TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 L525 2185307-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2020
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Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L525 2185307-2/3E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , StA: Pakistan, alias StA: Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2019, Zl. 1073515509-190660584/BMI-EAST_OST, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 19.12.2019, Zl. 1073515509-190660584/BMI-EAST_OST, wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 68 AVG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.6.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer wurde am 16.6.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen und führte aus, er heiße XXXX , sei pakistanischer Staatsbürger und sei am XXXX in Peschawar geboren. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, er sei in Pakistan geboren und aufgewachsen und sei noch nie in Afghanistan gewesen. Warum die Familie des Beschwerdeführers Afghanistan verlassen habe, wisse er nicht. Aus Pakistan sei er geflüchtet, da seine Familie eine Feindschaft in Pakistan hätte. Der Vater des Beschwerdeführers würde ein paar Leuten Geld schulden. Als diese Leute das Geld wieder zurück haben hätten wollen, hätte der Vater das Geld nicht zahlen können, weswegen ein Streit ausgebrochen sei. Ein Cousin väterlicherseits hätte den Vater verteidigen wollen und deshalb hätte dieser einer der Männer getötet. Jetzt würden diese Männer Rache nehmen wollen und den Beschwerdeführer daher töten. Aus diesen Grund sei er aus Pakistan geflohen.

Der Beschwerdeführer begab sich seiner Asylantragstellung in Österreich unberechtigt nach Norwegen und stellte dort einen weiteren Asylantrag. Hierbei gab der Beschwerdeführer an, dass er XXXX heiße und am XXXX geboren wäre.

Am 29.01.2016 stellte der Beschwerdeführer in der Schweiz einen weiteren Asylantrag. Hierbei gab er an XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Die Schweizer Behörden führten in Folge aufgrund von Zweifeln an den Altersangaben des Beschwerdeführers eine Altersfeststellung durch. Diese ergab, dass die Altersangaben des BF dahingehend korrigiert wurden, dass ein fiktives Geburtsdatum mit Datum 22.3.1997 festgelegt worden ist.

Von der Schweiz wurde der BF in Folge nach Österreich überstellt. Bei der Rücküberstellung am 23.03.2016 führte der Beschwerdeführer vor dem LPD - Vorarlberg aus, dass er XXXX heiße und am XXXX geboren wäre und pakistanischer Staatsbürger wäre.

Mit Schreiben vom 05.04.2016 teilte der Beschwerdeführer dem BFA mit, dass er seinen Namen und Daten im Verfahren korrigieren wolle. Er heiße XXXX , StA: Afghanistan. Es wäre offenbar bei der Erstbefragung zu einem Fehler bei der Übersetzung gekommen.

Aufgrund Zweifel an dem angegebenen Geburtsdatum mit Datum 1.1.1999 wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Aufgrund des Ergebnisses dieses Gutachtens wurde das Geburtsdatum auf den 2.11.1998 korrigiert.

Nach Mitteilung der Abt. III / 9 des BMI vom 08.09.2016 verweigerte der Beschwerdeführer einen Transfer in die GVS NÖ mit Datum 07.09.2016. Der Beschwerdeführer hätte die SBS Magdeburg ohne Abmeldung nach unbekannt verlassen.

Am 27.08.2016 wurde ein Abschlussbericht gem. §100 StPO des LPD - NÖ an das BFA betreffend des Verdachtes auf Begehung einer Körperverletzung an das BFA übermittelt.

Der BF wurde nach Wiederaufnahme in die GVS vom 08.09.2016 bis zum 25.09.2016 in der SBS Hörsching am 26.09.2016 aufgrund unbekannten Aufenthaltes von der GVS abgemeldet.

Am 01.10.2016 wurde ein Abschlussbericht gem. §100 StPO des LPD - NÖ an das BFA betreffend des Verdachtes auf Begehung eines Raufhandels an das BFA übermittelt.

Mit Beschluss des BG Josefstadt vom 05.11.2016 wurde die einstweilige Obsorge für den minderjährigen Beschwerdeführer dem Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger Wien übertragen.

Mit Urteil des BG INNERE STADT WIEN vom 09.01.2018 wurde der BF gem. § 83 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen verurteilt.

Am 8.6.2017 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Befragt zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, sein Vater hätte sich in Pakistan von einer Person Geld ausgeborgt um die Ausbildung der Schwester zu bezahlen. In weiterer Folge habe der Vater das Geld aber nicht zurückzahlen können. Ein Junge hätte dann einen Streit mit einem Cousin, der sich bei dem Streit beim Vater befunden hätte, angefangen. Im Zuge dieses Streites wäre dieser Junge dann vom Cousin mit einer Schaufel erschlagen worden. Darauf hätte die andere Familie angekündigt, dass sie den Beschwerdeführer umbringen werden würden. Versuche des Vaters auf Versöhnung seien gescheitert. Nach dem Tod der Mutter hätte sich ein Onkel um den Beschwerdeführer gekümmert und hätte dieser den Beschwerdeführer dann nach Europa geschickt. In Kabul könne er nicht leben, da er dort niemanden kenne. Wo genau sich die Verfolger derzeit aufhalten würden, wisse der Beschwerdeführer nicht. Die Geschwister würden weiterhin in Afghanistan leben beim Onkel.

Mit Bescheid des BFA vom 13.1.2018 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt.

Das BFA führte zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer habe keine glaubhafte bzw. asylrelevante Verfolgung behauptet. Der Beschwerdeführer wäre bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht gefährdet. Gründe, die die Gewährung von subsidiärem Schutz indizieren würden, seien nicht hervorgekommen. Eine verfahrensrelevante Integration sei nicht erkennbar, weswegen die Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen sei. Aufgrund der Täuschung über seine Identität bzw. sein wahres Alter sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welches die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit hg Erkenntnis vom 13.7.2018, Zl. W168 2185307-1/12E als unbegründet abwies.

So weit von Bedeutung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei und seine Identität nicht feststehe. Sowohl die Eltern als auch mehrere Onkel des Beschwerdeführers würden in Afghanistan wohnen. Eine asylrelevante Bedrohung sei nicht glaubhaft gemacht worden und stelle sich die Rückkehrsituation dergestalt dar, als dass der Beschwerdeführer in keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation geraten würde.

Der Beschwerdeführer verließ in weiterer Folge das Bundesgebiet und stellte der Beschwerdeführer am 29.1.2019 in Italien und am 9.8.2019 jeweils neue Anträge auf internationalen Schutz. Am 28.6.2019 reiste der Beschwerdeführer neuerlich in das Bundesgebiet ein und stellte am 1.7.2019 den gegenständlichen Asylantrag. Der Beschwerdeführer wurde am 2.7.2019 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu seinen nunmehrigen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, nach dem Tod seiner Mutter habe sein Vater erneut geheiratet. Er habe sich mit seiner Stiefmutter allerdings nie verstanden und schlussendlich habe sie ihn des Hauses verwiesen. Er hätte obendrein auch ein Verhältnis mit einem Mädchen gehabt und hätte deren Mutter die beiden erwischt, als sie in ihrem Zimmer gewesen seien. Nun werde der Beschwerdeführer von der Familie des Mädchens verfolgt und mit dem Tod bedroht. Angeblich warte die Familie des Mädchens, bis sie ihn erwischen würden, damit sie dann gemeinsam bestraft oder getötet werden würden. Der Beschwerdeführer legte nunmehr einen Personalausweis aus Pakistan vor und gab an, er sei pakistanischer Staatsbürger und heiße XXXX und sei am XXXX geboren.

Der Beschwerdeführer wurde am 24.7.2019 durch das BFA niederschriftlich einvernommen, welche aufgrund von Verständigungsproblemen abgebrochen werden musste.

Der Beschwerdeführer wurde wiederum am 31.7.2019 durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Soweit für das Verfahren von Bedeutung gab der Beschwerdeführer an, er habe angegeben, dass er aus Afghanistan stamme, weil er vom Schlepper gehört hätte, dass Afghanen Asyl bekommen. Alle Angaben seien falsch. Er habe jetzt auch Beweismittel, dass er tatsächlich aus Pakistan stamme. Auch seine bisherigen Fluchtgründe seien falsch gewesen. Er stamme aus Peshawar. Sein Vater, seine sechs Brüder und seine Schwester würden in Pakistan leben. Seine drei Halbbrüder und eine Halbschwester ebenfalls. Er habe sehr guten Kontakt zu seinen Brüdern, mit seinem Vater würde er selten telefonieren. Diese hätten in Pakistan alle ein gutes Leben und würden sehr gut verdienen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 19.12.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 1.7.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf internationalen Schutz vom 1.7.2019 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abscheidung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestünde keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein zweijähriges Einreiseverbot verhängt.

Das BFA führte aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe (nunmehr) fest. Er leide an keinen schweren psychischen oder physischen Krankheiten. Seine Identität stehe fest, was sich aus den vorgelegten Identitätsdokumenten ergäbe. Für den Fall der Rückkehr in das Herkunftsland Pakistan könne keine wie auch immer geartete Gefährdung festgestellt werden. Die maßgebliche Lage im Herkunftsland habe sich seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens am 23.7.2018 in II. Instanz nicht geändert. Aufgrund der Feststellungen im Vorverfahren, sowie auch aufgrund der Feststellungen, dass sich in Bezug auf die Länderberichte zu Pakistan in Bezug auf das Vorbringen und auf die Glaubwürdigkeit der Aussagen keine wesentlichen Veränderungen der Lage ableiten lassen können, könne weiterhin nicht von einer gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung ausgegangen werden. Die vorgebrachten Gründe, weswegen es dem Beschwerdeführer nun nicht mehr möglich wäre, in sein Herkunftsland zurückzukehren, seien nicht geeignet eine neue, inhaltliche Entscheidung herbeizuführen. Es seien keine Umstände amtsbekannt, dass in Pakistan derzeit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung ausgesetzt sei. Zum gegenständlichen Verfahren sei anzumerken, dass die nunmehr vorgebachten Gründe für eine neuerliche Antragstellung bereits zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Erstverfahrens bestanden hätten und sich seither kein entscheidungsrelevanter Sachverhalt ergäben hätte, insbesondere die maßgebliche Sachlage habe keine Änderung erfahren. Dem neuen Antrag stehe die Rechtskraft des ergangenen Erkenntnisses vom 13.7.2018, weswegen der Antrag zurückzuweisen sei.

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 9.1.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte mit Mail vom 29.1.2020, dass die Akten des Verfahrens am 28.1.2020 beim Bundesverwaltungsgericht und am 29.1.2020 in der zuständigen Gerichtsabteilung L525 eingelangt sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der erste Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit hg Erkenntnis vom 13.7.2018, Zl. W168 2185307-1/12E, zugestellt am 23.7.2018, rechtskräftig abgeschlossen. Damit wurde die Beschwerde gegen einen Bescheid der belangten Behörde vom 13.1.2018 abgewiesen. In diesem Bescheid bereits ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer aus Afghanistan stammte bzw. afghanischer Staatsbürger sei und versagte die belangte Behörde im ersten Asylverfahren die Zuerkennung des subsidiären Schutzes in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan und verfügte die Ausweisung nach Afghanistan. Das Bundesverwaltungsgericht prüfte in weiterer Folge ebenso die Ausweisung nach Afghanistan und setzte sich umfangreich mit der Sicherheitslage in Afghanistan im Hinblick auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz in Bezug auf das angenommene Herkunftsland Afghanistan.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid geht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nunmehr von einer pakistanischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers aus, stellte die Identität fest, prüfte die Sicherheitslage auf Basis der Länderberichte zu Pakistan und erkannte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem hg. Erkenntnis vom 13.7.2018, W168 2185307-1/12E und den dort angeführten Erwägungen. Dass sowohl das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch das Bundesverwaltungsgericht von einer afghanischen Staatsangehörigkeit ausgingen, ergibt sich eindeutig aus den dort angeführten Erwägungen.

Dass die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren nunmehr von einer pakistanischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ausgeht und in weiterer Folge dies den weiteren Erwägungen zugrunde legt, ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid. Dies ergibt sich zunächst aus dem Spruch, wo in Spruchpunkt V. die Abschiebung nach Pakistan für zulässig erklärt wird. Ihren weiteren Erwägungen (auch) hinsichtlich der Zuerkennung von subsidiärem Schutz legte sie die Länderberichte der Staatendokumentation zu Pakistan zugrunde. All dies ergibt sich aus dem angefochtenen, nunmehr gegenständlichen Bescheid.

3. Rechtliche Beurteilung:

ZU A)

Zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 (WV), idF BGBl. I Nr. 161/2013 lautet:

"2. Abschnitt: Sonstige Abänderung von Bescheiden

Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid

1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,

2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,

3. tatsächlich undurchführbar ist oder

4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.

(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.

(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich bereits aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismittel, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhaltes stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides (bzw. hier: Erkenntnis) entgegensteht (vgl. das Erk des VwGH vom 6.11.2009, Zl. 2008/19/0783, mwN). Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich ein Asylwerber auf sie, so liegt eben kein geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird jener Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein Fortbestehen und Weiterwirken behauptet) über den bereits rechtskräftig abgesprochen wurde (vgl. das Erk. des VwGH vom 20.3.2003, Zl. 99/20/0480).

Zum gegenständlichen Verfahren:

Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet im vorliegenden Verfahren das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.7.2018, Zl. W168 2185307-1, welches in Rechtskraft erwuchs. Wie festgestellt ging das Bundesverwaltungsgericht (und auch die belangte Behörde) im ersten inhaltlichen Verfahren davon aus, dass der Beschwerdeführer aus Afghanistan stamme und prüfte daher auch eine Abschiebung nach Afghanistan bzw. auch die allgemeine Lage im Hinblick auf das Herkunftsland Afghanistan. Soweit die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren allerdings die Identität des Beschwerdeführers als pakistanischen Staatsbürger feststellt und die entschiedene Sache auf den Herkunftsstaat Pakistan prüft und zum Ergebnis kommt, dass der gegenständliche Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, verkennt sie die Rechtslage. Das Vergleichserkenntnis enthielt unter anderem eine Refoulement-Prüfung in Bezug auf Afghanistan in Folge der vom Beschwerdeführer selbst angegebenen falschen Staatsangehörigkeit, allerdings enthielt das Vergleichserkenntnis keine Prüfung im Hinblick auf Pakistan. Es fehlt dem Vergleichserkenntnis daher an Feststellungen bzw. Ausführungen im Hinblick auf den Herkunftsstaat Pakistan. Ohne diese Feststellungen im Vergleichserkenntnis (bzw. in der inhaltlichen Entscheidung) kann die belangte Behörde allerdings nicht von einer entschiedenen Sache ausgehen. Der belangten Behörde war es daher verwehrt, ohne fallbezogene Prüfung des Vorliegens - zumindest im Hinblick auf den subsidiären Schutz - ohne Vorliegen eines das Refoulment nach Pakistan betreffenden Bescheidspruch davonauszugehen, dass über diese Sache bereits entschieden wurde (vgl. dazu bereits das E des VwGH vom 11.11.2010, Zl. 2010/20/0002). Einfach ausgedrückt durfte die belangte Behörde nicht von einer entschiedenen Sache ausgehen, wenn im inhaltlichen ersten Verfahren über die Abschiebung und über die Gewährung von subsidiärem Schutz in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgesprochen wurde, im gegenständlichen Verfahren allerdings über Pakistan. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und liegt nach hg Rechtsansicht eben keine entschiedene Sache vor.

Das erkennende Gericht hält fest, dass diese Entscheidung keine Aussage darüber trifft, ob das nunmehr vorgebrachte Vorbringen in irgendeiner Weise glaubhaft ist oder nicht, sondern stellt ausschließlich fest, dass die belangte Behörde rechtsirrig den Antrag zurückgewiesen hat. Der Beschwerdeführer ist daher zum Verfahren zuzulassen.

Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Da sich bereits aus der Aktenlage ergibt, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben entschiedene Sache ersatzlose Behebung Folgeantrag Identität Rechtskraft der Entscheidung res iudicata Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung behoben Sache des Verfahrens Staatsangehörigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L525.2185307.2.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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