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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des R in A, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Museumstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 28. April 1997, Zl. 11/275-9/1996, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a
Z. 10a StVO 1960 zur Gänze und in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 10 KFG 1967 hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe und den Kostenersatz wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol und der Bund haben dem Beschwerdeführer je zur Hälfte Aufwendungen von insgesamt S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem in Beschwerde gezogenen Teil des im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1. § 52 lit. a
Z. 10a StVO 1960 und 2. § 102 Abs. 10 erster Fall KFG 1967 bestraft, weil er am 30. April 1995 um 14.55 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Motorrad auf einer näher bezeichneten Stelle der Arlbergschnellstraße S 16 gelenkt und dabei 1. die durch Straßenverkehrszeichen im dortigen Bereich verordnete Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 30 km/h überschritten und 2. kein geeignetes Verbandszeug mitgeführt habe. Über den Beschwerdeführer wurden Geldstrafen von
1. S 1.200,-- und 2. S 400,-- verhängt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. Zur Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a
Z. 10a StVO 1960:
Die belangte Behörde ging in der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung im Rahmen einer gültigen Radarmessung festgestellt worden sei. Das vorliegende Radarlichtbild weise das Symbol "F" auf, was bedeute, daß eine Frontalmessung erfolgt sei. Damit scheide der auf dem Radarlichtbild sich vom Meßort entfernende Pkw als Meßobjekt aus. Der am Radarlichtbild ersichtliche weitere Motorradfahrer befinde sich außerhalb des Meßbereiches. Damit und im Zusammenhang mit der vorliegenden Zeugenaussage des Meßbeamten gebe es keinen Zweifel daran, daß die gemessene Geschwindigkeit von 116 km/h dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß aus der Aussage des "Meßbeamten" (des Zeugen K) nicht hervorgeht, daß sich das ein Meßergebnis von 116 km/h ausweisende Radarlichtbild auf das vom Beschwerdeführer gelenkte Motorrad bezieht. Nach den Aussagen des Zeugen seien zwar drei Motorradfahrer gemessen worden, doch gebe es nur Lichtbilder von zwei Messungen. Welche Motorradfahrer diese Messungen betrafen, läßt sich der Aussage des Zeugen nicht entnehmen. Diese Aussage bietet daher keine zureichende Grundlage für den - vom Beschwerdeführer bekämpften - Schluß der belangten Behörde, daß die gemessene Geschwindigkeit von 116 km/h dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei.
Dazu kommt, daß die bisherigen Beweisergebnisse nicht zur Beurteilung der Frage ausreichen, ob mit Rücksicht auf den auf dem Radarlichtbild aufscheinenden, in die Gegenrichtung fahrenden Pkw eine Beeinträchtigung des Meßergebnisses vorliegen kann. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 12. Juni 1986, Zl. 86/02/0039) ist nämlich die Frage, ob und bejahendenfalls in welcher Weise ein zweites in unmittelbarer Nähe des von der Messung betroffenen Fahrzeuges in die Gegenrichtung fahrendes Fahrzeug auf das Meßergebnis von Einfluß sein kann, von einem Sachverständigen zu beantworten. Dazu ist es im Beschwerdefall nicht gekommen.
Schon aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a
Z. 10a StVO wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Ein Eingehen auf das weitere die Bestrafung wegen dieser Verwaltungsübertretung betreffende Vorbringen in der Beschwerde erübrigte sich.
2. Zur Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 10 erster Fall KFG:
Gemäß § 102 Abs. 10 KFG 1967 hat der Lenker auf Fahrten Verbandszeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, sowie bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen eine geeignete Warneinrichtung mitzuführen.
Der Beschwerdeführer räumte in der Verhandlung vor der belangten Behörde am 28. April 1997 ein, daß er das Verbandszeug nicht selbst an seinem Motorrad mitgeführt habe; es sei vielmehr vom Motorradfahrer D, seinem Reisegefährten, zusätzlich zu dessen eigenem mitgeführt worden.
Allein schon diese Verantwortung rechtfertigt den Schuldspruch wegen der Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 10 erster Fall KFG 1967. Von einem "Mitführen" im Sinne dieser Bestimmung kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn sich das Verbandszeug als Ausstattungsgegenstand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1986, Zlen. 86/18/0111, 0112) an bzw. auf dem vom Lenker gelenkten Kraftfahrzeug befindet.
Was die vom Bescherdeführer gerügte Nichtanwendung von § 21 VStG anlangt, hat sich die belangte Behörde mit dieser schon in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgeworfene Frage nicht auseinandergesetzt und zu dem entsprechenden Vorbringen des Beschwerdeführers keine Feststellungen getroffen.
Damit hat sie gegen die Begründungspflicht gemäß den §§ 58 Abs. 2 und 60 in Verbindung mit § 67 AVG und § 24 VStG verstoßen und ihren Bescheid hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil sie bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dies deshalb, weil das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. April 1996, Zl. 94/03/0003) im Beschwerdefall nicht von vornherein verneint werden kann.
Der angefochtene Bescheid war daher in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 10 KFG 1967 hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe und den Kostenersatz gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Feststellen der GeschwindigkeitBeweismittel Sachverständigenbeweis Technischer SachverständigerDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 MitführenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997030159.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
10.09.2010