TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/5 L510 2218965-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2020
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Entscheidungsdatum

05.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L510 2218965-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2019, Zahl XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 25.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde zugleich durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt (AS 1ff).

2. Am 13.03.2019 wurde der Beschwerdeführer durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen (AS 61ff).

3. Mit Bescheid des BFA vom 16.04.2019, Zahl XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG abgewiesen. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ (IV.) gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte (V.) gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (VI.) aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (AS 87f).

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte, Beschwerde (AS 203ff, OZ 12).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Er ist Staatsangehöriger der Türkei und gehört der islamischen Religionsgemeinschaft und der Volksgruppe der Zaza an. Seine Identität steht fest (AS 77). Er stammt aus Aksaray, besuchte 5 Jahre die Schule und arbeitete bis zu seiner Ausreise als Landwirt sowie als Hilfsarbeiter. Er hat vier Söhne, die, wie seine Mutter und seine Geschwister, in der Türkei leben. Der Beschwerdeführer hat Kontakt mit seiner Familie, aber nicht zu seinen Kindern. Der Familie geht es in der Türkei gut (AS 1ff, 64-67).

1.2. Ende Oktober 2017 reiste der Beschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet ein. Seit etwa Oktober 2018 führt der Beschwerdeführer eine Beziehung mit einer nunmehr österreichischen Staatsangehörigen türkischer Abstammung (AS 65), welcher er am 18.01.2019 vor einem österreichischen Standesamt ehelichte (AS 39). Der Beschwerdeführer lebt seit Dezember 2018 im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und deren beiden Töchtern (AS 66), seine Frau sorgt für den Unterhalt des Beschwerdeführers (AS 71).

1.3. Der Beschwerdeführer bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde in Österreich, er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer spricht die deutsche Sprache nicht (AS 68). Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation in Österreich (AS 68), er verbringt den Tag zu Hause mit seiner Frau, sie gehen spazieren und Kaffee trinken (AS 66, 71).

1.4. Der Beschwerdeführer ist gesund, er befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung, nimmt jedoch Medikamente gegen Magenschmerzen (AS 63). Der Beschwerdeführer leidet nicht an Orientierungslosigkeit, massiven Erinnerungslücken oder krankhafter Vergesslichkeit.

1.5. Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft dargelegt und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in der ganzen Türkei einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

1.6. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei schließt sich das BVwG den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der belangten Behörde (Bescheid, Seiten 18-74) an und wird konkret auf die insoweit relevanten Abschnitte hingewiesen:

3.Sicherheitslage

Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage. In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Im Südosten des Landes sind die Spannungen besonders groß, und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen. Der nach dem Putschversuch vom 15.7.2016 ausgerufene Notstand wurde am 18.7.2018 aufgehoben. Allerdings wurden Teile der Terrorismusabwehr, welche Einschränkungen gewisser Grundrechte vorsehen, ins ordentliche Gesetz überführt. Die Sicherheitskräfte verfügen weiterhin über die Möglichkeit, die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken sowie kurzfristig lokale Ausgangssperren zu verhängen. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko von Terroranschlägen jederzeit im ganzen Land. Im Südosten und Osten des Landes, aber auch in Ankara und Istanbul haben Attentate wiederholt zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert, darunter Sicherheitskräfte, Bus-Passagiere, Demonstranten und Touristen (EDA 19.9.2018). Im Juli 2015 flammte der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und PKK wieder militärisch auf, der Lösungsprozess kam zum Erliegen. Die Intensität des Konflikts innerhalb des türkischen Staatsgebiets hat aber seit Spätsommer 2016 nachgelassen (AA 3.8.2018). Mehr als 80% der Provinzen im Südosten des Landes waren zwischen 2015 und 2016 von Attentaten der PKK, der TAK und des sogenannten IS, sowie Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen (SFH 25.8.2016). Ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3 des BMEIA) gilt in den Provinzen Agri, Batman, Bingöl, Bitlis, Diyarbakir, Gaziantep, Hakkari, Kilis, Mardin, Sanliurfa, Siirt, Sirnak, Tunceli und Van - ausgenommen in den Grenzregionen zu Syrien und dem Irak. Gebiete in den Provinzen Diyarbakir, Elazig, Hakkari, Siirt und Sirnak können von den türkischen Behörden und Sicherheitskräften befristet zu Sicherheitszonen erklärt werden. Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) gilt im Rest des Landes (BMEIA 9.10.2018).

1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren waren während der Kämpfe 2015-2016 von Ausgangssperren betroffen. Die türkischen Sicherheitskräfte haben in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil schwer zerstört (CoE-CommDH 2.12.2016). Im Jänner 2018 veröffentlichte Schätzungen für die Zahl der seit Dezember 2015 aufgrund von Sicherheitsoperationen im überwiegend kurdischen Südosten der Türkei Vertriebenen, liegen zwischen 355.000 und 500.000 (MMP 1.2018).

Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften. Sie war dabei einer dreifachen Bedrohung durch Terroranschläge der PKK bzw. ihrer Ableger, des sogenannten Islamischen Staates sowie - in sehr viel geringerem Ausmaß - auch linksextremistischer Gruppierungen wie der Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) ausgesetzt (AA 3.8.2018). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Mitgliedern bewaffneter Gruppen wurden weiterhin im gesamten Südosten gemeldet. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums wurden vom 2. bis 3. Juli 2015 und 11. Juni 2017 im Rahmen von Sicherheitsoperationen 10.657 Terroristen "neutralisiert" (OHCHR 3.2018). Die Sicherheitslage im Südosten ist weiterhin angespannt, wobei 2017 weniger die urbanen denn die ländlichen Gebiete betroffen waren (EC 17.4.2018).

Es ist weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen. Behörden berufen sich bei Festnahmen auf die Mitgliedschaft in Organisationen, die auch in der EU als terroristische Vereinigung eingestuft sind (IS, PKK), aber auch auf Mitgliedschaft in der so genannten "Gülen-Bewegung", die nur in der Türkei unter der Bezeichnung "FETÖ" als terroristische Vereinigung eingestuft ist. Auch geringfügige, den Betroffenen unter Umständen gar nicht bewusste oder lediglich von Dritten behauptete Berührungspunkte mit dieser Bewegung oder mit ihr verbundenen Personen oder Unternehmen können für eine Festnahme ausreichen. Öffentliche Äußerungen gegen den türkischen Staat, Sympathiebekundungen mit von der Türkei als terroristisch eingestuften Organisationen und auch die Beleidigung oder Verunglimpfung von staatlichen Institutionen und hochrangigen Persönlichkeiten sind verboten, worunter auch regierungskritische Äußerungen im Internet und in den sozialen Medien fallen (AA 10.10.2018a).

3.1.Gülen- oder Hizmet-Bewegung

Wohl kaum eine Person ist in der Türkei so umstritten wie Fethullah Gülen, ein muslimischer Prediger und als solcher charismatisches Zentrum eines weltweit aktiven Netzwerks, das bis vor kurzem die wohl einflussreichste religiöse Bewegung des Landes war. Von seinen Gegnern wird Gülen als Bedrohung der staatlichen Ordnung der Republik Türkei bezeichnet (bpb 1.9.2014). Die Gülen-Bewegung (türk.: Hizmet) definiert sich selbst als "eine weltweite zivile Initiative, die in der geistigen und humanistischen Tradition des Islam verwurzelt ist und von den Ideen und dem Aktivismus des Herrn Fethullah Gülen inspiriert ist" (GM o.D.). Gülen wird von seinen Anhängern als spiritueller Führer betrachtet. Er fördert einen toleranten Islam, der Altruismus, Bescheidenheit, harte Arbeit und Bildung hervorhebt. Die Gülen-Bewegung betreibt Schulen [zahlreiche hiervon wurden geschlossen] rund um den Globus. In der Türkei soll es möglicherweise Millionen Anhänger geben, oft in einflussreichen Positionen. Mit ihrem Fokus auf islamische Werte waren Gülen und seine Anhänger natürliche Verbündete Erdogans, als letzterer die Macht übernahm. Erdogan nutzte die bürokratische Expertise der Gülenisten, um das Land zu führen und dann, um das Militär aus der Politik zu drängen. Nachdem das Militär entmachtet war, begann der Machtkampf (BBC 21.7.2016), der im Dezember 2013 eskalierte, als angeblich Gülen nahestehende Staatsanwälte gegen vier Minister der Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Erdogan Ermittlungen wegen Korruption einleiteten. In der Folge versetzte die Regierung die an den Ermittlungen beteiligten Staatsanwälte, Polizisten und Richter (bpb 1.9.2014).

Ein türkisches Gericht hatte im Dezember 2014 Haftbefehl gegen Gülen erlassen. Die Anklage beschuldigte die Hizmet-Bewegung, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Zur gleichen Zeit ging die Polizei mit einer landesweiten Razzia gegen mutmaßliche Anhänger Gülens in den Medien vor (Standard 20.12.2014).

Am 27.5.2016 verkündete Staatspräsident Erdogan, dass die Gülen-Bewegung auf der Basis einer Entscheidung des Nationalen Sicherheitsrates vom 26.5.2016 als terroristische Organisation registriert wird (HDN 27.5.2016). In den offiziellen türkischen Quellen wird die "Gülenistische Bewegung" oder das "Netzwerk" nun als FETÖ/PDY, kurz: FETÖ (Fethullah Terror Organisation/ Strukturen des Parallelstaates) bezeichnet. Die türkischen Behörden, von einem breiten Konsens in der Gesellschaft unterstützt, machten angesichts des Putschversuches vom 15.7.2016 unmittelbar die Gülen-Bewegung für dessen Organisation verantwortlich. Fethullah Gülen wies jegliche Involvierung von sich. Bislang verweigerten die USA, wo Gülen im selbstgewählten Exil lebt, dessen Auslieferung (PACE 15.12.2016).

Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Nils Mui?nieks, stellte am 7.10.2016 zum vermeintlichen terroristischen Charakter der Gülen-Bewegung fest, dass die Bereitschaft der Gülen-Bewegung Gewalt anzuwenden, was eine Grundvoraussetzung für die Definition von Terrorismus ist, bis zum Tage des Putschversuches für die türkische Öffentlichkeit nicht augenscheinlich war. Er betonte die notwendige Unterscheidung bei der Kriminalisierung der Mitgliedschaft und der Unterstützung der Organisation, nämlich zwischen jenen, die in illegale Handlungen verwickelt sind und jenen, welche Sympathisanten, Unterstützer oder Mitglieder sind, ohne jedoch etwas über die Bereitschaft zur Gewaltbeteiligung zu wissen. Eine bloße Mitgliedschaft in, oder Kontakte zu einer Organisation, selbst wenn diese mit der Gülen-Bewegung in Verbindung steht, reicht nicht für eine strafrechtliche Verantwortung aus. Mui?nieks forderte die Behörden in diesem Zusammenhang auch dazu auf, dass Anklagen wegen Terrorismus nicht rückwirkend auf Handlungen angewendet werden, die vor dem 15.7.2016 als legal galten (CoE-CommDH 7.10.2016).

Die EU stuft die Bewegung des in den USA lebenden türkischen Predigers Fethullah Gülen weiterhin nicht als Terrororganisation ein und steht auf dem Standpunkt, die Türkei müsse schon "substanzielle" Beweise vorlegen, um die EU zu einer Änderung dieser Einschätzung zu bewegen (Standard 30.11.2017).

Besonders besorgniserregend ist, dass auch Angehörige von Verdächtigen direkt oder indirekt von einer Reihe von Maßnahmen betroffen waren, darunter die Entlassung aus der öffentlichen Verwaltung und die Beschlagnahme oder Löschung von Pässen (EC 17.4.2018).

Gülen-Anhänger werden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Zusätzlich können sie noch wegen Terrorfinanzierung, Leitung bestimmter Gruppierungen, als Imame der Armee, Polizei, usw. angeklagt werden. Die Höchststrafe ist lebenslänglich. Mehrere Delikte (z.B. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Finanzierung, Mord, etc.) können gleichzeitig angeklagt werden, eventuell verhängte Freiheitsstrafen werden zusammengerechnet (VB 26.9.2018).

Für die Evidenz einer Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung genügen u.a. schon der Besuch eines Kindes an einer der Organisation angeschlossenen Schule, die Einzahlung von Geldern in eine der Organisation angeschlossenen Bank, i.e. die Asya-Bank oder der Besitz des mobilen Messenger-Dienstes "ByLock" (EC 17.4.2018, NYT 13.4.2017); der Besitz einer 1-US-Dollar-Banknote der F-Serie (als geheimes Erkennungszeichen), die Anstellung an einer mit der Gülen-Bewegung (ehemals) verbundenen Institution - z.B. einer Universität oder einem Krankenhaus; das Abonnieren der [vormaligen] Gülen-Zeitung "Zaman" oder der Besitz von Gülens Büchern (NYT 13.4.2017; vgl. taz.gazete 9.2.2018).

Ende November 2017 gab Innenminister Süleyman Soylu bekannt, dass 215.092 Personen als Nutzer der Smartphone-Anwendung "ByLock" aufgelistet und bereits 23.171 Nutzer verhaftet wurden (TM 27.11.2017). Im September 2017 entschied das Kassationsgericht, dass der Besitz von ByLock einen ausreichenden Nachweis für die Aufnahme in die Gülen-Bewegung darstellt. Im Oktober 2017 entschied das Gericht jedoch, dass das Sympathisieren mit der Gülen-Bewegung nicht gleichbedeutend ist mit einer Mitgliedschaft und somit keinen ausreichenden Nachweis für letztere darstellt. Mehrere Personen, die wegen angeblicher Nutzung von ByLock verhaftet wurden, wurden freigelassen, nachdem im Dezember 2017 nachgewiesen wurde, dass Hunderte von Personen zu Unrecht der Nutzung der mobilen Anwendung beschuldigt wurden (EC 17.4.2018). Ende September 2018 wurden mindestens 21 Verdächtige in Istanbul nach Razzien an 54 Orten verhaftet, denen vorgeworfen wurde, die verschlüsselte Messaging-Anwendung ByLock zu verwenden und an Trainingsaktivitäten des Unternehmens beteiligt gewesen zu sein (Anadolu 24.9.2018).

Das Oberste Berufungsgericht entschied, dass diejenigen, die nach dem Aufruf von Fetullah Gülen Anfang 2014 Geld bei der Bank Asya eingezahlt haben, als Unterstützer und Begünstiger der Gülen-Bewegung angesehen werden sollten (DS 11.2.2018). Die Generalstaatsanwaltschaft Ankara hat Ende Mai 2018 Haftbefehle gegen 59 Personen erlassen, die Kunden des inzwischen geschlossenen islamischen Kreditgebers Bank Asya waren, die mit der Gülen-Bewegung verbunden war (TM 30.5.2018).

Laut Innenminister Süleyman Soylu wurden zwischen Juli 2016 und April 2018 77.000 Personen wegen Verbindungen zur Gülen-Bewegung inhaftiert. 2017 wurden 20.478 Personen verhaftet und in Untersuchungshaft genommen, in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 weitere 2.706 Personen (SCF 28.4.2018). Türkische Staatsanwälte haben laut Justizministerium [Stand Juni 2018] seit dem Putsch gegen 203.518 Personen wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung ermittelt. Demnach wird derzeit 83.722 Anhängern der Gülen-Bewegung der Prozess gemacht und 16.195 befinden sich in Untersuchungshaft. Insgesamt 34.926 Anhänger der Gülen-Bewegung wurden verurteilt, davon 12.617 zu Gefängnisstrafen, während der Rest gegen Kaution frei kam. Insgesamt wurden 13.992 Angeklagte von den Gerichten freigesprochen (SCF 20.6.2018). Mitte Juli 2018 gab Ömer Faruk Aydiner, stellvertretender Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium, bekannt, dass bisher gegen 445.000 Personen Untersuchungen wegen ihrer Verbindungen zur Gülen-Bewegung durchgeführt wurden (TP 2.9.2018). [zu Verurteilungen siehe: 4.Rechtsschutz/Justizwesen].

Präsident Erdogan hatte Ende September 2018 angekündigt, der türkische Geheimdienst werde "Überseeoperationen" gegen Unterstützer Gülens starten. Laut offiziellen Angaben wurden seit dem gescheiterten Putschversuch 80 türkische Staatsbürger in 18 Ländern festgenommen. So wurde z. B. am 28.4.2018 in Aserbaidschan die Ehefrau eines Geschäftsmanns entführt und nach Istanbul verschleppt. Im März 2018 entführten türkische Geheimagenten sechs Männer aus dem Kosovo und brachten sie in einem Privatjet in die Türkei (Standard 3.10.2018, vgl. NYT 5.4.2018).

17.Ethnische Minderheiten

Die türkische Verfassung sieht nur eine einzige Nationalität für alle Bürger und Bürgerinnen vor. Sie erkennt keine nationalen oder ethnischen Minderheiten an, mit Ausnahme der drei nicht-muslimischen, nämlich der Armenisch-Orthodoxen Christen, der Juden und der Griechisch-Orthodoxen Christen. Andere nationale oder ethnische Minderheiten wie Assyrer, Dschafari [zumeist schiitische Azeris], Jesiden, Kurden, Araber, Roma, Tscherkessen und Lasen dürfen ihre sprachlichen, religiösen und kulturellen Rechte nicht vollständig ausüben (USDOS 20.4.2018). [...]

Die gesetzlichen Einschränkungen für den muttersprachlichen Unterricht in der Primar- und Sekundarstufe blieben bestehen. Optionale Kurse in Kurdisch wurden in öffentlichen staatlichen Schulen und Universitäten in Kurdisch, Arabisch, Syrisch und Zazaki weiterhin angeboten.

17.1.Kurden

Die Kurden (ca. 20% der Bevölkerung) leben v.a. im Südosten des Landes sowie, bedingt durch Binnenmigration und Mischehen, in den südlich und westlich gelegenen Großstädten (Istanbul, Izmir, Antalya, Adana, Mersin, Gaziantep) (ÖB 10.2017). Mehr als 15 Millionen türkische Bürger haben einen kurdischen Hintergrund und sprechen einen der kurdischen Dialekte (USDOS 20.4.2018). Der private Gebrauch der in der Türkei gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmandschi und des weniger verbreiteten Zaza ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings eingeschränkt (AA 3.8.2018). Einige Universitäten bieten Kurdisch-Kurse an, und zwei Universitäten haben Abteilungen für die Kurdische Sprache (USDOS 20.4.2018). Die kurdischen Gemeinden waren überproportional von den Zusammenstößen zwischen der PKK und den Sicherheitskräften betroffen. In etlichen Gemeinden wurden seitens der Regierung Ausgangssperren verhängt. Kurdische und pro-kurdische NGOs sowie politische Parteien berichteten von zunehmenden Problemen bei der Ausübung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 20.4.2018). Hunderte von kurdischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und kurdischsprachigen Medien wurden 2016 nach dem Putschversuch per Regierungsverordnung geschlossen (USDOS 20.4.2018; vgl. EC 17.4.2018). Durch eine sehr weite Auslegung des Kampfes gegen den Terrorismus wurden die Rechte von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, die sich mit der Kurdenfrage auseinandersetzen, zunehmend eingeschränkt (EC 17.4.2018). Zwei Drittel der per Notstandsdekret geschlossenen Medien sind kurdische Zeitungen, Onlineportale, Radio- und Fernsehsender. Am 16.08.16 wurde z. B. die Tageszeitung "Özgür Gündem" per Gerichtsbeschluss geschlossen. Der Zeitung wird vorgeworfen, "Sprachrohr der PKK" zu sein (AA 3.8.2018; vgl. EFJ 30.10.2016). Im Jahr 2017 wurden kurdische Journalisten wegen Verbindungen zur bewaffneten kurdischen Arbeiterpartei (PKK) wegen ihrer Berichterstattung verfolgt und inhaftiert. Dutzende von Journalisten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich an einer Solidaritätskampagne mit der inzwischen geschlossenen pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem beteiligten, wurden wegen terroristischer Propaganda verfolgt (HRW 18.1.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Verschlechterung der Sicherheitslage in der Region seit dem Zusammenbruch des Friedensprozesses im Jahr 2015 setzte sich fort und betraf im Jahr 2017 die städtischen Gebiete in geringerem Maße. Stattdessen waren ländliche Gebiete zusehends betroffen. Es gab keine Entwicklungen in Richtung der Wiederaufnahme eines glaubwürdigen politischen Prozesses, der für eine friedliche und nachhaltige Lösung notwendig ist. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 wurden zahlreiche kurdische Lokalpolitiker wegen angeblicher Verbindung zur PKK inhaftiert. Im Osten und Südosten gab es zahlreiche neue Festnahmen und Verhaftungen von gewählten Vertretern und Gemeindevertretern auf der Basis von Vorwürfen, terroristische Aktivitäten zu unterstützen. An deren Stelle wurden Regierungstreuhänder ernannt (EC 17.4.2018; vgl. AM 12.3.2018, USDOS 20.4.2018).

Mehr als 90 Bürgermeister wurden durch von der Regierung ernannte Treuhänder ersetzt. 70 von ihnen befinden sich in Haft. Insgesamt wurden mehr als 10.000 Funktionäre und Mitglieder der pro-kurdischen HDP verhaftet (AM 12.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). [siehe auch Kapitel 13.1. Opposition]

Die pro-kurdische HDP schaffte bei den Wahlen im Juni 2018 den Wiedereinzug ins Parlament mit einem Stimmenanteil von 11,5% und 68 Abgeordneten, dies trotz der Tatsache dass der Spitzenkandidat für die Präsidentschaft und acht weitere Abgeordnete des vormaligen Parlaments im Gefängnis saßen, und Wahlbeobachter der HDP schikaniert wurden (MME 25.6.2018). Während des Wahlkampfes bezeichnete der amtierende Präsident und Spitzenkandidat der AKP für die Präsidentschaftswahlen, Erdogan den HDP-Kandidaten Demirtas bei mehreren Wahlkampfauftritten als Terrorist (OSCE 25.6.2018). Bereits im Vorfeld des Verfassungsreferendums 2017 bezeichnete auch der damalige Regierungschef Yildirim die HDP als Terrorunterstützerin (HDN 7.2.2017).

Am 8.9.2016 suspendierte das Bildungsministerium mittels Dekret 11.285 kurdische Lehrer unter dem Vorwurf Unterstützer der PKK zu sein. Alle waren Mitglieder der linksorientierten Gewerkschaft für Bildung und Bildungswerktätige, Egitim Sen (AM 12.9.2016). Bereits öffentliche Kritik am Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den Kurdengebieten der Südosttürkei kann bei entsprechender Auslegung den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllen (AA 3.8.2018).

22.Grundversorgung/ Wirtschaft

Für die Türkei werden Marktturbulenzen, starke Währungsabwertungen und erhöhte Unsicherheiten erwartet, die Investitionen und die Konsumnachfrage belasten und eine deutliche negative Korrektur der Wachstumsaussichten rechtfertigen. In der Türkei führten die Besorgnis über die zugrunde liegenden Fundamentaldaten und die politischen Spannungen mit den Vereinigten Staaten zu einer starken Abwertung der Währung (27% zwischen Februar und Mitte September 2018) und sinkenden Vermögenswerten. Das Wachstum in der Türkei war 2017 und Anfang 2018 sehr stark, dürfte sich aber deutlich abschwächen. Das reale BIP-Wachstum wird für 2018 mit 3,5% prognostiziert, soll aber entgegen den positiven ursprünglichen Prognosen 2019 auf 0,4% sinken. Die türkische Wirtschaft ist nach wie vor sehr anfällig für plötzliche Veränderungen der Kapitalströme und geopolitischen Risiken (IMF 8.10.2018).

Die Arbeitslosigkeit bleibt ein gravierendes Problem und verharrt trotz leichter Erholung bei knapp 11% (September 2017). Aus der jungen Bevölkerung drängen jährlich mehr als eine halbe Million Arbeitssuchende auf den Arbeitsmarkt, können dort aber nicht vollständig absorbiert werden. Die bereits hohe Jugendarbeitslosigkeit stieg 2017 gegenüber dem Vorjahr weiterhin an. Hinzu kommt das starke wirtschaftliche Gefälle zwischen strukturschwachen ländlichen Gebieten (etwa im Osten und Südosten) und den wirtschaftlich prosperierenden Metropolen. Auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen wandert die ländliche Bevölkerung daher weiterhin in die Städte und industriellen Zentren ab. Herausforderungen für den Arbeitsmarkt bleiben der weiterhin hohe Anteil der Schwarzarbeit und die niedrige Erwerbsquote von Frauen. Dabei bezieht der überwiegende Teil der in Industrie, Landwirtschaft und Handwerk erwerbstätigen Arbeiter und Arbeiterinnen weiterhin den offiziellen Mindestlohn. Er wurde für das Jahr 2017 auf 1.777,50 Lira brutto festgesetzt. Die Entwicklung der Realeinkommen hält mit der Wirtschaftsentwicklung nicht Schritt, so dass insbesondere die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten empfindlich am Rande des Existenzminimums leben (AA 10.2017c).

Das türkische Arbeitsrecht muss noch an die EU-Standards angepasst werden. Obwohl die nicht registrierte Beschäftigung auf 27,8% zurückgegangen ist, bestehen weiterhin große Unterschiede in Bezug auf Sektor, Beschäftigungsstatus und Geschlecht (BS 2018).

24.Behandlung nach Rückkehr

Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr polizeilicher oder justizieller Maßnahmen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen (AA 3.8.2018). Personen die für die PKK oder eine Vorfeldorganisation der PKK tätig waren, müssen in der Türkei mit langen Haftstrafen rechnen. Ähnliches gilt für andere Terrororganisationen (z.B. DHKP-C, türkische Hisbollah, Al-Qaida) (ÖB 10.2017). Das türkische Außenministerium sieht auch die syrisch-kurdische PYD bzw. die YPG als von der als terroristisch eingestuften PKK geschaffene Organisationen, welche mit der PKK hinsichtlich der Führungskader, der Organisationsstrukturen sowie der Strategie und Taktik verbunden sind (MFA o.D.).

Seit dem versuchten Militärputsch im Juni 2016 werden Personen, die mit dem Gülen-Netzwerk in Verbindung sind, als Terroristen gesehen. Auf die sog. Mitglieder der "FETÖ" (Fetullah-Gülenistische Terrororganisation), die im Ausland leben, werden von der Türkei Einreiseverbote verhängt. Hierbei handelt es sich meistens um nicht-türkische Staatsbürger mit türkischem Ursprung (ÖB 10.2017). Die türkische Regierung hat im Nachgang zu dem Putschversuch 2016 zahlreiche ausländische Regierungen um Mithilfe bei der Ermittlung von Mitgliedern des sog. "Gülen-Netzwerkes" gebeten. Es ist wahrscheinlich, dass türkische Stellen Regierungsgegner und Gülen-Anhänger im Ausland ausspähen. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können. Aus bekannt gewordenen Fällen ist zu schließen, dass solche Äußerungen zunehmend zu Strafverfolgung und Verurteilung zumindest als Propaganda für eine terroristische Organisation führen (AA 3.8.2018).

Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht oder ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Es ist in den letzten Jahren jedoch kein Fall bekannt geworden, indem ein in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist (AA 3.8.2018).

Rückkehrprobleme im Falle einer Asylantragstellung im Ausland sind keine bekannt. Nach Artikel 23 der türkischen Verfassung bzw. Paragraph 3 des türkischen Passgesetzes ist die Türkei zur Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger verpflichtet, wenn zweifelsfrei der Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit vorliegt (ÖB 10.2017).

Türkischen Staatsangehörigen im Ausland, die von den türkischen Behörden der Beteiligung an der Gülen-Bewegung verdächtigt werden, werden ihre Pässe für ungültig erklärt und durch einen Ein-Tages-Pass ersetzt , mit dem sie in die Türkei zurückkehren, um vor Gericht gestellt zu werden, wo sie ihre Unschuld zu beweisen haben. Lehrer und Militärangehörige scheinen besonders betroffen zu sein, aber auch Kurden und Journalisten (UKHO 2.2018).

Es gibt Vereine, welche von türkischen Rückkehrern gegründet wurden. Hier werden spezielle Programme angeboten, welche die Rückkehrer in Fragen wie Wohnungssuche, Versorgung etc. unterstützen und zugleich eine Netzwerkplattform zur Verfügung stellen.

2. Beweiswürdigung

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes und Einsichtnahme in die vom BFA beigeschafften, länderkundlichen, aktuellen Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.

2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen Lebensumständen in der Türkei sowie den Lebensumständen seiner in der Türkei lebenden Familienangehörigen (Punkte II.1.1.) ergeben sich aus den eigenen, diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem BFA, wobei auf die bereits angeführten Aktenseiten verwiesen wird. Die Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers befindet sich auf AS 77.

2.3. Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers in Österreich, seiner Beziehung sowie seiner geschlossenen Ehe (Punkt II.1.2.) ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers als auch aus der vorgelegten Heiratsurkunde (AS 39). Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers türkischer Abstammung ist, ergibt sich aus dem vorgelegten Bescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Ehefrau des Beschwerdeführers vom 28.04.2008 (OZ 10).

2.4. Die festgestellte strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem hg. erstellten Auszug aus dem Strafregister, das Nichtbeziehen von Leistungen aus der Grundversorgung ergibt sich aus dem Auszug des korrelierenden Registers (Punkt II.1.3.). Dass der Beschwerdeführer nicht deutsch spricht und nicht Mitglied in einer Institution ist sowie die Feststellungen zum Tagesablauf des Beschwerdeführers ergeben sich aus den eigenen, diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers (AS 68, 71).

2.5. Dass der Beschwerdeführer gesund ist, nicht in ärztlicher Behandlung ist und Medikamente gegen Magenschmerzen nimmt, wurde aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem BFA festgestellt (AS 63). Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer seit einigen Jahren wegen andauernder Vergesslichkeit an massiven Erinnerungslücken leide, welche auch mit Orientierungslosigkeit verbunden seien und er sich deshalb in absehbarer Zeit in ärztliche Behandlung geben wolle, so ist diesbezüglich auszuführen, dass seit Einbringung der Beschwerde am 14.05.2019 noch diverse Einbringungen durch die Vertretung des Beschwerdeführers getätigt wurden (OZ 5, 6, 8, 9, 10, 12), dabei aber nicht die Gelegenheit wahrgenommen wurde, weitere Ausführungen samt Belegen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers vorzubringen. Es wird daher davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer weder an Vergesslichkeit noch an Erinnerungslücken oder Orientierungslosigkeit leidet, da ansonsten die Gelegenheit ergriffen worden wäre, ärztliche Atteste, Befunde etc. vorzulegen. Auch ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer getätigten Angaben keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer Probleme mit seiner Gedächtnisleistung hätte.

2.6. Die Feststellungen zu einer mangelnden Gefährdung (Punkt II.1.5.) waren aus den folgenden Gründen zu treffen:

2.6.1. Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der Erstbefragung vor, ihm sei vorgeworfen worden, schlecht über Erdogan gesprochen zu haben, weshalb er im Juli 2016 vom türkischen Militär zwei Wochen lang verhaftet worden sei. Ihm seien beide Fußgelenke gebrochen worden und später seien ihm im Spital Metallplatten implantiert worden. Etwa im September 2017 sei der Beschwerdeführer für 10 Tage auf einem Polizeirevier festgehalten worden, da er der Volksgruppe der Zaza angehöre, zwischen Fethullah Gülen und Erdogan eine Feindschaft bestehe und ihm vorgeworfen worden sei, für Gülen Propaganda gemacht zu haben. Mit Knüppeln sei er geschlagen und mit kaltem Wasser bespritzt worden (AS 9).

Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrages vor, dass man ihn beschuldigt habe, der Gülen-Bewegung anzugehören. Er habe gedacht, er werde verhaftet werden und sei deshalb geflüchtet. Nach dem Putschversuch sei er bei einigen Demos gewesen, weswegen die Polizei auf ihn gekommen sei. Im Oktober oder November danach sei die Gendarmerie alle zwei bis drei Tage zum Beschwerdeführer gekommen und habe ihm, da er nicht anzutreffen gewesen sei, ausrichten lassen, dass er sich nicht einmischen solle, bei keinen Demonstrationen mitwirken solle, dass es ein Verfahren geben werde und dass er dann leiden werde. Als Tourist sei er im März 2017 in Tschechien gewesen und als er nach Hause gekommen sei, habe man ihm gesagt, dass er gesucht werde. In der Nacht sei er dann nach Istanbul geflohen. Von April bis Oktober 2017 habe er sich in Istanbul aufgehalten und er sei auch von dort ausgereist. In Istanbul habe es keine Vorfälle oder Bedrohungen gegeben, es sei eine große Stadt und man kenne ihn dort nicht. Wenn man in keine Kontrolle gelange, passiere dort nichts. Die Frage des BFA, ob es richtig sei, dass er nicht mehr bedroht werden würde, wenn er sich nicht mehr an Demonstrationen beteiligte, bejahte der Beschwerdeführer (AS 69f).

2.6.2. Das BFA führte im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beweiswürdigung (Bescheid, Seite 74ff) aus, dass der Beschwerdeführer im Gegensatz zur Erstbefragung, in der Einvernahme weder von Festnahmen noch von Folterhandlungen berichtet habe, weshalb dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine ernsthafte Bedrohungssituation entnommen werden habe können. Es habe auch kein fluchtauslösendes Ereignis zwischen den behaupteten Ereignissen und der tatsächlichen Ausreise festgestellt werden können. Die erste Bedrohung habe es im Herbst nach dem Putschversuch gegeben und im März 2017 sei der Beschwerdeführer als Tourist nach Tschechien gereist und anschließend in die Türkei zurückgekehrt. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich bedroht, würde der Beschwerdeführer den Entschluss zur Ausreise bereits viel eher getroffen haben. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer zwischen April und Oktober 2017 in Istanbul ohne irgendwelche Vorfälle oder Ereignisse leben könne, weshalb das BFA davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer nicht im gesamten türkischen Staatsgebiet gesucht werde. Selbst habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er nicht bedroht werden würde, wenn er sich nicht mehr an Demonstrationen beteiligen würde. Da auch Teile der Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in der Türkei leben und der Beschwerdeführer in Kontakt mit seiner Familie stehe und es dieser gut gehe, sei es auch nicht ersichtlich, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht möglich sei, in sein Heimatdorf zurückzukehren.

2.6.3. Mit den Ausführungen in der Beschwerde ist es dem Beschwerdeführer aufgrund folgender Erwägungen nicht gelungen, den soeben dargestellten tragenden Argumenten der Beweiswürdigung des BFA entgegenzutreten:

Die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer habe vollständige und detaillierte Antworten gegenüber dem BFA abgegeben, habe die Wahrheit gesagt, sein Vorbringen stehe in Einklang mit den Länderinformationen. Aufgrund der ihm unterstellten politischen Gesinnung, sei der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr unmittelbar einer massiven Verfolgungsgefahr ausgesetzt und da diese Gefahr unmittelbar vom Staat ausgehe, sei auch die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes ausgeschlossen.

Da der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Zaza angehöre, sei er ebenso gefährdet, da die Zaza permanenten Übergriffen zwischen der türkischen Regierung und der prokurdischen Terrormilizen, vor allem PKK, ausgesetzt seien. Das BFA habe sich mit der Minderheit der Zaza in der Türkei nicht näher befasst. Die Zaza seien aufgrund von Gewalt und Kämpfen von Instabilität in besonderem Ausmaß betroffen. Überhaupt sei die allgemeine Sicherheitslage sowie die schlechte Behandlung und die landesweit massive Verfolgung von Minderheiten in der Türkei dergestalt, dass dem Beschwerdeführer jedenfalls eine reale Gefahr treffe, massive Verletzung von Art 2 und 3 EMRK ausgesetzt zu sein.

Weiteres kritisiert die Beschwerde, dass das BFA ein massiv mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt habe, die Beweiswürdigung unschlüssig sei und dass es das BFA unterlassen habe, sich mit dem individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers sachgerecht auseinanderzusetzen. Würde das BFA den vorliegenden Sachverhalt ordnungsgemäß geprüft haben, hätte es eine anderslautende Entscheidung getroffen.

Mit diesen Ausführungen kritisiert die Beschwerde die beweiswürdigenden Argumente des BFA lediglich kursorisch und pauschal, die Beschwerde hat nämlich kein einziges Argument des BFA konkret aufgegriffen und versucht, es zu entkräften. Sie hat weder erklärt, weshalb der Beschwerdeführer die in der Erstbefragung geschilderten körperlichen Misshandlungen des Beschwerdeführers in der Einvernahme nicht mehr geschildert hat, noch weshalb der Beschwerdeführer nicht bereits zeitnah zu den geschilderten Bedrohungen ausgereist sei, sondern er vielmehr nach einem touristischen Aufenthalt in Tschechien wieder in die Türkei zurückgereist sei. Die Beschwerde lässt weiters unbekämpft, dass das BFA davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer unbehelligt monatelang in Istanbul leben konnte und es nicht ersichtlich sei, dass er dorthin nicht zurückkehren könnte, zumal er auch durch seine Familie Unterstützung erfahren könnte.

Sofern die Beschwerde moniert, das BFA habe es unterlassen, auf die Situation des Beschwerdeführers als Mitglied der Volksgruppe der Zaza einzugehen, ist darauf hinzuweisen, dass einerseits die Mutter, Geschwister und Söhne des Beschwerdeführers unbehelligt in der Türkei leben können und andererseits darauf, dass das BFA nicht angehalten ist, Asylgründe zu ermitteln, die ein Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 07.06.2001, 99/20/0434). Der Beschwerdeführer brachte ausschließlich in der Erstbefragung vor, er sei von der Polizei festgenommen worden, da er der Zaza angehöre als auch da zwischen Gülen und Erdogan eine Feindschaft bestehe. Da der Beschwerdeführer jene Inhaftierung in der Einvernahme nicht mehr vorbrachte und auch Probleme aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Zaza nicht wiederholte, stellte das BFA zutreffend fest, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine ernsthafte Bedrohungssituation entnommen werden habe können - auch nicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Zaza.

Der Vorwurf in der Beschwerde, wonach sich das BFA nicht adäquat mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe, kann vom Bundesverwaltungsgericht nicht verifiziert werden: Das BFA hat den Beschwerdeführer ordnungsgemäß einvernommen und ist auf dessen Angaben durch gezieltes Nachfragen eingegangen. In weiterer Folge hat das BFA die Angaben des Beschwerdeführers mittels nachvollziehbarer und widerspruchsfreier Beweiswürdigung im Bescheid verarbeitet. Die Beschwerde hat weiters gar nicht vorgebracht, welche konkreten Unterlassungen das BFA begangen habe und was hervorgekommen wäre, wenn das BFA ein nach der Sicht des Beschwerdeführers einwandfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hätte. Die reine Behauptung, dass der Beschwerdeführer die Wahrheit gesagt habe und eine asylrelevante Gefährdung bestehe, reicht in diesem Zusammenhang nicht hin. Ebenso zeigt die Beschwerde nicht auf, aus welchen Gründen die Beweiswürdigung des BFA unschlüssig sei. Eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung kann von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes nicht erkannt werden. Da, wie bereits beschrieben, die Beschwerde auch nicht die Gelegenheit ergriffen hat, die Argumente des BFA mit nachvollziehbaren, eigenen Argumenten zu entkräften. Weiters bestehen keine Hinweise darauf, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine exponierte Persönlichkeit handeln würde, die im besonderen Blickpunkt der Gendarmerie stehen würde. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass sich die Gendarmerie, nach den Angaben des Beschwerdeführers, damit begnügte, ihm durch seine Mutter Botschaften auszurichten. Dass der Beschwerdeführer unauffindbar gewesen wäre, ist jedoch nicht anzunehmen, da er bis vor seiner Ausreise seiner Tätigkeit als Landwirt nachgegangen sei (vgl AS 65).

Hinsichtlich der in der Beschwerde behaupteten pathologischen Vergesslichkeit des Beschwerdeführers wird auf Punkt II.2.5. verwiesen.

Zusammengefasst ist die Beschwerde der Beweiswürdigung des BFA nicht (substantiiert) entgegengetreten, sondern verhält es sich vielmehr so, dass die schlüssigen, nachvollziehbaren Argumente des BFA in dessen Beweiswürdigung durch die Beschwerde nicht erschüttert wurden. Das BVwG schließt sich daher der Beweiswürdigung des BFA, wonach das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Bedrohungsszenario, wonach er aufgrund einer ihm unterstellten politischen Gesinnung im Falle einer Rückkehr in die Türkei von Verfolgung bedroht sei, nicht glaubhaft ist, an, und gelangt ebenso wie bereits das BFA zur Überzeugung, dass der Beschwerdeführer keine individuell gegen seine Person gerichtete und auch keine aktuelle Bedrohung glaubhaft gemacht hat.

2.7. Den hier getroffenen Ausführungen zur Lage in der Türkei (II.1.6.) liegen die vom BFA herangezogenen Länderberichte zugrunde, welche im bekämpften Bescheid enthalten sind. Der Beschwerdeführer ist diesen Länderfeststellungen weder gegenüber dem BFA noch in der Beschwerde entgegengetreten, sondern bezog sich selbst auch auf diese.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Zur Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides)

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

3.2. Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.3. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

3.4. Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.5. Unter "Verfolgung" im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083). Allgemeine Benachteiligungen aufgrund der Religionszugehörigkeit und der Volksgruppe können nur dann als konkrete gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen gewertet werden, wenn sie dessen Lebensgrundlage massiv bedrohen (VwGH vom 10.03.1994, Zl.: 94/19/0044). Eine konkrete, massive Bedrohung der Lebensgrundlage liegt jedoch gegenständlich nicht vor.

3.6. Fallbezogen hat der Beschwerdeführer nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine wohlbegründete Furcht vor einer aktuellen Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

3.7. Es waren unter Berücksichtigung aller Umstände daher die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten insgesamt nicht gegeben und war daher Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA zu bestätigen.

Zur Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides)

3.8. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.9. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (VwGH 18.03.2019, 2018/28/0538). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht es zudem der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure iSd Art 6 Qualifikationsrichtlinie oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (VwGH 21.11.2018, Ra 2018/01/0461).

3.10. Fallbezogen hat der Beschwerdeführer eine entsprechende Verursachung oder Bedrohung nicht glaubhaft dargelegt. Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen Voraussetzungen sind somit nicht erfüllt.

3.11. Demnach war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides)

3.12. Gemäß § 57 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen [...] 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen [...] oder 3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl Nr 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

3.13. Fallbezogen liegen nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nicht vor.

3.14. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.

Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte IV und V des angefochtenen Bescheides)

3.15. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

3.16. Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

3.17. Gemäß § 55 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. (Abs 1) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. (Abs 1a) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. (Abs 2) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt. (Abs 3) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. (Abs 4)

3.18. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

3.19. Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; 4. der Grad der Integration; 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit; 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

3.20. Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

3.21. Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).

3.22. Folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - stellen Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365) (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

3.23. Der Beschwerdeführer befindet sich seit etwa zwei Jahren und drei Monaten in Österreich. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig, er bezieht zwar keine Leistungen aus der Grundversorgung, erhält aber Unterstützung durch seine Ehefrau und deren Töchter. Für den Beschwerdeführer sprechen seine strafrechtliche Unbescholtenheit, sein unter der Bedingung der Erteilung eines Aufenthaltstitels mit Arbeitsmarktzugang geschlossener Arbeitsvertrag (OZ 9) und seine am 18.01.2019 geschlossene Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin türkischer Abstammung und das geführte Familienleben mit seiner Frau und deren Töchtern. Der Beschwerdeführer lernte seine Ehefrau etwa im Oktober 2018 kennen und lebt mit ihr und ihren Töchtern seit Dezember 2018 im gemeinsamen Haushalt. Das Familienleben des Beschwerdeführers entstand allerdings zu einem Zeitpunkt, als sich er und auch seine Ehefrau über seinen unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten (EGMR, 31.1.2006, 50435/99, Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands). Das Familienleben besteht auch erst seit Dezember 2018, sohin seit etwa 13 Monaten. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Töchtern der Ehefrau selbst um erwachsene Frauen handelt und keine Hinweise darauf hervorgekommen wären, dass zwischen dem Beschwerdeführer und den Töchtern seiner Frau ein inniges Verhältnis bestehen würde, welches über andere Verhältnisse zwischen erwachsenen Menschen hinausgehen würde. Die seit etwa einem Jahr bestehenden Ehe, der etwa drei Monate Beziehung vorausgegangen sind, führt im Ergebnis dazu, dass im konkreten Fall ein Familienleben in Österreich zwar gegeben ist, dass ein Eingriff in das Familienleben aber nicht automatisch unverhältnismäßig ist. So hatte der Verwaltungsgerichtshof im Falle einer bereits zwei Jahre andauernden Ehe festgestellt, dass angesichts einer bloß kurzen Dauer des Aufenthalts dem Umstand, dass die Ehe zu einer Zeit geschlossen wurde, während der Aufenthaltsstatus als unsicher anzusehen war, eine hohe Bedeutung beizumessen ist (vgl. VwGH, 15.12.2015, Ra 2015/19/0247; VwGH, 10.12.2013, 2013/22/0351 und VwGH, 10.11.2010, 2008/22/0177). Dem Beschwerdeführer steht es auch frei, sich von der Türkei aus um einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger zu bemühen und damit legal nach Österreich einzureisen. Andererseits ist es der türkischstämmigen Ehefrau auch zumutbar, den Beschwerdeführer in der Türkei zu besuchen und es steht ihnen offen, den Kontakt per Telefon oder E-Mail aufrechtzuerhalten. Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist nicht auf die finanzielle Unterstützung durch den Beschwerdeführer angewiesen.

In der Türkei leben nach wie vor die vier Söhne des Beschwerdeführers, seine Mutter und Geschwister und der Beschwerdeführer hat auch Kontakt zu seiner Familie. Das bisherige Verfahren hat keine Anhaltspunkte für die Annahme sonstiger besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben bzw wurden solche auch nicht substantiiert behauptet. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen aufrechten Aufenthaltstitel; sein bisheriger rechtmäßiger Aufenthalt stützte sich ausschließlich auf das Asylrecht. Der Beschwerdeführer hat den überwiegenden Teil seines Lebens in der Türkei verbracht und wurde dort auch sozialisiert. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der hier bestehenden Bindungen zu Österreich gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde, ist im Verfahren nicht hervorgetreten.

Im Rahmen einer Abwägung d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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