Entscheidungsdatum
10.04.2020Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W164 2169437-1/19E
W164 2169435-1/23E
W164 2169428-1/18E
W164 2169431-1/18E
W164 2169424-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1.) XXXX , (2.) XXXX , (3.) XXXX , (4.) XXXX und (5.) XXXX , alle STA Afghanistan, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide vom 11.08.2017, (1.) Zl. 1089771406-151483819/BMI-BFA_STM_AST, (2.) Zl. 1089771602-151483860/BMI-BFA_STM_AST, (3.) Zl. 1089771700-151483878/BMI-BFA_STM_AST, (4.) Zl. 1089771907-151483886/BMI-BFA_STM_AST und (5.) Zl. 1126693903-161138469/BMI-BFA_STM_AST_01, des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.05.2019 zu Recht erkannt:
A)
Den Beschwerden wird stattgegeben und (1.) XXXX , (2.) XXXX , (3.) XXXX , (4.) XXXX und (5.) XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass (1.) XXXX , (2.) XXXX (3.) XXXX , (4.) XXXX und (5.) XXXX , kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind verheiratet und Eltern der minderjährigen Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer (BF3, BF4, BF5).
Der BF1 und die BF2 stellten am 04.10.2015 nach illegaler Einreise für sich und die minderjährigen BF3 und BF4 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge der Erstbefragung gab der BF1 an, er sei am XXXX geboren , sei verheiratet, Schiit und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er habe keine Ausbildung, sei Analphabet und habe zuletzt als Spengler gearbeitet. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass sein Vater Medizinstudent gewesen sei und von den Taliban aufgrund seiner Volksgruppe und Religion getötet worden sei. Seine Großeltern hätten sie daher in den Iran gebracht. Dort hätten sie keine Rechte gehabt und sie hätten befürchten müssen, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Da sie im Iran keine Zukunft gehabt hätten, seien sie geflohen. Der BF1 befürchte im Fall seiner rückkehr nach Afghanistan von den Taliban getötet zu werden.
Die BF2 gab im Zuge der Erstbefragung an, sie sei am XXXX in Afghanistan geboren, sei verheiratet, Schiitin und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Sie habe keine Ausbildung, sei Analphabetin und sei zuletzt Hausfrau gewesen. Zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, dass ihr Schwiegervater in Afghanistan Feinde gehabt habe und von den Taliban getötet worden sei. Wegen der Heirat mit ihrem Mann sei die BF2 in den Iran gezogen. Sie hätten befürchtet, dass man sie nach Afghanistan abschieben würde. Dort drohe ihrem Mann Lebensgefahr. Da sie im Iran keine Zukunft im Iran gehabt hätten, seien sie geflohen. Die BF2 befürchte, dass ihre Familie im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan getötet würde.
Am XXXX wurde der BF5 in Österreich geboren. Der BF1 und die BF2 stellten als gesetzliche Vertreter des BF5 am 10.08.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz für den BF5.
Am 22.02.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des BF1 und der BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt.
Der BF1 bestätigte seine in der Erstbefragung getätigten Angaben betreffend seine persönlichen Daten und führte aus, er habe im Iran den Lebensunterhalt seiner Familie als Spengler in einer Autowerkstatt verdient. 6 Jahre lang sei er Lehrling gewesen und danach habe er das Gehalt prozentuell vereinbart. Damit habe er seine Familie versorgen können. Der BF1 habe seine erste Kindheit in Kabul verbracht. Er sei etwa 10 Jahre alt gewesen, als ihn ein Großvater mit der Familie in den Iran gebracht habe. Der Großvater habe in Afghanistan ein Haus und zwei Bäckereien gehabt. Er habe alles verkauft. Der BF1 habe die genauen Umstände damals nicht erfassen können. Heute habe er in Afghanistan nur mehr entfernte Verwandte z.B. den Cousin vom Cousin seines Vaters.
Für seine Eheschließung sei der BF1 gemeinsam mit seiner Großmutter zurück nach Afghanistan gereist. Seine Großeltern hätten sich eine Eheschließung gewünscht. Der BF sei dann zweimal in Afghanistan gewesen. Bei seinem ersten Aufenthalt habe er sich mit der BF2 verlobt und sei 20 Tage bei Verwandten bzw. in einem Hotel in Kabul geblieben. Auch die Familie seiner Frau habe in Kabul gewohnt. Ein Jahr später sei der BF1 wieder nach Afghanistan gefahren und habe die BF2 geheiratet. Seine Schwester sei damals noch sehr klein gewesen. Daher habe seine Mutter mit ihr im Iran bleiben müssen. Nach der Hochzeit habe der BF1 mit der BF2 in den Iran fahren wollen. Es sei ihnen aber nicht möglich gewesen, legal in den Iran zu reisen. Sie hätten es auch mit einem Schlepper versucht, der ihnen jedoch nur das Geld abgenommen und sonst nichts unternommen habe. Schließlich hätten sie mittels einer Pilgerreise, die er als Kameramann begleitet habe, das Land verlassen. Sie seien über Dubai nach Syrien, in den Irak und schließlich in den Iran gelangt. Der Reiseleiter habe von ihnen 25.000 Afghani mehr verlangt als von den übrigen Reisenden.
Zu den näheren Umständen der Ermordung seines Vaters befragt, gab der BF1 an, dass er alles nur aus den Erzählungen seiner Großeltern wisse. Sein Vater habe Medizin studieren und nach Deutschland gehen wollen. Der BF1 habe (Anm. bei seinem ersten oben genannten Aufenthalt in Afghanistan) seine Großmutter gefragt, warum sie sich nicht länger in Afghanistan bleiben wolle. Als sie wieder zurück im Iran gewesen seien, habe ihm die Großmutter gesagt, dass sein Vater möglicherweise von den Taliban getötet worden sei. Genau wüssten sie und der Großvater es allerdings nicht. Der Vater des BF1 sei an der Universität gewesen. Er sei und in der Verwandtschaft sehr beliebt gewesen. Daher habe er aber auch viele Feinde gehabt. Vielleicht habe jemand die Taliban bezahlt um ihn zu töten. Der Vater habe neben seiner Tätigkeit an der Uni, ein "Burgergeschäft" geführt. Er sei mit einer Waffe namens "Dushka" mit zwei Schüssen getötet worden. Seine Großmutter habe befürchtet, dass die Taliban den BF1 wiedererkennen und auch töten würden. Die Großmutter habe auch gemeint, dass Afghanistan sehr unsicher sei und es nicht gut wäre, dort zu leben.
Aus dem Iran sei der BF mit seiner Familie geflüchtet, da sie dort keine Dokumente gehabt hätten und ihnen ständig die Abschiebung nach Afghanistan gedroht habe. Der BF1 habe ab und zu Autos von Polizisten repariert und so erreichen können, dass er von der Abschiebung verschont bleiben würde. Der Hauptgrund seiner Ausreise seien aber seine Kinder gewesen, da er nicht wolle, dass auch sie Analphabeten würden. Der BF wünsche sich, dass sie eine Ausbildung machen können. In Afghanistan würde der BF1 im Übrigen wegen seiner Volksgruppe verfolgt werden.
Zu seiner Situation in Österreich gab der BF1 an, dass er sein Bestes gegeben habe um sich zu integrieren. Er biete den Leuten beim Spar an, ob er ihnen etwas tragen dürfe, helfe immer wieder in der Diakonie und erledige kleine Hilfsarbeiten. Er habe versucht einen Deutschkurs zu besuchen, aber das Niveau sei zu schwierig gewesen, da er Analphabet sei. Jetzt erhalte er Unterricht von einer Dame. Im Zuge der Einvernahme legte der BF1 ein Beurteilungsschreiben seiner Deutschlehrerin, ein Empfehlungsschreiben der Diakonie als Unterkunftgeberin, Zertifikate der Diakonie für diverse interne Workshops und eine Erste-Hilfe-Kurs-Bestätigung.
Die BF2 bestätigte ihre bei der Erstbefragung angegeben Daten. Sie sei Analphabetin und habe in Afghanistan Näharbeiten zu Hause gemacht, um den Lebensunterhalt finanzieren zu können, da ihr Vater gestorben sei. Sie habe bis zu ihrem 19. Lebensjahr in Kabul gelebt. Nach der Heirat habe sie Afghanistan mit ihrem Mann verlassen. Damals habe sie nicht so ganz verstanden, weshalb sie nicht in Afghanistan hätten bleiben können. Es sei immer gesagt worden, dass die Familie ihres Mannes dort Feinde habe. Sein Vater sei getötet worden. Sie hätten es immer sehr eilig gehabt und hätten das Land so schnell wie möglich verlassen wollen. Die BF2 habe ihre Mutter bereits seit 5 Jahren nicht mehr gesehen, da ihr Mann und ihre Schwiegermutter ihr nicht erlaubt hätten nach Afghanistan zurückzukehren. Sie hätten gemeint, dass ihr Leben in Gefahr sei. Ihre Mutter, ihre zwei Schwestern, ihr Bruder, zwei Tanten und zwei Onkel seien noch in Afghanistan. Ihr Bruder versorge die Familie indem er Sachen auf der Straße verkaufe. Die Familie sei wegen der Probleme des BF1 geflohen. Die BF2 sei nicht verfolgt worden. Den Iran hätten sie verlassen müssen, da sie keine Dokumente gehabt hätten und die Kinder keine Schule besuchen hätten können. Sie seien hierhergekommen, damit die Kinder die Schule besuchen und eine Ausbildung machen könnten.
Zu ihrer Situation in Österreich gab die BF2 an, dass sie gerne die Sprache lernen würde und dann studieren würde. Derzeit sei sie noch mit der Kindererziehung beschäftigt.
Mit den eingangs genannten Bescheiden des BFA vom 11.08.2017 wurden die Anträge der BF1, BF2, BF3, BF4 und BF5 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und es wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gesetzt.
Begründend wurde den BF1 betreffend im Wesentlichen ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass dieser in Afghanistan der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Der BF1 habe sein "gesamtes selbstbestimmtes Leben" (gemeint ist offenbar sein Leben als Jugendlicher und Erwachsener) außerhalb Afghanistans verbracht. Es sei davon auszugehen, dass seine Familie Afghanistan seinerzeit aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage und nicht aufgrund einer individuellen Bedrohung verlassen habe. Seinem Vorbringen, die Mörder seines Vaters würden den BF1 wiedererkennen, sei nicht zu glauben.
Der BF1 sei ein arbeitsfähiger Mann mittleren Alters. Er könne den Lebensunterhalt zumindest mit Gelegenheitsjobs bestreiten. Er könne auch in Kabul wieder Fuß fassen und Unterstützung von der Familie seiner Gattin erhalten. Der BF1 wäre im Fall seiner Rückkehr keiner realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 ausgesetzt. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung wurde eine Interessensabwägung vorgenommen, die ergab, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.
Die Bescheide betreffend die BF2-BF5 gründen sich im Wesentlichen auf die gleichen Erwägungen bzw. wurde auf die Begründung des Bescheides des BF1 verwiesen, da für die BF2 bis 5 keine eigenen Fluchtgründe festgestellt worden seien.
Mit Verfahrensanordnung vom 16.08.2017 wurde den BF1-BF5 amtswegig ein Rechtsberater zur Verfügung gestellt.
Die BF1-BF5 erhoben gegen diese Bescheide fristgerecht Beschwerde und brachten vor, die Behörde habe keinerlei Ermittlungen hinsichtlich einer subsidiären Schutzberechtigung - insb. im Hinblick auf familiäre und soziale Anknüpfungspunkte im Hinblick auf die Sicherheitslage - gemacht. Die Behörde habe sich auch nicht mit der individuellen Situation des BF1 auseinandergesetzt, nämlich mit dem Umstand, dass dieser mit einer Familie nach Europa geflüchtet sei und in Österreich ein weiteres Kind geboren wurde. Im Falle einer Rückkehr wäre der BF1 einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbarer Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Da er keine Ausbildung habe, seien seine Erwerbsmöglichkeiten eingeschränkt, sodass er und seine Familie in eine aussichtslose Situation geraten würden. Die Behörde habe seinem Asylvorbringen jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen, obwohl er am Verfahren mitgewirkt habe. Der BF1 habe zu seinen Asylgründen detailliert und konkret Stellung genommen. Die Behörde sei ihrer Verpflichtung zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen. Sie wäre sonst zu dem Schluss gekommen, dass dem BF1 zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren sei.
Mit der Beschwerde wurden Berichte zur Sicherheitslage in Afghanistan vorgelegt. Betreffend die BF2-BF5 wurde ergänzend ausgeführt, die Behörde habe sich nicht ausreichend mit der Lage der Frauen in Afghanistan auseinandergesetzt. Gesetze, die Frauen und Mädchen schützen sollen, würden in Afghanistan nicht angewendet, da den dortigen Behörden der politische Wille fehle. Auch die BF2 sei Analphabetin und wäre daher im Falle einer Rückkehr mit ihrem Ehemann nicht in der Lage, in Afghanistan Fuß zu fassen und für die minderjährigen Kinder zu sorgen.
Die BF1-BF5 beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Sie beantragten, die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass ihnen der Status von Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu ihnen der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, in eventu die ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufzuheben, in eventu ihnen einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.
Mit Eingabe vom 11.12.2017 erfolgte eine Vollmachtsbekanntgabe durch die ARGE Rechtsberatung und eine Ergänzung der Beschwerde.
Darin wird vorgebracht, die Ermittlungen der Behörde seien mangelhaft. Der BF1 werde als Hazara verfolgt. Auch die Feinde seines Vaters würden ihn im Fall seiner Rückkehr erkennen und töten. BF1 und BF2 seien außerdem westlich gekleidet. Der BF1 habe eine Tätowierung. Dennoch habe die Behörde Ermittlungen hinsichtlich der Gefährdung aufgrund der unterstellten Ungläubigkeit und des westlichen Lebensstils unterlassen. Die Behörde habe der BF2 auch keine Fragen zur Diskriminierung und Bedrohung aufgrund ihres Geschlechtes gestellt. Die amtswegige Erforschung von Fluchtgründen wäre auch dann durchzuführen gewesen, wenn der jeweilige Antragsteller vermeint, selbst keine Fluchtgründe zu haben. Es sei einem rechtsunkundigen, sprachunkundigen Fremden nicht zumutbar, zu erkennen, welche Gründe zur Asylgewährung führen können und welche nicht. Die Behörde habe auch Ermittlungen zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative unterlassen. Der BF1 habe sich seit seinem 10.Lebensjahr im Iran aufgehalten und habe weder eine Schul- noch eine Berufsausbildung. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe ihm nicht zur Verfügung. Auch in Kabul würden die BF1-BF5 nicht von der Familie der BF2 unterstützt werden können, da deren Vater bereits verstorben sei und die übrigen Familienmitglieder keine wirtschaftliche Unterstützung oder eine Unterkunft bieten könnten. Es seien teilweise veraltete Länderfeststellungen herangezogen worden. Der Beschwerdeergänzung wurden Länderberichte betreffend die Sicherheitslage allgemein und in Kabul, weiters betreffend die Situation von Frauen und Mädchen, sowie die Verfolgung der schiitischen Hazara, weiters zur Lage von Personen mit Tätowierungen und zur Lage von Rückkehrern aus westlichen Ländern, sowie zur Schutzfähigkeit der afghanischen Sicherheitsbehörden beigelegt. Die BF1-BF5 seien in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden, da die Behörde bei Zweifeln über ihre Glaubwürdigkeit den BF1-BF5 die Möglichkeit zur Stellungnahme hätte geben müssen. Die Behörde habe keine Feststellungen bezüglich der Weltanschauung bzw. zur unterstellten Ungläubigkeit der BF1-BF5, sowie zur Diskriminierung von Frauen getroffen. Die Feststellungen würden auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung, einer unzureichenden Befragung der BF1-BF5 und mangelnder Auseinandersetzung mit ihren Vorbringen basieren. Den BF1-5 sei aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren. Die BF1-5 seien außerdem westlich gesinnt und hätten gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte verstoßen. Dies ziehe (im Fall ihrer Rückkehr) die Gefahr einer religiösen Verfolgung im Sinne der GFK nach sich. Die BF2 gehöre zur Gruppe der westlich gesinnten Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben führen würden, was nach ständiger Judikatur asylrelevant sei. Da keine innerstaatliche Schutzalternative bestehe, hätte die Behörde den BF1-BF5 zumindest subsidiären Schutz gewähren müssen. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung habe die Behörde das Recht der BF 1-5 auf Privat- und Familienleben ungenügend berücksichtigt. Die Familie spreche bereits ein wenig Deutsch. Alle seien bemüht seien, sich weiter zu integrieren. Die bereits in der Beschwerde gestellten Anträge - insbesondere jener auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung - wurden wiederholt.
Am 09.05.2019 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, an der die BF1-BF5 und ein Vertreter des Vereins Menschenrechte Österreich als ihr Vertreter teilnahmen. Das ebenfalls zur Verhandlung geladene BFA sagte seine Teilnahme mit Schreiben vom 28.01.2019 ab.
Die BF2 gab an, sie sei in XXXX , einem Außenbezirk von Kabul geboren und aufgewachsen. In diesem Bezirk hätten nur Afghanen gewohnt, keine Europäer. Ihr Vater sei gestorben, als sie etwa zwei Jahre alt war. Ihre Mutter, zwei Geschwister und ein Onkel väterlicherseits würden noch dort leben. Die BF2 sei acht Jahre zur Schule gegangen. Sie könne lesen und schreiben. Diesbezüglich sei bei der Vernehmung in erster Instanz ein Fehler unterlaufen. Nach ihrer Verlobung, mit etwa 16 Jahren habe sie die Schule beendet. Sie hätte gerne Ärztin werden wollen. In Österreich sei in der ersten Unterkunft eine Frau freiwillig gekommen und habe mit der BF2 Deutsch gelernt. Die BF2 habe zweimal den Deutschkurs besucht, habe dann aber nicht weitermachen können, da sie schwanger wurde und kleine Kinder hatte. Die Familie habe dann eine Wohnung bekommen. Der Alltag mit den Kindern bedeute viel Arbeit. Der Mann helfe ihr. Ein bisschen Deutsch würde sie können. Sie lerne daheim mit dem Handy. In Österreich gehe sie allein aus der Wohnung. Manchmal begleite sie auch der Mann. Mit Österreicherinnen habe sie am Spielplatz Kontakt geschlossen. Sie gehe auch allein laufen und sei schon mal schwimmen gewesen. In der ersten Unterkunft habe sie schwimmen gelernt. Die BF2 wünsche sich für ihre Kinder eine gute Ausbildung und eine gute Zukunft. Auch selber würde sie gerne Deutsch lernen und eine Ausbildung machen. Sie habe sich auch schon nach einem Deutschkurs erkundigt, sei aber abgelehnt worden.
Der BF1 gab an, er sei im Bezirk XXXX , Kabul, geboren und aufgewachsen. Warum er nie zur Schule ging - obwohl sein Vater Medizin studierte - wisse er nicht. Möglicherweise habe dies mit dem Krieg zu tun gehabt. Der BF erinnere sich an das Begräbnis des Vaters. Sein Großvater habe ihm damals gar nichts erzählt. Später habe der Großvater erzählt, dass den Vater in der Nähe von seinem Restaurant eine Kugel in die Brust getroffen habe. Befragt, aus welchen Erwägungen er fürchte, in Afghanistan als der Sohn seines Vaters erkannt zu werden, gab der BF1 an, er habe keine Angst vorm Sterben. Er mache sich nur Sorgen um seine Kinder.
Seine Frau sei von der Großmutter ausgesucht worden. Der BF1 habe bei seiner ersten Reise nach Afghanistan keine Angst gehabt, da er damals die ganze Geschichte noch nicht gekannt habe. Beim zweiten Mal habe ihm die Großmutter die Geschichte erzählt. Deshalb habe er getrachtet, bald wieder aus Afghanistan auszureisen. Befragt, ob die Hochzeit nicht auch im Iran hätte stattfinden können erwiderte der BF, gemäß der Tradition müsse dort, wo die Frau zu Hause sei, Hochzeit gefeiert werden. Im Iran sei ein zweites Mal gefeiert worden. Die Verwandten der Frau würden noch in Kabul leben. In Österreich habe der BF1 zwei Monate einen Deutschkurs besucht. Dann habe er nicht weiterlernen können. Nach dem Umzug in die Wohnung sei er mit Freunden zu einem Deutschkurs mitgegangen und habe dort erfahren, dass dass er für den Kurs zu alt wäre. Er könne ein bisschen Deutsch, vor allem aufgrund einer mehrmonatigen ehrenamtlichen Tätigkeit in Österreich. Er helfe auch seiner Frau im Haushalt und bringe die Kinder zur Schule und zum Kindergarten. Er selbst würde gerne als Bodyguard arbeiten.
Mit Schreiben vom 02.10.2019 gab die Rechtsvertretung der BF1-5 bekannt, dass die BF2 seit 09.09.2019 Montag bis Freitag von 08:00 bis 13:00 Uhr den Basisbildungskurs "Sicher im Alltag, fit für Ausbildung und Beruf - Basisbildungsangebot in XXXX " des BFI Steiermark teilnehme. In diesem Kurs sei auch ein Deutschkurs enthalten. Ihr Mann betreue während der Zeit ihres Kursbesuches die drei minderjährigen Kinder, insbesondere das jüngste Kind, das noch zu Hause betreut werde.
Mit Eingabe vom 17.01.2020 legte die Rechtsvertretung der BF 1-5 ein Zertifikat des BFI Steiermark über die erfolgreiche Absolvierung des genannten Basisbildungskurses durch die BF2 vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF2 führt den Namen XXXX . Sie wurde am XXXX in einem Außenbezirk Kabuls, Afghanistan, geboren, ist afghanische Staatsbürgerin, schiitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Sie besuchte bis zu ihrem 16. Lebensjahr in Kabul die Schule und hatte den Wunsch, Ärztin zu werden. Nach ihrer Verlobung mit dem BF1 blieb sie jedoch zu Hause, heiratete den BF1 ein Jahr später und zog mit ihm in den Iran. Das Paar hat drei Söhne, geboren XXXX und XXXX . Die Familie lebte in Österreich zunächst an verschiedenen Orten in Flüchtlingsunterkünften lebt seit Juni 2018 in einer Wohnung in der steirischen Kleinstadt (ca. 8000 Einwohner) XXXX . Den zu Beginn ihres Aufenthaltes begonnen Besuch von Deutschkursen haben BF1 und BF2 vorzeitig abgebrochen. Die BF2 benutzte fortan ein auf ihr Handy geladenes Computerprogramm, um Deutsch zu lernen. Es gelang ihr, auf diesem Weg Deutschkenntnisse zu erwerben, die ihr eine Verständigung beim Arzt, beim Einkaufen und mit Eltern anderer Kinder am Spielplatz ermöglichten. Von September bis Dezember 2019 besuchte die BF2 Montag bis Freitag von 08:00 bis 13:00 Uhr den Deutsch-Basisbildungskurs "Sicher im Alltag, fit für Ausbildung und Beruf - Basisbildungsangebot des BFI Steiermark, in der etwa 12 Kilometer entfernten und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Stadt XXXX . Ihr Mann betreute derweilen die drei minderjährigen Kinder. Das jüngste Kind wurde noch zu Hause betreut; die beiden älteren Kinder besuchten Kindergarten und Volkschule. Der BF1 hat in Österreich mehrere Monate ehrenamtlich gearbeitet und hat sich auf diesem Weg Deutschkenntnisse angeeignet. Das Paar plant, abwechselnd Deutschkurse zu besuchen, solange die drei Kinder noch im betreuungsintensiven Alter sind. Die BF2 hat nun den Wunsch in Österreich eine Ausbildung zu machen, einen Beruf zu ergreifen, und auf diesem Weg ihren Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Die BF2 ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Allgemeine Länderfeststellungen:
Quelle: UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30. August 2018, HCR/EG/AFG/18/02:
Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen, bei dem die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), unterstützt von den internationalen Streitkräften, mehreren regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) gegenüberstehen.
Dem UN-Generalsekretär zufolge steht Afghanistan weiterhin vor immensen sicherheitsbezogenen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Sicherheitslage soll sich insgesamt weiter verschlechtert und zu einer sogenannten "erodierenden Pattsituation" geführt haben. Berichten zufolge haben sich die ANDSF grundsätzlich als fähig erwiesen, die Provinzhauptstädte und die wichtigsten städtischen Zentren zu verteidigen, im ländlichen Raum hingegen mussten sie beträchtliche Gebiete den Taliban überlassen. Es heißt ferner, dass die ANDSF mit unhaltbar hohen Ausfallsraten und sinkender Moral zu kämpfen haben.
Es wird berichtet, dass die Taliban zum 31. Januar 2018, 43,7 Prozent aller Distrikte Afghanistans kontrolliert oder für sich beansprucht haben. Die Taliban haben ihre Angriffe in Kabul und anderen großen Ballungsräumen verstärkt, mit zunehmenden Fokus auf afghanische Sicherheitskräfte, die große Verluste zu beklagen haben. Das ganze Jahr 2017 hindurch führten die Taliban mehrere umfangreiche Offensiven mit dem Ziel durch, Verwaltungszentren von Distrikten zu erobern. Es gelang ihnen mehrere solcher Zentren unter ihre Kontrolle zu bringen und vorübergehend zu halten. Meldungen zufolge festigten die Taliban gleichzeitig ihre Kontrolle über größtenteils ländliche Gebiete, was ihnen ermöglichte, häufigere Angriffe - insbesondere im Norden Afghanistans - durchzuführen.
Auch von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen wird berichtet, dass sie die Autorität der Regierung in ihrem Einflussbereich untergraben; sie werden auch mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor unbeständig und die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts. In den Jahren nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte 2014 waren eine fortgesetzte Verschlechterung der Sicherheitslage und eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in Afghanistan zu beobachten. Aus Berichten geht hervor, dass die Taliban ihre Offensive zur Ausweitung ihrer Kontrolle über weitere Distrikte fortsetzt, während der Islamische Staat angeblich immer nachdrücklicher seine Fähigkeit unter Beweis stellt, seine geografische Reichweite auszudehnen, was eine weitere Destabilisierung der Sicherheitslage zur Folge hat.
Von dem Konflikt sind weiterhin alle Landesteile betroffen. Seit dem Beschluss der Regierung, Bevölkerungszentren und strategische ländliche Gebiete zu verteidigen, haben sich die Kämpfe zwischen regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) und der afghanischen Regierung intensiviert. Es wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte immer öfter bewusst auf Zivilisten gerichtete Anschläge durchführen, vor allem durch Selbstmordanschläge mit improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und komplexe Angriffe. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) setzen ihre groß angelegten Angriffe in Kabul und anderen Städten fort und festigen ihre Kontrolle über ländliche Gebiete. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit und Effektivität der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) geäußert, die Sicherheit und Stabilität in ganz Afghanistan zu gewährleisten.
Trotz der ausdrücklichen Verpflichtung der afghanischen Regierung, ihre nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, ist der durch sie geleistete Schutz der Menschenrechte weiterhin inkonsistent. Große Teile der Bevölkerung einschließlich Frauen, Kindern, ethnischer Minderheiten, Häftlingen und anderer Gruppen sind Berichten zufolge weiterhin zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch unterschiedliche Akteure ausgesetzt Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.
Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.
In von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es Berichten zufolge regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und seine Vertreter. In Gebieten, die (teilweise) von regierungsnahen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden, begehen diese Berichten zufolge straflos Menschenrechtsverletzungen.
Ähnlich sind in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten Menschenrechtsverletzungen, darunter durch die Etablierung paralleler Justizstrukturen, weit verbreitet. Zusätzlich begehen sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Akteure Berichten zufolge außerhalb der von ihnen jeweils kontrollierten Gebiete Menschenrechtsverletzungen.
Aus Berichten geht hervor, dass besonders schwere Menschenrechtsverletzungen insbesondere in umkämpften Gebieten weit verbreitet sind.
Berichten zufolge begehen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) extralegale Hinrichtungen, Folter und Misshandlungen. Sie hinderten Zivilisten zudem an der Ausübung ihrer Rechte auf Bewegungsfreiheit, auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Religionsfreiheit, auf politische Teilhabe sowie auf Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung sowie zu ihrem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) nutzen das Fehlen staatlicher Justizmechanismen oder -dienste dazu aus, eigene, parallele "Justiz"-Strukturen - vor allem, wenn auch nicht ausschließlich - in Gebieten unter ihrer Kontrolle, durchzusetzen. UNAMA stellt fest, dass "alle von einer parallelen Justizstruktur durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen verhängten Strafen nach afghanischem Recht unrechtmäßig sind, eine rechtswidrige Handlung darstellen und als Kriegsverbrechen eingestuft werden können". Zu den durch parallele Justizstrukturen verhängten Strafen zählen öffentliche Hinrichtungen durch Steinigung und Erschießen, Schläge und Auspeitschung sowie Amputation. Berichten zufolge erheben regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zudem in Gebieten, in denen sie die Einrichtung paralleler Regierungsstrukturen anstreben, illegale Steuern.
Im Juli 2018 äußerte UNAMA Besorgnis über den neuerdings zu beobachtenden Trend, dass regierungsfeindliche Kräfte auf Operationen regierungsnaher Kräfte mit Angriffen auf Schulen und Beamte im Bildungswesen reagieren. Schulen wurden Berichten zufolge außerdem besetzt und für militärische Zwecke benutzt, wodurch ihr geschützter Status nach dem humanitären Völkerrecht gefährdet und den Kindern der Zugang zu Bildung entzogen wurde. Außerdem bleiben Berichten zufolge viele Schulen in Afghanistan aufgrund der vor Ort herrschenden Sicherheitsverhältnisse geschlossen.
Ferner wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte den Zugang zu medizinischer Versorgung beschränken. 2017 dokumentierte UNAMA 75 gegen Krankenhäuser und medizinisches Personal gerichtete Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte mit 31 Toten und 34 Verletzten gegenüber 120 Zwischenfällen mit 10 Toten und 13 Verletzten im Jahr 2016. Außerdem heißt es, dass regierungsfeindliche Kräfte in einigen Teilen des Landes Polio-Impfkampagnen verbieten und wiederum andere Teile aufgrund der vorherrschenden Unsicherheit nicht von Impfhelfern erreicht werden können.
Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der nach nationalem und internationalem Recht bestehenden Verpflichtung Afghanistans, diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsführung Afghanistans und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen.
Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte seien oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben. Der UN-Ausschuss gegen Folter brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass die Regierung keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten vor Repressalien für ihre Arbeit ergreift.
Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass afghanische Bürger Bestechungsgelder zahlen müssen, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten, etwa dem Büro des Provinzgouverneurs, dem Büro des Gemeindevorstehers und der Zollstelle. Innerhalb der Polizei, so heißt es, sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem sei auf ähnliche Weise von weitverbreiteter Korruption betroffen.
Berichten zufolge wenden sich lokale Gemeinschaften in einigen Gebieten an parallele Justizstrukturen, etwa örtliche Räte oder Ältestenräte oder Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle zu regeln. UNAMA stellt allerdings fest, dass diese Strukturen den Gemeinschaften in der Regel aufgezwungen werden und dass die in diesem Rahmen verhängten Strafen wie Hinrichtungen und Amputationen nach afghanischem Recht kriminelle Handlungen darstellen.
In Gebieten, in denen die Taliban versuchen, die lokale Bevölkerung von sich zu überzeugen, nehmen sie Berichten zufolge eine mildere Haltung ein. Sobald sich jedoch die betreffenden Gebiete unter ihrer tatsächlichen Kontrolle befinden, setzen die Taliban ihre strenge Auslegung islamischer Prinzipien, Normen und Werte durch. Es liegen Berichte über Taliban vor, die für das "Ministerium der Taliban für die Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters" tätig sind, in den Straßen patrouillieren und Personen festnehmen, weil diese sich den Bart abrasiert haben oder Tabak konsumieren. Frauen ist es Berichten zufolge nur in Begleitung ihres Ehemanns oder männlicher Familienmitglieder gestattet, das Haus zu verlassen und ausschließlich zu einigen wenigen genehmigten Zwecken wie beispielsweise einen Arztbesuch. Frauen und Männer, die gegen diese Regeln verstoßen, wurden Berichten zufolge mit öffentlichen Auspeitschungen bestraft, ja sogar getötet. In Gebieten, die von mit dem Islamischen Staat verbundenen Gruppen kontrolliert werden, wird Berichten zufolge ein sittenstrenger Lebensstil durch strikte Vorschriften und Bestrafungen durchgesetzt. Es wird berichtet, dass Frauen strenge Regeln, einschließlich Kleidungsvorschriften, und eingeschränkte Bewegungsfreiheit auferlegt wurden.
Die Regierung hat seit 2001 eine Reihe von Schritten zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Verabschiedung von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe der Frauen und die Schaffung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten. Allerdings stieß die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung immer wieder auf Widerstände. Das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen wurde 2009 durch Präsidialerlass verabschiedet, doch lehnten es konservative Parlamentsabgeordnete und andere konservative Aktivisten weiterhin ab. Das überarbeitete Strafgesetzbuch Afghanistans, das am 4. März 2017 mit Präsidialerlass verabschiedet wurde, enthielt ursprünglich alle Bestimmungen des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und stärkte die Definition des Begriffs Vergewaltigung. Jedoch wies Präsident Ghani das Justizministerium im August 2017 angesichts der Ablehnung durch die Konservativen an, das diesem Gesetz gewidmete Kapitel aus dem neuen Strafgesetzbuch zu entfernen. Das neue Strafgesetzbuch trat im Februar 2018 in Kraft, während in einem Präsidialerlass klargestellt wurde, dass das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 2009 als eigenes Gesetz weiterhin Geltung hat.
Laut Berichten, halten sich die Verbesserungen betreffend die Lage der Frauen und Mädchen insgesamt sehr in Grenzen. Laut der Asia Foundation erschweren "der begrenzte Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, ungerechte Bestrafungen für Verbrechen gegen die Sittlichkeit, ungleiche Teilhabe an der Regierung, Zwangsverheiratung und Gewalt" nach wie vor das Leben der Frauen und Mädchen in Afghanistan.
Die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan (AIHRC) stellte fest, dass Gewalt gegen Frauen noch immer eine "weit verbreitete, allgemein übliche und unleugbare Realität" ist und dass Frauen in unsicheren Provinzen und im ländlichen Raum besonders gefährdet durch Gewalt und Missbrauch sind. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte sehr oft straflos bleiben. Sexuelle Belästigung und die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleiben, so die Berichte, endemisch.
Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen Berichten zufolge überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.
Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Afghanistan ist nach wie vor weit verbreitet: Die Zahl der angezeigten Fälle nimmt zu, doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein als die angezeigten Fälle. Im März 2018 bezeichnete die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan Gewalt gegen Frauen als "eine der größten Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte in Afghanistan". Dazu gehören "Ehrenmorde", Entführungen, Vergewaltigungen, sexuelle Belästigung, erzwungene Schwangerschaftsabbrüche und häusliche Gewalt.
Da sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe von weiten Teilen der afghanischen Gesellschaft als Schande für die Familie betrachtet werden, besteht für Opfer von Vergewaltigungen außerhalb der Ehe die Gefahr, geächtet, zur Abtreibung gezwungen, inhaftiert oder sogar getötet zu werden. Es wurde festgestellt, dass gesellschaftliche Tabus und die Angst vor Stigmatisierung und Vergeltungsmaßnahmen, einschließlich durch die eigene Gemeinschaft oder Familie, ausschlaggebend dafür sind, dass Überlebende von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt keine Anzeige erstatten.
Der Zugang zur Justiz wird für Frauen, die Gewalttaten anzeigen möchten, zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass der Anteil der Frauen unter den Polizeikräften im Land nur bei etwas unter zwei Prozent liegt, da Polizistinnen weitgehend stigmatisiert werden. Berichten zufolge sind Polizistinnen selbst der Gefahr von sexueller Belästigung und von Übergriffen am Arbeitsplatz, unter anderem der Vergewaltigung durch männliche Kollegen, ausgesetzt. Sie seien außerdem durch gewalttätige Angriffe seitens regierungsfeindlicher Kräfte gefährdet.
Berichten zufolge besteht Straflosigkeit bei Handlungen von sexueller Gewalt auch deswegen weiter fort, weil es sich bei den mutmaßlichen Vergewaltigern in einigen Gebieten um mächtige Befehlshaber oder Mitglieder bewaffneter Truppen oder krimineller Banden handelt oder um Personen, die zu solchen Gruppen oder einflussreichen Personen Kontakt haben und von ihnen vor Inhaftierung und Strafverfolgung geschützt werden.
"Korruption und Autoritätsmissbrauch sind der Grund dafür, dass Menschen, die Frauen ermorden oder vergewaltigen und Verbindungen zu einem Anführer [einer aufständischen Gruppe], einem Anwalt oder Richter haben, nicht bestraft werden [...] Sie wissen, dass sie keine Bestrafung fürchten müssen und zögern aufgrund dieser Straffreiheit nicht, Morde und Vergewaltigungen zu begehen." [Übersetzung durch UNHCR]. IWPR, Afghanistan's Domestic Violence Loophole, 16. Januar 2017, https://iwpr.net/global-voices/afghanistans-domestic-violence-loophole.
Trotz der Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören strenge Kleidungsvorschriften sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf.
Bestrafungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia treffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, etwa Inhaftierung aufgrund von "Verstößen gegen die Sittlichkeit" wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung.
Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative:
Eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Neuansiedlung setzt eine Beurteilung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative voraus. In Fällen, in denen eine begründete Furcht vor Verfolgung in einem bestimmten Gebiet des Herkunftslandes nachgewiesen wurde, erfordert die Feststellung, ob die vorgeschlagene interne Schutzalternative eine angemessene Alternative für die betreffende Person darstellt, eine Bewertung, die nicht nur die Umstände berücksichtigt, die Anlass zu der begründeten Furcht gaben und der Grund für die Flucht aus dem Herkunftsgebiet waren. Auch die Frage, ob das vorgeschlagene Gebiet eine langfristig sichere Alternative für die Zukunft darstellt, sowie die persönlichen Umstände des jeweiligen Antragstellers und die Bedingungen in dem Gebiet der Neuansiedlung müssen berücksichtigt werden. Wenn eine interne Schutzalternative im Zuge eines Asylverfahrens in Betracht gezogen wird, muss ein bestimmtes Gebiet für die Neuansiedlung vorgeschlagen werden und es müssen alle für die Relevanz und Zumutbarkeit des vorgeschlagenen Gebiets im Hinblick auf den jeweiligen Antragsteller maßgeblichen allgemeinen und persönlichen Umstände soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden. Dem Antragsteller muss eine angemessene Möglichkeit gegeben werden, sich zu der angenommenen Relevanz und Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative zu äußern. Eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben Geht die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften aus, muss berücksichtigt werden, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Akteure den Antragsteller im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfolgen. Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius einiger regierungsfeindlicher Kräfte, einschließlich der Taliban und des Islamischen Staates, existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine interne Schutzalternative. Ferner müssen die Nachweise in Abschnitt II.C hinsichtlich der aufgrund ineffektiver Regierungsführung und weit verbreiteter Korruption eingeschränkten Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte zu bieten, berücksichtigt werden.
Hat der Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung, die von Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund schädlicher traditioneller Bräuche und religiöser Normen ausgeht, die Verfolgungscharakter aufweisen, (siehe zum Beispiel die Risikoprofile 7, 10 und 12 in Abschnitt III.A), so muss die Akzeptanz solcher Normen und Bräuche in weiten Teilen der Gesellschaft und die einflussreichen konservativen Elemente auf allen Ebenen der Regierung als ein Faktor in Betracht gezogen werden, der gegen die Relevanz einer internen Schutzalternative spricht. UNHCR vertritt den Standpunkt, dass - verbunden mit den Nachweisen in Abschnitt II.C betreffend die eingeschränkte Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten, - davon auszugehen ist, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative in diesen Fällen nicht relevant ist.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, weiters durch Einsichtnahme in die zitierten allgemeinen Länderfeststellungen, durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 09.05.2019 und durch Einsichtnahme in den vorgelegten Ausbildungsnachweis vom 16.12.2019. Die Identität der BF2 erscheint unbedenklich. Ihr gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern bestehender aktueller Wohnort und die bisherigen Unterkünfte der Familie in Österreich ergeben sich aus dem zentralen Melderegister der Republik Österreich. Ihre strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich. Die Ausführungen der BF2 erscheinen lebensnahe und glaubwürdig. Sie werden durch den vorgelegten Ausbildungsnachweis des BFI Steiermark vom 16.12.2019 belegt. Die BF - sie durfte die Schule in Afghanistan nicht abschließen - ist bestrebt, die sich ihr in Österreich bietende Möglichkeit, die Sprache zu erlernen, eine Ausbildung nachzuholen und einen Beruf zu ergreifen, zu nützen. Dass die BF2 für die Betreuung ihrer Kinder aktuell viel Zeit und Energie aufwenden muss, legen bereits deren eher knapp hintereinander liegende Geburtsdaten nahe. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte wahrgenommen werden, dass es sich um drei ausgesprochen lebhafte Kinder handelt. Die Tatsache, dass die BF2 im Jahr der Geburt ihres dritten Kindes einen Deutschkurs abgebrochen hat, erscheint vor diesem Hintergrund unbedenklich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
§ 3. AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:
(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen is
(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
§ 11 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:
(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.
Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "begründete Furcht vor Verfolgung".
Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.
Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates liegt nicht schon dann vor, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine BürgerInnen gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (vgl. VwGH 2006/01/0191 vom 13.11.2008); Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates ist jedoch dann gegeben, wenn der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 22.03.2003, 99/01/0256). Für eine/n Verfolgte/n macht es nämlich keinen Unterschied, ob er/sie aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm/ihr dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm/ihr nicht möglich bzw im Hinblick auf seine/ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.
Die Voraussetzungen der GFK sind nur dann gegeben, wenn der Flüchtling im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet. (VwGH 8.10.1980, VwSlg. 10.255).
Verfolgungsgefahr muss nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem/der Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden. Vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der/die Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er/sie könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2001 2000/01/0322).
Rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhaltes:
Die BF2 befindet sich aus wohlbegründeter Furcht aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten Frauen außerhalb Afghanistans. Die BF2 hätte im Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan eine sie in ihrer Gesamtheit bedrohende Situation von asylrechtlicher Relevanz zu erwarten. In ihrem Heimatland würde die BF2 infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung finden. Die von der BF2 dargelegte Furcht vor Verfolgung ist daher dem Staat Afghanistan zuzurechnen. Die von BF2 dargelegte Verfolgung hat ihre Ursache in einem Grund, welchen Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt. Sie ist Ursache dafür, dass sich die BF2 außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Die von der BF2 erwartete Verfolgung ist als ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der BF2 anzusehen. Sie ist geeignet, die Unzumutbarkeit ihrer Rückkehr nach Afghanistan zu begründen. Die von der BF2 dargelegte Verfolgung droht ihr mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit. Sie ist auch aktuell. Die von der BF2 dargelegte Furcht vor Verfolgung ist unter Berücksichtigung der aktuellen Verhältnisse in Afghanistan objektiv nachvollziehbar. Eine innerstaatliche Fluchtalternative für die BF2 besteht nicht, da im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen ist, in der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frauen einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind. Es liegen auch keine der in § 6 Abs 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vor.
Der Beschwerde ist daher stattzugeben, der BF2 gem. § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und dies gem. § 3 Abs. 5 AsylG mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt, zu verbinden.
Zu den weiteren Beschwerdeführern:
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder im Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zu