TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/9 L521 2177904-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L521 2177904-1/33E

Schriftliche Ausfertigung des am 04.07.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, Wattgasse 48, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zl. 1030251600-14922633, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass er in seinem Spruchpunkt IV. zu lauten hat:

"1. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wird XXXX gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

2. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX ist gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-Verfahrensgesetz auf Dauer unzulässig. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX , der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt."

3. Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 28.08.2014 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am Tag der Antragstellung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Burgenland gab der Beschwerdeführer an, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX im Gouvernement Diyala geboren und habe dort in XXXX gelebt, sei Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak am 22.07.2014 von Diyala ausgehend mit dem Autobus legal in die Türkei verlassen zu haben. In weiterer Folge sei er im Seeweg nach Griechenland gelangt und schlepperunterstützt teils zu Fuß, teils mittels Personenkraftwagen nach Österreich verbracht worden.

Zu den Gründen seiner Flucht aus dem Heimatland befragt, führte der Beschwerdeführer aus, den Irak aufgrund des Krieges verlassen zu haben.

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor einem Organwalter des belangten Bundesamtes einvernommen.

Dabei gab der Beschwerdeführer an, er sei zwar im Irak geboren, habe aber seine Jugend in Syrien verbracht, da der Vater als Offizier der früheren irakischen Armee dorthin habe flüchten müssen. Aufgrund der dort ausgebrochenen Kampfhandlungen sei die Familie in den Irak zurückgekehrt. Im Irak sei er entführt worden. Es herrsche dort Krieg und jeder bekämpfe jeden, sodass er im Irak keine Zukunft habe.

Nachgefragt schilderte der Beschwerdeführer, er sei am 15.04.2013 in Diyala mit sechs weiteren Personen von Bewaffneten entführt, gegen seinen Willen sechzehn Tage festgehalten und gefoltert worden. Für den Fall der Rückkehr befürchte er den Tod, da Diyala vom Islamischen Staat kontrolliert werde und sich im Norden Kurden sowie im Süden Schiiten aufhalten würden. Die Sunniten wären nirgendwo sicher. Der Beschwerdeführer brachte als Beweismittel Kopien seines irakischen Reisepasses einschließlich der darin eingetragenen Sichtvermerke sowie Schreiben des Hochkommissars für Flüchtlingsangelegenheiten der Vereinten Nationen in Vorlage, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer seitens des UNHCR-Büros in Damaskus als Flüchtling anerkannt wurde.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) sowie unter Anwendung des § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.12.2016 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - nach der Wiedergabe der Einvernahmen des Beschwerdeführers aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak bedroht wurde oder bedroht werde. Der Beschwerdeführer habe den Irak aufgrund der dort herrschenden allgemeinen Gefahr verlassen, das darüber hinausgehende Vorbringen sei unglaubwürdig.

Der Bescheid umfasst im Umfang von vier Seiten Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak im Allgemeinen. Feststellungen zu den im Irak bzw. in Bagdad operierenden Milizen können dem Bescheid nicht entnommen werden.

Beweiswürdigend erwog die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe zur vorgebrachten Entführung sowie den Misshandlungen keine fundierten Angaben machen können und trotz mehrmaliger Nachfrage den Zwischenfall nur vage schildern können. Glaubhaft bleibe somit nur, dass der Beschwerdeführer den Irak aufgrund der dort herrschenden allgemeinen Gefahr verlassen habe.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, die Glaubhaftmachung eines asylrelevanten Sachverhaltes sei nicht gelungen, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Aufgrund der Sicherheitslage sei dem Beschwerdeführer dessen ungeachtet der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 09.12.2015 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

5. Gegen Spruchpunkt I. des am 11.12.2015 dem Beschwerdeführer im Wege der Hinterlegung zugestellten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2015 richtet sich die fristgerecht im Wege der beigegebenen Rechtsberatung am 24.12.2015 per E-Mail eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In der Beschwerde wird ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen sowie eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuberaumen. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt. In der Sache bringt der Beschwerdeführer unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes vor, die belangte Behörde habe sich nicht eingehend mit der Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling in Syrien auseinandergesetzt und Ermittlungen zur Lage von Personen unterlassen, die während der Herrschaft der Baath-Partei Offiziersämter bekleidet hatten. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers, aus religiösen Gründen Verfolgung zu finden, habe sich die belangte Behörde in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat damit nicht auseinandergesetzt. Schließlich sei die Beweiswürdigung der belangten Behörde infolge mangelnder Einbeziehung einschlägiger Länderberichte sowie ihrer Oberflächlichkeit und der anzunehmenden Traumatisierung des Beschwerdeführers nicht tragfähig.

6. Am 22.01.2016 brachte der Beschwerdeführer einen seine Person betreffenden psychiatrischen Befund vom 28.12.2015 in Vorlage.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.05.2016, L521 2118972-1/6E, wurde Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Erledigung der Beschwerde aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das belangte Bundesamt zurückverwiesen.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die belangte Behörde habe Ermittlungen in zwei zentralen Punkten, nämlich zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Syrien und zur allfälligen Anerkennung durch den Hochkommissar für Flüchtlingsangelegenheiten der Vereinten Nationen sowie zur Befürchtung, aufgrund des sunnitischen Religionsbekenntnisses im Irak gefährdet zu sein, gänzlich unterlassen. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht liege indes nicht im Sinne des Gesetzes.

8. Mit Schreiben vom 28.10.2016 beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

9. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2016 wurde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 06.12.2018 erteilt.

10. Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin in arabischer Sprache erneut niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs gab der Beschwerdeführer an, im Alter von zehn Jahren in Syrien eingereist und dort dreizehn Jahre verblieben zu sein. Damals sei jeder Iraker oder Palästinenser, der nach Syrien gekommen sei, als Flüchtling anerkannt worden. Am 31.03.2013 seien er und seine Familie in den Irak zurückgekehrt.

Befragt aus welchem Grund er den Irak dann endgültig verlassen habe, legte der Beschwerdeführer dar, dass er in den Irak zurückgekehrt sei, um seinen Onkel zu besuchen. Dabei sei er entführt worden. Sein Vater sei unter Saddam Offizier gewesen und habe am Krieg gegen den Iran teilgenommen. Verschiedene schiitische Milizen hätten alle Daten von den Teilnehmern am Ersten Golfkrieg. Zudem würden sie auch über die Namen von deren Kindern, insbesondere von jenen, die den Irak vor langer Zeit verlassen hätten, verfügen. Die schiitischen Milizen würden versuchen alle umzubringen. Man habe ihn entführt, zwei Wochen festgehalten und dann freigelassen. Der Irak werde von Milizen beherrscht und auch die iranische Regierung habe im Irak alles im Griff. Es gebe im Irak keine Regierung, zu der man gehen könne.

Nachgefragt zu Details gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er etwa vierzehn Tage nach seiner Wiedereinreise in den Irak entführt worden sei. Zuerst hätten seine Eltern, seine beiden Brüder und er ihre Verwandten gesucht und dann hätten sie sich zu seinem Onkel begeben. Seine Eltern und Brüder seien jetzt in der Türkei. Dort hätten sie einen Antrag auf Einreise nach Kanada gestellt. Seine Angehörigen hätten Bagdad vor nunmehr einem Jahr verlassen. Er selbst habe den Irak am 22.07.2014 verlassen und am 28.08.2014 hätte er Österreich erreicht.

Des Weiteren schilderte der Beschwerdeführer nochmals bei einer Kontrolle gestoppt, entführt und vierzehn Tage festgehalten worden zu sein. Wie er bereits im Zuge der ersten Einvernahme gesagt habe, sei er gefragt worden, mit wem er Kontakt gehabt habe und wo er gewesen sei. Nach seiner Freilassung habe er sich von Ort zu Ort begeben. Einmal sei er bei seinem Onkel, einmal bei seiner Tante gewesen. An den Kontrollpunkten sei er von den Offizieren immer belästigt worden. Diese hätten sich erkundigt, ob er Sunnit oder Schiit sei. Man könne jederzeit mitgenommen und umgebracht werden.

Er habe den Irak im Jahr 2014 verlassen, weil er nach Sicherheit gesucht habe. Er sei wegen des Krieges aus dem Irak weggegangen. Eine Person, die sich ständig in Bedrohung befinde, getötet zu werden, werde sicher nicht dort leben.

Zum Ablauf der Folterungen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass man ihm einen Sack über den Kopf gezogen habe. Anschließend habe man ihn wie ein Stück Holz aufgehängt. Er sei acht Tage nur so gestanden. Manchmal hätten sie mit einem Stock auf ihn eingeschlagen.

Sein Vater sei auch verhaftet und dann wegen eines Blutgerinnsels im Gehirn freigelassen worden. Dann sei dieser nochmals festgenommen und in der Haft in ein Koma gefallen. Nach der Freilassung sei sein Vater an den Beinen gelähmt gewesen und sofort in die Türkei ausgereist. Sein Vater sei vierzig Tage nach ihrer Einreise in den Irak zum ersten Mal und vor nun ungefähr eineinhalb Jahren zum zweiten Mal festgenommen worden. Damals sei er schon in Österreich gewesen. Sein Vater sei auch von diesen Gruppierungen festgenommen worden, die dem Iran angehören würden.

Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat würde man ihn sicher töten. Die Schiiten und die bewaffneten Gruppierungen würden im Namen der Religion töten.

In der Folge wurden mit dem Beschwerdeführer die aktuellen landeskundlichen Feststellungen zum Irak erörtert. Ferner wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass von einer Rückkehrmöglichkeit für Angehörige des Islams sunnitischer Prägung auszugehen sei. Der Beschwerdeführer gab hiezu eine kurze Stellungnahme ab: "Ich respektiere diese Meinung, aber ich möchte anführen, dass es im Irak noch immer die Milizen gibt und dass die Leute dort in Gefahr sind."

Abschließend wurden dem Beschwerdeführer Fragen bezüglich seiner Integration in Österreich gestellt.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer ein "Refugee Certificate" des Hochkommissars für Flüchtlingsangelegenheiten der Vereinten Nationen, ein ÖSD-Zertifikat Niveau A1, eine Teilnahmebestätigung hinsichtlich eines Deutschkurses Niveau A2 und eine Anmeldebestätigung hinsichtlich eines Deutschkurses Niveau B1 in Vorlage.

11. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Des Weiteren wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 07.12.2015, Zl. 1030251600-14922633, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt II.). Die mit Bescheid vom 30.11.2016, Zl. 1030251600-14922633, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt III.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt V.).

Begründend führte die belangte Behörde nach der Wiedergabe der Einvernahmen des Beschwerdeführers und den Feststellungen zu dessen Person aus, der Beschwerdeführer habe den Irak wegen der dort herrschenden allgemeinen Gefahr verlassen, wobei nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer im Irak bedroht worden sei oder werden würde. Was die Gründe für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten betrifft, so sei der Islamische Staat mit Juli 2017 endgültig aus Mossul und dem Irak vertrieben worden und habe keinen Einfluss mehr. Der Einfluss der schiitischen Milizen stelle für Sunniten ebenfalls keine Gefahr mehr dar. Zudem habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in sein Herkunftsland in eine bedrohliche Situation geraten werde. Die allgemeine Sicherheitslage im Irak sei nicht so schlecht, dass eine Rückkehr dorthin als generell unmöglich einzustufen wäre. Die Versorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs sei ebenfalls gegeben. Der Beschwerdeführer habe früher als Betriebswirt gearbeitet, sei nach wie vor arbeitsfähig und könne nach der Rückkehr wieder eine Arbeit aufnehmen. Es würden keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, dass er nach der Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten könnte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung ferner Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zugrunde (vgl. die Seiten 13 bis 28 des angefochtenen Bescheides).

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft gemacht, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Des Weiteren habe sich die Sicherheitslage im Irak wesentlich verbessert und könnten Sunniten wieder in der Irak zurückkehren, sodass gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen sei. Der Entzug der befristeten Aufenthaltsberechtigung sei eine logische Konsequenz aus Spruchpunkt II. Dem Beschwerdeführer sei schließlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen und überwiege das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und dem geordneten Zuzug von Fremden das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.

12. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und er gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

13. Gegen den dem Beschwerdeführer am 27.10.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren, hilfsweise für den Fall der Abweisung des vorherigen Beschwerdeantrages festzustellen, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Irak zukomme, hilfsweise den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen, sowie festzustellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG vorliegen und dem Beschwerdeführer daher gem. § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen sei, sowie hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen und dem Beschwerdeführer daher gem. § 57 Abs. 1 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz von Amts wegen zu erteilen sei und eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen.

In Folge wird moniert, dass die belangte Behörde ihre in § 18 Absatz 1 AsylG 2005 normierten Ermittlungspflichten nicht erfüllt habe.

Des Weiteren wird das bisherige Vorbringen und der Verfahrensgang kurz wiederholt, wobei der Beschwerdeführer erstmals darlegte, im Jahr 2013 in den Irak zurückgekehrt zu sein, um die Familie seines Onkels zu besuchen. Dieser Onkel sei von den Milizen getötet worden, dessen Familie habe jedoch noch im Irak gelebt. Neu brachte der Beschwerdeführer auch vor, dass nach seiner Freilassung an die Adresse der Familie seines Onkels Drohbriefe geschickt worden seien. Darüber hinaus sei er auch telefonisch bedroht worden und habe seine Familie auch bereits in Syrien Drohbriefe erhalten. Während seines Aufenthaltes im Irak seien auch häufig Milizen zum Beschwerdeführer nach Hause gekommen, da diesen bekannt sei, wenn jemand Fremder in einen Bezirk ziehe. Dabei sei er nach seinem Namen sowie dem Aufenthaltsort seines Vaters gefragt und geschlagen worden. Zweimal sei der Beschwerdeführer auch von den Milizen mitgenommen und am nächsten Tag wieder freigelassen worden.

Ferner sei die Beweiswürdigung der belangten Behörde infolge mangelnder Einbeziehung einschlägiger Länderberichte zur Situation von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei nicht tragfähig. Ebenso wenig seien die im Akt aufliegenden medizinischen Befunde, welche sowohl die physischen als auch psychischen Folgen der Folterung dokumentieren und nahebringen würden, weshalb es dem Beschwerdeführer schwerfalle, detailliert über die erfolgten Misshandlungen zu berichten, in die gegenständliche Beweiswürdigung eingeflossen. Darüber hinaus sei nicht erkennbar, dass sich das belangte Bundesamt mit dem vorgelegten "Refugee Certificate" des Hochkommissars für Flüchtlingsangelegenheiten der Vereinten Nationen aus Syrien auseinandergesetzt habe, obwohl das Bundesverwaltungsgericht in seinem zurückverweisenden Beschluss ausführe, dass eine solche Auseinandersetzung vorzunehmen gewesen wäre.

Unter Berücksichtigung der vom belangten Bundesamt herangezogenen Länderfeststellungen sei somit nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer von schiitischen Milizen entführt, gefoltert und verfolgt worden sei sowie aufgrund der bereits erfolgten Bedrohungen befürchte, im Falle einer Rückkehr erneut verfolgt zu werden.

Hätte sich die belangte Behörde auf Basis der Fluchtgeschichte eingehend mit den Länderberichten sowie den vorgelegten Unterlagen auseinandergesetzt und die notwendigen Informationen eingeholt, wäre sie zu dem Schluss gelangt, dass eine Verfolgung aus (zumindest unterstellten) politischen sowie religiösen Gründen vorliege. Aufgrund der Nahebeziehung seines Vaters zu Saddam Hussein sei der Beschwerdeführer bereits Opfer von Verfolgung geworden und habe davon ausgehen müssen, von der Miliz weiter verfolgt zu werden, wobei ihn der irakische Staat nicht davor beschützen könnte.

Was Spruchpunkt II. betrifft, so würden sich im Fall des Beschwerdeführers konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung in den Irak ergeben. Die Sicherheits- und die Versorgungslage im Irak sei prekär, weshalb eine existentielle Bedrohung des Beschwerdeführers und damit die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe. Länderberichten der belangten Behörde sei zu entnehmen, dass der Irak ein Staat ohne Gewaltmonopol und ohne Kontrolle über große Teile seines Territoriums sei. Die Zahl der im Irak getöteten Zivilisten sei seit 2003 stark angestiegen und auch in den letzten Jahren nicht zurückgegangen, weshalb die Sicherheitslage weiterhin als höchst instabil bezeichnet werde. Auch Bagdad sei laut dieser Berichte fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten.

14. Die Beschwerdevorlage langte am 27.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.

15. Am 03.01.2018 brachte der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation zwei Unterstützungserklärungen und einen Arbeitsvertrag samt Lohnzettel in Vorlage.

16. Am 31.01.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen. Ferner wurde die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der Länderdokumentationsunterlagen bzw. der Anfragebeantwortungen erörtert, welche dem Beschwerdeführer ausgefolgt wurden. Eine Stellungnahme hiezu wurde ihm freigestellt. Seitens des Beschwerdeführers wurde ein Konvolut - teilweise bereits vorgelegter - Unterlagen zum Nachweis seiner Integration und eine Ablichtung eines irakischen Staatsbürgerschaftsnachweises in Vorlage gebracht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der mündlichen Verhandlung entschuldigt ferngeblieben und hat die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde mit E-Mail vom 28.12.2017 beantragt.

17. Mit Schriftsatz vom 06.02.2018 wurde seitens des Beschwerdeführers im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eine schriftliche Stellungnahme zu den dem Beschwerdeführer ausgefolgten Länderdokumentationsunterlagen erstattet. Im Besonderen legte der Beschwerdeführer dar, dass aus den übermittelten Länderberichten hervorgehe, dass eine Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers als Sunnit bestünde. Des Weiteren wurde unter auszugsweiser Zitierung zusätzlicher Länder- und Medienberichte (ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Lage von (sunnitischen) Rückkehrern in vom IS befreiten und von schiitischen Milizen kontrollierten Gebieten [a-10081] vom 27.03.2017, Iraq - Researched and compiled vom Refugee Documentation Centre of Ireland, 16.03.2017 und Spiegel Online vom 15.01.2018 "Terror im Irak Dutzende Tote bei Anschlägen in Bagdad") ausgeführt, dass eskalierende Kämpfe in ethnisch gemischten Provinzen nach Befreiungsoperationen erwähnt würden. Es hätte auch Medienberichte über Massenhinrichtungen von sunnitischen Stammesangehörigen durch den Islamischen Staat gegeben, nachdem sich ihre Stämme gegen den Islamischen Staat gerichtet hätten. Zudem erwähne der Hochkommissar für Flüchtlingsangelegenheiten der Vereinten Nationen in seiner Position zur Rückkehr in den Irak vom November 2016 Massenvergeltungsmaßnahmen gegen sunnitisch-arabische und turkmenische Einwohner und Rückkehrer aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten Kollaboration oder Verbindung mit dem Islamischen Staat sowie mit Vergeltung in Verbindung stehende Gewaltausbrüche, Vertreibungen und Zerstörung von Häusern und Dörfern. Der bewaffnete Konflikt zwischen der irakischen Regierung und der diese unterstützenden bewaffneten Gruppierungen und dem Islamischen Staat habe die Zivilisten weiterhin, durch verursachte Tode und Verletzungen, Vertreibung, Zerstörung von Infrastruktur, privaten Eigentum und Verringerung des Lebensunterhalts stark strapaziert. Im Irak, speziell in Bagdad, komme es fast täglich zu Anschlägen und Gewaltakten.

Der Stellungnahme ist nochmals der bereits mit Note vom 22.01.2016 übermittelte die Person des Beschwerdeführers betreffende psychiatrische Befund angeschlossen.

18. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.03.2018 wurde Dr. Wolfgang DENK zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung von Befund und Gutachten zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die vorgebrachten Verletzungen bzw. Misshandlungen im Herkunftsstaat beauftragt.

19. Der Sachverständige forderte von einer österreichischen Krankenanstalt die medizinischen Unterlagen zur operativen Behandlung der Varizen des Beschwerdeführers an. Diesem Ersuchen wurde entsprochen.

20. Das Gutachten vom 23.08.2018 langte am 28.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

21. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.08.2018 wurden dem Beschwerdeführer das Gutachten des Sachverständigen Dr. Wolfgang DENK sowie aktualisierte länderkundliche Informationen zur Lage im Irak zur Stellungnahme übermittelt.

22. Die diesbezügliche Äußerung langte am 20.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, wobei darin moniert wird, dass das erstattete Gutachten nicht den Anforderungen eines Sachverständigengutachtens entspreche. Zur Person des Sachverständigen sei auszuführen, dass dieser nicht über die erforderliche Sachkompetenz im Bereich der Begutachtung von Folteropfern verfüge. Des Weiteren seien spezifische Untersuchungsmethoden für die Feststellung von Folterspuren nicht zum Einsatz gekommen. Dass dies jedoch von großer Bedeutung sei, gehe aus einem ORF-Artikel hervor, in dem ein Nuklearmediziner erkläre, dass Folterspuren nicht einfach nachzuweisen seien. Der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Sachverständige habe sein Gutachten nicht nach den Vorgaben des Istanbul Protokolls der Vereinten Nationen erstellt, obwohl es sich beim Betroffenen um einen Folterüberlebenden handle. Schließlich sei zu kritisieren, dass lediglich ein Sachverständigen-Gutachten zum Nachweis der physischen Folgen der Folter des Beschwerdeführers in Auftrag gegeben worden sei, jedoch keine psychologische Begutachtung erfolgt sei. Psychologische Begutachtungen könnten jedoch den entscheidenden Beweis für Misshandlungen bei Folteropfern liefern, da Foltermethoden gerade darauf angelegt seien, keine sichtbaren Verletzungen zu hinterlassen. Sollte das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens zu der Feststellung gelangen, dass der Beschwerdeführer nicht gefoltert worden sei, wäre nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass aus dem Handbuch zu Untersuchung und Dokumentation von Folter und Menschenrechtsverletzungen klar hervorgehe, dass Folterspuren allenfalls wenn überhaupt nur unspezifische Narben hinterlassen. Im Fall des Beschwerdeführers sei dieser mit einem Schlauch gefoltert, somit eine Technik angewandt worden, die nachweisbare Spuren einer Verletzung verhindere. Auch wenn das Ergebnis einer körperlichen Untersuchung einen unauffälligen Befund ergebe, widerlege dies daher keineswegs die Behauptung von Folter. Insoweit wird aufgrund der Einwände gegen das Gutachten beabsichtigt, ein weiteres Gutachten von Dr. XXXX einzuholen.

Was die übermittelten Länderdokumentationsunterlagen betrifft, legt der Beschwerdeführer unter auszugsweiser Zitierung des aktuellen Berichtes des Auswärtigen Amtes dar, dass die Sicherheitslage im gesamten Irak volatil bleibe. Die Zahl der terroristischen Anschläge vor allem im Nord- und Zentralirak sei seit Langem sehr hoch. Auch die Sicherheitssituation in Bagdad sei fragil. Es sei mit schweren Anschlägen, insbesondere auf irakische Sicherheitsinstitutionen zu rechnen, aber auch Anschläge in besonders geschützten Zonen könnten nicht ausgeschlossen werden. Besonders gefährlich seien Reisen in die Provinzen Ninewa, Anbar, Salah Al-Din und Ta¿mim, in den Großraum Bagdad sowie in den Norden der Provinz Babel.

Im Übrigen führt der Beschwerdeführer aus, dass aus den übermittelten Länderberichten hervorgehe, dass in Bagdad praktisch kein Tag vergehe, an dem es nicht zu sicherheitsrelevanten Vorfällen mit Toten und Verletzten komme. Dabei würden sich die Anschläge meist gegen Ziele richten, bei denen Zivilisten betroffen seien. Laut dem Länderinformationsblatt sei es den staatlichen Stellen derzeit nicht möglich, dass Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen und seien die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen.

Abschließend wird festgehalten, dass es an der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative mangle.

23. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2018 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund des Vorbringens in der Stellungnahme vom 20.09.2018 zur Vorlage eines Gegengutachtens eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieser Erledigung eingeräumt. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte zudem den dem Sachverständigen erteilten Gutachtensauftrag zur Kenntnisnahme.

24. Mit E-Mail vom 09.10.2018 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation einen in der E-Mail als medizinisches Gutachten titulierten Befundbericht vom 02.10.2018.

25. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2019 wurden der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zum Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihr bzw. dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen.

26. Mit Schreiben vom 17.01.2019 wurde seitens des Beschwerdeführers im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eine schriftliche Stellungnahme zu den dem Beschwerdeführer mit Note vom 04.01.2019 übermittelten Länderdokumentationsunterlagen erstattet. Zunächst legt der Beschwerdeführer unter auszugsweise Zitierung des aktuellen Berichtes des Auswärtigen Amtes dar, dass Reisen in die Provinzen Ninewa, Anbar, Salah Al-Din und Ta¿mim, in den Großraum Bagdad sowie in den Norden der Provinz Babel besonders gefährlich seien. Auch in Bagdad sei weiterhin mit schweren Anschlägen, insbesondere auf irakische Sicherheitsinstitutionen und deren Angehörige, auf Ministerien, Hotels, öffentliche Plätze und religiöse Einrichtungen zu rechnen. Die Sicherheitslage im gesamten Irak bleibe volatil. Die Zahl der terroristischen Anschläge vor allem im Nord- und Zentralirak sei seit Langem sehr hoch.

Auch aus dem vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Standard-Zeitungsartikel "Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst" gehe unter anderem hervor, dass der Islamische Staat zwar besiegt wäre, die Organisation und Ideologie jedoch nicht verschwunden sei und der Islamische Staat nur auf die nächste Gelegenheit warte wieder zuzuschlagen. Aus dem Länderinformationsblatt gehe hervor, dass es im Sinne des § 3 Abs. 4a AsylG zu keinen Verbesserungen im Irak gekommen sei. Kämpfer des Islamischen Staates seien in einigen Gebieten weiterhin aktiv und sei es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Schiitische sowie sunnitische Milizen würden eigenmächtig handeln.

Laut den übermittelten Länderberichten, speziell dem Länderinformationsblatt, sei die Herkunftsregion des Beschwerdeführers (Diyala) weiterhin volatil und mit schweren Anschlägen zu rechnen. Im Hinblick auf die Rückkehr sei dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass sich diese in vielen Fällen schwierig bis unmöglich gestalte, wobei dies auf die teilweise massiv zerstörte Infrastruktur, mangelnde Dienstleistungen sowie auf die nach wie vor instabile Sicherheitssituation zurückzuführen sei. Laut dem Länderinformationsblatt seien sowohl Vertriebene als auch Rückkehrer vulnerabel und auf humanitäre Hilfe angewiesen. Es komme zu Schwierigkeiten bei der Registrierung und einem dahingehenden Zugang zu staatlichen Leistungen und sei die Versorgungslage (Wasser und Strom) schlecht und instabil. Ebenfalls beschreibe das Länderinformationsblatt, dass die Zahl an zivilen Opfern in Bagdad nach wie vor am höchsten sei. Relevant sei zudem, dass sich im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten homogene Stadtviertel gegründet hätten und Sunniten vielfach gezwungen worden seien, die Stadt zu verlassen, um dem Druck durch schiitische Milizen zu entkommen. Der Machtbereich der Milizen habe sich im Übrigen vergrößert.

Ergänzend wird unter auszugsweiser Zitierung einer ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak "Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq" ausgeführt, dass die schiitischen Milizen für eine Vielzahl religiös motivierter Verbrechen und Kriegsverbrechen verantwortlich seien und insbesondere in Bagdad in den letzten Jahren großen Einfluss gewonnen hätten. Laut einem Bericht von Al Monitor vom 23.09.2013 "Southern Iraq swept by sectarian displacement" würden bewaffnete schiitische Milizen, in vielen Landesteilen die staatlichen Sicherheitskräfte ergänzen, ersetzen oder auch unterwandert haben und als Todesschwadronen agieren, die Sunniten suchen und ermorden.

Abschließend wird erneut festgehalten, dass es an der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative mangle.

27. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 11.06.2019 wurden dem Beschwerdeführer seitens des Bundesverwaltungsgerichtes weitere aktuelle länderkundliche Informationen zur Lage im Irak zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eröffnet, sich hiezu bis zum 03.07.2019 schriftlich (einlangend) bzw. in der Verhandlung am 04.07.2019 mündlich zu äußern.

Der Beschwerdeführer reagierte auf die Aufforderung nicht und brachte zu diesen aktuellen länderkundlichen Informationen keine schriftliche Stellungnahme ein.

28. Am 04.07.2019 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Beschwerdeführers, der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch fortgesetzt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, seine aktuelle Lage in Österreich umfassend darzulegen. Ferner wurde die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der Länderdokumentationsunterlagen erörtert, welche dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren ausgefolgt bzw. übermittelt wurden. Seitens des Beschwerdeführers wurde ein Konvolut an Unterlagen zum Nachweis seiner Erwerbstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit in Vorlage gebracht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der mündlichen Verhandlung entschuldigt ferngeblieben und hat die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde mit E-Mail vom 04.06.2019 beantragt.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet und seitens des (zur Verhandlung nicht erschienen) belangten Bundesamtes mit Eingabe vom 10.07.2019 fristgerecht die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses "anher" beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er wurde am XXXX im Gouvernement Diyala geboren und lebte dort zunächst im - mittlerweile verkauften - Haus seiner Familie im Bezirk XXXX . In der Folge begab sich der Beschwerdeführer - nach einem Aufenthalt in Bagdad - von 2001 bis 2013 für etwa dreizehn Jahre nach Syrien. Nach seiner Rückkehr in den Irak wohnte der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise im Juli 2014 erneut in Bagdad bei Verwandten.

Der Beschwerdeführer besuchte zwölf Jahre die Schule und legte die Matura ab. Im Anschluss daran absolvierte er ein zweijähriges College für Büromanagement. Des Weiteren unterstützte der Beschwerdeführer seinen Vater ab dem Jahr 2001 beim Betrieb eines Supermarktes. Von 2012 bis 2013 war der Beschwerdeführer in einer Bank erwerbstätig und nach seiner Rückkehr in den Irak arbeitete er bis zu seiner Ausreise als Buchhalter bei der Firma XXXX .

Der Beschwerdeführer wurde nach seiner Ausreise nach Syrien vom Hochkommissar für Flüchtlingsangelegenheiten der Vereinten Nationen in Syrien als Flüchtling anerkannt.

Die Eltern des Beschwerdeführers und zwei Brüder halten sie sich in Kanada auf. Die Schwester des Beschwerdeführers ist verheiratet und lebt mit ihrem Ehegatten in Bagdad. Eine Tante und eine Cousine sind ebenfalls in Bagdad wohnhaft. Ein Onkel lebt derzeit im Gouvernement Diyala. Der Beschwerdeführer hat seit Ende 2017 keinen Kontakt zu seiner Schwester.

1.2. Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung. Er ist nach einer Varizenoperation im Jahr 2016 - abgesehen von Schwierigkeiten beim längeren Stehen - gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung. Er weist einen guten Allgemein- und Ernährungszustand auf.

1.3. Am 22.07.2014 verließ der Beschwerdeführer den Irak legal unter Verwendung seines irakischen Reisepasses mit einem Autobus vom Gouvernement Diyala ausgehend in die Türkei. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer für seine Ausreise eine Schmiergeldsumme an eine dritte Person leisten musste. Der Beschwerdeführer gelangte schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 28.08.2014 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2015, Zl. 1030251600-14922633, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt sowie unter Anwendung des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.12.2016 erteilt.

Hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Beweiswürdigung dieses Bescheides dar, die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ließen ein erhebliches Risiko erkennen, Opfer der Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes zu werden. Es komme zu Bombenanschlägen, Luft- und Bodenangriffen und Terroraktionen, denen überwiegend Zivilisten zum Opfer fallen würden.

In der rechtlichen Beurteilung wird diesbezüglich dargelegt, dass einem Asylwerber der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Fremden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im Fall des Beschwerdeführers gehe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl "von einer realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus".

Zur Lage im Herkunftsstaat traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid vom 07.12.2015, Zl. 1030251600-14922633, nachstehende hier relevante Feststellungen:

"Sicherheitslage:

Der Konflikt im Irak war 2014 der zweit-tödlichste (nach Syrien) weltweit. Es wurden 21.073 Todesopfer verzeichnet - damit haben sich die Opferzahlen im Irak verglichen zu 2013 (9.742 Todesopfer) mehr als verdoppelt. Auch die Anschlagskriminalität im Irak erreichte, vor allem durch die Taten des IS, 2014 erneut einen Höhepunkt. Die Anzahl der IrakerInnen, die 2014 Opfer von Anschlägen wurden, erreichte ein Ausmaß wie zuvor nur in den berüchtigten Bürgerkriegsjahren 2006/2007: über 12.000 tote und 23.000 verletzte ZivilistInnen (ÖB Amman 5.2015). UNAMI berichtet für den Monat Mai 2015, dass zumindest 665 Zivilisten getötet und 1,313 verletzt wurden. Die Provinz Bagdad war mit 343 getöteten Zivilisten dabei am stärksten betroffen, ebenfalls stark betroffen waren Diyala (134 getötete Zivilisten), Anbar (102 getötete Zivilisten), Nineweh (42 getötete Zivilisten), Salahdin (24 getötete Zivilisten) und Kirkuk (16 getötete Zivilisten). UNAMI wurde bei der Erfassung der Opferzahlen behindert, die Zahlen sollten daher als Minimumangaben gesehen werden (UNIRAQ 5.2015).

Nach dem Vormarsch des IS im Sommer 2014 ist nahezu die gesamte nicht-sunnitische Bevölkerung der Städte Mossul, Tal Afar und angrenzender Regionen, die der IS unter seine Kontrolle brachte, geflohen (ÖB Amman 5.2015).

Am 18. Juli 2014 forderte der IS (vormals: "ISIS - Islamischer Staat in Irak und Syrien") die Christen Mossuls auf, bis zum nächsten Tag entweder zum Islam zu konvertieren, Kopfsteuer zu zahlen oder die Stadt zu verlassen. Daraufhin flohen die noch verbliebenen Christen (The Daily Star 22.7.2014). Die Presse nennt die Zahl von 25.000 geflohenen ChristInnen (Die Presse 20.7.2014). Laut BBC soll es dann in Mossul keine ChristenInnen mehr gegeben haben (BBC News a 21.7.2014).

Während der IS die Christen "nur" vertreibt, werden Schiiten und Angehörige von kleinen Religionsgruppen wie die Jesiden und die Schabak vom IS noch viel schlimmer behandelt (zur schlechteren Behandlung von Schiiten: The Daily Star 22.7.2014) bzw. gleich umgebracht (zur Ermordung: Der Standard 20.7.2014). Viele Angehörige von diesen Religionsgruppen flohen aus Mossul Richtung Ninewa-Ebene oder Autonomieregion Kurdistan. Beim IS-Vormarsch in Ninewa flüchteten tausende Jesiden (vor allem in die kurdische Autonomieregion). Über 2.000 jesidische Männer wurden von Kämpfern des IS getötet und über 5.000 jesidische Frauen und Kinder wurden entführt. Der IS hat insbesondere Jesidinnen gezielt angegriffen, entführt, gefangen gehalten, vergewaltigt, zwangsverheiratet und verkauft. Nach Angaben offizieller jesidischer Vertreter werden noch rund 3.000 jesidische Frauen vom IS festgehalten. Es gibt keine gesicherten Angaben über die Zahl der im Irak lebenden Jesiden. Vor dem Einfall der IS-Kämpfer in Ninewa wurde ihre Zahl auf 500.000 geschätzt. Zigtausende Jesiden, die in die Berge flüchteten, wurden vom IS im Sindschar-Gebirge eingekesselt. Nur durch Luftbrücken und ein Eingreifen der YPG (militärischer Arm der syrischen kurdischen Organisation PYD) und der Peschmerga konnten sie gerettet werden (Standard 2.9.2014, vgl. Zeit 8.8.2014, vgl. Daily Star 18.8.2014).

Nachdem der Vormarsch der Islamisten im Norden nahe der Stadt Samarra vorerst gestoppt werden konnte, griffen die Islamisten Bagdad vom Süden her an. IS-Kommandos waren [vorübergehend] nur noch 20 Kilometer von der südlichen Stadtgrenze von Bagdad entfernt und operierten bereits im Umfeld des internationalen Flughafens (Zeit 8.8.2014). Nunmehr befindet sich der IS mit der Kontrolle über Städte wie Ramadi und Falludjah ca. 50 bis 100 km vor Bagdad (Al Arabya 25.4.2015).

Die IS-Kämpfer töteten Hunderte überwiegend schiitische Gefangene, als sie das Zentralgefängnis von Badush, westlich von Mossul, im Juni 2014 einnahmen.

Der IS tötete immer wieder auch Sunniten, denen er mangelnde Unterstützung unterstellte oder denen er vorwarf, für die irakische Regierung und die Sicherheitskräfte zu arbeiten oder in Diensten der US-Streitkräfte im Irak gestanden zu haben. Im Oktober 2014 ermordete der IS mehr als 320 Angehörige des sunnitischen Albu-Nimr-Stammes in Anbar, nachdem die Regierung sunnitische Stämme zum Kampf gegen den IS aufgerufen hatte und plante, sie mit Waffen auszurüsten. Im April 2015 erschoss der IS in der westirakischen Provinz Al-Anbar zusätzlich rund 300 gefangene Angehörige sunnitischer Stämme (AI 25.2.2015).

Die finanzielle Situation des IS ist mach wie vor stark. Bei den Einnahmenquellen des IS liegen laut einem Bericht der Rand Corporation Schutzgeld und Steuern, sowie Diebstahl aus irakischen Banken mittlerweile weit vor den Einnahmen aus Ölverkäufen (NY Times 19.5.2015).

Nachdem die IS-Milizen in Tikrit und weiteren Teile der Provinz Salahuddin an Gelände einbüßt hatten (Im März 2015 eroberten irakische Streitkräfte den Sitz der Provinzregierung in der Stadt Tikrit vom IS zurück (Standard 31.3.2015)), sah es zunächst so aus als wäre der IS in der Defensive und als hätte er eingeschränkte Kapazitäten für neue Offensiven. Dies stellte sich als Irrtum heraus, als er überraschend Ramadi, die Hauptstadt der Provinz Anbar einnahm, der bedeutendste Vorstoß des IS seit der Eroberung von Mossul im Juni 2014. Wieder konnten die irakischen Sicherheitskräfte, denen US-Ausbildner und Berater zur Seite stehen, nicht effektiv dagegenhalten. Die Provinzregierung von Anbar hat deshalb dafür gestimmt, Abadi zu ersuchen, schiitische Milizen in die sunnitische Stadt zu schicken. Diese sind nun unterwegs, mit den üblichen Befürchtungen der Sunniten, denn mit den Schiitenmilizen werden iranische Berater Teil der Kampagne (wobei es auch irakische schiitische Milizen gibt, die nicht mit dem Iran zusammenarbeiten) (Standard 18.5.2015). Beim Kampf um das vorwiegend von Sunniten bewohnte Ramadi haben sich der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi, die USA und die Regierung der Provinz Anbar gegenüber einer Unterstützung durch schiitische Milizen kritisch gezeigt. Sie befürchteten ein neuerliches Aufflammen der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten, denn der irakischen Armee gelingt es nicht, effektive Kontrolle über die schiitischen Milizen auszuüben (Standard 18.5.2015). Schiitische Milizenführer dagegen argumentieren, dass es sich die Regierung nicht leisten könne, im Kampf gegen den IS auf die Unterstützung der schiitischen Milizen zu verzichten (Standard 18.5.2015).

Der Konflikt ist auch in Iraks Hauptstadt deutlich spürbar. In Bagdad finden immer wieder Bombenanschläge statt, die dem IS zugerechnet werden. So starben am 02.05.15 bei einem Autobombenanschlag vor einem Restaurant im Zentrum mindestens 13 Menschen, mindestens 40 wurden verletzt. Bei ähnlichen Anschlägen am 01.05.15 soll es 23 Tote gegeben haben (BAMF 5.5.2015). Alleine im Zeitraum von Jänner bis Mai 2015 gab es in Bagdad 5.717 Opfer unter der Zivilbevölkerung, davon kamen 1.609 Personen ums Leben und 4.108 wurden verletzt (UNIRAQ 1.-5.2015).

Die Sicherheitslage in der Provinz Erbil ist verglichen mit den meisten anderen Gebieten des Irak relativ stabil. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Provinz komplett frei von Vorfällen ist. Kriminalität und Grenzschmuggel beeinträchtigen die Sicherheitslage und dann und wann kommt es zu Anschlägen. Die Provinz Erbil ist, so wie die drei anderen kurdischen Provinzen, mit Landminen und nicht-explodierten Geschützen übersäht (NCCIRAQ 5.2015)."

Aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 28.10.2016 wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2016, Zl. 1030251600-14922633, eine befristeten Aufenthaltsbewilligung bis zum 06.12.2018 erteilt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das "Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet" werden könne.

1.4. Der Beschwerdeführer hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an. Der Vater des Beschwerdeführers war vor dem Sturz von Saddam Hussein einfaches Mitglied der Baath-Partei und Offizier in der früheren irakischen Armee.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat vor der Ausreise gegen ihn gerichteten Drohungen oder Übergriffen -schiitischer - Milizen oder eines ihrer Mitglieder ausgesetzt war bzw. er im Fall einer Rückkehr an seinen letzten Wohnort Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt seitens - schiitischer - Milizen ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat von irakischen Regierungsbehörden gesucht wird bzw. ihm im Fall einer Rückkehr in den Irak Strafverfolgung drohen würde. Ferner wird dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Bagdad nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Anhängerschaft bzw. Unterstützung des Islamischen Staates oder ein sonstiges Naheverhältnis zum Islamischen Staat vor der Ausreise unterstellt werden.

1.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak und dort insbesondere in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, Bagdad.

1.6. Der Beschwerdeführer ist ein nach einer Varizenoperation im Jahr 2016 - abgesehen von Schwierigkeiten beim längeren Stehen - gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit guter Ausbildung in der Schule, einer abgeschlossenen Collegeausbildung für Büromanagement sowie mit in Syrien im Handel und im Bankbereich sowie im Herkunftsstaat als Buchhalter erworbener Berufserfahrung.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsregion. Dem Beschwerdeführer ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.

1.7. Der Beschwerdeführer hält sich seit Ende August 2014 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und stellte am 28.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 07.12.2015 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, aufgrund dessen sich der Beschwerdeführer bis zum heutigen Tag rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Der Beschwerdeführer lebt in Wien. Er arbeitet seit dem 01.12.2017 durchgehend in der Systemgastronomie und bringt dabei etwa Euro 1.300,00 - 1.400,00 brutto monatlich ins Verdienen.

Der Beschwerdeführer pflegt, insbesondere im Rahmen seiner Freizeitaktivitäten, zahlreiche soziale Kontakte zu Freunden und Bekannten, darunter Geistlichen des Stiftes Rein und einem österreichischen Spitzendiplomaten. Zahlreiche Unterstützer bescheinigen dem Beschwerdeführer eine hervorragende Integration, einen raschen Spracherwerb, Arbeitswillen und einen respektvollen Umgang.

Der Beschwerdeführer absolvierte/besuchte Deutschkurse und legte zuletzt am 22.09.2017 die Prüfung auf dem Niveau B1 ab. Er verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse.

1.8. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.9. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.10. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Bagdad werden folgende Feststellungen getroffen:

Das Gouvernement Bagdad ist das mit ca. 4.555 km² flächenmäßig kleinste Gouvernement des Landes und beherbergt die gleichnamige irakische Hauptstadt Bagdad. In Bagdad lebten 2018 offiziell schätzungsweise 8,1 Millionen Menschen. Obwohl Bagdad das kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Einwohnerzahl von allen Gouvernements. 87% der Bevölkerung des Gouvernements leben in der Stadt Bagdad selbst. Die Hauptstadt ist das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes und beherbergt die stark geschützte grüne Zone.

Die Stadt Bagdad ist in neun Verwaltungsbezirke gegliedert: Adhamiyah, Karkh, Karada, Khadimiyah, Mansour, Sadr City, Al Rashid, Rasafa und 9 Nissan ('new Baghdad'). Die restliche Fläche des Gouvernements beherbergt die Verwaltungsbezirke Al Madain, Taji, Tarmiyah, Mahmudiyah und Abu Ghraib, die den sogenannten "Bagdad Belt" bilden und die Vororte beherbergen.

Gouvernement und Stadt Bagdad weisen eine gemischte Bevölkerung aus Schiiten und Sunniten mit einer geringeren Anzahl christlicher Gemeinschaften auf. Während die meisten Stadtteile in Bagdad in der Vergangenheit von einer Mischung aus Sunniten und Schiiten bewohnt waren, führte die gewaltsame Säuberung im Zuge der konfessionellen Konflikte insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 dazu, dass die Stadt viel stärker religiös geteilt und von den Schiiten dominiert zu sein scheint (siehe dazu im Detail unten 1.10 "Lage von sunnitischen Arabern in Bagdad").

Die Einheiten der irakischen Armee in Bagdad unterstehen Führung des Baghdad Operations Command (BOC), das in zwei Gebiete unterteilt ist, das Karkh Area Command und das Rusafa Area Command. Die Special Forces Division (SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der grünen Zone und den Schutz des Premierministers verantwortlich und kann vom Verteidigungsministerium, dem BOC, dem Joint Operations Command (JOC) sowie dem Premierminister selbst eingesetzt werden. Die SDF wird auch für Sicherungsaufgaben in Bagdad herangezogen, insbesondere während der schiitischen Pilgerreisen.

Dem Karkh Area Command untersteht die 6. irakische Armeedivision mit verschiedenen Brigaden, die in und außerhalb der Stadt stationiert sind. Die dem Rusafa Area Command unterstehende 9. Irakische Armeedivision ist derzeit nicht in Bagdad stationiert. Die Bundespolizei des irakischen Innenministeriums ist in Bagdad durch drei Bundespolizeidivisionen vertreten. Die 1. Federal Police Division sichert die südwestliche, westliche und südöstliche Kanalzone von Bagdad. Die 2. Federal Police Division, die einzige mechanisierte Division der Bundespolizei in Bagdad, wird hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung in Bagdad und den Bagdad-Belts, zur Sicherung von Pilgerwegen und zu Aufgaben in Zusammenhang mit der Strafverfolgung herangezogen. Die 4. Federal Police Division deckte das südliche Bagdad und Gebiete südlich der Hauptstadt ab und betreibt das Gefängnis in Karkh. Ergänzend steht westlich von Bagdad die 3. Brigade der Emergency Response Division (ERD) zur Verfügung. Die Stadt Bagdad und die Vororte werden grundsätzlich von den irakischen Behörden kontrolliert. In der Praxis teilen sich die Behörden jedoch die Verteidigungs- und Strafverfolgungsaufgaben mit den schiitisch dominierten Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), was zu einer "unvollständigen" oder überlappenden Kontrolle mit diesen Milizen führt. Für die Jahre 2014 und 2015 liegen Berichte vor, wonach Einheiten der PMF an Misshandlungen und Morden an Zivilisten und Sunniten im Zusammenhang mit Operationen gegen den Islamischen Staat in den Bagdad-Belts beteiligt waren.

Seit dem Eintritt der militärischen Niederlage des Islamischen Staates im Dezember 2017 gibt es in Bagdad und anderen Landesteilen weniger Angriffe des Islamischen Staates mit großer Breitenwirkung. Der Islamische Staat verfügt weiterhin über aktive Zellen im nördlichen und westlichen Bagdad-Belt, diese befinden sich jedoch erheblichen Verlusten im Jahr 2017 in einem inaktiven Zustand. Seit dem Jahr 2018 sind Bagdad und die Bagdad-Belts kein prioritäres Operationsgebiet des Islamischen Staates mehr und ist der Islamische Staat nicht mehr für den überwiegenden Teil der Gewalttätigkeiten in der irakischen Hauptstadt verantwortlich. Die Möglichkeit, Anschläge auch im Zentrum der irakischen Hauptstadt zu verüben, dürfte nach wie vor gegeben sein, allerdings befindet sich die verbliebenen Anhänger des Islamischen Staates in einer Phase der Neuaufstellung.

Wenn der Islamische Staat die Verantwortung für Angriffe übernimmt, werden die Opfer entweder als "Abtrünnige" oder "Rafida" (eine abfällige Bezeichnung für schiitische Muslime) oder als bewaffnete Akteure bezeichnet, obwohl die Opfer möglicherweise Zivilisten sind. Der Islamische Staat übertreibt das häufig die Verluste, die seine Anschläge nach sich ziehen.

Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten in Bagdad in den Jahren 2017 und 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist und wieder das Niveau vor dem Erstarkten des Islamischen Staates erreicht hat (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).

Bild kann nicht dargestellt werden

Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Bagdad und Anzahl der Opfer nach der Datenbank Iraq Body Count, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst.

Bild kann nicht dargestellt werden

Die Verwaltungsbezirke mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu zivilen Todesfällen führten, waren im Jahr 2018 Adhamiya mit 78 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 94 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von Resafa (einschließlich Thawra 1 & 2) mit 77 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 161 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von und Mada'In mit 63 sicherheitsrelevanten Vorfällen, bei denen 69 Zivilisten ums Leben kamen. Die höchste Rate an Todesfällen pro 100.000 Einwohner) wurden

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten