Entscheidungsdatum
18.08.2014Norm
ASVG §113Spruch
L501 2004767-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn XXXX , vertreten durch RA Dr. Wolfgang Maria PAUMGARTNER, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 24.07.2013, GZ: 046-113(2)-61/13, zu DG-Kontonummer XXXX , betreffend die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz in der Höhe von € 1.800,-- beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit an die Salzburger Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (in der Folge kurz SGKK) vom 24.07.2013, GZ: 046-113(2)-61/13, wurde der beschwerdeführenden Partei (in der Folge kurz bP) gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von € 1.800,00 vorgeschrieben, weil anlässlich einer Kontrolle durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes am 15.07.2013 festgestellt worden sei, dass sie hinsichtlich der Beschäftigung der Herren XXXX (in der Folge kurz IL) und XXXX (in der Folge kurz MF) gegen die Meldepflicht iSd § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die bP durch ihre rechtsfreundliche Vertretung mit Schreiben vom 19.08.2013 Einspruch, in welchem im Wesentlichen unter Anführung von Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie des Verwaltungsgerichtshofes die Dienstgebereigenschaft der bP im Hinblick auf die Herren IL und MF bestritten und das Vorliegen eines Systemvertrages mit Herrn IL behauptet wurde. Aus dem genannten Vertrag sei ersichtlich, dass die bP ihrerseits Franchisenehmer im XXXX sei und in diesem Rahmen Herrn IL für einen bestimmten Teilbereich als Subunternehmer beauftragt habe, welcher als selbständiger Frachtführer über eine Gewerbeberechtigung bzw. einen eigenen Gewerbebetrieb verfüge, den LKW als wesentliches Produktionsmittel geleast habe, die Zustell- und Abholdienstleistungen sowie Werbedienstleistungen monatlich detailliert mit der bP abrechne, für die ordnungsgemäße Erbringung der ihr übertragenen Werkleistungen Gewährleistungs- und Schadenersatzpflichtig sei, nicht zur persönlichen Arbeitsleistung verspflichtet sei und sich vertreten lassen könne. Herr MF sei in keinster Weise für sie tätig, sie habe keinerlei Vereinbarungen mit ihm. Sollte man wider Erwarten von einem Dienstverhältnis ihrerseits mit den Herren IL und MF ausgehen, so weise sie daraufhin, dass sie selbst nur Franchisenehmer im XXXX sei und der Franchisegeber, die Fa. XXXX , dann die Dienstgeberfunktion inne hätte. Dem Einspruch waren der angesprochene Systemvertrag, ein Auszug aus dem Firmenverzeichnis der Wirtschaftskammer, das Schreiben einer Automobilfirma, Kontoauszüge von Herrn IL sowie diverse Internetauszüge angefügt.
Die SGKK übermittelte der Landeshauptfrau von Salzburg mit Vorlagebericht vom 04.11.2013 den Versicherungsakt samt Einspruch und folgender Stellungnahme:
„ […..] zusammenfassend gab Herr IL niederschriftlich zu Protokoll, dass er seit sechs Jahren für XXXX tätig sei. Gegenständliche Lieferungen fahre er seit Februar 2012, davor habe er ein anderes Fahrzeug gemietet. Die Bekleidung, die er trage, sei von XXXX , der Scanner von der bP. Er bekomme jeden Tag um 5:00 Uhr die Pakete, müsse zwischen 5:00 Uhr und 8:00 Uhr dort sein. Unabhängig von der Anzahl der Pakete erhalte er eine Pauschale von Euro 4.500,--/Monat, worüber er pauschal eine Rechnung schreibe. Die Tour, die er fahre, sei die Tour 25, die er seinerzeit von XXXX übernehmen wollte, aber nicht bekommen habe. Er fahre diese nun für die bP und kommuniziere ausschließlich mit dieser, alles gehe über sie. Die Reklamationen bekomme die bP, diese regle das dann mit XXXX . Wenn er Urlaub haben wolle, so regle er das auch mit der bP, diese kümmere sich um Ersatz, dies sei auch so, wenn er krank sei. 1x/Woche fahre er in der Nacht für einen Herrn XXXX (in der Folge kurz DJ), dafür erhalte er Euro 100,--. Diese Fahrt erledigte er mit dem Auto von Herrn DJ. Herr MF lerne von ihm die Tour, damit dieser diese eventuell übernehmen könne. Die bP habe jemanden gebraucht zum Fahren und er (IL) habe ihr MF empfohlen. MF fahre seit ca. einer Woche mit. MF erhalte keinen Lohn, er (IL) helfe jedoch über den Alltag, bis dieser eine eigene Tour von der bP bekomme.
MF gab niederschriftlich sinngemäß an, seit 1 Monat zusammen mit IL die Tour 25 zu fahren. IL habe ihm die Tour, die Adressen, die Vorgehensweise mit dem Scanner gezeigt und ihm in Aussicht gestellt, dass er die Tour dann selber fahren könne, wenn er das Gewerbe habe. IL habe ihm Geld für Essen und sonstigen Bedarf gegeben und seine Miete für 2 Monate bezahlt.
Weiterer Sachverhalt, festgestellt durch Organe der Finanzpolizei:
? Systemvertrag zwischen der bP (Kleintransporte) und IL (Kleintransporte)
? IL verfügt über einen Gewerbeschein für das Transportgewerbe.
? Das vor Ort kontrollierte Fahrzeug ist auf IL zugelassen, als Leasingnehmer, das vor Februar 2012 von IL verwendete Zustellfahrzeug war auf die bP zugelassen.
? IL verwendet zur Ausübung seiner Zustelltätigkeiten einen Ausweis mit Foto, der ihn als Fahrer des XXXX bP bezeichnet.“
Rechtlich führte die SGKK aus, dass die formale Ausgestaltung eines Beschäftigungsverhältnisses (hier: Systemvertrag, Gewerbeanmeldung) unerheblich sei, vielmehr die wahren wirtschaftlichen Gegebenheiten zu prüfen seien. Der Systemvertrag sei den Aussagen des Herrn IL zufolge nicht gelebt worden (fixe Beladungszeiten, fixe Tour, weisungsgebunden, kein jederzeitiges, generelles Vertretungsrecht, Verwendung eines Ausweises als Fahrer des XXXX bP, kein wirtschaftliches bzw. unternehmerisches Risiko, Scanner und Kleidung wurden zur Verfügung gestellt), weshalb dieser für die Beurteilung gegenständlicher Vertragsbeziehung nicht relevant sei. Einzig die Tatsache, dass Herr IL die Pakete mit seinem (geleasten!) Fahrzeug zugestellt habe und zusätzlich zu dieser Tätigkeit 1 Nacht/Woche für einen anderen gefahren sei, vermöge keine Selbstständigkeit zu begründen. Herrn MF betreffend wies die SGKK darauf hin, das auch ein Dienstverhältnis, welches nur auf kurze Zeit angelegt bzw. nur auf Probe abgeschlossen werde, auch der Sozialversicherungspflicht unterliege.
Diesen Vorlagebericht übermittelte die zu diesem Zeitpunkt zuständige Einspruchsbehörde (=Landeshauptfrau von Salzburg) der bP und räumte ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen vier Wochen ab Zustellung ein. Mit Schreiben vom 09.12.2013 bestritt die bP die Darlegungen der SGKK zur Gänze und wies darauf hin, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Firma XXXX und ihr gleich aufgebaut sei wie jenes zwischen ihr und Herrn IL, weshalb die Ansprüche gegenüber der Firma XXXX geltend gemacht werden müssten.“
Am 24.04.2014 wurde das Bundesverwaltungsgericht seitens der SGKK in Kenntnis gesetzt, dass das handsignierte Original des angefochtenen Bescheides der bP zugestellt worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
II.1. Feststellungen
Im gegenständlichen Verfahren wurden die notwendigen Ermittlungen bzw. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen.
II.2. Beweiswürdigung
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten der SGKK, der Landeshauptfrau von Salzburg und des Bundesverwaltungsgerichtes.
II.3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Zuständigkeit, Verfahrensbestimmungen
Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde mit 01.01.2014 (Art. 151 Abs. 51 Z 6 B-VG) das Bundesverwaltungsgericht (Art. 129 B-VG) eingerichtet.
Gemäß Art. 151 Abs. 51 Ziffer 8 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, geht die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31.12.2013 bei den Behörden anhängigen Verfahren, in denen diese Behörden sachlich in Betracht kommende Oberbehörde oder im Instanzenzug übergeordnete Behörde sind, auf die Verwaltungsgerichte über.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Die vorliegende Angelegenheit ist nicht von § 414 Abs. 2 ASVG erfasst. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
II.3.2. Mündliche Verhandlung
Im Hinblick auf die Behebung des angefochtenen Bescheides konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 22 zu § 67d, Rechtslage vor 01.01.2014).
II.3.3. Gesetzliche Bestimmungen – ASVG
Gemäß § 4 Abs. 1 sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:
1. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer;
Gemäß Abs. 2. leg.cit. ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), BGBl. I Nr. 45/2005, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um
1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988
(Auszug aus dem Gesetzestext)
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Die Anmeldeverpflichtung kann von den Dienstgebern in der Weise erfüllt werden, dass sie vor Antritt einer Mindestangabenanmeldung (§ 33 Abs. 1a Z.1 ASVG) und binnen sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die vollständige Anmeldung (§ 33 Abs. 1a Z 2 ASVG) oder gleich vor Arbeitsantritt die vollständige Anmeldung erstellt.
Gemäß § 35. Abs.1 gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.
Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde (Z 1) oder die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde (Z 2).
Gemäß § 113 Abs. 2 ASVG setzt sich im Fall des Abs. 1 Z 1 der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 500 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 800 €. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 400 € herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
Zu A)
II.3.4. Aufhebung und Zurückverweisung
Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde nicht nur eine Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz errichtet, sondern wurde damit auch der prinzipielle Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte festgelegt. Als Voraussetzung für ihre reformatorische Entscheidung hat das Verwaltungsgericht zunächst zu überprüfen, ob der maßgebliche Sachverhalt von der Behörde ordnungsgemäß festgestellt wurde oder ob noch Sachverhaltsermittlungen erforderlich sind.
Die Vorschreibung von Beitragszuschlägen nach § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG setzt voraus, dass eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Wenn bestritten wird, dass die zu beurteilende Tätigkeit eine im Sinne des § 33 Abs. 1 ASVG anzumeldende Pflichtversicherung begründet hat, so hat die Behörde - soweit über diese Frage nicht bereits eine bindende Entscheidung vorliegt - diesen Umstand als Vorfrage zu klären (vgl. VwGH 14.2.2013, Zl. 2010/08/0010).
Ausgehend von dieser Rechtslage ist zunächst festzuhalten, dass sich der Sachverhalt im bekämpften Bescheid in der Mitteilung erschöpft, dass anlässlich einer Kontrolle am 15.07.2013 durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes festgestellt worden sei, das die bP hinsichtlich der Beschäftigung von IL und MF gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht iS des § 33 (1) ASVG verstoßen habe. Im Akt findet sich der von der Finanzpolizei an den Magistrat Salzburg gerichtete Strafantrag wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bzw. die Anzeige an die SGKK betreffend die bP samt den niederschriftlichen Einvernahmen von IL und MF. Diesen Unterlagen ist neben Aussagen der Vernommenen zur Vergütung, Vertretung, Betriebsmittel, usw. zu entnehmen, dass Herr IL über einen Gewerbeschein für das Transportgewerbe verfügt, zwischen der bP und IL ein – nicht beigefügter - „Systemvertrag“ abgeschlossen wurde und die von IL durchgeführten Paketzustellungen auf eine - nicht näher ausgeführte – Verbindung zwischen der bP und der Firma XXXX zurückzuführen ist. Laut vorliegendem Versicherungsakt wurden seitens der SGKK keine eigenen, weiterführenden Ermittlungen getätigt, weder wurde die bP einvernommen noch Parteiengehör gewährt; dem angefochtenen Bescheid wurden – soweit ersichtlich – die Ermittlungsergebnisse der Finanzpolizei zugrunde gelegt. Grundsätzliche Ausführungen zur Vorfrage der Versicherungspflicht finden sich erstmalig im Vorlagebericht der SGKK an die Einspruchsbehörde (Landeshauptfrau von Salzburg), insbesondere als Replik auf das Einspruchsvorbringen der bP im Hinblick auf Betriebsmittel, Systemvertrag, Weisungen usw. Auf die von der bP angesprochene eigene Stellung als Franchisenehmer des XXXX ging die SGKK nicht ein.
Die Herren IL und MF waren zum Zeitpunkt der Kontrolle am 15.07.2013 zwar unstrittig nicht als Dienstnehmer der bP gemeldet, dennoch hätte seitens der SGKK nicht ohne weiterführende Erhebungen von einem Verstoß der bP gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht ausgegangen werden dürfen. Vielmehr wäre der Vorfrage der Versicherungspflicht von IL und MF sowie der Stellung der bP als Dienstgeber im Sinne von § 35 ASVG nachzugehen gewesen, zumal den Ermittlungsergebnissen der Finanzpolizei – wie oben ausgeführt - hinreichend Anhaltspunkte für eine möglicherweise anderweitige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes zu entnehmen waren. Es mag sein, dass die niederschriftliche Aussage von IL zu Vergütung, Vertretung, Weisungsgebundenheit, unternehmerisches Risiko, Betriebsmittel, usw. stark auf eine unselbständige Tätigkeit hinweist, dennoch darf das Vorliegen des Gewerbescheines - auch wenn dieser die Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 4 ASVG nicht ausschließt – bzw. der von der Finanzpolizei angesprochene Systemvertrag – nicht von Vornherein außer Acht gelassen werden. Eine Prüfung der wahren wirtschaftlichen Gegebenheiten erfordert eine vollständige Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse, welche sich im allgemeinem u.a. durch Befragung beider Vertragspartner bewerkstelligen lassen wird.
Keine Ermittlungen finden sich aber insbesondere auch zur Frage, ob im Hinblick auf die Stellung der bP im XXXX die bP selbst als Dienstgeber im sozialversicherungsrechtlichem Sinne oder eventuell die Firma XXXX anzusehen ist. So ist der Anzeige an die SGKK vom 18.07.2013 zwar zu entnehmen, dass es sich bei der bP um eine Gewerbetreibende handelt, nicht erhoben wurde jedoch, ob sie Eigentümerin eines Betriebes mit eigener Betriebsstätte, Betriebsmitteln und Innehabung der obersten Geschäfts- und Betriebsleitung ist bzw. wie sich ihre eigene Beziehung (wirtschaftliches-, unternehmerisches Risiko, Abgeltung von Lkw-Reparaturen, Abnutzung und Benzinkosten, Weitergabe von Weisungen oder Ermahnungen, usw.) zur Firma XXXX darstellt.
Mangels Klärung der für die Verhängung eines Beitragszuschlages erforderlichen Versicherungspflicht steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht fest. Es ist daher gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG zu prüfen, ob eine Sachverhaltsermittlung durch das Verwaltungsgericht zu einer rascheren Verfahrenserledigung oder zu erheblichen Kostenersparnissen führt. Der Sozialversicherungsträger hat seinen Sitz in Salzburg, verfügt über eine dezentrale Organisationsstruktur, einer hierdurch örtlich gegebenen Nähe zu entscheidungsrelevanten Personen und Fakten sowie einen unmittelbaren behördeninternen Zugriff auf unabdingbar erforderliche Daten. Im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten obliegende Beachtung des Unmittelbarkeitsprinzips bzw. der grundsätzlich gegebenen Verhandlungspflicht sowie den eingeschränkt bzw. erschwert realisierbaren Datenbankabfragen kann vom Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG gleichfalls nicht ausgegangen werden, sondern ist vielmehr festzuhalten, dass eine kassatorische Entscheidung den Parametern "Ersparnis an Zeit und Kosten" Rechnung trägt. Liegen aber die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, welche eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vor, ist die Aufhebung des Bescheides zumindest in Betracht zu ziehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Vor dem Hintergrund der oben ausführlich beschriebenen, gravierenden Sachverhaltsmängel ist im Zusammenhalt mit den eingesehenen Verwaltungsakten festzustellen, dass derartige Ermittlungslücken vorliegen. Zur Vorfrage der Versicherungspflicht von IL/MF wurde allenfalls ansatzweise im Wege der Finanzpolizei ermittelt, Erhebungen zur Frage der Dienstgeberstellung der bP bzw. der Firma XXXX wurden überhaupt unterlassen. Ein Abgehen von der grundsätzlich bestehenden meritorischen Entscheidungspflicht ist somit im Lichte des jüngst ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes als gerechtfertigt anzusehen. Im fortgesetzten Verfahren wird die SGKK den unter Berücksichtigung der o.a. Erwägungen ermittelten Sachverhalt ihrer neuerlichen Entscheidung zugrunde zulegen haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. zitierte Judikatur zur Vorfrage der Versicherungspflicht sowie der Ausnahme von der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte) noch fehlt es an einer Rechtsprechung; auch ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Schlagworte
Beitragszuschlag Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung VersicherungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2014:L501.2004767.1.01Im RIS seit
08.10.2020Zuletzt aktualisiert am
08.10.2020