TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/10 I419 2175633-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.05.2019
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Entscheidungsdatum

10.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2175633-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA)vom 29.09.2017, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hatte am 10.10.2013 in Italien mit dem Alias-Namen und dem letztgenannten Alias-Geburtsdatum einen Asylantrag gestellt, der zurück- oder abgewiesen wurde, reiste Mitte Februar 2015 illegal ein und beantragte hier am 19.02.2015 als angeblich 16-Jähriger mit dem erstgenannten Alias-Geburtsdatum ebenfalls internationalen Schutz. Er sei im März 2013 aus dem Herkunftsstaat geflüchtet, da er homosexuell und deshalb von einer Gruppe geschlagen worden sei.

Die Altersfeststellung ergab ein Mindestalter zum Zeitpunkt der Asylantragstellung von 17,4 Jahren, weshalb das im Spruch genannte fiktive Geburtsdatum festgelegte wurde.

2. Niederschriftlich befragt am 07.06.2017 konkretisierte er, dass ihn bei einer homosexuellen Handlung Anfang Jänner 2012 die Mutter des Freundes erwischt und andere Personen herbeigerufen habe. Darauf sei er von unbekannten Burschen aus der Gemeinde geschlagen und gefesselt worden und habe das Bewusstsein verloren. Noch im selben Monat habe er den Herkunftsstaat verlassen.

Neben der Gemeinde suche ihn auch ein Helfer, der ihn zunächst nach Libyen gebracht habe, danach aber von dort nach Nigeria abgeschoben worden sei. Dieser suche ihn, weil er Geld von ihm verlange. Er habe dem Beschwerdeführer in Libyen gesagt, dass dieser ihm 20.000,-- Dinar schulden würde. Vonseiten dieses Mannes drohe dem Beschwerdeführer, im Rückkehrfall umgebracht zu werden, weil dieser vor ihm weggelaufen sei und ihn nicht bezahlt habe.

3. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag in Bezug auf die Status des Asyl- und des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

4. Beschwerdehalber wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine wohlbegründete Furcht glaubhaft gemacht habe. Er sei von der Mutter des Freundes aus dem Haus geworfen worden. Homosexuellen in Nigeria drohe neben gesellschaftlicher Stigmatisierung staatliche Strafe bis zur Steinigung nach der Scharia. Beantragt wurde unter anderem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

5. In ergänzenden Eingaben hat der Beschwerdeführer später vorgebracht, er habe im Herkunftsstaat weder Verwandte noch Bekannte, die ihn unterstützen würden, und in Österreich seit 2016 einen festen, namentlich genannten Partner.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig, kinderlos und Christ. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht Englisch und Ibo, leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit, wird nicht ärztlich behandelt und ist arbeitsfähig.

Im Herkunftsstaat hat er zumindest sechs Jahre lang die Grundschule besucht und Berufserfahrung im Handel mit Kleidern gesammelt. Er reiste 2012 oder 2013 aus und über Libyen, wo als Fliesenleger tätig war, spätestens im September 2013 nach Italien. Seine Eltern sind verstorben, er wuchs bei seinem Onkel auf und hat nach eigenen Angaben keine Geschwister.

Der Beschwerdeführer hat keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Er ist mit einem etwa drei Jahre älteren Asylwerber und Staatsangehörigen Sierra Leones befreundet. Dieser wohnte von April 2018 bis Jänner 2019 im selben Wiener Bezirk wie der Beschwerdeführer, jedoch einige Straßen entfernt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine homosexuelle Beziehung unterhielte.

Er ist im Inland nicht selbsterhaltungsfähig. Seinen Lebensunterhalt bestreitet der Beschwerdeführer aus Mitteln der staatlichen Grundversorgung, abgesehen von Unterbrechungen wegen einer Wegweisung samt Betretungsverbot von Mitte April bis Mitte Juli 2015 und einer Untersuchungshaft 2017. Zudem versuchte er, durch den Verkauf von Suchtmitteln weitere Einkünfte zu erzielen.

Mit seinem Alias-Geburtsdatum besuchte der Beschwerdeführer ein Unterrichtsangebot für 15- bis 21-Jährige, das „Start-Wien-Jugendcollege“, wo Deutsch und weitere Pflichtschulfächer gelehrt werden, und zwar zumindest im Zeitraum 26.02.2018 bis 21.12.2018. Dabei hat er Deutschkenntnisse auf Niveau A2 erworben.

Er besuchte ferner am 05.07.2018 das Integrationsmodul „Sicherheit & Polizei“ und am 28.11.2018 einen einstündigen Beratungstermin von „ XXXX “, eines Netzwerks für LGBTIQ-Flüchtlinge. Er ist Mitglied des Fußballvereins „ XXXX “ und seit 2018 Mitglied der Homosexuellen Initiative Wien.

Das LGS Wien hat den Beschwerdeführer auf Grund einer Anklage vom 02.01.2017 am 21.03.2017 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer fünfmonatigen bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 29.08.2016 im Eingangsbereich einer U-Bahn-Station einer näher genannten Person Kokain überlassen hat, während sich mindestens 20 Menschen im unmittelbaren Nahbereich aufhielten. Mildernd wurden seine Unbescholtenheit und das Alter unter 21 berücksichtigt.

Die StA Wien hat am 12.10.2017 Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften sowie des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt erhoben und diesem vorgeworfen, er habe Anfang des Monats näher genannten Personen vorschriftswidrig Kokain in einer U-Bahn-Station überlassen sowie, indem er mit diesen einen Übergabetermin vereinbarte, weiteres Kokain zu überlassen versucht. Ferner habe er beim Versuch, einen Polizeibeamten an der Identitätsfeststellung zu hindern und zu flüchten, diesem einen Schlag gegen den Brustkorb versetzt.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria auf aktuellem Stand 07.08.2017 zitiert. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Sicherheitsbehörden

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken (Bundes-) Polizei, die dem Generalinspekteur der Polizei in Abuja untersteht (AA 21.11.2016). Der Generalinspekteur ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Zusätzlich zu der üblichen polizeilichen Verantwortung der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in den Bundesstaaten und Federal Capital Territory (FCT), überwacht der Generalinspekteur die Strafverfolgungsbehörden im ganzen Land, die mit Grenzschutz, Marineangelegenheiten (Navigation) und Terrorismusbekämpfung involviert sind. Der Generalinspekteur nominiert einen Polizeikommissar, der die National Police Force (NPF) in jedem Bundesstaat und FCT befehligt (USDOS 3.3.2017). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein (AA 21.11.2016).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 21.11.2016). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des Department of State Service (DSS), das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die Polizei, das DSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 3.3.2017). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 9.2016).

Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖBA 9.2016). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 21.11.2016). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee (USDOS 3.3.2017). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b).

1.2.2 Homosexuelle

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind – unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen – sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 21.11.2016). Obwohl alle nigerianischen Bürger mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, dass Förderung und Schutz ihrer Rechte gewährleistet werden sowie der Zugang zu grundlegenden Sozialdienstleistungen, haben Mitglieder der homosexuellen Gemeinschaft mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen (TIERS 1.2017). Dabei treten Erpressung und Gewalt schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). TIERS berichtet, dass die Opfer Menschenrechtsverletzungen nicht bei der Polizei melden aus Angst vor Repressalien, Mangel an Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden, und weil die Polizei häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle sind (TIERS 1.2017).

In Nigeria ist nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 bundesweit der über mehrere Jahre diskutierte „Same Sex Marriage Prohibition Act“ (SSMPA) in Kraft getreten (HRW 29.1.2015; vgl. CNN 16.1.2014; TT 14.1.2014). Seither ist das Eingehen homosexueller Verbindungen oder das Mitwirken daran mit bis zu 14 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen werden mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht (AA 5.7.2017 vgl. HRW 20.10.2016). Laut Telegraph seien schon „Gruppen“ von zwei Homosexuellen verboten (TT 14.1.2014). Human Rights Watch erklärt, dass jegliches öffentliches homosexuelles Verhalten zwischen Paaren kriminalisiert worden sei („who directly or indirectly make public show of same-sex amorous relationship”). Auch Personen, die Zeugen, Unterstützter oder Beihelfer einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder Ehe sind, können mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden (HRW 15.1.2014; vgl. HRW 20.10.2016). Die Rechtsänderung hat aber bisher nicht zu einer spürbar verschärften Strafverfolgung geführt: Bisher ist es nach Kenntnis der deutschen Botschaft noch nicht zu Anklagen bzw. Verurteilungen nach dem neuen Gesetz gekommen (AA 21.11.2016). Auch Human Rights Watch hat keine Beweise dafür gefunden, dass Personen im Rahmen des SSMPA strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden (HRW 20.10.2016). Laut einem Bericht von Human Rights Watch hat das Gesetz zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen in Nigeria geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt und per Selbstjustiz verfolgt (GIZ 7.2017b).

Seit der Unabhängigkeit Nigerias gab es nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig (HL1 16.11.2015). Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert. Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. HRW 20.10.2016). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität – weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015).

Aus dem Zeitraum 12.2014-11.2015 wurden 48 Vorfälle berichtet, in welche die Polizei involviert war, 27 davon waren willkürliche Verhaftungen. Insgesamt wurden im genannten Zeitraum 172 Übergriffe bzw. (Menschen-)Rechtsverletzungen an Homosexuellen gemeldet. Allerdings wird davon ausgegangen, dass viele Fälle nicht erfasst wurden (TIERS 3.2016). Für das Jahr 2016 wurden von TIERS 152 Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT-Personen gemeldet. Die meisten Übergriffe fanden in den Bundesstaaten Rivers und Lagos statt. 35 davon waren willkürliche Verhaftungen, 27 rechtswidrige Inhaftierungen, 51 Fälle von Erpressung, 33 Fälle von Körperverletzung, 21 Fälle von Diffamierung, zwölf Morddrohungen, zwei Fälle von Folter (TIERS 1.2017).

Laut TIERS gab es im Jahr 2016 auch Positives zu vermelden, so z. B. hat das NHRC öffentlich Stellung gegen Gewalt gegen Homosexuelle genommen. Auch hat sich der ehemalige Präsident, der das Gesetz unterzeichnete, von der Geisteshaltung hinter der Entstehung des Gesetzes distanziert (TIERS 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Im Jänner 2016 hat der Generalinspektor der Polizei Polizisten davor gewarnt, illegal auf Mobiltelefone der Bürger ohne Gerichtsbeschluss zuzugreifen. Dennoch verletzte die Polizei Privatsphäre von Homosexuellen und verwendete ihre persönlichen Daten, um sie rechtswidrig zu verhaften, damit sie dann für Geld und andere Wertsachen im Gegenzug zu ihrer Freiheit erpresst werden können (TIERS 1.2017).

Im April 2017 hat die nigerianische Polizei erklärt, dass sie in der im Norden des Landes gelegenen Stadt Zaria 53 junge Männer verhaftet hat, weil sie an einer homosexuellen Hochzeit teilgenommen hatten. Die Festgenommenen wurden laut Polizei einem Richter vorgeführt (NBC 20.4.2017). Die Männer werden wegen Verschwörung, illegaler Versammlung und Zugehörigkeit einer illegalen Gesellschaft angeklagt. Diese Straftaten verstoßen gegen den Criminal Procedure Code (PT 7.6.2017). Alle hatten sich nicht schuldig bekannt und konnten bei Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden (NBC 20.4.2017). Am 29.7.2017 wurden über 40 Personen festgenommen, da sie verdächtigt wurden bei einer privaten Feier in einem Hotel in Lagos homosexuelle Handlungen durchgeführt zu haben. Der erste Gerichtstermin war noch ausstehend (Reuters 31.7.2017).

Hinsichtlich des SSMPA gab es keinen Anklagen oder Verurteilungen (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; VA1 16.11.2015; DS1 20.11.2015; DS4 20.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer „Kaution“ wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).

Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).

UK Home Office gibt an, dass es seit der Einführung des SSMPA einige Berichte über die Verhaftung von LGBT-Personen gab. Es gab auch einige Berichte über Gewalt und Schläge gegenüber den Verhafteten. Allerdings gibt es nur wenige Berichte über Verfolgung oder Verurteilung von LGBT-Personen. Es gibt nur begrenzte Anzeichen dafür, dass die Regierung gezielt gegen LGBT-Organisationen vorgehen würde; allerdings scheint es indirekte Auswirkungen auf diese Gruppen zu geben. So gibt es etwa Berichte über eine Reduzierung der Angebote bezüglich HIV/AIDS-Behandlung (UKHO 3.2015).

Die vom Home Office zitierte Homosexuellen-NGO Erasing 76 Crimes schätzt, dass sich im August 2014 23 Personen aufgrund von Homosexualität in Haft befanden. 15 weitere würden auf freiem Fuß auf ihren Prozess warten. Die NGO gibt auch an, dass es unmöglich sei, eine vollständige Liste von Personen zu erstellen, die sich aufgrund von Verstößen gegen Anti-Homosexuellen-Gesetzen in Nigeria in Haft befinden würden. Nigerianische Medien berichten oft nur von Verhaftungen, manchmal auch von der Eröffnung von Prozessen, nie aber von Urteilen bezüglich LGBT-Personen. Die gleiche NGO schätzt im Oktober 2014, dass seit der Einführung des Same Sex Marriage (Prohibition) Act in ca. vier Bundesstaaten ca. 38 Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet worden sind. Alleine im Bundesstaat Bauchi seien es zwölf (UKHO 3.2015). Das Gesetz ist vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, dass man dem wachsenden Druck aus dem westlichen Ausland für die Gleichberechtigung Homosexueller die Stirn bieten möchte, da in Nigeria noch nie zwei Männer oder zwei Frauen versucht haben zu heiraten. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzes und der negativen internationalen Reaktion kam es zu vermehrten Vorfällen von Verhaftungen und physischer Gewalt gegen vermeintlich Homosexuelle. Eine generelle „staatliche Verfolgung“ ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖBA 9.2016).

Laut bereits bestehenden Gesetzen wird „Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht“ mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen auch bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für Homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; MSMA vgl. 17.11.2015).

Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche – im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen – unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen „Kaution“ freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015).

Homosexuellen Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und sogar Zufluchtsmöglichkeiten an (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015).

1.2.3 Behandlung nach Rückkehr

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 21.11.2016).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 21.11.2016). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33" (AA 21.11.2016). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das „Dekret 33“ nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 9.2016).

1.3 Zum Vorbringen:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine homosexuelle Neigung hat, wegen einer solchen verfolgt oder gesucht wird, oder ihn eine solche zum Verlassen seines Herkunftsstaats bewegt hat.

Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer keine Gefahr von seinen Nachbarn im Herkunftsstaat droht, der er sich nicht mittels Schutz durch staatliche Behörden oder durch innerstaatliche Ortswahl entziehen könnte, z. B. durch Ansiedlung in der Hauptstadt Abudja.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer eine Verfolgung durch einen Schlepper droht, den er nicht bezahlt hätte. Einer solche Verfolgung könnte er sich gegebenenfalls durch innerstaatliche Ortswahl entziehen, wie eben beschrieben, oder staatlichen Schutz in Anspruch nehmen, um ihr zu entgehen.

Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

2. Beweiswürdigung:

Das BFA hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Gericht verweist daher auch auf die schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes. Ergänzend wurden das Register der Sozialversicherungen, jenes der Grundversorgung, das ZMR und das Strafregister abgefragt und Einsicht in die Erkenntnisse A6 426.857-1/2012/6E und A6 426.857-2/2013/4E des AsylGH sowie das Erkenntnis I411 1426857-3/4E dieses Gerichts und den Beschwerdeakt dazu betreffend die Person aus Sierra Leone genommen.

Ob Italien den Asylantrag zurück- oder abgewiesen hat, erschließt sich aus der Auskunft seines Innenministeriums nicht („rejected“, AS 195, kann beides bedeuten, und die Entscheidung selbst ist im vorgelegten Akt nicht enthalten). Der Zeitpunkt der Ausreise aus dem Herkunftsstaat konnte nicht genauer festgestellt werden, weil ihn der Beschwerdeführer erstbefragt mit März 2013 angegeben hat (AS 21), gut zwei Jahre später einvernommen dann mit Jänner 2012 (AS 188).

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit Feststellungen zur Identität, den Lebensumständen und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben und Bestätigungen im Akt und den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der Beschwerde nicht substantiell entgegengetreten wurde.

Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels tauglicher Urkunden nicht fest. Die Negativfeststellung betreffend die homosexuelle Beziehung ergab sich (abgesehen vom Neuerungsverbot des § 20 BFA-VG) daraus, dass der Beschwerdeführer eine solche dezidiert verneint hat, wie sich aus der Niederschrift seiner Einvernahme 07.06.2017, also mehr als 3,5 Jahre nach seiner Einreise, ergibt (AS 189):

„F: Haben Sie in Österreich einen Freund?
A: Nein.“
[…]
„F: Warum leben Sie in Österreich ihre Homosexualität nicht öffentlich aus?
A: Ich habe noch niemanden getroffen. Befragt, ich gehe nicht in Bars.“
[…]
„F: Leben Sie in Österreich in einer Lebensgemeinschaft?
A: Nein.“

Diese Einvernahme erfolgte durch zwei männliche Organwalter des BFA mit einem ebensolchen Dolmetsch.

Auch in der Beschwerde vom 03.11.2017 ist keine Rede von einem Partner oder einer Beziehung. Erst in einem weiteren Schriftsatz vom 27.02.2018 wird erstmals behauptet, der Beschwerdeführer habe seit 2016 einen festen Partner. Die Begründung, wonach die Frage, ob er einen Freund „in Österreich“ habe, missverständlich gewesen wäre, und der Beschwerdeführer verneint habe, weil jener ja Staatsangehöriger von Sierra Leone und kein Österreicher sei, verfängt angesichts der eben wiedergegebenen Aussagen nicht.

Das Gericht sieht unter diesen Umständen keine Notwendigkeit, zusätzliche Beweise aufzunehmen, die dem Beschwerdeführer bereits beim BFA zur Verfügung standen, also auch nicht zur Einvernahme des angeblichen Partners. Dieser hat im Verfahren über seinen Folgeantrag 2018, nach sechs Jahren Aufenthalt, erstmals angegeben, seit 2006 homosexuell zu sein sowie im Dezember 2016 den Beschwerdeführer kennengelernt zu haben und mit ihm dann gemeinsam in Clubs gegangen zu sein, worauf sie im Februar 2017 die Beziehung begonnen hätten, was den Angaben des Beschwerdeführers mehrfach widerspricht.

Auf Nachfrage konnte er weder den Nachnamen des Beschwerdeführers noch dessen Geburtsdatum korrekt angeben, bei Letzterem stimmten weder Monat noch Jahr mit einem der vom Beschwerdeführer genannten Daten überein. Die Regenbogenfahne deutete er als Flagge seines Herkunftsstaats.

2.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer verzichtete in der niederschriftlichen Einvernahme ausdrücklich auf die Erörterung und Möglichkeit der Stellungnahme zum LIB („Ich brauche das nicht.“, AS 191). Die im Beschwerdeschriftsatz zitierten Berichte stehen nicht im Widerspruch zu den Informationen im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und sind auch nicht aktueller als dieses.

2.3 Zum Fluchtvorbringen:

Dem BFA ist beizupflichten, wenn es das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig einstuft (AS 272 ff). Die divergierenden Geburts- und Ausreisedaten wurden bereits erwähnt, aus Letzteren ergibt sich auch eine unterschiedliche angebliche Aufenthaltsdauer in Libyen. Er gab bereits in der Erstbefragung an, im Herkunftsstaat an einer Anschrift südlich von Agbor in Delta State gewohnt zu haben, ausgereist sei er aber von Kano aus.

Ab dem 10. Lebensjahr habe er mit einem Kindheitsfreund Geschlechtsverkehr gehabt, mit 12 sei ihm seine homosexuelle Einstellung bewusstgeworden, und am Tag, an dem er ertappt worden sei, habe sein Onkel diese herausgefunden und den Beschwerdeführer darauf hinausgeworfen.

Der Beschwerdeführer gab an, die Beziehung zu seinem gleichgeschlechtlichen Partner bis in sein 16. Lebensjahr hinein gehabt zu haben (AS 188), also mehr als ein halbes Jahrzehnt. Dem BFA ist beizupflichten, wenn es mit Blick darauf Anzeichen des Bedauerns über den Verlust und Angaben über den Verbleib dieser Person vermisst und schließlich davon ausgeht, dass die angebliche Homosexualität als ein nicht glaubwürdiges Konstrukt erscheint (AS 274 f).

Dieser Eindruck bleibt auch angesichts der Angaben des Beschwerdeführers zum Anlass und Beginn seiner Flucht, erst gefesselt und bewusstlos auf der Straße liegend, während die Peiniger beim Trinken sind, dann mit Verletzungen an beiden Beinen und im Gesicht von XXXX in Delta-State mit einem Motorrad-Taxi nach XXXX in Edo State, „die nächste Ortschaft“, wo er den unbekannten Helfer und späteren Schlepper trifft, der ihn später mit 10 weiteren Jugendliche nach Libyen bringt, wo dieser ein Geschäft betreibt, in dem der Beschwerdeführer für ihn arbeitet, was das Gericht insgesamt wie das BFA (AS 273 f) als nicht glaubwürdig erachtet. Offen bleibt auch, wie der Onkel am selben Tag dem Beschwerdeführer die Tür gewiesen haben soll, wenn dieser nicht mehr nachhause gekommen sein will.

Dem BFA ist dabei auch deshalb zuzustimmen, weil die Siedlung Owa-Alizomor (mit im Luftbild messbaren rund 960 m Durchmesser) als Weiler bezeichnet werden kann, wo unbekannte Jugendliche erstaunlich wären, wenn der Beschwerdeführer von Geburt an dort gewohnt hat (AS 273). XXXX ist auch nicht „die nächste Ortschaft“, sondern rund 25 km entfernt, deutlich näher liegt Agbor.

Der Beschwerdeführer steigerte sein Vorbringen schließlich dadurch, dass er Verfolgung durch den ehemaligen Schlepper behauptete, der von ihm 20.000,-- Dinar fordere. Dieser Betrag (in libyschen Dinar) entspricht rund € 12.800,--. Wenn der Beschwerdeführer für den unvermuteten Gläubiger sieben oder gar 19 Monate gearbeitet haben will, hätte dieser sich mittels geringeren Lohns schadlos halten können, als der Beschwerdeführer noch für ihn greifbar war. In der Beschwerde wird dieser Fluchtgrund auch nicht mehr aufgegriffen.

Da der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegentrat, ergeben sich auch daraus keine Zweifel am Zutreffen der vom BFA getroffenen Feststellungen und seiner Beweiswürdigung (AS 274).

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass sich dem Beschwerdeführer selbst bei – hier nicht festgestelltem – Zutreffen einer Verfolgung durch die Dorfjugend oder den Schlepper die Möglichkeit böte, nach einer Rückkehr seinen Aufenthaltsort so zu wählen, dass er für die Verfolger nicht auffindbar wäre, z. B. in der Hauptstadt Abudja, die mittels Linienflügen erreichbar ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):

3.1.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der GFK droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde als Homosexueller bestraft werden, auch seine Nachbarn wären hinter ihm her, weil er homosexuell sei, und sein Schlepper verfolge ihn wegen angeblicher Schulden, ist auf die Notwendigkeit zu verweisen, eine Verfolgung zumindest glaubhaft zu machen. Wie ausgeführt, ist das dem Beschwerdeführer nicht gelungen.

3.1.3 Im vorliegenden Fall liegt daher die Voraussetzung einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht vor. Daraus ergibt sich rechtlich gesehen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und daher der Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):

3.2.1 Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser Antrag in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden.

Das Beschwerdevorbringen beinhaltet die Behauptung einer privaten Verfolgung, welcher der Beschwerdeführer nach Rückkehr ausgesetzt wäre, führte aber zu keinen einschlägigen Feststellungen im Sinn der angeführten Bestimmungen.

3.2.2 Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch den Onkel oder andere Angehörige des Beschwerdeführers unterbleibt, weil er arbeitsfähig ist, Igbo und Englisch spricht und auch bereits in verschiedenen Branchen dort sowie in Libyen berufstätig war.

Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Spruchteil II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III):

3.3.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels:

Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war nach der Begründung (S. 83, AS 285) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

3.3.2 Rückkehrentscheidung

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl betreffend den Status des Asyl-, als auch jenen des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, wie im bekämpften Bescheid geschehen, ist nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG vorgesehen, dass das BFA eine Rückkehrentscheidung erlässt.

Das gilt nur dann nicht, wenn eine solche wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer hat kein Familienleben im Bundesgebiet. Betreffend die angebliche gleichgeschlechtliche Partnerschaft erfolgte eine Negativfeststellung. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers.

Unter den gegebenen Umständen kann vom Vorhandensein eines Privatlebens über die Vereinsmitgliedschaften, den genannten befreundeten Asylwerber sowie den Verkauf von Suchtgift und dabei den Umgang mit Abnehmern sowie anschließende Behördenkontakte hinaus kaum ausgegangen werden. Seine Mitgliedschaft in der Kirche bestand und besteht hier wie im Herkunftsstaat.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der - unterbrochene - Aufenthalt des volljährigen und arbeitsfähigen Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise bald 4,5 Jahre währt, von denen er allerdings in Summe nur 2 Jahre und 9 Monate einen Hauptwohnsitz aufwies und weitere 17 Wochen einen Nebenwohnsitz, davon mehr als die Hälfte in einer Justizanstalt, sowie 9 Monate „Obdachlosenmeldungen“ hatte. In der verbleibenden Zeit – also etwa 5 Monate – war er mehrmals nirgends gemeldet.

Von einer „Aufenthaltsverfestigung“ kann daher und schon unabhängig davon keine Rede sein, dass er sich seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste. Außerdem fußte der Aufenthalt auf einem Asylantrag, der unbegründet und im Anschluss an eine illegale Einreise gestellt worden war.

Zudem hat der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt mit der Anklageerhebung vom 02.01.2017 verloren, der die rechtskräftige Verurteilung vom 21.03.2017 folgte. Somit hatte er lediglich für weniger als zwei Jahre seiner Anwesenheit ein asylrechtliches Aufenthaltsrecht.

Der Erwerb von Deutschkenntnissen auf dem Niveau A2 ist als Integrationsmerkmal zu berücksichtigen, erscheint aber nach über drei Jahren (2018) nicht als außergewöhnlicher Erfolg.

Demgegenüber hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat, mindestens 15 oder 16 von etwa 21 Jahren, sprachliche und kulturelle Verbindungen sowie Ortskenntnisse und die Möglichkeit, alte oder neue soziale Kontakte zu pflegen, zu knüpfen oder aufzufrischen, auch wenn er das Vorhandensein von Angehörigen ersten und zweiten Grades verneint hat.

Es liegen auch keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen solchen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Der Beschwerdeführer übt hier keine erlaubte Beschäftigung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er konnte auch keine eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Im Fall des Beschwerdeführers kommen dazu die festgestellte Suchtgiftdelinquenz, das Missverhalten in der Grundversorgung, das die Wegweisung und das Betretungsverbot erforderte, sowie die mehrfachen falschen Angaben zu seiner Person als Faktoren, die gravierend für die Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sprechen.

Es würde einer Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seine faktische Einreise und einen unbegründeten Asylantrag erzwungen und sich daran anschließend nicht gesetzeskonform verhalten hat. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.

Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde in seinem Leben beeinträchtigt oder gar getötet würde.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Das gilt auch, wenn eine Unterstützung durch Angehörige ausbleiben sollte. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und daher erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, im Herkunftsstaat zumindest notdürftig leben zu können. Er hat im Herkunftsstaat die Schule besucht und Arbeitserfahrung gesammelt, weshalb er dort zweifelsfrei die Möglichkeit hat, am Arbeitsmarkt wieder fündig zu werden.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich - auch ohne Drogendelikte - wirtschaftlich besser leben und versorgt werden kann, genügt nicht für die Annahme, er würde im Herkunftsstaat keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Nigeria keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Nigeria das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht neu behauptet.

Eine der Abschiebung nach Nigeria entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Demnach erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet. Diese war daher - von der Richtigstellung abgesehen - auch betreffend den Spruchpunkt III abzuweisen.

3.4 Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV):

Das BFA hat die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt und dies mit den im folgenden Punkt zu erörternden Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 BFA-VG begründet. Wie zu zeigen sein wird, hat es diese Bestimmung zu Recht angewendet.

Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise auf Grund einer nach § 18 BFA-VG durchführbaren Entscheidung nicht besteht, was hier nach dem Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides der Fall ist.

Es besteht daher keine Frist für die freiwillige Ausreise. Deshalb war die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.5 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V):

Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das BFA die aufschiebende Wirkung unter anderem dann aberkennen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt (§ 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG).

Das BFA begründet seine Entscheidung mit dem Vorliegen einer solchen Gefahr und führt dazu aus, missbräuchliche und „ungerechtfertigte“ Asylanträge seien „jedenfalls als Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu werten“. Dieser Ansicht in ihrer Allgemeinheit folgt das Gericht nicht, zumal mit „ungerechtfertigt“ wohl unbegründet gemeint ist, was bedeuten würde, dass einer Beschwerde gegen die Abweisung eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz ohne Weiteres die aufschiebende Wirkung aberkannt werden könnte. Diese Konsequenz kann dem Gesetzgeber angesichts der normierten Gründe für die Aberkennung nicht unterstellt werden.

Allerdings lässt sich § 53 Abs. 2 FPG entnehmen, wann – demonstrativ genannt – von Gefährdungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (oder anderen Schutzgütern des Art. 8 Abs. 2 EMRK) auszugehen ist. Darunter findet sich der Fall, dass der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (Z. 6), was auf den Beschwerdeführer zutrifft. Seine mehrfache Missachtung der Pflichten nach dem MeldeG hat zwar zu keiner aktenkundigen Verwaltungsstrafe geführt, was nach Z. 1 zu berücksichtigten gewesen wäre, erhöht aber in der Gesamtbetrachtung die Gravität des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ebenso wie die Angabe falscher Geburtsdaten – auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und der Bildungseinrichtung – oder die strafgerichtliche Verurteilung, die nur einen Monat unter der Grenze des § 53 Abs. 3 FPG blieb, welche den Übergang zur „schwerwiegenden Gefahr“ markiert.

Diese Verurteilung betreffend zeigt sich der Beschwerdeführer auch wenig einsichtig, wenn er sie auf das Fehlen eines Verteidigers zurückführt und sich als unschuldig bezeichnet (AS 185), noch dazu obwohl ein solcher in der Hauptverhandlung anwesend war (AS 145), sowie auch, wenn in seiner Eingabe vom 07.03.2019 behauptet wird: „Der BF hat sich in Österreich stets wohl verhalten. Strafrechtliche Verurteilungen liegen keine vor.“

Insgesamt finden sich damit in seinem Verhalten schwerwiegende Gründe für die Annahme, dass vom Beschwerdeführer die in § 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG genannte Gefahr ausgeht, im Besonderen, weil seine Mittellosigkeit in Verbindung mit der durch sein Verhalten ausgedrückten geringen Bindung an rechtlich geschützte Werte befürchten lässt, dass er wieder zu rechtswidrigem Handeln übergeht, um sich die benötigten Mittel zu beschaffen.

Das BFA hat der Beschwerde also im Ergebnis zu Recht, wenn auch unzutreffend argumentiert, die aufschiebende Wirkung aberkannt, zumal auch kein Grund vorlag, im Rahmen der Ermessensübung davon abzusehen.

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ein Antragsrecht, das auf diese Entscheidung gerichtet wäre, ist nicht vorgesehen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erweist sich damit als unzulässig, weshalb er mit Beschluss zurückzuweisen wäre, würde er nicht mit der Erlassung der vorliegenden inhaltlichen Entscheidung ohnehin gegenstandslos (vgl. VwGH 30.01.2015, Ra 2014/02/0174 mwH).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Asylgründen, zur Relevanz des Privat- und Familienlebens und der Aufenthaltsdauer bei Rückkehrentscheidungen oder zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit von Rückkehrentscheidung, Abschiebung und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren mehrfach, zuletzt am 12.03.2019, Stellungnahmen und Urkunden zu seiner aktuellen Lebenssituation einbrachte - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I419.2175633.1.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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