verhandlungen vor dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz trotz Ladungen und Androhung der Säumnisfolgen nicht erschienen und habe auch gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt.
Dem Beschwerdeführer sei vor dieser Eheschließung eine Beschäftigungsbewilligung des Arbeitsamtes Wien vom 21. August 1992 für die Gültigkeitsdauer vom 1. September 1992 bis 30. Juli 1993 als Musiker erteilt worden. Diese Beschäftigungsbewilligung sei nur für den örtlichen Geltungsbereich Wien erteilt worden. Der Beschwerdeführer habe seit 21. April 1993 ein Arbeitsverhältnis beim Steirischen Landwirteverband aufgenommen und zwar aufgrund des Befreiungsscheines, welcher ihm vom Arbeitsamt Graz am 2. April 1993 nach der Eheschließung ausgestellt worden sei. Dem Beschwerdeführer seien Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz, zuletzt bis 24. März 1995, erteilt worden.
Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, daß jede der beiden in Rede stehenden Verhaltensweisen (rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe und Verwendung eines deutschen Sichtvermerkes zur Einreise nach Österreich) für sich einen das öffentliche Interesse erheblich beeinträchtigenden Rechtsmißbrauch darstellten, der seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten sei. Die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei daher gerechtfertigt.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei trotz des damit verbundenen Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten. Ein relevanter Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers sei damit nicht verbunden, weil die mißbräuchliche Eingehung der Ehe zur Folge habe, daß sich der Beschwerdeführer nicht auf die Schutzwürdigkeit einer solchen Ehe berufen könne. Im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung falle die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und die damit verbundene Integration nicht entscheidend zu seinen Gunsten ins Gewicht, weil die Integration im Bundesgebiet nur durch die Schließung einer sogenannten Scheinehe herbeigeführt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG erwogen:
Die Beschwerde enthält keine Ausführungen zur Auffassung der belangten Behörde, die Einreise des Beschwerdeführers und das Aufenthaltnehmen im Bundesgebiet auf der Grundlage eines lediglich zur Durchreise durch Österreich berechtigenden deutschen Sichtvermerkes rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Ausgehend von den so unbekämpft gebliebenen Feststellungen hegt auch der Verwaltungsgerichtshof gegen diese zutreffende rechtliche Beurteilung keine Bedenken (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1997, Zl. 97/18/0181, mit weiteren Nachweisen).
Aber auch das Beschwerdevorbringen vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe der Begründungspflicht nicht entsprochen, weil die Anführung der Beweismittel, auf die die Feststellungen gegründet würden, fehle und aus dem Bescheid nicht ersichtlich sei, von welchen Feststellungen die Behörde überhaupt ausgehe, ist nicht berechtigt. Die belangte Behörde hatte die Feststellungen über die Einreise und das Aufenthaltnehmen des Beschwerdeführers aufgrund des deutschen Sichtvermerkes anhand seiner eigenen Angaben festgestellt (Seite 6 des angefochtenen Bescheides) und ist in bezug auf den Tatbestand der rechtsmißbräuchlichen Eingehung der Ehe von den in Seite 7 bzw. Seite 2 und 3 wiedergegebenen Gründen des Urteiles des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz ausgegangen. Die belangte Behörde hat sich auch eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, daß die Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen eingegangen wurde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung einer Ehe als rechtsmißbräuchlich eingegangen die Nichtigerklärung dieser Ehe nicht voraus (vgl. auch hiezu das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1997, Zl. 97/18/0181). Die Ausführungen des Beschwerdeführers über das Ehenichtigkeitsverfahren und eine allfällige Bindungswirkung des in diesem Fall ergangenen Urteiles gehen daher ins Leere.
Hätte demnach jede der beiden dargestellten rechtsmißbräuchlichen Verhaltensweisen des Beschwerdeführers schon für sich allein die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, so war diese Annahme angesichts des insoweit kumulativen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers umso mehr zu bejahen.
Gegen die Bejahung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 und § 20 Abs. 1 FrG durch die belangte Behörde bringt die Beschwerde nichts vor. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die diesbezügliche behördliche Beurteilung - unter Zugrundelegung der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen - keine Bedenken, weisen doch die keineswegs stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich nicht annähernd das Gewicht des durch ihn in zweifacher Hinsicht erheblich gefährdeten öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens auf.
Schließlich ist auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf das "Assoziierungsabkommen der Türkei mit der EU" nicht zielführend. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/1215, unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausgeführt hat, ist unter "ordnungsgemäßer" Beschäftigung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 nur eine Beschäftigung zu verstehen, die im Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates steht. Da der Beschwerdeführer die ihm erteilten Aufenthaltsberechtigungen im Wege einer "Scheinehe" rechtsmißbräuchlich erlangt hat, kann nicht davon gesprochen werden, daß der darauf beruhende Aufenthalt im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften stehe (siehe auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 5. Juni 1997, Rechtssache C-285/95, Suat Kol, Randnr. 26, wonach Beschäftigungszeiten nach Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis, die dem türkischen Staatsangehörigen nur aufgrund einer Täuschung erteilt worden ist, nicht als ordnungsgemäß im Sinne des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 angesehen werden können). Daher ist Art. 6 Abs. 1 des genannten Beschlusses schon aus diesem Grund auf den Fall des Beschwerdeführers nicht anwendbar. Weiters ist anzumerken, daß zum Zeitpunkt der Eheschließung im Jahr 1993 der genannte Assoziationsratsbeschluß in Österreich noch nicht gegolten hat und daher auch keine Rede davon sein kann, daß damals die Eheschließung des Beschwerdeführers zur Erlangung einer Beschäftigungs- bzw. einer Aufenthaltsberechtigung ohne Bedeutung gewesen sei.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unberechtigt und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Gerichtsentscheidung
EuGH 695J0285 Suat Kol VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996210587.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
11.11.2011