TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 I415 2219093-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z2
AsylG 2005 §13 Abs4
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z5
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 2219093-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX, vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde

wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., III., IV., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II.      Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt V. wie folgt lautet:

„Gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 2 Asylgesetz haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 07.01.2019 verloren.“

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen am 29.11.2018 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 30.11.2018 gab der Beschwerdeführer an, zuvor bereits einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien gestellt zu haben. Aus diesem Grunde wurden Konsultationen nach der Dublin III-VO mit Italien geführt, wo er laut EURODAC-Treffer der Kategorie 1 in Ragusa am 29.02.2016 einen Asylantrag stellte. Mit Schreiben vom 19.12.2018 stimmte Italien dem Wiederaufnahmeersuchen ausdrücklich zu.

3.       Mit Erkenntnis des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a SMG, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Die Entscheidung erwuchs am selben Tag in Rechtskraft.

4.       Da Zweifel an der in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 16.01.2019 behaupteten Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bestanden, wurde eine Altersfeststellung eingeleitet. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 13.02.2019 wurde aufbauend auf ein medizinisches Sachverständigengutachten als Geburtsdatum der XXXX festgesetzt.

5.       In weiterer Folge zog die belangte Behörde das Wiederaufnahmeersuchen an Italien zurück, lies das Asylverfahren in Österreich zu und vernahm den Beschwerdeführer am 25.03.2019 erneut niederschriftlich ein. Im Zuge dieser Einvernahme brachte der Beschwerdeführer – auf das Wesentlichste zusammengefasst – vor, dass er in Nigeria von einer Kultistengruppe verfolgt werde. Sein Vater sei Teil dieses Kultes gewesen und nach dessen Tod wäre nun der Beschwerdeführer an der Reihe seinen Platz einzunehmen. Da er dies nicht wolle, würde er von Mitgliedern des Kultes bedroht werden.

6.       Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 06.03.2019 verloren habe (Spruchpunkt V.) und des Weiteren gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII.).

7.       Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 19.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die XXXX, als Rechtsberaterin für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.

8.       Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine damalige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 14.05.2019 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies im Wesentlichen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge mangelhafter Beweiswürdigung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer müsse in Nigeria entgegen den Feststellungen der belangten Behörde asylrelevante Verfolgung befürchten. Die belangte Behörde habe ihre Ermittlungspflicht unterlassen und hätte bei richtiger Beweiswürdigung zumindest feststellen müssen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers eine Gefahr der Verletzung von Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde. Es wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

9.       Beschwerde und Bezug habender Verwaltungsakt wurden mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 16.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

10.      Am 20.02.2020 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung und einer Dolmetscherin eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria, stammt aus XXXX im Bundesstaat XXXX und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides minderjährig, ist jedoch mittlerweile volljährig. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit rund einem Jahr und drei Monaten im Bundesgebiet. Er hat keine Kinder, ist ledig und seit etwa einem Jahr in einer Paarbeziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin welche er zwei bis drei Mal pro Monat trifft. Er spricht die Sprachen Edo sowie Englisch und hat beginnende Deutsch- und Italienischkenntnisse.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, es liegt beim ihm allerdings eine Störung seines Redeflusses vor, der Beschwerdeführer stottert. In Nigeria besuchte der Beschwerdeführer 9 Jahre die Schule, in Österreich ist er als Verkäufer des Straßenmagazins „Megaphon“ tätig. Er bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Insgesamt konnten jedoch keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, weder in zeitlicher Hinsicht, noch in Bezug auf die erforderliche Intensität. Der Beschwerdeführer hat an keinen beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen und ist derzeit kein Mitglied eines Vereines oder einer sonstigen integrationsbegründenden Institution.

In Nigeria hat der Beschwerdeführer familiären Anschluss in Form seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern, die noch bei der Mutter leben. Zumindest mit der Mutter steht der Beschwerdeführer in regelmäßigem Kontakt. In Österreich leben keine Familienmitglieder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer trat bereits eineinhalb Monate nach seiner illegalen Einreise ins Bundesgebiet strafrechtlich in Erscheinung: Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX zu XXXX wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Bei den Strafbemessungsgründen wertete das Gericht die Tatwiederholung als erschwerend, hingegen seinen bisher ordentlichen Lebenswandel, das reumütige Geständnis, das Alter von unter 21 Jahren sowie, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd.

1.2.    Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm in seinem Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht und er Nigeria aufgrund einer Bedrohung durch die kultische Gruppierung XXXX verlassen habe.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht auch nichts dafür, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanter Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom XXXX getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria zitiert. Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria (Stand: 12.04.2019) übermittelt. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018; AA 9.2018a; GIZ 4.2019a) und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 12.10.2018; vgl. AA 9.2018a; GIZ 4.2019a). Sie verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 9.2018a).

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten – zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte – und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 10.12.2018; vgl. AA 9.2018a). Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 10.12.2018).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen, ethnischer Zugehörigkeit und vor allem strategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 10.12.2018).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 23.2.2019 wurde Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Amt bestätigt (GIZ 4.2019a). Er erhielt 15,1 Millionen Stimmen und siegte in 19 Bundesstaaten, vor allem im Norden und Südwesten der Landes. Sein Herausforderer, Atiku Abubakar, erhielt 11,3 Millionen Stimmen und gewann in 17 Bundesstaaten im Südosten, im Middle-Belt sowie in der Hauptstadt Abuja (GIZ 4.2019a; vgl. BBC 26.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag mit 36 Prozent deutlich niedriger als 2015. Überschattet wurden die Wahlen von gewaltsamen Zwischenfällen mit mindestens 53 Toten (GIZ 4.2019a).

Die Opposition sprach von Wahlmanipulation. Am 18.3.2019 focht Abubakar das Ergebnis aufgrund von Unregelmäßigkeiten vor dem Obersten Gerichtshof an. Das Verfahren muss gemäß den gesetzlichen Vorgaben innerhalb von 180 Tagen bis spätestens Mitte September abgeschlossen werden. Die Aussichten, dass die Beschwerde Erfolg hat, sind gering. So hatte Präsident Buhari nach den Wahlen von 2003, 2007 und 2011 als Oppositionskandidat ebenfalls vergleichbare Beschwerden eingelegt und diese verloren (GIZ 4.2019a).

Am 9.3.2019 wurden Wahlen für Regionalparlamente und Gouverneure in 29 Bundesstaaten durchgeführt. In den restlichen sieben Bundesstaaten hatten die Gouverneurswahlen bereits in den Monaten zuvor stattgefunden. Auch hier kam es zu Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 4.2019a). Kandidaten der APC von Präsident Buhari konnten 15 Gouverneursposten gewinnen, jene der oppositionellen PDP 14 (Stears 12.4.2019).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen – wenn auch weitgehend informellen – Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 9.2018a).

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 10.12.2018). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 10.12.2018; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, (EASO 11.2018a; vgl. AA 10.12.2018), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes („Biafra“) hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt (AA 10.12.2018).

In den nordöstlichen Bundesstaaten Adamawa, Borno, Gombe und Yobe kommt es häufig zu Selbstmordanschlägen (BMEIA 12.4.2019). Außenministerien warnen vor Reisen dorthin sowie in den Bundesstaat Bauchi (BMEIA 12.4.2019; vgl. AA 12.4.2019; UKFCO 12.4.2019). Vom deutschen Auswärtige Amt wird darüber hinaus von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten (AA 12.4.2019).

Zu Entführungen und Raubüberfällen kommt es im Nigerdelta und einigen nördlichen Bundesstaaten. Betroffen sind: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kogi, Nasarawa, Plateau, Rivers und Zamfara. Für die erwähnten nordöstlichen und nördlichen Bundesstaaten sowie jenen im Nigerdelta gelegenen gilt seitens des österreichischen Außenministeriums eine partielle Reisewarnung; Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) in den übrigen Landesteilen (BMEIA 12.4.2019).

Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in die Bundesstaaten Kaduna (insbesondere Süd-Kaduna), Plateau, Nasarawa, Benue, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insbesondere die Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom ab (AA 12.4.2019). Das britische Außenministerium warnt (neben den oben erwähnten nördlichen Staaten) vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zum Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers (UKFCO 29.11.2018).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist dauern diese Auseinandersetzungen nur wenige Tage und sind auf einzelne Orte bzw. einzelne Stadtteile begrenzt. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das Sokoto (Nordteil) und Plateau (Südteil) sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen (AA 12.4.2019).

In der Zeitspanne April 2018 bis April 2019 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.333), Zamfara (1.116), Kaduna (662), Benue (412), Adamawa (402), Plateau (391). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (2), Kebbi (3) und Osun (8) (CFR 2019).

Sicherheitsbehörden

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken (Bundes-) Polizei (National Police Force - NPF), die dem Generalinspekteur der Polizei in Abuja untersteht (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Zusätzlich zu der üblichen polizeilichen Verantwortung zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in den Bundesstaaten und im Federal Capital Territory (FCT) unterstehen dem Generalinspekteur die Strafverfolgungsbehörden im ganzen Land, die in Grenzschutz, Terrorismusbekämpfung und Marineangelegenheiten (Navigation) involviert sind (USDOS 13.3.2019). Etwa 100.000 Polizisten sollen bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen als Sicherheitskräfte tätig sein (AA 10.12.2018).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 10.12.2018). Das Department of State Service (DSS), das via nationalem Sicherheitsberater dem Präsidenten unterstellt ist, ist ebenfalls für die innere Sicherheit zuständig. Polizei, DSS und Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch zeitweise außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 13.3.2019). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖB 10.2018).

Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, häufige Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖB 10.2018). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität umfassend zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 10.12.2018). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee (USDOS 13.3.2019). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016a).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Rund 42.000 nationale und internationale NGOs sind in Nigeria registriert; sie sind keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen (ÖB 10.2018). Die NGOs sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv (AA 10.12.2019).

NGOs beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (ÖB 10.2018; vgl. USDOS 13.3.2019), aber beachten diese üblicherweise nicht, sondern bedrohen einzelne NGOs (USDOS 13.3.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur „Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei“ ihr Leben verloren hat. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der zahlreich eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen weiterhin deutlich hinter internationalen Standards zurück. Zudem wurden völkerrechtliche Verpflichtungen zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Bundesstaaten, welche grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist die Durchsetzung garantierter Rechte häufig nicht gewährleistet (AA 10.12.2018).

Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert (AA 9.2018a; vgl. GIZ 4.2019a), vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit (GIZ 4.2019a). Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden (AA 9.2018a). Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Polizisten und Soldaten sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen (GIZ 4.2019a).

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019).

Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv (GIZ 4.2019a).

Religiöse Gruppen

Nigeria ist von drei unterschiedlichen Religionen geprägt: dem Islam, dem Christentum, und den indigenen Religionen (GIZ 4.2019b). 51,6 Prozent sind Moslems, 36,9 Prozent Christen und der Rest der Bevölkerung gehört den indigenen Glaubensrichtungen an bzw. liegen keine Angaben zur Religionszugehörigkeit vor (CIA 21.3.2019). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich (AA 10.12.2018; vgl. GIZ 4.2019b; USDOS 20.5.2018). Allerdings gibt es im Norden, wo die muslimischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante christliche Bevölkerungsteile. In Zentralnigeria, Abuja und den südwestlichen Yoruba-Bundesstaaten halten sich die Anteile an Muslimen und Christen die Waage (USDOS 20.5.2018; vgl. GIZ 4.2019b).

2010 gaben 38 Prozent der Muslime an, Sunniten zu sein, 12 Prozent Schiiten; der Rest sah sich als „etwas anderes“ oder einfach als „Muslime“. Unter den Sunniten finden sich mehrere Sufi-Strömungen (USDOS 20.5.2018), im Norden des Landes v.a. die Bruderschaften der Qadiriyya und der Tijaniyya. Beide sind Varianten des sunnitischen Islam. Seit der nigerianischen Unabhängigkeit sind viele islamische Gemeinschaften entstanden, d.h. wie bei den Christen auch, passte sich der Islam den afrikanischen Traditionen u.a. mit der Entstehung neuer islamischer Sekten an (GIZ 4.2019b).

Das Christentum unterteilt sich in Katholiken, Protestanten und synkretistische afrikanische Kirchengemeinschaften. Bei letzteren handelt es sich um eine Vermischung von traditionellen Religionen mit Freievangelisten – meist Mitglieder evangelikaler und pentekostaler Kirchen. Es gibt im Land bereits über tausend dieser – meist stark profitorientierten – neuen afrikanischen Kirchengemeinden mit mehreren Millionen Mitgliedern, Tendenz steigend (GIZ 4.2019b).

„Kulte“ und Geheimgesellschaften

Der Begriff „Kult“ ist in Nigeria sehr weitgreifend und kann für jede organisierte Gruppe von Menschen verwendet werden, um welche sich Geheimnisse ranken. Der Begriff umfasst auch eine religiöse Dimension, die generell auf die Verwendung von Juju abzielt. Die Bandbreite reicht von den Ogboni über ethnische Vigilantengruppen bis zu Bruderschaften an Universitäten (UKHO 12.2013; vgl. EASO 6.2017; EASO 11.2018b). „Kulte“ und Geheimgesellschaften sind vor allem im Süden von Nigeria verbreitet, nur in geringem Maße im Norden. Geheime Bruderschaften operieren bis hinauf in die gesellschaftliche Elite des Landes (UKHO 12.2013; vgl. EASO 6.2017); Mitglieder sind z.B. hochrangige Beamte, Unternehmer, Politiker und Sicherheitskräfte (DT 18.6.2016). Viele Menschen treten „Kulten“ bei, da diese mit Macht, Reichtum und Ansehen in der Gesellschaft verbunden werden. Es gibt auch eigene „Kulte“ für Frauen (DT 18.6.2016; vgl. EASO 6.2017).

Die einst geachteten Bruderschaften an Universitäten sind zu Kult-Banden verkommen, die Studenten und Professoren gleichermaßen terrorisieren. Bewaffnete Jugendliche terrorisieren die Bevölkerung (FFP 10.12.2012; vgl. EASO 6.2017). Mafiöse „Kulte“ prägen – trotz Verboten – das Leben auf den Universitäts-Campussen. So kommt es etwa zu Morden und Vergewaltigungen in Studentenheimen (ÖB 10.2018). Die mafiöse Strukturen aufweisenden „Kulte“ pflegen gewaltsame Initiationsriten und sind oft in illegale Aktivitäten verwickelt. Nach anderen Angaben sind „Kulte“ eher als Jugendbanden zu bezeichnen (EASO 11.2018b). Die Bandenmitglieder bleiben anonym und sind durch einen Schwur gebunden. Heute sind „Kulte“ eines der am meisten gefürchteten Elemente der Gesellschaft (FFP 10.12.2012; vgl. EASO 6.2017).

„Kulte“ schrecken auch vor Menschenopfern nicht zurück, was zu häufigen Meldungen über den Fund von Körperteilen bei ‚Ritualists‘ führt (ÖB 10.2018). Die Bundesregierung hat die Rektoren angewiesen, gegen die von „Kulten“ ausgehende Gewalt an den Universitäten Maßnahmen zu setzen, darunter z.B. Aufklärungskampagnen sowie Sanktionen gegen „Kult“-Mitglieder (IRB 3.12.2012; vgl. EASO 6.2017). Das Secret Cult and Similar Activities Prohibition Gesetz aus dem Jahr 2004 verbietet ca. 100 „Kulte“, darunter kriminelle Banden; spirituell und politisch motivierte Gruppen auf der Suche nach Macht und Kontrolle; sowie Banden, die Wasser- und Durchfahrtswege oder Ölreserven kontrollieren (UKHO 1.2013; vgl. EASO 6.2017; EASO 11.2018b).

Die Aktivitäten der Studentenkulte sind üblicherweise auf die betroffene Universität beschränkt, manche unterhalten aber Zweigstellen an mehreren Universitäten (VA1 16.11.2015). Eine Mitgliedschaft bei einer (studentischen) Bruderschaft zurückzulegen ist schwierig (EASO 11.2018b; vgl. FFP 10.12.2012; EASO 6.2017). Es wurden auch schon Mitglieder getötet, die dies versucht hatten (FFP 10.12.2012; vgl. EASO 6.2017). Nach anderen Angaben ist der Einfluss der „Kulte“ nicht mehr so groß wie früher. Es ist ein Fall bekannt, wo ein Konflikt mit einem solchen „Kult“ ohne Konsequenzen gelöst werden konnte (EASO 11.2018b). Nach ex-Mitgliedern wird selten gesucht und wenn doch, dann wird eine erfolglose Suche nach zwei oder drei Monaten abgebrochen (VA1 16.11.2015). Auch religiösen Kulten kann man sich durch Flucht entziehen, sie sind nicht in der Lage, eine Person in ganz Nigeria zu verfolgen (VA2 16.11.2015). „Kulte“ greifen generell niemanden an, der nicht selbst in Kult-Aktivitäten involviert ist (VA1 16.11.2015). Personen, die sich vor derartigen Gruppierungen fürchten, können entweder Schutz erhalten oder aber eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen, um der befürchteten Misshandlung zu entgehen (UKHO 12.2013).

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft aufgrund der Operationen gegen Boko Haram v.a. die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Auch in anderen Bundesstaaten kommt es in Reaktion auf gewaltsame Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen mitunter zu Ausgangssperren. Bei Operationen von Sicherheitskräften in Städten und an Hauptverkehrsstraßen werden gelegentlich Checkpoints eingerichtet. Zahlreiche von Militär und Polizei betriebene Checkpoints bleiben aufrecht (USDOS 13.3.2019).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 13.3.2019). Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (AA 10.12.2018). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 8.2016b).

In den vergangenen Jahrzehnten hat durch Wanderungsbewegungen und interethnische Ehen eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der „Kern“-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) stattgefunden. So ist insbesondere eine starke Nord-Süd-Wanderung feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖB 10.2018). Ein innerstaatlicher Umzug kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem keine Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 10.12.2018).

Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt, obwohl sie dort über keine familiäre Bindung mehr verfügen (USDOS 13.3.2019).

Meldewesen

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018; EASO 24.1.2019), wie zahlreiche Quellen bei EASO angeben. Nur eine Quelle behauptet, dass es eine Art Meldewesen gibt. Es bestehen gesetzliche Voraussetzungen, damit Bundesstaaten ein Meldewesen einrichten können. Bislang hat lediglich der Bundesstaat Lagos davon Gebrauch gemacht (EASO 24.1.2019). Auch ein funktionierendes nationales polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Daraus resultiert, dass eine Ausforschung einmal untergetauchter Personen kaum mehr möglich ist. Das Fehlen von Meldeämtern und bundesweiten polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung „unterzutauchen“ (ÖB 10.2018).

Grundversorgung

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).

Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent (AA 9.2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9.2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9.2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9.2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9.2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).

Rückkehr

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als „lead nation“ (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).

Dokumente

Aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ist es ohne weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist. Der „Nigerian Passport Act“ stellt jede unbefugte Veränderung des Dokuments unter Strafe (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr). Mit der Einführung des elektronischen Passes (mit elektronisch gespeicherten Fingerabdrücken) im Jahr 2007 haben die Behörden einen wichtigen Schritt unternommen, die Dokumentensicherheit zu erhöhen. Es sind auch so gut wie keine gefälschten nigerianischen Pässe im Umlauf, da wie bereits beschrieben, es keinerlei Problem darstellt, einen echten Pass unter Vorlage gefälschter Dokumente zu erhalten (AA 10.12.2018). Mangels eines geordneten staatlichen Personenstandswesens ist die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten durch nigerianische Behörden folglich kaum möglich (ÖB 10.2018).

Auf den ersten Blick nicht als Fälschungen erkennbare, gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden, Zeugnisse von Schulen und Universitäten etc.) sind in Lagos und anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Sie sind professionell gemacht und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte (Gefälligkeits-)Bescheinigungen sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. Vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden sind in der Form oft fehlerhaft oder enthalten falsche Darstellungen behördlicher Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Aufrufe von Kirchengemeinden – z.B. genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren – sind oft gefälscht (AA 10.12.2018).

Die Verfassung knüpft die Staatsangehörigkeit an die Geburt in Nigeria oder – im Ausland – an die Abstammung von einem nigerianischen Elternteil (Art. 25). Mit Dekret 69/92 vom 14.12.1992 wurde die Registrierung von Geburten der Nationalen Bevölkerungskommission (National Population Commission, NPC) übertragen. Die Registrierungspraxis ist landesweit unterschiedlich und weist zum Teil erhebliche Lücken auf (AA 10.12.2018), und es gibt keine Vorschrift zur Registrierung von Geburten. Der Großteil der Geburten wird nicht registriert (USDOS 13.3.2019), landesweit wird nur jede dritte Geburt ordnungsgemäß registriert.

Es kann daher zusammengefasst festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird.

Es wird weiters festgestellt, dass der junge Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann, zumal er gesund und arbeitsfähig ist. Darüber hinaus besteht familiärer Rückhalt, welcher ihm soziale Sicherheit bieten wird. Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden. Auch kann keine Gefahr von Repressionen in Nigeria aufgrund der Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz in Österreich festgestellt werden.

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria, sowie durch persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20.02.2020.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Volljährigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten des XXXX vom 12.02.2019, in welchem das spätestmögliche Geburtsdatum mit dem XXXX errechnet wurde.

Zwar brachte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 08.04.2019 eine nigerianische Geburtsurkunde, welche als Geburtsdatum ebenfalls den XXXX ausweist, in Vorlage, diese ist allerdings nicht geeignet, seine Identität zweifelsfrei festzustellen. Zum einen ist es nahezu ausgeschlossen, dass das errechnete Geburtsdatum exakt mit dem tatsächlichen übereinstimmt, zum anderen ergibt sich auch aus den getroffenen Länderfeststellungen, dass sowohl professionell gefälschte, als auch inhaltlich unrichtige echte Geburtsurkunden in Nigeria problemlos zu erwerben sind. Es ist aus diesen Gründen völlig unglaubhaft, dass die vorgelegte Geburtsurkunde richtig ist, weshalb die Identität des Beschwerdeführers mangels Vorlage eines unbedenklichen Identitätsdokuments nicht feststeht.

Die Feststellungen betreffend die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers, seine familiären und privaten Verhältnisse und sein Leben in Nigeria und Österreich ergeben sich aus seinen eigenen glaubhaften Angaben diesbezüglich.

Die Feststellung zur Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 20.02.20 sowie dem, in derselben Verhandlung vorgelegten, damit übereinstimmenden, Schreiben seiner Freundin.

Die Feststellung zum aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründet auf dessen eigenen Angaben in seiner Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung. Die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er bereits sein Leben lang stottern würde, waren nachvollziehbar und konnten daher, in Zusammenschau mit den eigenen Wahrnehmungen des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung, der Feststellung diesbezüglich zugrunde gelegt werden. Medizinische Gutachten brachte der Beschwerdeführer diesbezüglich nicht in Vorlage. Die beim Beschwerdeführer vorliegende Störung des Redeflusses lässt keine Notwendigkeit einer akuten Behandlungsbedürftigkeit in Österreich erkennen, auch hat er eine solche im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht behauptet.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus der Abfrage des Betreuungsinformationssystems des Bundes.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 20.02.2020 sowie der Einsicht in das, im Akt einliegende, Strafurteil.

Die Feststellung zu seinen geringfügigen Deutschkenntnissen ergeben sich aus der Tatsache seines kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet. Zudem war eine Unterhaltung auf Deutsch für den erkennenden Richter im Rahmen der mündlichen Verhandlung kaum möglich und war der Beschwerdeführer dabei auf einen Dolmetscher angewiesen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige hat, erschließt sich auch aus seinen eigenen Angaben vor der belangten Behörde. Unter Berücksichtigung aller Umstände war die Feststellung zu treffen, dass kein den Anforderungen des Art. 8 EMRK entsprechendes schützenswertes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich besteht.

Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Umstand, dass weder vor der belangten Behörde, noch in der Beschwerde konkrete Angaben getätigt wurden, welche eine hinreichende Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht annehmen lassen würden. Es wird dabei nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer integrative Schritte gesetzt hat, so wurde ein ÖSD Zertifikat Niveau A1 und eine Bestätigung über den Megaphon Straßenverkauf in Vorlage gebracht. Insbesondere aufgrund der kurzen, rund 1 1/4-jährigen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet entsprechen die von ihm gesetzten ersten integrativen Schritte jedoch nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben im Sinne der EMRK.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Im konkreten Fall ist es dem Beschwerdeführer durch seine Angaben im Verfahren nicht gelungen, eine Verfolgung glaubwürdig darzulegen. Der Beschwerdeführer gab an, dass sein Vater Mitglied der Kultusgruppe XXXX gewesen wäre. Nach dem überraschenden Tod seines Vaters, hätten die Mitglieder oben genannter Gruppe nach dem Beschwerdeführer gesucht, weil er der Nachfolger seines Vaters hätte werden sollen. Da der Beschwerdeführer dies aber abgelehnt hätte, wäre er mit Hilfe seiner Mutter geflohen und hätte daraufhin Nigeria verlassen. Detaillierte Angaben zum Tod seines Vaters vermochte der Beschwerdeführer auch auf Nachfrage nicht zu machen. Es war ihm zudem nicht möglich, konkrete Angaben zu dieser Kultgruppierung zu machen. Er blieb bei äußerst vagen Angaben und berief sich in der Einvernahme vor dem BFA primär auf Informationen, welche auf „YouTube“ zugänglich wären.

Auch über die Ideologie dieser Gruppe konnte er keine konkreten Angaben machen und wusste er weder, wie lange sein Vater Mitglied dieser Gruppe gewesen wäre, noch welche Tätigkeiten er in welcher Rolle dort ausgeübt hätte. Wäre er tatsächlich von dieser Gruppe verfolgt worden bzw. wäre sein Vater ein Mitglied derselben gewesen, hätte sich der Beschwerdeführer wohl auch näher mit dieser Gruppe befasst.

Weiters gab der Beschwerdeführer an, es wäre ihm noch etwa drei, vier, oder fünf Monate nach dem Vorfall mit den Mitgliedern der Kultusgruppe möglich gewesen, an der Heimatadresse wohnhaft zu bleiben. Erst dann hätte er Nigeria verlassen. Würden seine Angaben den Tatsachen entsprechen, dann hätte man ihn bereits nach dem ersten misslungenen Vorfall (einen Monat nach dem Tod seines Vaters) intensiv gesucht und es wäre davon auszugehen, dass er auch gefunden worden wäre, zumal er ja weiterhin an seiner Heimatadresse aufhältig war.

Es ist auch keinesfalls nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer – zu diesem Zeitpunkt etwa zwölf Jahre alt – für diese Kultusgruppe von einer derartigen Wichtigkeit gewesen wäre, dass man ihn landesweit gesucht hätte.

Zudem litt die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auch darunter, dass es ihm im gegenständlichen Verfahren letztlich doch möglich war, sich seine eigene Geburtsurkunde aus dem Herkunftsstaat übermitteln zu lassen. Eine Sterbeurkunde seines Vaters brachte er, trotz diesbezüglicher Ankündigung, nicht in Vorlage.

Diese Ungereimtheiten vermochte der Beschwerdeführer auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20.02.2020 nicht plausibel zu erklären, vielmehr verharrte er in seinen überaus vagen Ausführungen:

„RI: Sie haben dem BFA eine Geburtsurkunde von Ihnen vorgelegt. Diese haben Sie vermutlich von Ihrer Mutter bekommen. Wieso haben Sie bei dieser Gelegenheit nicht auch eine Sterbeurkunde Ihres Vaters in Vorlage gebracht?

BF: Weil meine Mutter gesagt hat, dass sie die nicht mehr hat.

RI: Was für eine Position übte Ihr Vater in diesem Kult konkret aus?

BF: Was mich anbelangt, weiß ich das nicht genau, weil er es mir nie erklärt hat.

RI: Sie wissen auch nicht, ob er eine leitende Position ausgeführt hat?

BF: Nein.

RI: Wissen Sie etwas über die Rolle, die Sie ausüben hätten sollen?

BF: Ich weiß es nicht, weil mein Vater mir es nie erklärt hat. Ich war überrascht, dass die Leute nach seinem Tod zu mir kamen und sagten, dass es das gewesen sei, was mein Vater gesagt habe. Deswegen weiß ich nicht viel über diesen Kult.

RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

BF: Ich habe Angst vor diesen Leuten. Sie haben meiner Mutter gesagt, dass sie mich holen werden, wenn ich wieder an diesen Ort zurückkomme. Ich will nicht zurückgehen. Auch die Art wie ich spreche wäre ein Problem für diese Leute.

RI: Damit meinen Sie stottern?

BF: Ja.

RI: Wieso hat sich Ihr Vater genau für Sie als seinen Nachfolger entschieden und nicht etwa für Ihren Bruder oder Ihre Schwester? Es mag zwar sein, dass Sie der Älteste sind, doch müsste es wohl auch Ihrem Vater in den Sinn gekommen sein, dass diese wie auch immer geartete Rolle im Kult für Sie angesichts Ihrer Sprachprobleme nicht so einfach zu erfüllen sein wird. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich weiß es nicht, weil mein Vater hat mir niemals gesagt, dass ich das eines Tages werden soll. Deswegen war ich auch so überrascht, dass diese Leute gekommen sind und gesagt haben, dass es das war, was mein Vater gesagt hätte.“

In der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer weiter aus, dass nicht zuletzt wirtschaftliche Beweggründe sowie Bildung eine bedeutende Rolle für das Verlassen seines Herkunftsstaates gespielt haben:

„RI: Würden Sie Unterstützung von Ihrer Familie erfahren im Falle einer Rückkehr?

BF: Nein.

RI: Warum nicht, Sie telefonieren ja monatlich mit Ihrer Mutter, was von einem gewissen Interesse Ihrer Mutter an Ihrer Person zeugt?

BF: Meine Mutter hat keine Arbeit. Sie wohnt in einer Wohnung. Sie kann für meinen Lebensunterhalt nicht aufkommen.

RI: Ihre beiden Geschwister sind in einem durchaus arbeitsfähigen Alter und auch Sie machen auf mich körperlich einen Eindruck, dass Sie durchaus arbeitsfähig sind, beispielsweise in der Landwirtschaft. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich verstehe die Frage nicht.

RI erklärt die Frage.

BF: Ich weiß nicht, es wäre sehr schwierig für mich, weil niemand in Nigeria einer Person eine Arbeit geben würde, die so spricht wie ich.

RI: Was arbeiten Ihre Geschwister aktuell?

BF: Sie machen nichts. Sie gehen auch nicht zur Schule, weil meine Mutter kein Geld dafür hat.

RI: Wovon lebt Ihre Familie dann, wenn niemand arbeitet?

BF: Meine Mutter hilft manchmal den Farmern und bekommt dafür ein bisschen Geld.

RI: Das könnten Sie und auch Ihre Geschwister auch machen, oder? Das ist eine Tätigkeit, die durchaus möglich ist?

BF: Für mich ist das glaube ich keine Art, um mein Leben zu führen. Ich kann nicht für den Rest meines Lebens auf der Farm arbeiten. Das ist auch der Grund, warum ich hier in Graz jeden Tag zur Schule gehe, um eine Person zu werden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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