Entscheidungsdatum
20.02.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W278 1417145-4/47E
W278 2007510-2/20E
W278 2121457-2/15E
W278 2195985-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Mongolei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.11.2016, 04.09.2017 und 11.12.2019, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , XXXX alias XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Mongolei, die minderjährigen Beschwerdeführer vertreten durch XXXX , alle vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2018, Zlen. XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.12.2019:
A) Das Verfahren über die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide wird wegen Zurückziehung der Beschwerden gemäß §§ 28 Abs. 1 iVm 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
3. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , XXXX alias XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Mongolei, die minderjährigen Beschwerdeführer vertreten durch XXXX , alle vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2018, Zlen. XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.12.2019, zu Recht:
A) Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. bis VI. der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als BF bzw. BF1, BF2, BF3 und BF4 bezeichnet) sind Staatsangehörige der Mongolei. Der BF1 ist der Lebensgefährte der BF2. Der BF3 ist der Sohn der BF2 aus einer früheren Beziehung, die BF4 ist die gemeinsame Tochter des BF1 und der BF2. Das Leben der BF in Österreich ist untrennbar miteinander verknüpft bzw. beziehen sich die BF auf dieselben Rückkehrhindernisse, weshalb die Entscheidung unter Berücksichtigung des Vorbringens aller BF abzuhandeln ist.
1.1. Zum Erstbeschwerdeführer:
Der BF1 reiste im Jahr 2010 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 06.07.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 16.08.2011 vollinhaltlich rechtskräftig abgewiesen wurde.
Am 15.09.2011 stellte der BF1 einen Folgeantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.03.2012 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 18.04.2012 rechtskräftig ab.
Ein weiterer Folgeantrag vom 23.02.2013 des BF1 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.03.2013 ebenfalls zurückgewiesen. Die erneut dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (infolge: BVwG) vom 15.06.2015, Zl. XXXX , gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) zurückverwiesen.
Am 22.04.2016 wurde der BF1 vor dem BFA zur Erlassung der Rückkehrentscheidung einvernommen und führte dabei aus, er sei seit 2010 durchgehend in Österreich und verfüge über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1. Seit 2014 sei er in einer Beziehung mit der BF2, lebe aber derzeit nicht mit ihr zusammen. Fast alle im Strafregisterauszug aufscheinenden Straftaten habe er unter Alkoholeinfluss begangen und habe er zwischenzeitlich eine Entwöhnungstherapie abgeschlossen. Er sei schuldig, bereue dies aber und werde in Zukunft keine Straftaten mehr begehen. Er wolle seinen Schulabschluss und anschließend eine Ausbildung zum Zimmermann machen. Seit 2010 habe er keinen Kontakt mehr zu seinem Herkunftsstaat und drohe ihm im Falle der Rückkehr wegen einer Straftat, die er nicht begangen habe, eine Gefängnisstrafe.
Mit im Spruch genannten Bescheid vom 02.06.2016 wurde dem BF1 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Mongolei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF1 ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.) und eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, der BF1 sei unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich eingereist, habe keine familiären Beziehungen im Bundesgebiet und könnte auch sonst keine relevante Integration festgestellt werden. Er habe sein gesamtes bisheriges Leben in der Mongolei verbracht, lebe in einer öffentlichen Unterkunft und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung. Da die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen die wenig schützenswerten privaten Interessen des BF1 überwiegen würden, sei die Rückkehrentscheidung zulässig. Aufgrund des über Jahre hinweg gesetzten Fehlverhaltens des BF1 und seiner wirtschaftlichen Situation sei mit einer Fortsetzung seines bisherigen Verhaltens zu rechnen, weshalb die Erlassung eines Einreiseverbotes notwendig und gerechtfertigt sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF1 fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, die Behörde habe zur Beurteilung der individuellen Situation des BF1 unvollständige und viel zu allgemein gehaltene Länderberichte herangezogen und nicht berücksichtigt, dass die Lebensgefährtin des BF1 ein Kind von ihm erwarte. Da es im Herkunftsstaat des BF1 sowohl an Arbeit als auch an Wohnmöglichkeiten mangle, sei nicht anzunehmen, dass der BF1 aus eigener Kraft für seine Existenzmittel aufkommen könne.
Am 28.11.2016 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF1 zu seinem Familienleben und seiner Integration in Österreich sowie seinen Beziehungen zum Herkunftsstaat und einer allfälligen Gefährdung im Falle der Rückkehr befragt und auch die BF2 zu ihrem Zusammenleben mit dem BF1 einvernommen wurde.
Am 04.09.2017 wurde vor dem BVwG neuerlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher zwei Zeugen zu seinem Familienleben in Österreich befragt und der BF1 ergänzend zu seinen Befürchtungen im Falle der Rückkehr einvernommen wurde.
Mit Schreiben vom 04.09.2018 und 24.09.2018 übermittelte der BF1 Integrationsunterlagen.
Zwischen 02.04.2012 und 13.03.2019 wurde der BF1 insgesamt acht Mal rechtskräftig verurteilt.
Mit Schreiben vom 09.12.2019 ersuchte das BVwG die Justizanstalt XXXX um Auskunft zum Verhalten des BF1 während der dort verbüßten Haft und teilte diese mit Stellungnahme vom 10.12.2019 mit, dass das Verhalten des BF1 während der Haft der Hausordnung entsprach und er nach Verbüßung der Hälfte der Haftstrafe unter der Weisung der Aufnahme einer klinisch-psychologischen Suchtberatung sowie der Anordnung der Bewährungshilfe entlassen worden sei. Abgesehen vom Erstgespräch habe der BF1 keine weiteren Therapiegespräche im Rahmen der Suchtbetreuung bei Gericht nachgewiesen, weshalb bereits eine Stellungnahme verfügt worden sei.
Am 11.12.2019 fand vor dem BVwG eine weitere Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der BF1 ausführlich zu seinem Familienleben, seinen Straften, seiner Integration in Österreich sowie seinen Beziehungen zum Herkunftsstaat und seinen Befürchtungen im Falle der Rückkehr befragt wurde.
Mit Schreiben vom 19.12.2019 legte der BF1 Bestätigungen über den Besuch von Suchtberatungsgesprächen vor.
1.2. Zur Zweit-, dem Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin:
Die BF2 reiste im Jahr 2013 unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte am 16.09.2013 unter Verwendung einer falschen Identität einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 07.04.2014 vollinhaltlich abgewiesen wurde.
Im Jahr 2014 reiste der damals vierjährige BF3 unter Umgehung der Grenzkontrollen mit unbekannten Personen in Österreich ein und stellte die BF2 für ihn am 25.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Beschluss des BVwG vom 28.11.2016, Zl. XXXX, wurde der gegen die BF2 erlassene Bescheid vom 07.04.2014 behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.
Am XXXX wurde die BF4 im Bundesgebiet geboren und stellten der BF1 und die BF2 mit Schreiben vom 13.03.2017, beim BFA eingelangt am17.03.2017, auch für sie einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 29.03.2017 wurde die BF2 vor dem BFA einvernommen und führte dabei aus, sie sei gesund, habe aber Hepatitis B und müsse daher alle sechs Monate zur Kontrolle wegen ihrer Leber. Zuletzt habe sie in der Mongolei mit ihren Eltern, ihrem Bruder und ihrem Sohn in einem Haus gelebt und an einer Hauptschule unterrichtet. Zwei- bis dreimal pro Monat habe sie Kontakt zu ihrer Mutter und ihrem Bruder. Sie habe eine Tante und ihre Kinder. In Österreich habe sie bereits Deutschkurse besucht und sei bis zur Geburt ihrer Tochter im Rahmen der Nachbarschaftshilfe beschäftigt gewesen, derzeit gehe sie keiner Beschäftigung nach. Der BF3 sei im Jahr 2014 alleine mit einem Schlepper nach Österreich gekommen. Er sei gesund und gehe in die Schule.
Mit im Spruch genannten Bescheiden vom 06.03.2018 wurden die Anträge der BF2, des BF3 und der BF4 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) in Bezug auf die Mongolei abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF2, den BF3 und die BF4 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
Gegen diese Bescheide erhoben die BF2, der BF3 und die BF4 fristgerecht Beschwerde und brachten im Wesentlichen vor, in der Mongolei gebe es weder eine Wohnmöglichkeit noch finanzielle Unterstützung durch die dort aufhältigen Verwandten der BF2. Die Lage für die BF2 als alleinerziehende und alleinstehende Frau gestalte sich besonders schwierig, zumal sie schwer krank und auf angemessene Behandlung angewiesen sei, die sie sich in ihrem Herkunftsstaat nicht leisten könne. Die BF2 spreche sehr gut Deutsch, habe Nachbarschaftshilfe geleistet und habe sich hervorragend integriert, der BF3 besuche die Volksschule.
Mit Schreiben vom 28.02.2019, 04.03.2019, 03.06.2019, 23.07.2019 und 11.11.2019 übermittelten die BF2, der BF3 und die BF4 diverse Integrationsunterlagen, Empfehlungsschreiben und medizinische Befunde.
In der am 11.12.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zog die BF2 die Beschwerden gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten sowohl für sich als auch für den BF3 und die BF4 zurück und wurde - wieder BF1 - ausführlich zu ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Integration in Österreich sowie ihren Beziehungen zum Herkunftsstaat und ihren Befürchtungen im Falle der Rückkehr befragt.
Mit Schreiben vom 19.12.2019 übermittelte die BF2 einen Ambulanzbericht ihrer letzten medizinischen Untersuchung.
2. Feststellungen:
2.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Die BF führen die im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten. Die Identität des BF1 steht nicht fest. Die Identität der BF2, des BF3 und der BF4 steht fest. Die BF sind mongolische Staatsangehörige und sprechen Mongolisch und Deutsch.
Der BF1 lebte bis zu seinem 18. Lebensjahr in der Mongolei und besuchte dort 10 Jahre die Schule, die er mit Matura abschloss.
Die BF2 verließ die Mongolei im Alter von 28 Jahren, besuchte in der Mongolei 10 Jahre die Schule, studierte Biotechnologie und arbeitete anschließend zwei Jahre als Biologielehrerin an einer Volksschule. Nach der Geburt des BF3 im Jahr 2010 studierte sie Management und arbeitete danach erneut als Biologielehrerin.
Der in der Mongolei geborene BF3 verblieb nach der Ausreise der BF2 bei deren Eltern.
In der Mongolei leben vier Schwestern des BF1 sowie die Mutter und der Bruder der BF2, mit denen die BF2 und der BF3 vor ihrer jeweiligen Ausreise zusammenwohnten. Der BF1 hat Kontakt zu seiner älteren Schwester, die BF2 telefoniert zwei- bis dreimal im Monat mit ihrer Mutter.
Der BF1 ist gesund und arbeitsfähig, der BF3 und die BF4 sind ebenfalls gesund. Die BF2 leidet an einer chronischen Hepatitis B, einer chronischen Hepatitis D und einer Leberzirrhose und steht unter ärztlicher Beobachtung. Gegen die Hepatitis B erhält sie Medikamente, die Hepatitis D kann in Österreich nicht behandelt werden, weshalb regelmäßige medizinische Kontrollen erforderlich sind. Die Leberzirrhose erfordert neben regelmäßigen ärztlichen Kontrollen regelmäßige Blutabnahmen und Ultraschalluntersuchungen. Die diagnostizierten Krankheiten erreichen nicht das Ausmaß einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung.
2.2. Zum (Privat-)leben der Beschwerdeführer in Österreich:
Der BF1 reiste im Jahr 2010 unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte, nachdem die zuvor 2010 und 2011 gestellten Anträge rechtskräftig abgewiesen bzw. wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden, am 23.02.2013 einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz, der letztlich sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des BVwG vom 15.06.2015, Zl. XXXX , gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen und das Verfahren im Übrigen zur Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das BFA zurückverwiesen wurde. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
Im Jahr 2013 reiste die BF2 unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte am 16.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Anfang 2014 lernten sich der BF1 und die BF2 im Bundesgebiet kennen und führen seitdem mit einigen, bedingt durch die Alkoholsucht und Gewalttätigkeit des BF1, erfolgten Trennungen, eine Beziehung.
Der damals vierjährige BF3 kam im Jahr 2014 schlepperunterstützt, begleitet von unbekannten Personen, nach Österreich und stellte die BF2 für ihn am 25.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am XXXX wurde die gemeinsame Tochter des BF1 und der BF2, die BF4 im Bundesgebiet geboren und stellten der BF1 und die BF2 auch für sie am 17.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF1 ist seit 09.07.2010 - abgesehen von kurzen Unterbrechungen - durchgehend im Bundesgebiet gemeldet. Er besuchte in Österreich sechs Monate die Polytechnische Schule, hat die ÖSD-Prüfung auf dem Niveau B1 bestanden, gemeinnützige Arbeiten im Rahmen der Nachbarschafts- und Umzugshilfe erbracht, besuchte von 09.09.2019 bis zu seiner Inhaftierung am 26.01.2019 einen Pflichtschulabschlusskurs an einer Volkshochschule, den er seit seiner Entlassung fortsetzt und besitzt für den Fall des Erhalts einer Arbeitsgenehmigung die Einstellungszusage einer Tischlerei.
Die BF2 hält sich seit ihrer Antragstellung durchgehend im Bundesgebiet auf, hat gemeinnützige Arbeiten im Rahmen der Nachbarschaftshilfe erbracht, am 16.05.2019 die ÖIF-Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestanden und besitzt eine Einstellungszusage als Reinigungskraft in einem Ferienhaus.
Der BF1 und die BF2 haben sich in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut, sind nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und haben keine Ausbildung in Österreich abgeschlossen.
Der BF3 besucht derzeit die vierte Klasse Volksschule. Er hat am Projekt "Tierschutz macht Schule", am 15.03.2018 an einem internationalen Mathematikwettbewerb und am 12.01.2019 an der Vereinsmeisterschaft der Judo-Union XXXX teilgenommen. Bei der am 13.02.2019 abgehaltenen Prüfung des Österreichischen Judoverbandes hat der BF3 den
Weiß-/Gelbgurt erworben. Die BF4 besucht den Kindergarten.
Die BF2 lebt gemeinsam mit dem BF3 und der BF4 in einer Flüchtlingsunterkunft. Der BF1 ist in einer anderen Unterkunft behördlich gemeldet, verbringt aber die überwiegende Zeit bei der BF2 und den Kindern. Der BF1 und die BF2 kümmern sich gemeinsam um den BF3 und die BF4, wobei diese insbesondere während der ärztlichen Untersuchungen der BF2 vom BF1 betreut werden. Der BF1 und die BF2 beziehen Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig.
In Österreich hat der BF1 keine Verwandten. Die BF2 hat ihre Schwester im Bundesgebiet, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht allerdings nicht.
Die BF2 ist strafgerichtlich unbescholten.
Der BF1 wurde in Österreich insgesamt acht Mal wie folgt rechtskräftig verurteilt:
- Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 02.04.2012, Zl. XXXX , wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 130 1. Fall, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, wobei die Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, weil der BF1 Ende 2011, Anfang 2012 dem Unternehmen XXXX einen Anzug im Wert von EUR 100,00 und dem Unternehmen XXXX eine Hose im Wert von EUR 99,90 wegnahm sowie am 11.02.2012 versuchte, dem Unternehmen XXXX ein T-Shirt im Wert von EUR 17,95 und am 19.03.2012 dem Unternehmen XXXX zwei Parfums im Gesamtwert von EUR 190,90 wegzunehmen; Als mildernd wertete das Gericht das reumütige Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel und den teilweisen Versuch, als erschwerend die Tatwiederholung.
- Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 15.05.2013, Zl. XXXX , wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, wobei die Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und die Probezeit der bedingten Freiheitsstrafe zu XXXX auf fünf Jahre verlängert wurde, weil der BF1 am 22.02.2013 jemandem mehrere Faustschläge versetzte, der dadurch eine Gehirnerschütterung, Hautabschürfungen sowie einen Nasenbruch, der operativ behandelt werden musste, erlitt; Als mildernd wertete das Gericht das reumütige Geständnis und die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres, als erschwerend keinen Umstand.
- Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 24.01.2014, Zl. XXXX , wegen des Vergehens einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs. 1 StGB iVm §§ 83 Abs. 1, 107 Abs. 1 und 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, wobei die Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, die Probezeit der bedingten Freiheitsstrafe zu XXXX auf fünf Jahre verlängert und Bewährungshilfe angeordnet wurde, weil sich der BF1 in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzte und im Rausch seine ehemalige Lebensgefährtin an den Haaren ins Bett zog, zu Boden warf, ihr Fußtritte ins Gesicht und in den Bauch versetzte, wodurch diese multiple Prellungen mit Hautabschürfungen und Blutergüssen erlitt und ihr eine SMS mit dem Wortlaut "Ich komme jetzt dich zu töten, wenn du nicht mich lieben kannst dann töte ich dich und mich auch" sendete; Als mildernd wertete das Gericht das Geständnis und die günstigen Jugenderhebungen, als erschwerend die einschlägige Vorstrafe und den raschen Rückfall.
- Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 30.07.2014, Zl. XXXX , wegen des Vergehens der Urkundenfälschung (§ 223 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à EUR 4,00, insgesamt sohin EUR 400,00, weil der BF1 am 18.04.2014 eine falsche Urkunde, nämlich das Maximoticket eines anderen durch Auswechslung des Lichtbildes mit dem Vorsatz herstellte, dass sie zur Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrsmittel gebraucht wird; Als mildernd wertete das Gericht das Geständnis, als erschwerend die Vorstrafenbelastung.
- Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.09.2015, Zl. XXXX , wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung sowie der Körperverletzung (§§ 107 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten und einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen à EUR 4,00, insgesamt sohin EUR 1.440,00, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, weil der BF1 die BF2 am 24.02.2015 auf Mongolisch wiederholt sinngemäß damit bedrohte, dass er sie umbringen werde und ihr Faustschläge gegen den Kopf versetzte, sie würgte und gegen den Heizkörper stieß, wodurch sie Prellungen des Brustkorbes, der Halswirbelsäule und des Knies sowie einen Kapselriss am Mittelfinger erlitt; Als mildernd wertete das Gericht das teilweise Geständnis und das Alter unter 21, als erschwerend die drei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen.
- Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 07.09.2017, Zl. XXXX , wegen des Vergehens der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, wobei die Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, weil der BF1 am 17.06.2017 gegen die Seitenscheibe der Haustüre der Caritas schlug, wodurch diese zu Bruch ging; Als mildernd wertete das Gericht das Geständnis, die verminderte Zurechnungsfähigkeit und die Schadensgutmachung, als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe.
- Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 15.05.2018, Zl. XXXX , wegen des Vergehens der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen à EUR 4,00, insgesamt sohin EUR 800,00, weil der BF1 am 07.04.2018 in einem Restaurant mit der Faust gegen die Bildschirmkasse schlug und dadurch einen Schaden unerhobenen Wertes verursachte; Gleichzeitig wurde die Probezeit der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen zu XXXX sowie XXXX jeweils auf fünf Jahre verlängert. Als mildernd wertete das Gericht das Geständnis und die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit aufgrund der Alkoholisierung, als erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen.
- Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13.03.2019, Zl. XXXX , wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB), des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 Abs. 1 1. Fall StGB) und der schweren Körperverletzung (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, weil der BF1 die BF2 im November 2018 würgte, gegen eine Wand drückte und ihr sowohl zu diesem Zeitpunkt als auch am 26.01.2019 ankündigte, sie umzubringen, sich am 26.01.2019 zusätzlich gegen die zunächst angedrohte und anschließend ausgesprochene Festnahme wehrte, indem er sich massiv dagegen stemmte, sich bewusst zu Boden fallen ließ und versuchte, sich kraftvoll loszureißen und dadurch schließlich einen der anwesenden Polizeibeamten gegen eine Küchenzeile stieß, der dadurch eine mit mehreren Stichen zu nähende Platzwunde am rechten Oberlid verbunden mit einer starken Schwellung und einem Hämatom erlitt; Gleichzeitig wurde dem verletzten Polizeibeamten ein Teilschadenersatz von EUR 500,00 zugesprochen. Als mildernd wertete das Gericht das Geständnis und den teilweisen Versuch, als erschwerend die Vorstrafenbelastung sowie das Zusammentreffen mehrerer Vergehen.
Aufgrund der Ende 2011/Anfang 2012, am 11.02.2012 und 19.03.2012 begangenen teils versuchten, teils vollendeten Diebstähle befand sich der BF1 zwischen 11.02.2012 und 24.02.2012 sowie zwischen 19.03.2012 und 02.04.2012 in Verwahrungs- bzw. Untersuchungshaft. Nach seiner Festnahme am 26.01.2019 wurde der BF1 bis zu seiner Verurteilung am 13.03.2019 erneut in Verwahrungs- bzw. Untersuchungshaft angehalten und verbüßte anschließend in der Justizanstalt XXXX seine Strafhaft. Während der Strafhaft erhielt der BF1 regelmäßig Besuch von der BF2, dem BF3 und der BF4.
Am 26.06.2019 wurde der BF1 nach Verbüßung der Hälfte der Haftzeit unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen. Zusätzlich wurde dem BF1 Bewährungshilfe angeordnet sowie die Weisung erteilt, sich einer klinisch-psychologischen Suchtberatung zu unterziehen und dem zuständigen Landesgericht darüber vierteljährlich unaufgefordert Verlaufsberichte vorzulegen.
Der BF1 absolvierte im Sommer 2015 eine stationäre Alkoholentwöhnungstherapie und war anschließend etwa zwei Jahre lang trocken. Aufgrund der vom Gericht auferlegten Suchtberatung besuchte der BF1 erstmals am 28.06.2019 ein Beratungsgespräch. Nachdem die Kosten für die Beratung vom Land Vorarlberg nicht übernommen wurden, entschied das Gericht, dass die Kosten von diesem zu tragen sind. In der Folge suchte der BF1 am 15.10.2019 erneut die Suchtberatungsstelle auf und fand am 24.10.2019 ein Erstgespräch statt. Zwischen 31.10.2019 und 16.12.2019 wurden insgesamt fünf weitere Beratungstermine vereinbart, zwei dieser Termine nahm der BF entschuldigt nicht wahr. Dem Vollzugsgericht wurden die auferlegten Beratungstermine - entgegen der ausdrücklichen Anordnung - zumindest bis 10.12.2019 nicht nachgewiesen, sodass die zuständige Richterin eine Stellungnahme verfügen musste. Seit 09.08.2019 besucht der BF1 eine Gewaltberatung und hat seither zehn Termine wahrgenommen. Gemeinsam machen der BF1 und die BF2 seit Oktober 2019 alle 14 Tage für jeweils drei Stunden eine Paartherapie.
Festgestellt wird, dass der weitere Aufenthalt des BF1 eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
2.3. Zur Rückkehr der Beschwerdeführer in die Mongolei:
Die BF laufen im Falle einer Rückkehr in die Mongolei nicht Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe, oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Es besteht keine Gefahr, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Das Leben oder die Freiheit der BF ist im Falle der Rückkehr in die Mongolei auch nicht aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen liegen nicht vor.
2.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Aufgrund der mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung den BF zugestellten und den in der Beschwerdeverhandlung eingebrachten und mit den BF erläuterten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen:
2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Mongolei, Stand 25.09.2018, (gekürzt und bereinigt):
"Politische Lage
Die Mongolei ist ein Binnenstaat zwischen der Russischen Föderation und der Volksrepublik China. Mit einer Bevölkerung von knapp über drei Millionen Menschen auf einer Fläche von knapp über 1,5 Millionen Quadratkilometern ist sie einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. In der Hauptstadt Ulaanbaatar leben (2018) ca. 1,5 Millionen Menschen (CIA 28.8.2018).
Die Mongolei ist eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem (ÖB Peking 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Verfassung von 1992 basiert auf den Grundprinzipien Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, nationale Einheit, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung (ÖB Peking 12.2018; vgl. AA 3.2018a). In den vergangenen 20 Jahren wurden in der Mongolei 13 erfolgreiche Präsidentschafts-, und Parlamentswahlen abgehalten (USDOS 19.7.2018).
Das Parlament (Großer Staats-Chural) ist ein Einkammernparlament mit 76 Sitzen (ÖB Peking 12.2017). Die 76 Abgeordneten werden in allgemeiner, freier, unmittelbarer und geheimer Wahl im Wege des Mehrheitswahlrechts für vier Jahre gewählt. Bei der letzten Parlamentswahl am 29.6.2016 löste die Mongolische Volkspartei (MVP) die Demokratische Partei (DP) in der Regierung ab. (AA 3.2018a). Die MVP erhielt 65 Mandate, die bisher regierende DP neun, die Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) und der unabhängige Musiker S. Javkhlan erhielten je ein Mandat. Die Wahlbeteiligung lag bei 72,1% (Mongolei Online 10.7.2016; vgl. KAS 1.7.2016). Die Einführung des Mehrheitswahlrechtes nur fünf Wochen vor dem Wahltermin hat auf das Ergebnis Einfluss genommen (Sarantuya/Batmunkh 2017; vgl. ÖB Peking 12.2017). Unter dieser Entscheidung litten vor allem die Chancen von kleinen Parteien und Frauen. So wurde zum Beispiel die Frauenquote von bisher 30% auf 20% gesenkt (KAS 1.7.2016).
Die OSZE war mit etwa 300 Wahlbeobachtern in der Mongolei vertreten und attestierte, dass die Wahl, nach hartem, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit respektierendem Wahlkampf, geordnet ablief (OSZE 4.10.2016; vgl. AA 3.2018a). Die 2016 gebildete Regierung unter Ministerpräsident Erdenebat bestehend aus 16 Ministern (davon zwei Frauen), einer Reduktion um drei Ämter im Vergleich zur vorherigen Regierung (ÖB Peking 12.2017), wurde bereits im Sommer 2017 aufgrund parteiinterner Machtkämpfe durch eine Regierung unter Ministerpräsident Khurelsukh abgelöst (AA 3.2018a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der in einer Direktwahl für vier Jahre gewählt wird und der selbst den Premierminister nominieren kann. Das Präsidentenamt kann für maximal zwei Amtsperioden bekleidet werden (ÖB Peking 12.2017). Am 10. Juli legte Kh. Battulga im Großen Saal der Staatsversammlung den Amtseid als 5. Präsident der Mongolei ab (LIP 9.2018). Er setzte sich in einer Stichwahl mit 50,6% gegen den Gegenkandidat M. Enkhbold der regierenden Mongolischen Volkspartei (MVP), der 41,2 % der Stimmen erhielt, durch (Reuters 8.7.2017; vgl. AA 3.2018a). Der Staatspräsident ist Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates (weitere Mitglieder: Premierminister und Parlamentspräsident) und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er setzt die vom Parlament verabschiedeten Gesetze in Kraft. Er kann Gesetze initiieren und mit seinem Veto verhindern, das nur mit der Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments überstimmt werden kann (AA 3.2018a).
Sicherheitslage
Im regionalen Vergleich hat die Mongolei nach dem Zerfall des Ostblocks einen vorbildlichen Weg in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft eingeschlagen. Seit 1990 finden regelmäßig allgemeine, freie und faire Wahlen statt, die Regierungswechsel verlaufen friedlich. Die Menschenrechte sind in der Mongolei in der Verfassung festgeschrieben und werden allgemein geachtet. Das Land verfügt über eine aktive Zivilgesellschaft mit einer Vielzahl von Bürgerbewegungen und Selbsthilfegruppen (BMZ o.D.).
Der Staat hat im gesamten Staatsgebiet das unangefochtene Gewaltmonopol. Die gesamte Bevölkerung der Mongolei akzeptiert den Nationalstaat als legitim. Es gibt keine organisierten Gruppen, die stark genug wären, das staatliche Gewaltmonopol herauszufordern. Alle bedeutenden politischen Akteure bekennen sich zur Demokratie. Eine geringe Zahl antidemokratischer Akteure wie hypernationalistische Parteien oder Banden haben keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit oder die Regierung und werden ausgegrenzt. Die Armee hatte in der Vergangenheit kein Interesse, politische Kontrolle zu übernehmen und es gibt keine Hinweise, dass sie es derzeit hätte (Bertelsmann 2018). Es gibt keine Berichte über terroristische Angriffe oder aktive terroristische Gruppen in der Mongolei (USDOS 10.7.2018).
Es kommt selten zu Unruhen oder politischer Gewalt. In Folge umstrittener Parlamentswahlen im Juli 2008 wurden Proteste, bei denen fünf Personen ums Leben kamen, rasch unter Kontrolle gebracht und die Ordnung wieder hergestellt. Seither kam es zu keinen Vorfällen ähnlichen Ausmaßes mehr (USDOS 19.7.2018). Sozioökonomische Konflikte - primär zwischen der städtischen und ländlichen Bevölkerung - eskalieren nicht, sind jedoch aufgrund einer instabilen politischen Umgebung, angeheizt durch Populismus und Kampagnen in den sozialen Medien, im Ansteigen begriffen (Bertelsmann 2018).
In den vergangenen drei Jahren kam es zu vermehrten Anfeindungen chinesischer, koreanischer und vietnamesischer Staatsbürger, die in der Mongolei leben (USDOS 19.7.2018) und es kam zu einzelnen gewalttätigen Übergriffen durch Ultranationalisten gegen diese Personen (USDOS 19.7.2018; vgl. ÖB Peking 12.2017) sowie gegen LGBTI-Personen (ÖB Peking 12.2017).
Die Binnenlage des Flächenstaates zwischen Russland und China bestimmt die mongolische Außenpolitik, die sich daher um ein gutes, ausgewogenes Verhältnis zu diesen beiden Nachbarn bemüht. So verfolgt die Mongolei eine Politik der Bündnisfreiheit und hat sich 1992 zur kernwaffenfreien Zone erklärt. Gleichzeitig sucht das Land internationale Absicherung, die es in einer immer aktiveren Mitarbeit in internationalen Organisationen, vor allem den Vereinten Nationen, sowie in einer stärkeren Zusammenarbeit mit den USA, Japan und der Europäischen Union (insbesondere Deutschland) zu finden hofft ("Politik des Dritten Nachbarn") (AA 3.2018c).
Rechtsschutz / Justizwesen
Das mongolische Rechtssystem orientiert sich am römisch-germanischen System und kennt eine Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Zivilrecht (ÖB Peking 12.2017). Die Verfassung der Mongolei sieht eine Gewaltenteilung vor, die Justiz ist formell unabhängig. Diese Unabhängigkeit wird jedoch durch systemimmanente Korruption geschwächt (ÖB Peking 12.2017; vgl. FH 2018, USDOS 20.4.2018).
Soum-, Intersoum- und Bezirksgerichte sind Gerichte 1. Instanz und für kleinere Verbrechen sowie für Zivilverfahren unter einem Streitwert von zehn Millionen Tögrök (MNT) zuständig. Aimag-Gerichte sind die Erstinstanz für schwerwiegendere Verbrechen und Zivilverfahren mit einem Streitwert von über zehn Millionen MNT, sowie die Berufungsgerichte für die unteren Gerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für alle anderen Verfahren zuständig. Der Verfassungsgerichtshof (Tsets) kann vom Parlament, dem Staatspräsidenten, dem Premier, dem Obersten Staatsanwalt, auf Eigentinitative oder durch Petitionen durch Bürger befasst werden. Die neun Richter werden durch das Parlament für sechs Jahre ernannt. (ÖB Peking 12.2017).
Der Präsident ernennt die Richter des Obersten Gerichtshofes. Der Judicial General Council (JGC) ist für die Nominierung sowie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Richtern verantwortlich. Er ist jedoch politisch abhängig und hat nicht die Befugnis, bei Vorwürfen von richterlichem Fehlverhalten zu ermitteln (Bertelsmann 2018). Die unabhängige Gerichtsbarkeit sowie das Recht auf ein faires, öffentliches Verfahren ohne Verzögerungen wird in der Regel durchgesetzt. Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht, über die Vorwürfe gegen sie in Kenntnis gesetzt zu werden. Angeklagte können einen Rechtsbeistand selbst auswählen oder erhalten auf Staatskosten einen solchen gestellt (USDOS 20.4.2018).
NGOs und Privatunternehmen berichten, dass Korruption und Einflussnahme im Justizsystem stattfindet (USDOS 20.4.2018; vgl. Bertelsmann 2018). Die Rechte von Angeklagten wie die Befragung und Einberufung von Zeugen würden in manchen Fällen missachtet. NGOs berichten weiters über Einschüchterung von Zeugen und mangelnde Transparenz bei der Urteilsfindung (USDOS 20.4.2018). Jedoch wurde in der Justice Integrity Study 2016 der Mongolei deutliche Fortschritte bei der Verbesserung der Transparenz der Urteilsfindung attestiert (Bertelsmann 2018).
Gerichte verhängen nur selten Freisprüche oder stellen das Verfahren ein, auch wenn es keine substanziellen Beweise für einen Schuldspruch gibt. Gerichte spielen Fälle häufig an die Staatsanwaltschaft zurück, obwohl ein Freispruch angemessen erscheint. Dadurch wechseln auch einzelne prominente Kriminalfälle jahrelang zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht hin und her, ohne dass diese abgeschlossen werden (USDOS 20.4.2018). Haftstrafen sind in der Mongolei schon für kleine Delikte aus generalpräventiven Gründen sehr hoch. Sie reichen für Gewalt-, Raub- und Sexualdelikte deutlich über Strafmaße europäischer Rechtsordnungen hinaus. Die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassungen oder der Strafaussetzungen zur Bewährung ist formal vorhanden, aber es wird davon wenig Gebrauch gemacht (ÖB Peking 12.2017).
Sicherheitsbehörden
Dem Ministerium für öffentliche Sicherheit unterstehen das Milizbüro (Polizei) und ein diesem unterstelltes Netz von Polizeiämtern, die Staatssicherheitsverwaltung, das Brandschutzamt, die Fremdenpolizei und die Grenztruppen sowie der Justizvollzugswachkörper (ÖB Peking 12.2017). Die zivilen Behörden üben größtenteils Kontrolle über die internen und externen Sicherheitskräfte aus, jedoch bleiben die Mechanismen zur Untersuchung von Polizeiübergriffen inadäquat. So gibt es Fälle von ungestraftem Missbrauch Verdächtiger durch Sicherheitskräfte. Aufsichtsorgan über nationale und lokale Polizeiaktionen ist die National Police Agency (NPA) (USDOS 20.4.2018).
Sicherheitskräften wird vorgeworfen, willkürliche Verhaftungen und Verkehrsanhaltungen durchzuführen, angehaltene Personen für längere Zeit festzuhalten und Häftlinge zu schlagen (HRW 2018). Obwohl Sicherheitsbeamte für absichtliche Körperverletzung zur Verantwortung gezogen werden, waren Verfolgungen dieser Vergehen selten. Der NPA wurden bis August 2016 insgesamt 24 Beschwerden wegen körperlicher Übergriffe durch die Polizei gemeldet, von denen sechs zu strafrechtlichen Ermittlungen führten (USDOS 20.4.2018).
Die nationale Polizei, die Miliz, welche auch als Kriminalpolizei fungiert, unterhält in jeder Provinz ein Referat und in jedem Bezirk ein Büro. Sie hat alle notwendigen Maßnahmen (Ermittlungen, Zwangsmaßnahmen und Beschlagnahme sowie den Gebrauch von Waffen) einzuleiten, um den Schutz der öffentlichen Ordnung zu gewährleisten. Die Fahndung nach vermissten Personen, die Verkehrssicherheit (durch Verkehrsinspektorate in jedem Milizbüro) und die Brandbekämpfung fallen ebenfalls in die Zuständigkeit der Miliz. Zusammen mit der Lokalverwaltung beaufsichtigen die lokalen Sicherheitsbüros außerdem die Vollstreckung der Zwangsarbeitsstrafen. Das Ministerium für öffentliche Sicherheit ist schließlich auch für die Staatssicherheit (Spionageabwehr, Staatsschutz und Sabotageabwehr) zuständig. Der Fremdenpolizei und den Grenztruppen unterstehen ca. 15.000 Beamte. Sie sind für die Einhaltung der Ein- und Ausreisevorschriften sowie des Fremdenrechts zuständig (ÖB Peking 12.2017).
Folter und unmenschliche Behandlung
Artikel 251 des Strafgesetzbuchs definiert den Straftatbestand der Folter und legt eine Höchststrafe von fünf Jahren Haft und ein Berufsverbot von bis zu drei Jahren fest. In besonders schlimmen Fällen kann die Strafe sogar auf bis zu zehn Jahren ausgeweitet werden. Gemäß Kapitel 11, §44 wird die Entschädigung in Fällen von Folter von der Strafprozessordnung festgelegt. Der Höchste Gerichtshof zitiert in seiner Interpretation dieses Artikels ausdrücklich die Definition der UN-Konvention gegen Folter (ÖB Peking 12.2017).
Dennoch sind Folter und andere Misshandlungen verbreitet (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2018), insbesondere zum Erzwingen von Geständnissen (USDOS 20.4.2018) in Haftanstalten, wo auch Personen mit Behinderungen oder ausländische Staatsbürger betroffen sind. Seit Juli 2017, mit Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung, fehlen unabhängige Ermittlungsmechanismen, was zu einer unvollständigen Erfassung und einer Straflosigkeit von Folter führt (AI 22.2.2018). Rechtliche Rahmenbedingungen und Maßnahmen zur Verhinderung von Folter sind unzureichend (Bertelsmann 2018).
Auch wird von Drohungen gegen Familienmitglieder berichtet, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 20.4.2018). Im Februar 2015 ratifizierte die Mongolei das Zusatzprotokoll zur UN-Antifolterkonvention (OPCAT). Das UN-Antifolterkomitee (CAT) überprüfte die Mongolei im August 2016 und drückte unter anderem Sorgen über vorherrschende Straflosigkeit in Fällen von Folter aus (ÖB Peking 12.2017).
Korruption
Korruption ist in der gesamten öffentlichen Verwaltung und in der Industrie (Bergbau) weit verbreitet (ÖB 12.2017; vgl. TI 9.7.2018). Die kleine Korruption ist jedoch rückläufig (TI 9.7.2018). Die Nichtregierungsorganisation Transparency International listet die Mongolei in ihrem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 auf Platz 103 von 180 analysierten Ländern (TI 21.2.2018); 2016 lag die Mongolei auf Platz 87 von 176 untersuchten Staaten (TI 25.1.2017).
Der Großteil der Bevölkerung ist mit den Anti-Korruptionsmaßnahmen der Regierung unzufrieden (TI 9.7.2018). Auch in der Politik setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Korruption die Entwicklung der Mongolei stark behindert. Es wurden Antikorruptionsgesetze verabschiedet und entsprechende Kontrolleinrichtungen geschaffen. Weitere Reformen und eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von Korruption sind jedoch erforderlich (BMZ o.D.).
Das am 1. Juli 2017 in Kraft getretene Strafgesetz führte höhere Strafen für Korruptionsvergehen von öffentlich Bediensteten und Regierungsvertretern sowie deren nächster Verwandtschaft ein. Das Gesetz erfordert von Regierungsvertretern auch die Offenlegung ihrer Vermögen an die Independent Authority Against Corruption (IAAC). Im März 2017 wurde ein staatliches Korruptionsbekämpfungsprogramm mit einer Laufzeit von drei Jahren implementiert (USDOS 19.7.2018).
Seit 2006 wurde das Anti-Korruptionsgesetz mehrfach erweitert, jedoch gibt es noch kein Gesetz zum Schutz von NGOs und anderen Institutionen, die Korruptionsfälle öffentlich machen (USDOS 19.7.2018; vgl. ÖB 12.2017). Eine gesetzliche Schutzvorschrift liegt seit Ende 2016 jedoch im Entwurf vor. Journalisten, die Korruptionsfälle aufdecken, werden mitunter von einflussreichen Betroffenen mittels Diffamierungs-Klagen in den Ruin getrieben (ÖB Peking 12.2017).
Es gibt eine weitreichende Immunität von Amtsträgern gegenüber strafrechtlicher Verfolgung (TI 9.7.2018) und es gibt Bedenken, dass Teile der Justiz und der IAAC weitgehend von politischen Kreisen kontrolliert werden, welche verhindern möchten, durch eine tatsächlich unabhängige Behörde selbst der Korruption bezichtigt zu werden (Bertelsmann 2018).
Allgemeine Menschenrechtslage
Die schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme stellen die Misshandlung von Häftlingen, Korruption, Gewalt gegen LGBTI-Personen und harte Arbeitsbedingungen für Fremdarbeiter, insbesondere aus Nordkorea, dar. Maßnahmen der Regierung zur Bestrafung von Missbrauch oder Korruption im öffentlichen Dienst waren inkonsequent (USDOS 20.4.2018).
Mit 17 der 18 internationalen Menschenrechtsverträge und deren Zusatzprotokolle hat die Mongolei mehr einschlägige Verträge ratifiziert als jedes andere asiatische Land, und um zwei Verträge mehr als Österreich (ÖB Peking 12.2017).
Als neuntes Land in Asien hat die Mongolei im Jahr 2000 eine nationale Menschenrechtskommission eingerichtet. Nach den gesetzlichen Vorgaben besteht diese aus drei für sechs Jahre berufenen Mitgliedern, die vom Obersten Gerichtshof, dem Staatspräsidenten und dem Parlament nominiert werden. Vorsitzender des Gremiums ist ein bisheriger Richter am Obersten Gerichtshof. Die Befugnisse dieser Kommission beziehen sich v.a. auf die Ausarbeitung von Bildungs-, Rechtsverbreitungs- und Forschungsmaßnahmen, aber auch auf die Behandlung von Bürgerbeschwerden. Die Mongolei orientierte sich dabei eng an den Vorschlägen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, welches die Anstrengungen der Mongolei auf diesem Gebiet als vorbildlich bezeichnet (ÖB Peking 12.2017).
Haftbedingungen
Die Haftbedingungen in der Mongolei sind nach wie vor dürftig bis harsch, auch wenn es in den letzten Jahren Verbesserungen gab (USDOS 13.4.2016; vgl. ÖB Peking 12.2017) und liegen weit unter europäischen Standards (ÖB Peking 12.2017). Die Gefängnisse waren in der Regel nicht überfüllt (USDOS 20.4.2018) aber es gibt Mängel in Bezug auf medizinische Versorgung, Bekleidung, Betten, Nahrung, Trinkwasser, Heizung, Beleuchtung, Belüftung, Sanitäranlagen und bei der Unterbringung von Personen mit Behinderungen in älteren Anstalten und Untersuchungsgefängnissen. In Gefängnissen in ländlichen Regionen sind die Bedingungen oft schlechter als in neuen und renovierten Anlagen. In Entzugsanstalten der Polizei sind die Bedingungen oft dürftig. Unabhängigen Beobachtern wird der Zutritt zu den Haftanstalten in der Regel gewährt (USDOS 20.4.2018; vgl. ÖB Peking 12.2017; FH 2018).
Männer und Frauen werden in getrennten Anlagen inhaftiert. Männer werden je nach der ihnen zugewiesenen Sicherheitsstufe ihrer Vergehen in entsprechenden Gefängnissen untergebracht. Für Frauen gibt es nur ein Gefängnis (USDOS 20.4.2018). Jugendliche werden oft nicht von erwachsenen Straftätern getrennt (ÖB Peking 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden zehn Todesfälle in Haftanstalten gemeldet. Jedoch werden Häftlinge mit Krankheiten im Endstadium regelmäßig aus der Haft entlassen, was die irreführend niedrige Mortalitätsrate in Gefängnissen erklärt. Gemäß Regierungsangaben waren Stand September 2017 34 Häftlinge mit TBC infiziert (USDOS 20.4.2018).
Das Gesetz verbietet, dass Personen willkürlich verhaftet, eingesperrt und der Freiheit beraubt werden. Die meisten Regierungsorganisationen halten sich an dieses Verbot jedoch wird dem Geheimdienst (General Intelligence Agency, GIA) vorgeworfen, manchmal gegen diese Regelung zu verstoßen (USDOS 20.4.2018). Auch der Polizei wird vorgeworfen, willkürliche Verhaftungen durchzuführen. Häftlinge werden oft für längere Zeit festgehalten und geschlagen (FH 2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Mit dem neuen Strafgesetz, das am 1.7.2017 in Kraft trat, muss nun jede Festnahme durch einen Staatsanwalt kontrolliert werden (USDOS 20.4.2018).
Die Haftstrafen sind in der Mongolei schon für kleine Delikte aus generalpräventiven Gründen sehr hoch. Sie reichen für Gewalt-, Raub- und Sexualdelikte deutlich über Strafmaße europäischer Rechtsordnungen hinaus. Das Instrument der vorzeitigen Entlassungen oder der Strafaussetzungen zur Bewährung besteht, aber es wird davon wenig Gebrauch gemacht (ÖB Peking 12.2017).
Todesstrafe
Nach einem zweijährigen Moratorium ratifizierte im Jänner 2012 der Staatskhural das 2. Zusatzprotokoll des ICCPR. Mit einer im Dezember 2015 beschlossenen Änderung des Strafgesetzbuchs sollte die Todesstrafe aus dem Gesetz gestrichen werden. Die Abschaffung trat jedoch nicht wie geplant am 1. September 2016 in Kraft. Schlussendlich wurde mit 1. Juli 2017 die Todesstrafe als strafrechtliche Repressalie abgeschafft - jedoch nur strafrechtlich und nicht verfassungsrechtlich (ÖB Peking 12.2017).
Im November 2017 schlug der neu gewählte Präsident dem Justizministerium nach zwei Vergewaltigungs- und Mordfällen die Wiedereinführung der Todesstrafe vor (ÖB 12.2017; vgl. AI 22.2.2018). Im April 2018 plante der Präsident, nach einer einmonatigen Online-Abstimmung auf seiner Webseite, dem Parlament ein entsprechendes Gesetz zur Abstimmung vorzulegen (PoM 2.4.2018). Dieses Thema wurde sowohl von der Bevölkerung als auch von NGOs sehr wichtig genommen und die Wiedereinführung weitgehend abgelehnt (UB Post 9.7.2018).
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Die Verfassung bestimmt, dass keine Person ob ihrer Herkunft, Sprache, Abstammung, Alters, Geschlechts, sozialer Herkunft oder ihres Status diskriminiert werden darf und dass gemäß Art. 16 Abs. 11 VerfG Männer und Frauen in politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und familiären Angelegenheiten gleich behandelt werden müssen. Seit 2011 gibt es ein Gesetz zur Geschlechtergleichstellung (ÖB Peking 11.2017). Mongolische Frauen sind an sich emanzipiert, gebildet und nehmen aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben teil. Dennoch ist die mongolische Gesellschaft eine patriarchalische, in der der Mann das Familienoberhaupt ist, auch wenn die Zahl der allein von Frauen geführten Haushalte zunimmt (LIP 7.2018).
Die Mongolei liegt in der Erreichung der genderspezifischen Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs - Millennium Development Goals) stark zurück, v.a. die Versorgung im Bereich reproduktive Gesundheit ist schlecht (ÖB Peking 12.2017). Die Zahl der Teenagerschwangerschaften nimmt von Jahr zu Jahr zu. Hatten 2014 3.259 Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren ein Kind zur Welt gebracht, waren es 2016 3.829. Als Hauptursachen werden mangelnde Aufklärung und Unkenntnis über Verhütungsmöglichkeiten benannt (LIP 7.2018).
Das gesetzliche Pensionsantrittsalter für Frauen liegt mit 55 Jahren fünf Jahre unter jenem der Männer. Geschiedene Frauen stehen laut Familiengesetz Alimente zu. Es gibt keine Gesetzgebung gegen sexuelle Belästigung (ÖB Peking 12.2017).
Gewalt gegen Frauen, insbesondere im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch, ist laut Berichten von NGOs im Zunehmen begriffen (ÖB Peking 12.2017). Häusliche Gewalt stellt ein schwerwiegendes und weit verbreitetes Problem dar, wobei das neue Strafgesetz, das 2017 in Kraft getreten ist, diese erstmals auch strafrechtlich unter Strafe stellt. Nun sind auch Gefängnisstrafen möglich. Häusliche Gewalttäter werden in einer Datenbank erfasst und beim zweiten Vergehen wird automatisch ein Verfahren nach dem Strafgesetz eingeleitet. Alternative Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt wie Wegweisungen oder einstweilige Verfügungen sind in der Praxis schwer durchzusetzen. Das National Center Against Violence (NCAV), einer lokalen NGO, die Kampagnen gegen häusliche Gewalt betreibt, berichtet, dass die Reaktion der Polizei auf Meldungen häuslicher Gewalt sich 2017 verbessert hätte, die Strafverfolgung jedoch weiterhin mangelhaft sei (USDOS 20.4.2018). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, führt gemeinsam mit der mongolischen Polizei Projekte zum Kapazitätsaufbau im Bereich häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen durch (ÖB Peking 12.2017).
Gemäß NCAV gibt es landesweit 17 Notunterkünfte von NGOs und in lokalen Krankenhäusern, wo Opfer häuslicher Gewalt bis zu 72 Stunden Unterkunft bekommen können (USDOS 20.4.2018). Das einzige Frauenhaus des Landes in Ulan Bator wird von einer NGO geführt und erhält keinerlei öffentliche Unterstützung (ÖB 12.2017). Insbesondere im ländlichen Raum stellt die geringe Anzahl von Schutzeinrichtrungen für Schutzsuchende eine Herausforderung dar (USDOS 20.4.2018). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist kaum davon auszugehen, dass vor familiärer Gewalt flüchtende Frauen in der Mongolei Schutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen (ÖB Peking 12.2017). Für alleinerziehende Mütter ist das Risiko, ein Leben in extremer Armut zu führen, generell sehr hoch (ÖB 12.2017).
Die Mongolei ist ein Ursprungs- und Transitland für den illegalen Handel von Personen zur sexuellen Ausbeutung und Zwangsarbeit, sowie Kinderprostitution. China gehört zu den Hauptzielländern. Prostitution, insbesondere von Minderjährigen, ist weitverbreitet. Primär wurde in Richtung Westeuropa in den letzten Jahren vermehrt mit jungen Frauen gehandelt, die mit Arbeit oder Studien im Ausland gelockt wurden. In letzter Zeit gibt es verstärkt Berichte über gezielten Menschenhandel Richtung China, wobei Frauen als Ehefrauen verkauft werden oder Opfer von Organhändlerbanden werden. Mit dem zunehmenden Wohlstand werden auch vermehrt illegale Hausangestellte von den Philippinen in die Mongolei geschleust (ÖB Peking 12.2017).
Die Mongolei erfüllt die Minimumstandards für die Eliminierung von Menschenhandel nur unzureichend, unternimmt in diesem Bereich jedoch große Bemühungen (USDOS 6.2018). Im Jänner 2012 wurde das erste Gesetz gegen den Menschenhandel verabschiedet, allerdings wird dessen mangelnde Umsetzung kritisiert (ÖB Peking 12.2017). Im Juli 2017 trat das neue Strafgesetz in Kraft. Die Artikel 12.3 und 13.1 stellen Menschenhandel zum Zwecke von Arbeit und Sex unter Strafe. Menschenhandel wird mit einem Strafmaß von zwei bis acht Jahren Haft - sind Kinder betroffen fünf bis zwölf Jahre - geahndet. 2017 wurden von den Behörden zwölf Menschenhandelsfälle ermittelt (2016: drei) und sieben Personen angeklagt (2016: 14) (USDOS 6.2018). Der Kampf gegen Menschenhandel wird durch Korruption und mangelnden Willen der Behörden jedoch erschwert (FH 2018; vgl. USDOS 6.2018).
Kinder
Kindesmissbrauch in Form häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch ist ein bedeutendes Problem. Das neue Strafgesetz (2017) beinhaltet einen Abschnitt zu Verbrechen gegen Kinder, darunter erzwungenes Betteln, Vernachlässigung, Herbeiführen einer Abhängigkeit, Benutzen von Kindern für Straftaten oder Pornografie sowie der Handel und Missbrauch von Kindern. Die Regierungsbehörde Family, Child, and Youth Development Authority (FCYDA) berichtet, dass mit der verpflichtenden Meldung von Kindesmissbrauch, die im neuen Strafgesetz festgelegt ist, die gemeldete Zahl von Fällen häuslicher Gewalt gegen Kinder gestiegen ist (USDOS 20.4.2018).
Einige Kinder sind als Folge armutsbedingter Vernachlässigung oder Misshandlungen durch ihre Eltern verwaist oder von zu Hause weggelaufen. Laut den Angaben der Polizei werden Kinder von misshandelnden Eltern in Schutzhäuser gebracht, einige Beobachter meinen allerdings, dass viele Jugendliche wieder zu ihren misshandelnden Eltern gebracht werden (USDOS 20.4.2018).
Manche mongolischen Kinder sind gezwungen, zu betteln, zu stehlen, oder in informellen Wirtschaftssektoren wie als Jockeys bei Pferderennen, im Bergbau, der Vieh- und Weidewirtschaft, im Bauwesen oder als Müllsucher zu arbeiten. Andere Kinder sind auch dem Sexhandel ausgeliefert. Berichte der letzten Jahre legen nahe, dass Touristen aus Japan und Südkorea zum Zwecke sexueller Aktivitäten mit Kindern in die Mongolei reisen würden. Aufgrund der Fehlannahme vieler mongolischer Regierungsbeamter, dass nur Mädchen Opfer von Sexhandel sein können, werden die Artikel 13.1, 12.3, 113 oder 124 des mongolischen Strafgesetzes selten angewendet, um Missbrauchsfälle von Buben zu ahnden. Stattdessen werden Bestimmungen, die geringere Strafen vorsehen, angewandt (USDOS 6.2018).
Sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen, darunter Zwangsprostitution, ist problematisch. NGOs berichten, dass Kinderpornografie verbreitet ist. Die Polizei unternimmt Aktivitäten, um ihre Kapazitäten beim Kampf gegen Kinderpornografie zu verbessern, verfügt jedoch nicht über die notwendige technische Expertise. Der Strafrahmen für das Benutzen von Kindern für pornografische Zwecke wurde mit dem neuen Strafgesetzbuch auf acht Jahre Haft (vorher: fünf) erhöht (USDOS 20.4.2018).
Bewegungsfreiheit
Mongolischen Staatsbürgern ist das Reisen innerhalb des Landes und auch ins Ausland gestattet (FH 2018). Bei Reisen in die Grenzregionen sind besondere Genehmigungen der Grenzorgane erforderlich (BMEIA 17.4.2018). Der Zuzug aus den Provinzen nach Ulaanbaatar ist seit Jänner 2017 untersagt. Eine Wohnsitznahme in der Hauptstadt ist nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen möglich (u.A. medizinische Langzeitbehandlung oder Besitz von Wohneigentum) (GoGo 10.1.2017; vgl. Montsame 28.12.2017); diese Regelung wird vorläufig bis 1.1.2020 in Kraft bleiben (Montsame 28.12.2017).
Mongolische Staatsangehörige dürfen ohne Genehmigung das Land verlassen, benötigen jedoch einen Reisepass. An den Grenzkontrollstellen findet eine genaue Überprüfung statt, wobei bei mongolischen Staatsangehörigen auch der Personalausweis als weitere Überprüfungsgrundlage herangezogen werden kann (ÖB Peking 12.2017). Einige hundert Personen, darunter auch ausländische Staatsbürger, sind in Folge laufender Ermittlungen oder Verfahren vom Staatsanwalt mit einem Ausreiseverbot belegt. Gemäß des neuen Strafgesetzes, welches im Juli 2017 in Kraft getreten ist, bedarf die Verhängung eines Ausreiseverbotes nun einer richterlichen Genehmigung, um Willkür zu vermeiden (FH 2018).
Das Straßennetz in der Mongolei ist mangelhaft ausgebaut. Obwohl das Land äußerst dünn besiedelt ist, fehlen vielerorts Verkehrswege (GIZ 3.2016; vgl. BMEIA 17.4.2018).
Grundversorgung
Die Mongolei entwickelt sich seit ihrer politischen Wende Anfang der 1990er-Jahre kontinuierlich von einem Agrar- zu einem Rohstoffexportland und die Umstellung der ehemaligen sozialistischen Planwirtschaft auf eine Marktwirtschaft ist inzwischen sehr weit vorangeschritten. Das Steuerrecht entspricht inzwischen internationalen Maßstäben. Seit 2003 ist auch privater Erwerb von Grund und Boden durch mongolische Staatsbürger möglich, nicht aber durch Ausländer (AA 3.2018b).
Die mongolische Wirtschaft bleibt weiterhin stark vom Bergbau abhängig. Auch im Jahr 2017 war der Bergbausektor mit einem Anteil von rund 23% des Bruttoinlandsprodukts die treibende Kraft, obwohl dieser mit einem Minus von 9% gegenüber dem Vorjahr kein Wachstum zu verzeichnen hatte (ÖB Peking 12.2017). Die Mongolei verfügt über einige der weltweit größten Kupfer-, Kohle- und Goldvorkommen sowie von Zink, Uran, Erdöl, seltenen Metallen und Erden, was die Entwicklung von einem Agrar- zu einem Rohstoffexportland förderte (AA 3.2018b).
Das Wachstum der mongolischen Wirtschaft entwickelt sich solide. Nachdem 2015 die niedrigen Rohstoffpreise und die sinkende Nachfrage des größten Handelspartners China zu rückläufigen Exporten führten, erholten sich 2017 die Weltrohstoffpreise und die ausländischen Direktinvestitionen in die Mongolei. Außerdem stieg der private Konsum wieder an, was 2017 zusammen mit Investitionen zu einem deutlich stärkeren Wirtschaftswachstum führte. Nach dem schwachen Jahr 2016 mit einem Wachstum von lediglich 1,2%, betrug dieses 2017 5,1%. 2016 drohte der Mongolei beinahe der Staatsbankrott. Durch Beistandskredite des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank, der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB), Japans und Südkoreas für die nächsten drei Jahre konnte eine weitere Verschlechterung der Situation aber verhindert werden (ÖB Peking 12.2017).
Die Staatsverschuldung ist massiv angestiegen. Lag sie 2011 noch bei rund 32% im Verhältnis zum BIP, ist sie bis September 2016 auf 90% gestiegen und hat sich Stand November 2017 auf 73,8 % des BIP verringert. Seit Mitte 2013 hat sich der Kurs der mongolischen Landeswährung gegenüber US-Dollar und Euro erheblich verschlechtert (AA 3.2018b). Die Inflationsrate wurde 2016 auf 0,6 % und 2017 auf 4,6 % geschätzt (CIA 28.8.2018).
Die Arbeitslosenrate lag 2017 bei 8 %, war jedoch erheblich höher unter Jugendlichen (fast 20 %). Der Mindestlohn liegt bei umgerechnet 90 USD im Monat. Es gibt eine gesetzliche 40-Stundenwoche, jedoch arbeiten geschätzte 60 % der mongolischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der Schattenwirtschaft (v.a. Landwirtschaft, Bergbau). Die Regierung gewährt aber auch diesen ArbeitnehmerInnen Zugang zu grundlegenden Sozial- und Gesundheitsleistungen (ÖB Peking 12.2017).
Laut ADB 2014 lebten 21,6% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Viele der Nomaden fliehen angesichts klimatischer Bedingungen in die Hauptstadt, wo sie ein Leben in extremer Armut in Slum-Vierteln am Stadtrand (Gher-Viertel) fristen und viele von ihnen arbeitslos sind (ÖB Peking 12.2017).
Das Welternährungsprogramm der UN (WFP)