TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/7 L521 2227016-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10
BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L521 2227016-1/5Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. im Verfahren über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Mag. Gerhard-Josef Seidl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Radetzkystraße 6, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2019, Zl. 1252606008-191174335, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Feststellungen:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 16.11.2019 von der Bundesrepublik Deutschland kommend auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein.

Am 18.11.2019 wurde der Beschwerdeführer von Organen der Finanzpolizei einer Kontrolle unterzogen und dabei festgestellt, dass der Beschwerdeführer ohne Bewilligung und ohne beim zuständigen Sozialversicherungsträger als Dienstnehmer angemeldet zu sein einer unselbständigen Beschäftigung nachgehen würde.

Der Beschwerdeführer wurde im Anschluss nach einer Kontaktaufnahme der einschreitenden Organe der Finanzpolizei mit dem belangten Bundesamt gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-VG festgenommen.

2. Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 19.11.2019 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG 2005 iVm §§ 31 Abs. 1 Z. 3 und 31 Abs. 1a FPG 2005 schuldig erkannt und eine Geldstrafe von EUR 600,00 verhängt.

3. Mit dem nunmehr in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2019, Zl. 1252606008-191174335, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt I.). Ferner wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.) und wider den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 FPG 2005 ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde außerdem gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den Spruchpunkten III. und VI. des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei bei einer unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet betreten worden und habe sich demnach nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. In Ansehung des Beschwerdeführers sei deshalb § 53 Abs. 2 Z. 7 FPG 2005 erfüllt.

Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens sowie im Hinblick darauf, wie der Beschwerdeführer sein "Leben in Österreich insgesamt gestalten" würde, sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen würde.

Im Rahmen der Begründung zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird auf die Erwägungen zu Spruchpunkt III. verwiesen und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Fall eines weiteren Verbleibes neuerlich "einer Schwarzarbeit" nachgehen würde und deshalb seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei.

4. Mit Verfahrensanordnungen vom 19.11.2019 wurde dem Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben und der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass er zur Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgesprächs verpflichtet sei.

5. Am 26.11.2019 wurde der Beschwerdeführer im Luftweg in die Türkei abgeschoben.

6. Gegen den dem Beschwerdeführer am 19.11.2019 eigenhändig zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag richtet sich die im Wege seiner nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht am 17.12.2019 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer habe sich aufgrund eines ihm von deutschen Behörden erteilten Besuchs-/Geschäftsvisums rechtmäßig seit dem 14.11.2019 im Schengenraum aufgehalten. Nach Verkaufsgesprächen in der Bundesrepublik Deutschland sei er mit weiteren Arbeitskollegen in das Bundesgebiet eingereist, um die Lieferung und den Aufbau einer Salattheke "zu überwachen". Bei seiner Betretung am 18.11.2019 habe er sich bereits auf dem Rückweg in die Bundesrepublik Deutschland befunden, um das dort ausgeliehene Kraftfahrzeug zurückzugeben und in die Türkei zurückzukehren. Weitere Tätigkeiten im Bundesgebiet wären nicht beabsichtigt gewesen, zumal die Rückreise in die Türkei bereits organisiert gewesen sei. Sollte dem Beschwerdeführer im Bundesgebiet eine Rechtsverletzung unterlaufen sein, sei dies nicht vorsätzlich erfolgt. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme habe er im Wege seiner Bankomatkarte über Zugang zu zumindest EUR 6.676,00 gehabt und sich kooperativ verhalten.

7. Die Beschwerdevorlage langte am 30.12.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

8. Der vorstehende Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten und ist unstrittig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Rechtslage und Judikatur:

1.1. Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG hat das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

1.2. Die Entscheidung über die Zu- oder Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 13.12.2017, Ro 2017/19/0003).

1.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007).

Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).

2. Zum gegenständlichen Verfahren:

2.1. Das belangte Bundesamt stützt die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in erster Linie auf das verhängte Einreiseverbot sowie die Einschätzung, dass der Beschwerdeführer im Fall eines weiteren Verbleibes im Bundesgebiet neuerlich "einer Schwarzarbeit" nachgehen würde.

Nach der eingangs zitierten Rechtsprechung erfordert die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind.

Derartige besondere Umstände werden seitens des belangten Bundesamtes nicht aufgezeigt. Insbesondere trifft die Annahme des belangten Bundesamtes, der Beschwerdeführer werde im Fall eines weiteren Verbleibes im Bundesgebiet neuerlich einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, der Lages des Falles nach nicht zu. Der Beschwerdeführer legte bei seiner Einvernahme dar, dass sein Lebensmittelpunkt in der Türkei sei und er lediglich im Auftrag seines (türkischen) Arbeitgebers nach Verkaufsgesprächen in München in Wien Kühlmöbel geliefert und aufgestellt habe. Er wolle nun in die Türkei zurückkehren und mit den Behörden kooperieren.

Für die Annahme des belangten Bundesamtes, der Beschwerdeführer werde - anstatt selbst umgehend freiwillig in die Türkei zurückzukehren, wo er lebt und seinen Arbeitsplatz hat - im Fall einer aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde im Bundesgebiet verbleiben und neuerlich einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen fehlt in Anbetracht der Sachlage jeder Anhaltspunkt. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer über keine finanziellen Mittel für eine freiwillige Ausreise verfüge, ist aktenwidrig. In der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides wird in diesem Zusammenhang nicht dargelegt, weshalb dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu folgen sei, wonach er über eine Bankomatkarte und EUR 6.676,00 verfügen würde.

Da der Beschwerdeführer unwidersprochen über keine Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt und er lediglich über Veranlassung seines türkischen Arbeitgebers in das Bundesgebiet für kurzfristig zu verrichtende Arbeiten einreise und er ebenso unwidersprochen erst auf dem Rückweg in die Bundesrepublik Deutschland mit einem Mietwagen betreten wurde, gebietet sich aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes gerade nicht der Schluss, dass der Beschwerdeführer weiterhin einer unerlaubten Erwerbstätigkeit in Österreich nachgehen würde. Vielmehr wäre nach der Lage des Falles davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer freiwillig die Ausreise in den Herkunftsstaat antritt, um zu seiner Wohnung und zu seinem Arbeitsplatz zurückzukehren. Für gegenteilige Absichten bestehen keine belastbaren Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens.

Die (potentielle) Verwirklichung eines Verwaltungsstraftatbestandes alleine vermag ebenfalls kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer raschen Außerlandesbringung zu rechtfertigen und es lang zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides darüber hinaus auch keine rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers vor, zumal die Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich ebenfalls (erst) am 19.11.2019 erlassen wurde.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen kann das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer eine derartige Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würden, dass die sofortige Ausreise der Beschwerdeführer geboten wäre. Die vom belangten Bundesamt auf § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde erweist sich samt der dazu herangezogenen Begründung als vollkommen verfehlt und beruht darüber hinaus noch auf einer aktenwidrigen Feststellung betreffend die angebliche Vermögenslosigkeit des Beschwerdeführers.

Zusammenfassend zeigt das belangte Bundesamt mit dem von ihm erhobenen Sachverhalt keine besonderen Gründe im Sinn der eingangs zitierten Rechtsprechung auf, weshalb die Aufenthaltsbeendigung sofort ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu erfolgen hätte. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass im gegenständlichen Fall einer der sonstigen Tatbestände des § 18 Abs. 1 oder 2 BFA-VG heranzuziehen wäre. Vielmehr liegt ein im Hinblick auf die Eignung der Vorgehensweise des belangten Bundesamtes, den gerichtlichen Rechtsschutz gegen den angefochtenen Bescheid durch eine übereilte Abschiebung des Beschwerdeführers noch vor dem Ablauf der Beschwerdefrist zu vereiteln, höchst bedenkliche und das hier erkennende Gericht missachtende Vorgehensweise vor.

2.2. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ist daher ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

2.3. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkte IV. spruchreif war und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für die Beschwerdeführer- auch zweckmäßig erscheint. Über die Beschwerde gegen die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wird nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens gesondert entschieden werden.

2.4. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da der für die Erlassung des gegenständlichen Teilerkenntnisses maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und seitens des belangten Bundesamtes keine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt wurde.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgeht. Darüber hinaus liegt bei Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage wie im gegenständlichen Fall eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Aktenwidrigkeit aufschiebende Wirkung Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L521.2227016.1.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten