Entscheidungsdatum
06.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L510 1421079-7/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx und Dr. Lennart BINDER LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG idgF, §§ 57, 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG, §§ 52 Abs. 2 Z. 2 u. Abs. 9, 46, 53 und 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei (bP) stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 06.06.2011 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die bP ist türkischer Staatsangehörigkeit mit kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und Alevit.
Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 12.08.2011, Zl. XXXX , gem. § 3 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen. Sie wurden gem. § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des AsylGH vom 07.05.2013, Zahl: E2 421079-1/2011/18Z gem. §§ 3, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am 23.05.2013 in Rechtskraft. Anschließend tauchte die bP in die Anonymität unter.
Am 27.01.2014 um 10:30 Uhr erfolgte ihre Überstellung von der Schweiz aus Zürich gemäß dem Dubliner Übereinkommen (Verordnung EG Nr. 343/2003) des Rates.
Am 27.01.2014 stellte sie erneut bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 03.12.2015, Zahl: XXXX gem. § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz in Spruchpunkt II. hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Türkei abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und unter einem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkte IV). Es wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt V.).
Gegen den Bescheid des Bundesamtes brachte sie Beschwerde ein, welche nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.04.2016, ZI.: L507 1421079-2/13E abgewiesen wurde. Das Verfahren erwuchs am 06.04.2016 in Rechtskraft.
Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts brachte sie eine Revision ein. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 05.09.2016 die Revision zurück.
2. Am 21.12.2019 stellte die bP einen weiteren, den gegenständlichen nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser Folgeantrag der bP wurde mit im Spruch bezeichneten Bescheid hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten jeweils gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der bP in die Türkei gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen die bP ein auf die Dauer von 1 Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).
Dagegen wurde durch die Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der bP:
Die bP ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und alevitischen Glaubens. Sie führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen und das im Spruch angeführte Geburtsdatum. Ihre Identität steht nicht fest.
Die bP ist gesund.
Die bP reiste am 06.06.2011 in das österreichische Bundesgebiet ein und hat Österreich nach der ersten negativen Asylentscheidung von November 2013 bis Jänner 2014 in die Schweiz verlassen. Nach der Rücküberstellung aus der Schweiz und Stellung des zweiten Antrages auf internationalen Schutz kam im Verfahren nicht hervor, dass die bP Österreich noch einmal verlassen hätte.
Die bP ist ledig und hat keine Kinder. Ihre Eltern, ein Bruder mit seiner Familie sowie eine Schwester mit ihrer Familie leben nach wie vor in der Türkei. In Österreich halten sich eine Schwester der bP sowie mehrere Onkel und Cousins auf. Ein Naheverhältnis zu einer dieser Personen besteht nicht.
Aktuell konnte eine wirtschaftliche Selbsterhaltung nicht festgestellt werden. Die bP lebt von der Grundversorgung.
Die bP ist in der Türkei geboren und lebte überwiegend in der Türkei, seit 1995 in Istanbul. Sie wurde dort sozialisiert und spricht ihre Landessprache auf muttersprachlichem Niveau. Sie besuchte dort bis zur Matura die Schule und arbeitete dann im Textilbetrieb ihres Bruders. Ihren Militärdienst hat sie absolviert. Im Falle der Rückkehr verfügt die bP über ein familiäres Netz, da sich diese nach wie vor in Istanbul aufhält.
1.2. Zu den Anträgen der bP auf internationalen Schutz:
Erster Antrag auf internationalen Schutz vom 06.06.2011
Ihren Antrag begründete die bP im Wesentlichen damit, dass sie ihre Heimat verlassen habe, weil sie als Kurde in der Türkei verfolgt und bedroht worden wäre. Sie hätte an Demonstrationen teilgenommen und sie hätte sich in den Jahren 2002 und 2003 in Polizeigewahrsam befunden.
Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 12.08.2011, Zl. XXXX , gem. § 3 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen. Sie wurden gem. § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des AsylGH vom 07.05.2013, Zahl: E2 421079-1/2011/18Z gem. §§ 3, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am 23.05.2013 in Rechtskraft.
Zweiter Antrag der bP auf internationalen Schutz vom 27.01.2014
Den zweiten Antrag auf internationalen Schutz begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie keine neuen Gründe besitze und Angst vor einer Verhaftung und Unterdrückung bei einer Rückkehr in die Türkei hätte, da sie ein Sympathisant der HDP gewesen und an Demonstrationen beteiligt gewesen sei. Auch hätte sie als alevitischer Kurde nirgendwo Anerkennung gefunden.
Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 03.12.2015, Zahl: XXXX , gem. § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz in Spruchpunkt II. hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Türkei abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und unter einem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkte IV). Es wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt V.).
Gegen den Bescheid des Bundesamtes brachte sie Beschwerde ein, welche nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.04.2016, ZI.: L507 1421079-2/13E abgewiesen wurde. Das Verfahren erwuchs am 06.04.2016 in Rechtskraft.
Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts brachte sie eine Revision ein. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 05.09.2016 die Revision zurück.
Begründet wurde die Entscheidung des BVwG damit, dass die bP eine gegen sie gerichtete Verfolgungsgefahr im gesamten Verfahren nicht glaubhaft machen konnte.
1.2.1. Am 21.12.2019 stellte die bP den dritten und gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der Erstbefragung am 22.12.2019 gab sie zu ihrem Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, dass die alten Fluchtgründe aufrecht bleiben würden. Sie habe oft Kontakt mit ihren Eltern in der Türkei. Dort komme sehr oft die Geheimpolizei, die nach ihr suche. Sie sei aktives Mitglied der Partei "HDP " gewesen. Sie werde aufgrund ihrer politischen Tätigkeit in der Türkei gesucht und verfolgt. Ihre Eltern würden auch immer bedroht und deren Wohnung zerstört. Das seien alle Fluchtgründe.
Am 09.01.2020 wurde die bP beim BFA niederschriftlich einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalteten sich dabei wie folgt:
"...
LA: Welche Sprachen sprechen Sie?
VP: Kurdisch, Türkisch, Deutsch. Ich habe A2 Kurs und habe wegen ein paar Punkten den Kurs B1 nicht geschafft. Habe den Kurs vor 2 bis 3 Jahren gemacht."
...
LA: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?
VP: Nein.
LA: Stehen Sie zurzeit in ärztlicher Behandlung, Betreuung, Therapie oder nehmen Sie Medikamente?
VP: Nein regelmäßig nehme ich keine Medikamente, nur, wenn ich Schmerzen habe. Ich bin nicht versichert.
LA. Wann sind Sie aus Ihrem Heimatland ausgereist?
VP: Im Jahr 2011. Ich bin nach 2011 nicht mehr in der Türkei aufhältig gewesen. Ich war nach meiner ersten negativen Entscheidung in Österreich in der Schweiz.
LA. Haben Sie Österreich seit Ihrer letzten negativen Entscheidung verlassen?
VP: Nein.
LA: Nennen Sie der Behörde Ihre letzte Meldeadresse in Ihrem Heimatland.
VP: In Istanbul Bezirk XXXX . Ich habe mit meinen Eltern auf der Adresse gelebt. Meine Eltern leben noch an der Adresse.
LA: Welche Familienmitglieder befinden sich noch im Heimatland?
VP: Meine Eltern und einen Bruder mit seiner Familie und eine Schwester mit ihrer Familie. Alle leben in Istanbul.
LA. Wann hatten Sie den letzten Kontakt mit Ihren Familienmitgliedern im Heimatland?
VP: Vor 1 1/2 bis 2 Monaten per Telefon mit meiner Mutter und meinem Vater.
LA: Hat sich in letzter Zeit (rk. des Verfahrens 06.04.2016) was geändert bezüglich Familie, Verwandtschaftsverhältnisse in Österreich?
VP: Keine Änderungen.
LA: Sind Ihre Flucht- bzw. Ausreisegründe aus dem Vorverfahren in Österreich weiterhin aufrecht?
VP: Ja. Mein Leben ist dort in Gefahr. Wenn ich in die Türkei zurückgehen komme ich ins Gefängnis.
LA: Sie haben bereits eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG erhalten, womit Ihnen mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Dieser Umstand wurde Ihnen bereits in der letzten Einvernahme vor dem Bundesamt am 22.12.2019 mitgeteilt, Sie haben nunmehr nochmals Gelegenheit zur geplanten Vorgangsweise des Bundesamtes Stellung zu nehmen. Was spricht gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme, über die bereits rechtkräftig abgesprochen worden ist?
LA: Bezüglich Ihrer Fluchtgründe, hat sich was geändert? Hat sich seit Rechtskraft Ihres Erstverfahrens hinsichtlich Ihrer Flucht- bzw. Ausreisegründe etwas Neues ergeben?
VP: Ich habe Kontakt mit meiner Familie. Meine Eltern hat mir erzählt, dass die Polizei bei ihnen war und nach mir gefragt haben. Sie haben gefragt wo ich bin und wann ich zurückkomme. Die Polizei hat meine Eltern mit dem umbringen bedroht. Sie haben ohne Genehmigung eine Hausdurchsuchung gemacht. Beweismittel habe ich nicht.
LA. Seit wann kommt die Polizei zu Ihren Eltern um nach Ihnen zu Fragen?
VP. Sie waren mehrmals dort. Die genaue Anzahl kann ich nicht nennen. Aber sie kommen und drohen meinen Eltern. Sie kommen bereits seit 2011 zu meinen Eltern. Wenn ich anrufe sagen sie, dass sie da waren. Ich habe meine eigenen Sorgen so genau weiß ich es nicht.
LA. Wenn die Polizei bereits seit Jahren bei Ihren Eltern erscheint um nach Ihnen zu fragen, weshalb stellen sie erst jetzt einen Folgeantrag?
VP: Weil mein Leben in der Türkei in Gefahr ist. Ich weiß, wenn ich in die Türkei zurückkehre, komme ich ins Gefängnis. Wenn ich ins Gefängnis komme, werde ich misshandelt und gefoltert. Davor habe ich Angst.
LA. Waren das alle Ihre Fluchtgründe?
VP: Meine Fluchtgründe sind noch aufrecht und dass meine die Polizei zu meinen Eltern kommt ist neu. Ich habe zum ersten Mal, 2011 bei Tage als ich in Österreich angekommen bin erfahren, dass die Polizei zu meinen Eltern kommt.
Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die allgemeinen Länderfeststellungen des BFA von der Türkei samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und Stellung zu nehmen.
VP: Nein, ich weiß was ich in der Türkei erlebt habe und was mit mir dort passiert. Ich kenne mich mit der Türkei aus.
RB wird die Möglichkeit gegeben Fragen oder Anträge zu stellen.
RB stellt keine Fragen oder Anträge.
LA: Haben Sie den Dolmetscher verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich konzentrieren?
VP: Ja.
LA: Konnten Sie meinen Fragen folgen?
VP: Ja.
..."
Dieser Antrag wurde mit im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der bP in die Türkei gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde ein auf die Dauer von 1 Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Gegen diesen Bescheid wurde durch die Vertretung der bP innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Es wurde dargelegt, dass die Eltern der bP dieser mitgeteilt hätten, dass die Polizeinach ihr gesucht habe. Die bP halte sich seit über 8 Jahren mit kurzen Unterbrechungen in Österreich auf. Sie spreche Deutsch auf Niveau B1. Die bP habe auch eine Einstellungszusage und stelle keine Belastung für die Gebietskörperschaft dar. Sie habe auch Empfehlungsschreiben zum Beleg ihrer sozialen Integration. Die Rückkehrentscheidung sei verfehlt. HDP Anhänger seien Verfolgung und Schikanen ausgesetzt.
Der Beschwerde wurden keine Unterlagen beigelegt.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat Türkei:
Das BFA legte seiner Entscheidung umfassende Länderfeststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat bzw. zur Situation der bP im Falle einer Rückkehr zugrunde, denen die bP nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die Quellen des BFA liegen auch dem BVwG vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des BVwG, das sich aus der ständigen Beobachtung der aktuellen Quellenlage zur Lage im Herkunftsstaat ergibt. Angesichts der erst kürzlich ergangenen Entscheidung des BFA weisen die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.
Von der bP wurde keine Änderung der allgemeinen Lage behauptet.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA zu den vorangegangenen und zum gegenständlichen Verfahren. Die Feststellungen zur Identität der bP ergeben sich aus der Tatsache, dass diese im Verfahren kein unbedenkliches nationales Identitätsdokument vorlegte, wie vom BFA ausgeführt wurde. Hinsichtlich der sonstigen Feststellungen zur bP wurde ihren Angaben im Erstverfahren bzw. im nunmehrigen Verfahren gefolgt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Zu Spruchpunkt I.
Zur Abweisung gem. § 68 Abs. 1 AVG
3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG und wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
§ 68 Abs. 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
Bei der Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig ausgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich gebliebener Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden oder im Berufungsverfahren von der Partei ausgewechselt werden (s. z.B. VwSlg. 5642 A, VwGH 28.11.1968, 571/68, 23.5.1995, 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. aber VwSlg. 12799 A).
Identität der Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in den bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 30.1.1989, 88/10/0150).
Ob der nunmehr vorgetragene Sachverhalt, der sich vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag zugetragen haben soll, im Erstverfahren auch vorgetragen wurde oder nicht, ist im Folgeverfahren bei der Prüfung der Rechtskraft ohne belange. Auch ein Sachverhalt, der nicht vorgetragen wurde, ist von der Rechtskraftwirkung des Vorbescheides mitumfasst (vgl. auch Erk. d. VwGH vom 17.9.2008, 2008/23/0684, AsylGH vom 17.4.2009, GZ. E10 316.192-2/2009-8E).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind, vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235), wobei für die Prüfung der Zulässigkeit des Zweitantrages von der Rechtsanschauung auszugehen ist, auf die sich die rechtskräftige Erledigung des Erstantrages gründete (VwGH 16.7.2003, 2000/01/0237, mwN).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss. Erk. d. VwGH v.26.2.2004, 2004/07/0014; 12.12.2002, 2002/07/0016; 15.10.1999; 9621/9997). Identität der Sache i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren etwa eine Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 08.04.1992, Zl. 88/12/0169, ebenso Erk. d. VwGH v. 15.11.2000, 2000/01/0184).
Da sich der Antrag auf internationalen Schutz nicht nur auf den Status eines Asylberechtigten, sondern "hilfsweise" bei Nichtzuerkennung dieses Status auch auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten richtet, sind bei Folgeanträgen nach dem AsylG 2005 auch Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft - der also für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen keine Asyl- oder Refoulementrelevanz zukäme, sodass eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages von vornherein ausgeschlossen erscheint -, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. etwa VwGH vom 04.11.2004, 2002/20/0391; 19.2.2009, 2008/01/0344).
Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. die Erkenntnisse vom 10.06.1998, 96/20/0266, und vom 15. Oktober 1999, 96/21/0097).
3.2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Als Vergleichsbescheid ist im Falle mehrfacher Asylfolgeanträge derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden - und nicht etwa nur ein Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen - wurde (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom 26.06.2005, 2005/20/0226, mwN).
Wie aus dem gegenständlichen Verfahrensgang hervorgeht, stellt den maßgeblichen Vergleichsbescheid das Erkenntnis des BVwG vom 06.04.2016 dar, womit die Beschwerde gegen die Abweisung des zweiten Antrages auf internationalen Schutz in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen wurde. Das Erkenntnis wurde rechtswirksam zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Eine dagegen eingebrachte Revision wurde vom VwGH mit Beschluss vom 05.09.2016 zurückgewiesen.
Das BVwG bestätigte darin im Wesentlichen, dass das als ausreisekausal dargelegte Vorbringen nicht glaubhaft war und sich auch aus der allgemeinen Lage in der Türkei kein Grund für die Zuerkennung von internationalem Schutz bzw. subsidiärem Schutz ergibt.
Das gegenständliche Verfahren betreffend ist bei der Prüfung gem. § 68 AVG maßgeblich, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen muss, dem Asyl- oder Refoulementrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages - allenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen (vgl. VwGH 4.11.2004 sowie u.a. die Erkenntnisse vom 25.10.2005, 2005/20/0372, vom 22.12.2005, 2005/20/0556 sowie 2005/20/0300; 19.2.2009, 2008/01/0344).
Eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes liegt nicht vor, wenn die ursprüngliche Entscheidung davon ausging, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei und mit dem neuerlichen Antrag unter Vorlage entsprechender Beweismittel darzutun versucht wird, dass die Angaben sehr wohl wahr seien (VwGH 30.1.1989, 88/10/0150).
Im gegenständlichen Verfahren legte das BFA dar, dass die bP im gegenständlichen Verfahren keinen nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht hat, was sich aus ihren Angaben bei der Befragung am 22.12.2019 und bei der Einvernahme am 09.01.2020 zum gegenständlichen Verfahren ergibt. Ihr nunmehriges Vorbringen bezog sich auf ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren. Es hat sich bezüglich ihrer Fluchtgründe nichts geändert. Im gegenständlichen Asylverfahren hat die bP keinen entscheidungsrelevanten neuen Sachverhalt vorgebracht. Vielmehr stützt sie sich auf ihr bereits im ersten rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren behauptetes Fluchtvorbringen, insbesondere darauf, dass sie noch immer von der Polizei aufgrund ihrer politischen Tätigkeit gesucht wird. Diesbezüglich gab sie an, dass sie regelmäßig Kontakt zu ihren Eltern hätte und die türkische Polizei seit Jahren nach ihr fragen würde. Ihre Angaben im Vorverfahren wurden als nicht glaubhaft erachtet und ihr Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig negativ entschieden.
Im nunmehrigen Asylantrag hat die bP ganz offensichtlich die wiederholte Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt.
Somit ist kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellbar und hatte die Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache zu erfolgen.
Hinsichtlich der im Vorverfahren getroffenen Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei hat sich ebenfalls keine Änderung ergeben und sohin wird diese daher nach wie vor für zulässig erachtet.
Angemerkt wurde, dass sich die bP jederzeit in jeder beliebigen Region in der Türkei niederlassen kann. Im Weiteren wurde davon ausgegangen, dass die bP bei ihren Verwandten in ihrem Heimatland Unterkunft finden kann. Sie gab selbst an, vor ihrer Auseise bei ihrer Schwester unbescholten gelebt zu haben.
Die nunmehr vorgebrachten Gründe, warum es ihr nun nicht mehr möglich wäre, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, sind somit nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung zu bewirken und kann darin kein neuer, entscheidungsrelevanter asyl- bzw. refoulementrelevanter Sachverhalt festgestellt werden.
Das BFA kam sohin zum zwingenden Schluss, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert ist. Es liegt sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.
Seitens des BVwG wird dem BFA in seinen Ausführungen nicht entgegengetreten. Wie richtig dargelegt, baut das gegenständliche Vorbringen der bP genau auf jenen Sachverhalt auf, welcher bereits im ersten Verfahren als nicht glaubwürdig rechtskräftig festgestellt wurde. Das BFA legte nachvollziehbar dar, weshalb das Vorbringen der bP, dass das Fluchtvorbringen das gleiche bleibe, die Polizei jedoch wieder nach ihr gesucht habe, nicht geeignet ist, der Fluchtgeschichte einen glaubhaften Kern zu verleihen und verwies das BFA diesbezüglich richtigerweise auch auf das bereits rechtskräftig abgeschlossene Vorverfahren, in welchem bereits beim BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung rechtskräftig festgestellt wurde, dass die bP in Bezug auf ihr Fluchtvorbringen nicht glaubwürdig war. Im Wesentlichen wurde durch die bP die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezog sich die bP gegenständlich wieder auf sie, weshalb ein wesentlich geänderter Sachverhalt nicht vorliegt, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist.
Mit ihren Ausführungen in der Beschwerde ist es der bP nicht gelungen, der Beweiswürdigung des BFA substantiiert entgegenzutreten, weshalb auch das BVwG davon ausgeht, dass das nunmehrige Vorbringen der bP bereits Inhalt eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war. So wurde vom BFA das Vorbringen aus dem vorigen Asylverfahren jenem aus dem aktuellen gegenübergestellt und schlüssig nachvollziehbar dargelegt, weshalb nicht vom Vorliegen eines neuen, glaubhaften und asylrelevanten Sachverhaltes auszugehen sei.
Sofern die bP eine Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur alevitischen Religionsgemeinschaft bzw. kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit behauptet, so handelt es sich dabei, wie bereits vom BFA ausgeführt, um im ersten Verfahrensgang vorgebrachte Antragsgründe. Über diese wurde bereits rechtskräftig abgesprochen und ist seither eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten, sodass weiterhin davon auszugehen ist, dass die bP allgemein in der Türkei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen.
Eine darüberhinausgehende, gegen die bP selbst gerichtete substantiierte Verfolgungsgefahr aufgrund ihrer Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit hat die bP, wie auch bereits im ersten Verfahren, nicht glaubhaft dargelegt.
Zusammengefasst ist es der bP daher nicht gelungen, hinreichend substantiiert darzulegen, dass es seit dem Abschluss des vorigen Verfahrensganges zwischenzeitlich zu einer relevanten Änderung der Lage im Hinblick auf eine individuelle Gefährdung gekommen wäre.
Im Ergebnis wird daher mit dem gegenständlichen Antrag die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache ohne nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage bezweckt, was durch § 68 Abs. 1 AVG verhindert werden soll (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029).
Im Ergebnis hat das BFA daher den neuerlichen Antrag der bP auf internationalen Schutz zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des Bescheides war daher abzuweisen.
Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen / Rückkehrentscheidung
3.3. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG stellt auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar. Dass in § 52 Abs. 2 Z 2 FrPolG 2005 nicht auch - wie in § 61 Abs. 1 Z 1 FrPolG 2005 - Entscheidungen nach § 68 Abs. 1 AVG ausdrücklich genannt sind, steht dieser Sichtweise nicht entgegen (VwGH 19.11.2015, RA 2015/20/0082).
3.3.1. Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
3.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
3.3.3. Ein Sachverhalt, wonach der bP gem. § 57 Abs. 1 Z. 1-3 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen wäre, liegt hier nicht vor, weshalb eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vom Bundesamt zu recht nicht zu erteilen war.
Es erfolgte daher zu Recht die Feststellung zu Spruchpunkt III. des Bescheides.
3.4. Die bP ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihr auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Ein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegt hier nicht vor. Daher ist gegenständlich gem. § 52 Abs. 2 FPG grds. die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen.
3.4.1. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."
Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:
Privatleben
Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).
Familienleben
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgans (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).
Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).
Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).
Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).
Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
3.4.2. In Österreich leben eine Schwester sowie mehrere Onkel und Cousins der bP. Ein Naheverhältnis zu diesen Personen besteht nicht. Die bP ist ledig und hat keine Kinder. Es ist somit bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht von einem schützenswerten Familienleben auszugehen.
Die bP hält sich mit einer Unterbrechung aufgrund ihrer Ausreise in die Schweiz seit etwas mehr als 8 Jahren in Österreich auf. Ihr Aufenthalt nach rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens beträgt weniger als 4 Jahre. Es ist somit von einem schützenswerten Privatleben der bP in Österreich auszugehen.
3.4.3. Da somit in einem gewissen Umfang vom Vorliegen eines Privatlebens der bP in Österreich auszugehen ist und die Rückkehrentscheidung damit einen Eingriff in das Recht der bP auf Privatleben darstellt, bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen Interessen, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK legitime Ziele, nämlich
- die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene
Rechtsordnung zu subsumieren ist;
- das wirtschaftliche Wohl des Landes;
Öffentliche Ordnung / Verhinderung von strafbaren Handlungen (insb. im Bereich des Aufenthaltsrechtes)
Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Rückkehrentscheidung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.). Die öffentliche Ordnung, hier va. das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird zB. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Rückkehrentscheidung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz grds. gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Rückkehrentscheidung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Aus Art 8 EMRK ist zudem kein Recht auf Wahl des Familienwohnsitzes ableitbar (VfGH 13.10.2007, B1462/06 mwN).
Die rechtswidrige Einreise und der rechtswidrige Aufenthalt im Bundesgebiet stellen eine Verwaltungsübertretung dar. Im darin enthaltenen Strafrahmen des FPG lässt der Gesetzgeber das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung bzw. Bekämpfung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet erkennen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellt daher ein Instrument zur Verhinderung eines derartigen unter Strafe gestellten Verhaltens bzw. Unterlassens dar. Die allgemeine Lebenserfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der Fremden nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens der durch die Rückkehrentscheidung bestehenden auferlegten Ausreiseverpflichtung nicht (freiwillig) nachkommt. Nur für den Fall der Erlassung eines den Aufenthalt des Fremden beendenden Titels besteht (unbeschadet der sonstigen Zuständigkeit der Sicherheitsbehörde für Aufenthaltsbeendigungen von Fremden) für diesen Fremden nach Abschluss seines Asylverfahrens die gesetzliche Verpflichtung Österreich zu verlassen und können Organe des öffentlichen Sicherheitsdienste nur diesfalls im Falle der Weigerung im Auftrage der Sicherheitsbehörde diese im öffentlichen Interesse notwendige Aufenthaltsbeendigung auch mit behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchführen.
Wirtschaftliches Wohl
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes (vgl zB EGMR 31.7.2008, Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen) von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den geordneten Arbeitsmarkt als auch für das Sozial- und Gesundheitssystem erhebliche Auswirkung hat.
Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere bei nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Fremden, welche daher auch grds. über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, idR die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes in die gesellschaftlich unerwünschte, aber doch real vorhandene Schattenwirtschaft ausweichen, was wiederum erhebliche Folgewirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN). Ebenso stellt die Zuwanderung nicht erwerbsfähiger oder erwerbsunwilliger Fremder eine Belastung für das Sozialsystem dar.
Wenn das Privatleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, ist dies bei der Abwägung gegebenenfalls als die persönlichen Interessen mindernd in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562, Fall Nnyanzi gg. Vereinigtes Königreich, Fall Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen).
Privatleben iSd Art 8 Abs 1 EMRK kann grundsätzlich nur im Rahmen eines legalen Aufenthaltes entstehen. Eine während des laufenden Asylverfahrens bloß vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist nicht geeignet berechtigterweise schon die Erwartung hervorzurufen, in Österreich bleiben zu dürfen (EGMR in den Sachen Ghiban v. 7.10.04, 33743/03 und Dragan NVwZ 2005, 1043, Nnyanzi gg. Norwegen).
Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).
Verfügt die beschwerdeführende Partei über einen gesicherten Aufenthalt und ist sie nicht straffällig geworden, so bewirken diese Umstände keine relevante Verstärkung ihrer persönlichen Interessen (Hinweis E 24. Juli 2002, 2002/18/0112; 31.10.2002, 2002/18/0190).
Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiters dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH v. 20.12.2007, Zl. 2006/21/0168).
Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es der beschwerdeführenden Partei bei der asylrechtlichen Rückkehrentscheidung grds. nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN).
3.4.4. Im Einzelnen ergibt sich unter zentraler Beachtung der in § 9 Abs. 1 Z. 1-9 AsylG genannten Determinanten Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Die bP reiste am 06.06.2011 nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein. Seit der Rechtskraft des zweiten Asylverfahrens ist die bP seit weniger als 4 Jahren in Österreich aufhältig. Sie stellte die o. a. Anträge auf internationalen Schutz. Seit Abschluss des Verfahrens seitens des BVwG im Jahr 2016 hält sich die bP unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens:
Die bP führt kein Familienleben in Österreich.
- Die Frage, ob das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren:
Die privaten Anknüpfungspunkte der bP in Österreich wurden zur Gänze in einer Zeit erlangt, in der der Aufenthalt stets prekär war. Da es sich bereits um die 3. Antragstellung handelt, kann davon ausgegangen werden, dass der bP dies auch bewusst war.
- Grad der Integration / Schutzwürdigkeit des Privatlebens
Die bP kann sich zwar in deutscher Sprache verständigen. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige, besondere Integration der bP in Österreich in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht wurden nicht dargelegt und sind nicht erkennbar. Die bP lebt von der Grundversorgung. Sie ist nicht ehrenamtlich tätig und nach eigenen Angaben vor dem BFA nicht Mitglied in einem Verein. Selbsterhaltung liegt gegenständlich nicht vor.
In einer Gesamtbetrachtung ist nicht zu erkennen, dass die durch die bP während des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet erlangte Integration ein solches Ausmaß erlangt hätte und von solchem Gewicht wäre, dass ihr im Hinblick auf Art. 8