TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/9 L510 2222144-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2019
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Entscheidungsdatum

09.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L510 2222144-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenvetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2019, Zahl XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 29.04.2019 erstmals beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz, zudem er am selben Tag erstbefragt wurde (AS 19ff).

2. Am 25.06.2019 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers durch das BFA statt (AS 41ff).

3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 09.07.2019, Zahl XXXX , zugestellt am 11.07.2019, wies das BFA den Antrag (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei ab. Das BFA erteilte (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ (IV.) gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte (V.) gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (VI.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (AS 65ff).

4. Mit Schreiben vom 06.08.2019 wurde fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid erhoben (AS 185ff).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger, führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum, gehört der kurdischen Volksgruppe an und ist ohne Bekenntnis. Er wurde in der Provinz Konya geboren, ist ledig und hat keine Kinder (AS 47).

1.2. Die Eltern und eine Schwester des Beschwerdeführers (wie auch zahlreiche Tanten, Onkel und Cousins) leben in der Provinz Konya. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie, die keine Probleme und keinen Grund hat, auszureisen; es geht ihr finanziell gut. Ein Bruder und eine Schwester des Beschwerdeführers leben in Österreich, eine weitere Schwester in den Niederlanden. Der Beschwerdeführer besuchte 10 Jahre lang die Schule in der Türkei und arbeitete acht Jahre im Baugewerbe und etwa fünf Jahre als Kellner in einem Hotel. Die finanzielle Situation des Beschwerdeführers in der Türkei war schlecht und er überließ bei seiner Ausreise alles was er hatte, seinem Vater (AS 49, 51).

1.3. Vor seiner Antragstellung auf internationalen Schutz, hielt sich der Beschwerdeführer bereits etwa ein Jahr in Graz auf (AS 27). Er ist gesund (AS 47), strafrechtlich unbescholten und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.

1.4. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich bei seinem Bruder in Graz, den er täglich sieht. Es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Bruder und auch nicht zwischen dem Beschwerdeführer und seiner in Österreich aufhältigen Schwester (AS 59).

1.5. Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft dargelegt und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er vor seine Ausreise aus bzw im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in der ganzen Türkei einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

1.6. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei schließt sich das BVwG den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der belangten Behörde an und wird konkret auf die insoweit relevanten Abschnitte hingewiesen:

Die Kurden (ca. 20% der Bevölkerung) leben v.a. im Südosten des Landes sowie, bedingt durch Binnenmigration und Mischehen, in den südlich und westlich gelegenen Großstädten (Istanbul, Izmir, Antalya, Adana, Mersin, Gaziantep) (ÖB 10.2017). Mehr als 15 Millionen türkische Bürger haben einen kurdischen Hintergrund und sprechen einen der kurdischen Dialekte (USDOS 20.4.2018). Der private Gebrauch der in der Türkei gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmandschi und des weniger verbreiteten Zaza ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings eingeschränkt (AA 3.8.2018). Einige Universitäten bieten Kurdisch-Kurse an, und zwei Universitäten haben Abteilungen für die Kurdische Sprache (USDOS 20.4.2018).

Die kurdischen Gemeinden waren überproportional von den Zusammenstößen zwischen der PKK und den Sicherheitskräften betroffen. In etlichen Gemeinden wurden seitens der Regierung Ausgangssperren verhängt. Kurdische und pro-kurdische NGOs sowie politische Parteien berichteten von zunehmenden Problemen bei der Ausübung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 20.4.2018). Hunderte von kurdischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und kurdischsprachigen Medien wurden 2016 nach dem Putschversuch per Regierungsverordnung geschlossen (USDOS 20.4.2018; vgl. EC 17.4.2018). Durch eine sehr weite Auslegung des Kampfes gegen den Terrorismus wurden die Rechte von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, die sich mit der Kurdenfrage auseinandersetzen, zunehmend eingeschränkt (EC 17.4.2018). Zwei Drittel der per Notstandsdekret geschlossenen Medien sind kurdische Zeitungen, Onlineportale, Radio- und Fernsehsender. Am 16.08.16 wurde z. B. die Tageszeitung "Özgür Gündem" per Gerichtsbeschluss geschlossen. Der Zeitung wird vorgeworfen, "Sprachrohr der PKK" zu sein (AA 3.8.2018; vgl. EFJ 30.10.2016). Im Jahr 2017 wurden kurdische Journalisten wegen Verbindungen zur bewaffneten kurdischen Arbeiterpartei (PKK) wegen ihrer Berichterstattung verfolgt und inhaftiert. Dutzende von Journalisten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich an einer Solidaritätskampagne mit der inzwischen geschlossenen pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem beteiligten, wurden wegen terroristischer Propaganda verfolgt (HRW 18.1.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Verschlechterung der Sicherheitslage in der Region seit dem Zusammenbruch des Friedensprozesses im Jahr 2015 setzte sich fort und betraf im Jahr 2017 die städtischen Gebiete in geringerem Maße. Stattdessen waren ländliche Gebiete zusehends betroffen. Es gab keine Entwicklungen in Richtung der Wiederaufnahme eines glaubwürdigen politischen Prozesses, der für eine friedliche und nachhaltige Lösung notwendig ist. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 wurden zahlreiche kurdische Lokalpolitiker wegen angeblicher Verbindung zur PKK inhaftiert. Im Osten und Südosten gab es zahlreiche neue Festnahmen und Verhaftungen von gewählten Vertretern und Gemeindevertretern auf der Basis von Vorwürfen, terroristische Aktivitäten zu unterstützen. An deren Stelle wurden Regierungstreuhänder ernannt (EC 17.4.2018; vgl. AM 12.3.2018, USDOS 20.4.2018).

Mehr als 90 Bürgermeister wurden durch von der Regierung ernannte Treuhänder ersetzt. 70 von ihnen befinden sich in Haft. Insgesamt wurden mehr als 10.000 Funktionäre und Mitglieder der pro-kurdischen HDP verhaftet (AM 12.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). [siehe auch Kapitel 13.1. Opposition]

Die pro-kurdische HDP schaffte bei den Wahlen im Juni 2018 den Wiedereinzug ins Parlament mit einem Stimmenanteil von 11,5% und 68 Abgeordneten, dies trotz der Tatsache dass der Spitzenkandidat für die Präsidentschaft und acht weitere Abgeordnete des vormaligen Parlaments im Gefängnis saßen, und Wahlbeobachter der HDP schikaniert wurden (MME 25.6.2018). Während des Wahlkampfes bezeichnete der amtierende Präsident und Spitzenkandidat der AKP für die Präsidentschaftswahlen, Erdogan den HDP-Kandidaten Demirtas bei mehreren Wahlkampfauftritten als Terrorist (OSCE 25.6.2018). Bereits im Vorfeld des Verfassungsreferendums 2017 bezeichnete auch der damalige Regierungschef Yildirim die HDP als Terrorunterstützerin (HDN 7.2.2017).

Am 8.9.2016 suspendierte das Bildungsministerium mittels Dekret 11.285 kurdische Lehrer unter dem Vorwurf Unterstützer der PKK zu sein. Alle waren Mitglieder der linksorientierten Gewerkschaft für Bildung und Bildungswerktätige, Egitim Sen (AM 12.9.2016). Bereits öffentliche Kritik am Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den Kurdengebieten der Südosttürkei kann bei entsprechender Auslegung den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllen (AA 3.8.2018) (Bescheid, S 62f = Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 18.10.2018). [...]

Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr polizeilicher oder justizieller Maßnahmen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen (AA 3.8.2018). Personen die für die PKK oder eine Vorfeldorganisation der PKK tätig waren, müssen in der Türkei mit langen Haftstrafen rechnen. Ähnliches gilt für andere Terrororganisationen (z.B. DHKP-C, türkische Hisbollah, Al-Qaida) (ÖB 10.2017). Das türkische Außenministerium sieht auch die syrisch-kurdische PYD bzw. die YPG als von der als terroristisch eingestuften PKK geschaffene Organisationen, welche mit der PKK hinsichtlich der Führungskader, der Organisationsstrukturen sowie der Strategie und Taktik verbunden sind (MFA o.D.). [...] Rückkehrprobleme im Falle einer Asylantragstellung im Ausland sind keine bekannt. Nach Artikel 23 der türkischen Verfassung bzw. Paragraph 3 des türkischen Passgesetzes ist die Türkei zur Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger verpflichtet, wenn zweifelsfrei der Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit vorliegt (ÖB 10.2017) (Bescheid, S 76f = Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 18.10.2018).

2. Beweiswürdigung

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes und die Einsichtnahme in die bereits vom BFA verwendeten länderkundlichen aktuellen Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.

2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen Lebensumständen in der Türkei sowie den Lebensumständen seiner in der Türkei lebenden Familienangehörigen sowie seiner Lebenssituation in Österreich (Punkte II.1.1. und II.1.2.) ergeben sich aus den eigenen, diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem BFA, wobei auf die bereits angeführten Aktenseiten verwiesen wird. Dass kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinen in Österreich aufhältigen Geschwistern besteht (Punkt II.1.4.) wurde ebenso aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers festgestellt, er gab diesbezüglich auch an, seine Schwester überhaupt noch nicht getroffen zu haben [seit er in Österreich ist].

2.3. Dass sich der Beschwerdeführer vor Antragstellung bereits ein Jahr in Graz aufgehalten hat, sowie dass er gesund ist, gab der Beschwerdeführer selbst an und besteht diesbezüglich kein Grund dies anzuzweifeln. Die festgestellte strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem hg. erstellten Auszug aus dem Strafregister, der Leistungsbezug aus der Grundversorgung ergibt sich aus dem Auszug aus dem korrelierenden Register (Punkt II.1.3.).

2.4. Die Feststellungen zu einer mangelnden Gefährdung (Punkt II.1.5.) waren aus den folgenden Gründen zu treffen:

2.4.1. Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung des gegenständlichen Antrages vor, dass die Lage in der Türkei von Mal zu Mal schlechter werde, die Kurden würden in der Türkei ausgegrenzt. Die Polizei habe ihm die Nase gebrochen. Er sehe keine Zukunft in der Türkei, Todesgefahr gebe es keine, aber es werde ihm wieder etwas passieren, da er bei einer Rückkehr wieder politisch tätig werden würde (AS 29). "Die Diskriminierung im Land ist präsent. In der Türkei darf ich meine Muttersprache nicht sprechen. Es darf auch schriftlich nichts Muttersprachliches veröffentlicht werden, dies wird als Grund für Inhaftierungen herangezogen. Kurden werden als Terroristen in der Türkei betrachtet. Auch gewählte politische Vertreter, unter anderem Abgeordnete, verlieren Ihre Ansprüche. Es wird ihnen ihr Status aberkannt. Generell sind die Freiheiten als Mensch beschnitten. Es gibt keinen Respekt vor anderen Religionen und Kulturen. Es existiert eine soziale Kluft zwischen den Menschen. Die Möglichkeit einer anständigen Arbeit nachgehen zu können, sind sehr beschränkt. In Form einer kleinen Gruppe haben wir an einer Aktion teilgenommen, wobei mir die Polizei die Nase brach." (AS 53, 55). Die Nase sei dem Beschwerdeführer im Februar oder März 2017 gebrochen worden - Unterlagen dazu gebe es nicht - als der Beschwerdeführer gemeinsam mit vier oder fünf anderen Personen aus Solidarität für Kobane eine Sitzaktion abgehalten habe. Die Polizei habe die Sitzaktion als nicht genehmigt qualifiziert, woraufhin es zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen sei und dem Beschwerdeführer mit einem Stock ins Gesicht geschlagen worden sei. Danach sei er weggerannt. Zwischen diesem Vorfall und der Ausreise des Beschwerdeführers im März 2018 habe es keine weiteren Vorfälle gegeben, da die Polizei die Identität des Beschwerdeführers nicht gekannt habe (AS 55). An anderen nennenswerten Aktivitäten habe der Beschwerdeführer aus Angst vor der Polizei nicht teilgenommen. Offiziell politisch aktiv oder Mitglied in einer Partei sei der Beschwerdeführer nie gewesen, einen konkreten Anlassfall oder eine Bedrohung zum Zeitpunkt seine Ausreise habe es nicht gegeben (AS 57).

2.4.2. Zur Begründung der Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass Verwandte des Beschwerdeführers in der Türkei für die Kurden politisch aktiv seien, manche davon seien im bewaffneten Widerstand tätig und als Kämpfer gefallen; ein Verwandter arbeite als Funktionär für die kurdische Partei. Im Falle einer Rückkehr in die Türkei drohe dem Beschwerdeführer Verfolgung durch den türkischen Staat aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Demonstrationsteilnahme, seiner illegalen Ausreise, seiner Asylantragstellung und der ihm angelasteten politischen Gesinnung, diese Umstände seien kumulativ zu betrachten. Diese Gefährdungen habe der Beschwerdeführer glaubhaft machen können. Gegen das Neuerungsverbot würde das Beschwerdevorbringen nicht verstoßen, da das BFA ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, insbesondere da es den Beschwerdeführer nicht ausführlich genug zu seinem familiären Umfeld in der Türkei befragt habe.

Zudem werte das BFA seine eigenen Länderberichte nur unvollständig aus. Diesbezüglich wurden Angaben zur HDP und zu den Haftbedingungen aus den Länderfeststellungen des Bescheides wiederholt und zusätzlich Berichte zitiert, betreffend Strafverfolgung von HDP-Mitgliedern und Haftbedingungen; weiters betreffend der täglichen Verhaftung von Mitgliedern der legalen pro-kurdischen HDP; über Personen, die verdächtigt werden, mit der PKK zusammenzuarbeiten und in der Haft schweren Folterungen ausgesetzt sein würden; über die deutliche Einschränkung der Rechte von Kurden; über die Gefährdung von kurdischstämmigen Personen mit oppositionspolitischem Engagement und möglichen Verbindungen zur PKK. Kurden, denen oppositionelles politisches Engagement angelastet wird, würden in der Türkei systematisch verfolgt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers decke sich mit den Länderfeststellungen des BFA und den in der Beschwerde vorgebrachten Berichten zur Ländersituation.

Darüber hinaus sei die Beweiswürdigung des BFA unschlüssig, insbesondere, da es nicht richtig sei, dass der Beschwerdeführer Moslem sei, er sei vielmehr ohne Bekenntnis. Es stimme auch nicht, dass er keine Probleme mit den Behörden gehabt habe, da er von der Polizei misshandelt worden sei. Durch seine Protestaktion sei der Beschwerdeführer ins Visier der Behörden geraten und weise das geltend gemachte Bedrohungsszenario daher auch die geforderte Aktualität auf; die Teilnahme an Demonstrationen könne zur Verfolgung führen.

Auf die Unterstützung seiner Familie könne der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr auch nicht zählen, da sein religiöser Vater sich mit dem Beschwerdeführer überworfen habe, da dieser sich vom Glauben abgewandt habe. Bei seinen Eltern könne er also nicht mehr leben, bei anderen Verwandten auch nicht, da sich der Vater des Beschwerdeführers dem entgegensetzen würde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem Beschwerdeführer nicht offen, da es sich um eine staatliche Verfolgung handle, die sich auf das gesamte türkische Staatsgebiet beziehe. Eine Verletzung der Art 2 und 3 EMRK könne bei einer Abschiebung nicht ausgeschlossen werden. Es werde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt, da mit den Ausführungen in der Beschwerde der Beweiswürdigung des BFA substantiiert entgegengetreten worden sei und der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht vollständig erhoben worden sei.

2.4.3. Dazu ist festzuhalten, dass nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer in der Befragung durch das BFA keine Möglichkeit gehabt hätte, von einer politischen Betätigung seiner Verwandten zu berichten. Dem Einvernahmeprotokoll ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zu seinen Angehörigen in der Türkei befragt wurde, zu deren Daten, zu weiteren Angehörigen und weshalb die Angehörigen weiterhin in der Türkei leben würden können (AS 49). In diesem Rahmen hätte sich für den Beschwerdeführer die Gelegenheit geboten, über eine politische bzw bewaffnete Betätigung seiner Verwandten zu berichten, er wurde vom BFA auch nicht angehalten, sich in seinen Angaben auf seine Kernfamilie (also Eltern und Schwester in der Türkei) zu beschränken. Hierbei ist entgegen der Angaben in der Beschwerde sehr wohl auf das Neuerungsverbot hinzuweisen, zumal in der Beschwerde auch nicht dargelegt wird, weshalb der Beschwerdeführer nicht bereits in der Einvernahme in der Lage gewesen sein sollte, dieses Vorbringen zu erstatten.

Es ist aus der Beschwerde weiters nicht ersichtlich, auf welche Angaben die Behauptung gestützt wird, dass der Beschwerdeführer eine Gefährdung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Demonstrationsteilnahme, seiner illegalen Ausreise, seiner Asylantragstellung und der ihm angelasteten politischen Gesinnung glaubhaft habe machen können. Auch geht die Behauptung, dass seine Gefährdungsumstände kumulativ betrachtet, asylrelevant seien, ins Leere. Dies aus folgenden Überlegungen, wobei vorweg festgehalten wird, dass es unstrittig zutreffend ist, dass die Situation der Kurden in der Türkei von Diskriminierungen geprägt ist.

Entsprechend der Länderberichte gestaltet sich die Situation für Kurden derart, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit nicht einer asylrelevanten - sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden - Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sind. Vereinzelte staatliche Aktionen oder solche von Einzelpersonen richten sich gegen Institutionen und Personen, denen ein Naheverhältnis zur PKK unterstellt wird. Auch Personen in gehobener Stellung könnten Ziel dieser Aktionen werden. Gründe, warum die türkischen Behörden ein nachhaltiges Interesse gerade an der Person des Beschwerdeführers haben sollten, wurden nicht glaubhaft vorgebracht. Die Sitzaktion von fünf bis sechs Personen, an der der Beschwerdeführer teilnahm und sich von dieser auch wieder entfernen konnte, ohne dass die Polizei seine Daten aufgenommen haben würde, ist somit auch nicht geeignet, eine Exponiertheit des Beschwerdeführers herbeizuführen, wonach er zu einem staatlich verfolgten Ziel geworden wäre. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer etwa ein Jahr nachdem er an jener Sitzaktion in der Türkei ohne jegliche weitere Vorfälle leben hat können, untermauert die beweiswürdigende Argumentation des BFA.

Das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer aufgrund seiner illegalen Ausreise und der Antragstellung auf internationalen Schutz einer Gefährdung ausgesetzt sei, ist im Lichte der festgestellten Ländersituation nicht haltbar, da Rückkehrprobleme im Falle einer Asylantragstellung im Ausland nicht bekannt sind und die Türkei zur Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger verpflichtet ist (vgl oben II.1.6. letzter Absatz).

Betreffend die geltend gemachte Gefährdung aufgrund der politischen Gesinnung des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer verneinte, jemals offiziell politisch aktiv oder Mitglied einer Partei gewesen zu sein bzw. verneinte er ebenso eine Verfolgung aufgrund seiner politischen Überzeugung. Außer der Sitzaktion im Frühjahr 2017 hat der Beschwerdeführer auch nicht an politischen Veranstaltungen teilgenommen (AS 57).

Die in der Beschwerde wiedergegebenen Länderberichte beziehen sich überwiegend nicht auf die Situation des Beschwerdeführers, da er weder mit der PKK in Verbindung gebracht wird, noch Hinweise für eine drohende Inhaftierung existieren, er nicht Mitglied der HDP ist, auch wenn er angab, diese zu wählen und sind deshalb die in der Beschwerde angeführten Länderberichte nicht relevant für die gegenständliche Entscheidungsfindung.

Insofern die Beschwerde angibt, dass es unzutreffend sei, dass der Beschwerdeführer keine Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt habe, da er von der Polizei misshandelt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass er den von ihm angegebenen von der Polizei verursachten Nasenbruch nicht mit Unterlagen objektivieren hat können. Dass er durch diesen Vorfall ins Visier der Behörden geraten wäre, kann jedenfalls nicht zutreffend sein, da er - wie bereits erwähnt - nach diesem Vorfall etwa ein Jahr lang ohne weitere Zwischenfälle in der Türkei hat leben können und da er angab, dass die Polizei die seine Identität nicht gekannt hat (AS 55).

Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass sich der Vater des Beschwerdeführers am Glaubensabfall seines Sohnes stört und dieser daher keine Unterstützung seiner Familie im Falle einer Rückkehr mehr erfahren würde, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer gegenüber dem BFA angab, dass er Kontakt mit seinen Angehörigen habe, dass es jenen gut gehe (AS 49) und dass er alles, was er hatte, seinem Vater überlassen habe (AS 51). Es kann daher nicht zutreffend sein, dass sich der Vater mit dem Beschwerdeführer überworfen hat, da der Beschwerdeführer solche Umstände in der Befragung angegeben hätte, als er nach seiner Familie gefragt worden ist. Darüber hinaus ist auch diesbezüglich auf das Neuerungsverbot hinzuweisen. Insofern das BFA irrtümlicherweise die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur moslemischen Glaubensgemeinschaft feststellte, anstatt anzuführen, dass er ohne Bekenntnis ist, so kann damit kein Versehen erkannt werden, dass dazu führen würde, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben oder abzuändern wäre.

Es ist somit zusammengefasst nicht den Tatsachen entsprechend, dass die Beschwerde der Beweiswürdigung des BFA substantiiert entgegengetreten wäre, sondern erweist es sich vielmehr so, dass die schlüssigen, nachvollziehbaren Argumente des BFA in dessen Beweiswürdigung durch die Beschwerde nicht erschüttert wurden. Das BVwG schließt sich daher der Beweiswürdigung des BFA, wonach das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Bedrohungsszenario weder intensiv noch aktuell genug sei, eine relevante Bedrohung der Volksgruppe der Kurden durch die Länderberichte nicht gedeckt sei, es sich beim Beschwerdeführer um keine exponierte Person handle, die türkischen Behörden kein Verfolgungsinteresse am Beschwerdeführer hegen und auch die Familienmitglieder des Beschwerdeführers, wie etwa 15 Millionen anderen Kurden, in der Türkei leben können, an, und gelangt ebenso wie bereits das BFA zur Überzeugung, dass der Beschwerdeführer keine individuell gegen seine Person gerichtete und auch keine aktuelle Bedrohung glaubhaft gemacht hat.

2.5. Den hier getroffenen Ausführungen zur Lage in der Türkei (II.1.6.) liegen die vom BFA herangezogenen Länderberichte zugrunde, welche im bekämpften Bescheid enthalten sind. Der Beschwerdeführer ist diesen Länderfeststellungen weder gegenüber dem BFA noch in der Beschwerde entgegengetreten, sondern bezog sich selbst auch auf diese.

3. Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides)

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

3.2. Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.3. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

3.4. Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.5. Unter "Verfolgung" im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083). Allgemeine Benachteiligungen aufgrund der Religionszugehörigkeit und der Volksgruppe können nur dann als konkrete gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen gewertet werden, wenn sie dessen Lebensgrundlage massiv bedrohen (VwGH vom 10.03.1994, Zl.: 94/19/0044). Eine konkrete, massive Bedrohung der Lebensgrundlage liegt jedoch gegenständlich nicht vor.

3.6. Fallbezogen hat der Beschwerdeführer nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine wohlbegründete Furcht vor einer aktuellen Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

3.7. Es waren unter Berücksichtigung aller Umstände daher die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten insgesamt nicht gegeben und war daher Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA zu bestätigen.

Zur Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides)

3.8. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.9. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (VwGH 18.03.2019, 2018/28/0538). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht es zudem der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure iSd Art 6 Qualifikationsrichtlinie oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (VwGH 21.11.2018, Ra 2018/01/0461).

3.10. Fallbezogen hat der Beschwerdeführer eine entsprechende Verursachung oder Bedrohung nicht glaubhaft dargelegt. Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen Voraussetzungen sind somit nicht erfüllt.

3.11. Demnach war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides)

3.12. Gemäß § 57 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen [...] 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen [...] oder 3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl Nr 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

3.13. Fallbezogen liegen nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nicht vor.

3.14. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.

Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte IV und V des angefochtenen Bescheides)

3.15. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

3.16. Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

3.17. Gemäß § 55 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. (Abs 1) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. (Abs 1a) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. (Abs 2) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt. (Abs 3) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. (Abs 4)

3.18. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

3.19. Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; 4. der Grad der Integration; 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit; 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

3.20. Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

3.21. Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).

3.22. Folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - stellen Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365) (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

3.23. Für den Beschwerdeführer spricht seine strafrechtliche Unbescholtenheit. Der Beschwerdeführer hält sich demgegenüber jedoch zum Entscheidungszeitpunkt erst etwa ein Jahr und acht Monate in Österreich auf, wobei er sich das erste Jahr illegal in Österreich aufhielt und den gegenständlichen Antrag nur deshalb stellte, da er von der Polizei aufgegriffen wurde (AS 61). Eine hinreichend starke Nahebeziehung zu in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Personen besteht nicht, auch wenn der Beschwerdeführer bei seinem Bruder wohnt; in der Türkei leben nach wie vor die Eltern und eine Schwester des Beschwerdeführers. Im Falle des Beschwerdeführers hat das bisherige Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben bzw wurden solche auch nicht substantiiert behauptet. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen aufrechten Aufenthaltstitel; sein bisheriger rechtmäßiger Aufenthalt stützte sich ausschließlich auf das Asylrecht. Der Beschwerdeführer hat den überwiegenden Teil seines Lebens in der Türkei verbracht und wurde dort auch sozialisiert. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der hier bestehenden Bindungen zu Österreich gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde, ist im Verfahren nicht hervorgetreten.

Demgegenüber stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs 2 EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR erweisen sich die individuellen Interessen des Beschwerdeführers iSd Art 8 Abs 1 EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG kann dem BFA nicht entgegen getreten werden, wenn es davon ausgegangen ist, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch einer dauernden Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würden.

3.24. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen und Ausführungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass eine Abschiebung in die Türkei unzulässig wäre. Derartiges wurde in der gegenständlichen Beschwerde auch nicht dargetan.

3.25. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung der Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde gegen Spruchpunkte IV und V des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides (Ausreisefrist)

3.26. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, wurde die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.27. Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für eine etwaige Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte die einer nochmaligen Anhörung des Beschwerdeführers und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte. Das Bundesamt hat die, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und hat das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung geteilt.

In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet. Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, was bei einer nochmaligen Anhörung - außer einer bloßen Wiederholung des bisherigen Vorbringens - an entscheidungsrelevantem Sachverhalt hätte hervorkommen können.

Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist und eine Verhandlung entfallen konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren Glaubwürdigkeit innerstaatliche Fluchtalternative Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz Misshandlung Neuerungsverbot non refoulement öffentliche Interessen politische Gesinnung Polizei Privat- und Familienleben religiöse Gründe Resozialisierung Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung rechtmäßig Volksgruppenzugehörigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L510.2222144.1.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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