TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/20 W152 2124262-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2020
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Entscheidungsdatum

20.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W152 2124259-2/8E

W152 2124260-2/9E

W152 2124265-2/5E

W152 2124262-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , und 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Mongolei, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2018 (ad 1.) und 13.11.2018 (ad 2., 3., 4.), Zl. 1052406710-180481725 (ad 1.), 1052406601-180940962 (ad 2.), 1052405702-18094277 (ad 3.), und 1052406002-180942469 (ad 4.), zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden hinsichtlich der jeweiligen Spruchpunkte I der angefochtenen Bescheide gemäß § 68 Abs. 1 AVG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerden gegen die jeweiligen Spruchpunkte II bis VII der angefochtenen Bescheide werden diese Spruchpunkte behoben und die Angelegenheiten gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG idgF zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführer (BF1 bis BF4) sind mongolische Staatsangehörige. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) und der Zweitbeschwerdeführer (BF2) sind miteinander verheiratet und Eltern der beiden minderjährigen Beschwerdeführer (BF3 und BF4).

1. Erste Verfahren auf internationalen Schutz

1.1. Die Beschwerdeführer (BF1 bis BF4) stellten jeweils am 24.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Mit Bescheiden des Bundesamtes vom jeweils 23.03.2016 ad 1) 15-1052406710-150203443, ad 2) 15-1052406601-150203427, ad 3) 15-1052405702-150203478, und ad 4) 15-1052406002-150203672 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG 2005 wurde den BF nicht erteilt. Weiters wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Mongolei zulässig sei. Beschwerden gegen diese Entscheidungen wurden die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.3. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden der BF1 bis BF4 wurden - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.08.2017 - mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden BVwG) vom 22.11.2017 zu ad 1) W119 2124259-1/17E, ad 2) W119 2124260-1/17E, ad 3) W119 2124265-1/13E, und zu ad 4) W119 2124262-1/13E abgewiesen. Begründend hielt das Bundesverwaltungsgericht zum Status des Asylberechtigten fest, dass der BF2 eine staatliche Verfolgung aufgrund seiner Aktivitäten für Bosoo Khukh Mongol nicht glaubhaft machen konnte (vgl. Seite 14 iVm 41 des Erkenntnisses W119 2124260-1/17E). Ebenso sei eine Verfolgung des BF2 durch ein kanadisches Bergbauunternehmen wegen seines Engagements für den Umweltschutz nicht glaubhaft (vgl. Seite 14 iVm 41ff des Erkenntnisses W119 2124260-1/17E). BF1, BF3 und BF4 haben keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht, weshalb auch ihre Anträge abzuweisen waren (vgl. Seite 40 des Erkenntnisses W119 2124259-1/17E, Seite 44 des Erkenntnisses W119 2124265-1/13E und Seite 44 des Erkenntnisses W119 2124262-1/13E).

1.4. Zum subsidiären Schutz stellte das BVwG fest, dass die BF1 an einer Schilddrüsenerkrankung (Morbus Basedow) und chronischer Hepatitis B leide (vgl. Seite 14 des Erkenntnisses W119 2124259-1/17E). In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass die BF1 wegen ihrer Schilddrüsenerkrankung im Herkunftsstaat bereits behandelt wurde. Aus den vorgelegten Befunden zur Hepatitis B ergäben sich keine Hinweise auf ein unmittelbar drohendes Leberversagen oder auf einen durch diese Erkrankung bereits verursachten schweren Leberschaden. Durch eine Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Mongolei wäre daher die hohe Schwelle der angeführten EGMR-Judikatur für eine Verletzung ihrer durch Art. 2 und Art. 3 EMRK garantieren Rechte nicht erreicht. Die Gewährung von subsidiären Schutz komme somit nicht in Betracht (vgl. Seite 50ff des Erkenntnisses W119 2124259-1/17E).

1.5. BF2 leide an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen (vgl. Seite 15 W119 2124260-1/17E). Es könne nicht angenommen werden, dass der gesunde und arbeitsfähige BF2, welcher weiterhin familiäre Bindungen in der Mongolei habe und auch vor seiner Ausreise als Maurer erwerbstätig und selbsterhaltungsfähig war, nach einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Dazu ist zu ergänzen, dass die Grundversorgung der mongolischen Bevölkerung nach den Länderberichten gesichert sei. Die Gewährung von subsidiären Schutz komme somit nicht in Betracht (vgl. Seite 51 des Erkenntnisses W119 2124260-1/17E)

1.6. Bezüglich BF3 und BF4 könne nicht angenommen werden, dass sie nach einer Rückkehr im Familienverband in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären. Dazu ist zu ergänzen, dass die Grundversorgung der mongolischen Bevölkerung nach den Länderberichten gesichert sei.

1.7. Die Gewährung von subsidiären Schutz komme somit nicht in Betracht (vgl. rechtliche Beurteilung auf Seite 50ff des Erkenntnisses W119 2124265-1/13E und Seite 50ff des Erkenntnisses W119 2124262-1/13E).

1.8. Die Beschwerdeführer (BF1 bis BF4) erhoben gegen die abweisenden Erkenntnisse des BVwG vom 22.11.2017, die dem Parteienvertreter und dem Bundesamt jeweils am 27.11.2017 rechtswirksam zugestellt wurden, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Der VfGH lehnte die Behandlung der Beschwerden mit Beschluss vom 27.02.2018, E87-90/2018-5 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab (Spruchpunkt I) und trat sie dem VwGH zur Entscheidung ab (Spruchpunkt II).

2. Gegenständliche Folgeanträge auf internationalen Schutz

2.1. Die Beschwerdeführer stellten jeweils am 04.10.2018 die gegenständlichen (Folge-) Anträge auf internationalen Schutz.

2.2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.05.2018 und insbesondere der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, am 20.06.2018 brachte die BF1 im Wesentlichen vor, dass sie an Hepatitis B und D leide. So habe man bei ihrer Einreise nach Österreich festgestellt, dass sie Hepatitis B habe. Bei einer Untersuchung im Dezember 2017 sei festgestellt worden, dass sie nunmehr auch Hepatitis D habe. Aufgrund des negativen Ausganges des Erstverfahrens sei die Behandlung jedoch unterbrochen worden. Die BF1 legte hiebei insbesondere ein vom Klinikum XXXX am 07.12.2017 angefertigtes Ambulanzprotokoll vor, wonach sie an einer chronischen Hepatitis B plus D leide. Weiters legte sie ein weiteres Ambulanzprotokoll vom Klinikum XXXX vom 18.04.2018 vor, wonach sie an einer "Hepatitis B plus D mit hoch virämisch auf Hepatitis D" leide. Aus diesem Grund sei ab 11.12.2017 eine Therapie mit "Pegasys", die für 48 Wochen durchgeführt werden sollte, begonnen worden. Die Hepatitis B und D habe ein hohes Risiko zur Progression der Lebererkrankung bis Leberzirrhose und auch ein erhöhtes Risiko auf ein hepato-zelluläres Karzinom. Aus diesem Grund sei die Therapie fertig zu machen. Die BF1 legte auch die Übersetzung eines mongolischen "Ärztlichen Zeugnisses" vom 19.04.2018 vor, das die diesbezügliche Behandlungsmöglichkeit in der Mongolei in Zweifel zieht. Die BF1 brachte vor, sie habe keine eigenen Verfolgungsgründe. Die BF1 sei wegen den Fluchtgründen des BF2 ausgereist. Die BF1 habe noch immer Angst um ihren Ehegatten (BF2). Die alten Fluchtgründe seien nach wie vor noch immer aufrecht. Neue Beweise oder Tatsachenelemente wurden diesbezüglich jedoch nicht vorgebracht.

2.3. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.10.2018 und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, am 25.10.2018 brachte der BF2 im Wesentlichen vor, dass die BF1 einen "Lebervirus" habe, der aktiv geworden sei. Er glaube, es heiße "Leberdeltavirus", der in der Mongolei nicht behandelbar sei. Diese Erkrankung sei im November bzw. Dezember 2017 festgestellt worden und seine Ehegattin habe sich dann einer Spritzenkur unterziehen müssen. Seine alten Fluchtgründe seien weiter aufrecht; neue Beweise oder Tatsachenelemente wurden diesbezüglich jedoch nicht vorgebracht. BF4 gab durch seinen gesetzlichen Vertreter (BF2) an, keine eigenen Fluchtgründe sondern nur jene des BF2 zu haben. BF4 selbst sei gesund.

2.4. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.10.2018 und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestellte OST, am 25.10.2018 brachte die BF3 im Wesentlichen vor, keine eigenen Fluchtgründe zu haben. Die Mutter (BF1) sei lebensbedrohlich krank, deshalb stelle sie den gegenständlichen Folgeantrag. BF3 selbst sei gesund.

2.5. Das Bundesamt wies mit den im Spruch genannten Bescheiden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des (r) Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und hinsichtlich des Status des (r) subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) jeweils gemäß

§ 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden hiebei gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Antragsteller Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde jeweils ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

2.6. Gegen diese Bescheide erhoben die Antragsteller jeweils fristgerecht Beschwerde, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die BF1 an Hepatitis B und D leide und diese Erkrankung in der Mongolei nicht behandelbar sei. Eine Rückkehr in die Mongolei sei daher für die Familie auch iSd Art 3 EMRK unzumutbar. Es liege aber auch ein Eingriff in die Rechte gemäß Art. 8 EMRK vor, weil die Mutter dringend auf die Pflege und Betreuung durch ihren Ehegatten angewiesen sei.

2.7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.09.2018, GZ: W152 2124259-2/2Z, wurde der Beschwerde der BF1 gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2.8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.12.2018, GZ: W152 2124260-2/4Z, W152 2124265-2/4Z, W152 2124262-2/4Z, wurden den Beschwerden der BF2, BF3 und BF4 gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zum Verfahrensgang

Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie dieser unter Punkt I wiedergegeben ist.

1.2. Zur Person der Beschwerdeführer

Die Beschwerdeführer (BF1 bis BF4) sind mongolische Staatsangehörige. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) und der Zweitbeschwerdeführer (BF2) sind miteinander verheiratet und Eltern der beiden minderjährigen Beschwerdeführer (BF3 und BF4).

1.3. Zum gegenständlichen Antragsvorbringen

Die BF begründeten den gegenständlichen Folgeantrag damit, dass die Fluchtgründe des BF2 weiter aufrecht seien. BF1 leide an chronischer Hepatitis B und D. Hepatitis D sei in der Mongolei nicht behandelbar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der festgestellte Verfahrensgang und die Feststellungen zum gegenständlichen Antragsvorbringen ergeben sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der Verwaltungsakten des Bundesamtes und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Die Feststellungen zur jeweiligen Person der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren diesbezüglichen gleichbleibenden Angaben, an denen auf Grund der Sprachkenntnisse, der örtlichen Kenntnisse und Gegebenheiten auch nicht zu zweifeln war.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß

§ 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A)

3.1. Grundüberlegungen zur Zurückweisung nach § 68 Abs. 1 AVG:

3.1.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

3.1.2. Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid (für das Vorerkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Vorerkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

3.1.3. Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100, mwN).

3.1.4. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

3.1.5. Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

3.1.6. Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

3.1.7. Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

3.1.8. Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

3.1.9. Die Rechtsmittelbehörde darf nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung (wegen entschiedener Sache) durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist und hat dementsprechend entweder - im Falle des Vorliegens entschiedener Sache - das Rechtsmittel abzuweisen oder - im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung - den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (VwSlg. 2066A/1951, VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, 1433 mwH).

3.1.10. Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76). Die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht werden (VwGH 23.05.1995, 94/04/0081).

3.2. Zum Vorliegen von "res iudicata" hinsichtlich Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.2.1. Im Verfahren über einen (Asyl-)Folgeantrag ist es Sache der Partei das Begehren auf neuerliche Sachentscheidung asylrelevant zu begründen (vgl. VwGH vom 06.11.2009, 2008/19/0783). Die bloße Behauptung des "Fortbestehens und Weiterwirkens" der Fluchtgründe des ersten Asylverfahrens begründet keine neue Rechtssache (vgl. VwGH vom 20.03.2003, 99/20/0480). Es muss vielmehr ein gefahrvergrößerndes Bedrohungsbild gegenüber der letzten meritorischen Entscheidung geschildert werden (vgl. VwGH vom 26.07.2005, 2005/20/0343). Das Vorbringen, die Fluchtgründe des BF2 seien nach wie vor aufrecht, begründet somit keine neue Rechtssache. Weitere Verfolgungsgründe wurden nicht vorgebracht (vgl. VwGH 23.05.1995, 94/04/0081). Die verfahrensgegenständlichen Erkrankungen sind auf der Ebene des subsidiären Schutzes zu prüfen (vgl. VwGH vom 26.06.2019, Ra 2019/20/0050). Die Folgeanträge wurden somit hinsichtlich des Status des Asylberechtigten zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I der jeweiligen Bescheide waren daher abzuweisen.

3.3. Zum Vorliegen von "res iudicata" hinsichtlich Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.3.1. Auch hinsichtlich subsidiären Schutzes ist es Aufgabe der Partei ihr Begehren auf neuerliche Sachentscheidung verfahrensrelevant zu begründen (vgl. VwGH vom 19.02.2009, 2008/01/0344). Gemäß § 8 AsylG 2005 ist einem Fremden bei realer Gefahr einer Art. 3 EMRK Verletzung der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; eines Akteures bedarf es nicht. Eine richtlinienkonforme Interpretation würde nämlich zu einer Auslegung contra legem führen, da die Intention des Gesetzgebers eindeutig sei (vgl. VwGH vom 21.05.2019,

Ra 2019/19/006-3). Einem erkrankten Fremden ist also subsidiärer Schutz zu gewähren, wenn er wegen Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ausgesetzt werden würde (vgl. VwGH vom 26.06.2019, Ra 2019/20/0050 mwN). Die Beschwerdeführer brachten unstrittig vor, die BF1 leide an chronischer Hepatitis B und D. Angesichts der nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens der BF1 erstellten Ambulanzberichte des Klinikum XXXX vom 07.12.2017 und 18.04.2018, worin nunmehr auch eine Hepatitis D diagnostiziert wurde, und insbesondere des Ambulanzberichtes vom 18.04.2018, worin weiters ausgeführt wurde, dass die Hepatitis B plus D ein hohes Risiko zur Progression der Lebererkrankung bis Leberzirrhose und auch ein erhöhtes Risiko auf ein hepato-zelluläres Karzinom habe, liegen "nova producta" vor, die erst nach Abschluss des ersten Asylverfahrens entstanden sind. Es kann daher von vornherein nicht ausgeschlossen werden, dass die BF1 im Falle einer Abschiebung nicht einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt werde. Da somit hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten der BF1 keine "res iudicata" vorliegt, war der Beschwerde somit stattzugeben und das Verfahren zuzulassen.

3.3.2. Im zugelassenen Verfahren wird sich die Behörde daher mit der spezifischen Behandlungssituation sowie dem aktuellen Gesundheitszustand auseinanderzusetzen haben. Die vorgenommenen Ermittlungen entsprechen nicht den gebotenen Umständen des Einzelfalls. Der Verweis auf eine allgemeine medizinische Versorgungsmöglichkeit in der Mongolei ist im gegenständlichen Fall unzureichend. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass ein mongolisches "Ärztliches Zeugnis" vom 19.04.2018 die diesbezüglichen Behandlungsmöglichkeiten in der Mongolei in Zweifel zieht.

3.3.3. Beim BVwG anhängige Verfahren von Familienmitgliedern sind gemeinsam zu führen (vgl. VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/18/0252). Neue zulassungsbegründende Umstände in der Sphäre eines Familienangehörigen bewirken automatisch die Zulassung der anderen Angehörigenverfahren (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 34 AsylG 2005 K25). Den Beschwerden gegen Spruchpunkt II des jeweils angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide zurückzuverweisen.

3.3.4. Die mit der Zurückweisung verbundenen jeweiligen Spruchpunkte III bis VII waren daher ebenfalls jeweils aufzuheben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR/EuGH stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Im konkreten Fall ging das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und ist diese auch nicht uneinheitlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behandlungsmöglichkeiten Ermittlungspflicht Gesundheitszustand Identität der Sache Kassation mangelnde Asylrelevanz mangelnde Sachverhaltsfeststellung Prozesshindernis der entschiedenen Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W152.2124262.2.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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