Entscheidungsdatum
15.04.2020Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W176 2186599-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Iran, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.01.2018, Zl. 1090038400-151495315, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei seiner Erstbefragung am XXXX .2015 gab er im Wesentlichen Folgendes an: Er sei iranischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens, gehöre der arabischen Volksgruppe an und stamme aus XXXX . Araber hätten dort keine Rechte und es habe viele Demonstrationen gegen die iranische Regierung gegeben; auch er habe an solchen teilgenommen. Vor Kurzem sei sein Bruder vom Regime festgenommen worden.
3. Am XXXX 2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [im Folgenden: belangte Behörde] am XXXX .2018) in Anwesenheit von XXXX als Vertrauensperson einvernommen brachte der Beschwerdeführer - zusammengefasst - Folgendes vor: Er sei in der Partei Khalq-e Arab tätig gewesen und deshalb vier Mal im Iran in Haft gewesen, zuletzt von XXXX bis XXXX .
Nun sei er nicht mehr politisch aktiv, da ihm dies als Zeugen Jehovas nicht mehr erlaubt sei. Dazu legte er eine Bescheinigung von Jehovas Zeugen, XXXX , vom XXXX .2017 vor, wonach er am XXXX 2017 in XXXX als Zeuge Jehovas getauft worden sei, gegenwärtig mit der örtlichen Gemeinde der Zeugen Jehovas XXXX verbunden sei, deren Zusammenkünfte regelmäßig besuche und sich aktiv am Predigtdienst der Gemeinde beteilige.
Der die Befragung des Beschwerdeführers zu den Zeugen Jehovas betreffende Teil des Einvernahmeprotokolls lautet wie folgt:
"F: Wann sind Sie mit den Zeugen Jehovas in Kontakt gekommen?
A: Ich bin im XXXX 2016 mit den Zeugen Jehovas in Kontakt gekommen. Es kamen zwei Frauen zu unserem Lager und Sie haben mir eine Einladung gegeben und ich bin dann dort hingegangen. Am XXXX .2017 wurde ich getauft und bin nun Mitglied dieser Religion.
F: Was hat Ihnen an den Zeugen Jehovas fasziniert?
A: Ich hatte schon längt vom Islam die Nase voll. Sie steinigen die Frauen, schneiden Dieben die Hände ab und sind einfach brutal. Die Zeugen Jehovas bringen mir Ruhe und ich würde ohne Sie meine schwierige Situation nicht aushalten.
F: Was ist das Spezielle an den Zeugen Jehovas?
A: Mich fasziniert, dass alles was wir in den Heiligen Schriften lesen auch umgesetzt wird. Es ist nicht nur so, dass man etwas anderes tut als man liest, sondern es ist alles sehr ehrlich. Außerdem betet man das Kreuz nicht an. Es gibt bei uns keine Dreifaltigkeit. Gott ist der alleinige Gott und nur er wird angebetet. Jesus ist der Sohn des Gottes. Diese Lehre passt sehr gut zu mir, es ist logisch und gut. Die Liebe zwischen den Menschen und die Ehrlichkeit ist im Mittelpunkt. Wir mischen uns nicht in die Politik ein. Bei den Zeugen Jehovas wird der Tod von Jesus gefeiert und an Ihn erinnert. An dieser Feier geben wir Wein und Brot einander weiter. Das Brot ist das Symbol für Jesus Leib und der Wein für dessen Blut. Es gibt bei uns keine Weihnachtsfeier.
Bei uns sind auch Bluttransfusionen verboten, wir handeln genau nach der Heiligen Schrift, das steht in der Apostelgeschichte. Es gibt aber manchmal indirekte Verbindungen von Impfstoffen oder andere medizinische Notwendigkeiten, manche Teile des Blutes dürfen wir nehmen.
F: Welche Zeitschriften gibt es bei den Zeugen Jehovas?
A: Der Wachturm wird in den USA zusammengestellt und erklärt die Heilige Schrift. In Erwachet geht es auch um Informationen, Belehrungen, Erfahrungen und Anweisungen.
F: Was sagt Ihnen der Name Charles Taze Russell?
A: Er hat mit ein paar anderen Personen die Heiligen Schriften gelesen, sie haben nachgedacht und einiges detailliert behandelt und neue Erklärungen abgegeben.
F: Erzählen Sie etwas über Harmagedon?
A: Das ist das Ende der Zeit und der Menschheit. Dann entscheidet sich was mit uns passiert. Es ist symbolisch für den Krieg zwischen Satan und seinen Anhängern und von Jehova und seinen Anhängern. Diese Schlacht entscheidet sich zu Gunsten Gottes. Jesus wird mit 144.000 eine Regierung im Himmelreich schaffen, das wird Königreich Gottes genannt. Diese Regierung wird dann die Menschen auf der Erde regieren.
1914 war im Himmel ein Krieg, der Himmel wurde gereinigt und Satan kam dann auf die Erde und nun lebt er auf der Erde und macht weitere Kriege. Es wird weitergehen bis Harmagedon einen Schlusspunkt setzt.
F. Wie praktizieren Sie Ihren Glauben in Österreich?
A: Wir gehen von Haus zu Haus und verbreiten die Botschaft. Das mache ich öfters in der Woche. Dienstags und sonntags nehme ich an Versammlungen teil, diese finden im Königreichssaal statt. Donnerstags gibt es ebenfalls eine Zusammenkunft."
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm gemäß § 57 AsylG 2005 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Zur Entscheidung im Asylpunkt wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Iran aufgrund seiner religiösen Einstellung einer Verfolgung unterliege; denn es nicht davon auszugehen, dass er aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei.
In der Beweiswürdigung wird dazu Folgendes ausgeführt:
"Bei der Erstbefragung führten Sie noch an, Moslem, Sunnit zu sein. Bei der Einvernahme führten Sie nun auch noch an Zeuge Jehova zu sein, legten ein Taufzeugnis vor, die Taufe fand am XXXX .2017 statt und Sie gaben an, dass Sie auch deswegen nicht mehr in den Iran zurückkehren können. Im Jänner 2016 wären zwei Frauen in Ihr Flüchtlingslager gekommen und Sie hätten eine Einladung erhalten und wären dann dort hingegangen.
Sie konnten aber nicht überzeugend präsentieren, was Sie so an den Zeugen Jehovas fasziniert. Sie führten aus, dass Sie vom Islam die Nase voll hätten, denn im Islam werden Frauen gesteinigt und Dieben die Hände abgeschnitten. Die Zeugen Jehovas würden Ihnen Ruhe bringen und Ihnen in Ihrer schwierigen Situation helfen. Die Aussagen über den Islam sind pauschalisierend und auch herabwürdigend. Der Islam ist in Österreich seit über einem Jahrhundert eine anerkennte Religion. Im Islam wie auch im Christentum gibt es Aussagen über Liebe, Mitgefühl mit den Nächsten und der Barmherzigkeit Gottes.
Sie führten eigentlich keinerlei Grund an, was Sie so am Christentum fasziniert hat, sondern nur warum Sie sich vom Islam abgewendet haben.
Sie erzählten aber dann ausführlich was das Spezielle an den Zeugen Jehovas ist. Sie führten an, dass man umsetzen würde, was in den Heiligen Schriften steht. Es gibt keine Dreifaltigkeit, Jesus ist der Sohn des Gottes und Sie mischen sich nicht in die Politik ein. Es gibt keine Weihnachtsfeier und Bluttransfusionen sind verboten.
Sonst führten Sie eher allgemeine Phrasen vor, wie die, dass die Liebe zwischen den Menschen und die Ehrlichkeit im Mittelpunkt stehen, das passe sehr gut zu Ihnen.
Sehr merkwürdig ist, dass Sie jahrzehntelang politisch aktiv gewesen wären, also ein hochpolitischer Mensch wären und sich nun in Österreich ausgerechnet einer Konfession anschließen, die nichts mit der Politik zu tun haben will und sich ganz klar davon distanziert.
Über die Zeugen Jehovas sind Sie sonst gut informiert. Sie wissen wie die beiden wichtigen Zeitschriften heißen und konnten Harmagedon beschreiben. Über Charles Taze Russell machten Sie aber keine ausführlichen und genauen Antworten, obwohl er immerhin ein sehr bedeutender Denker Zeugen Jehovas war.
Es ist nicht nachvollziehbar, dass Sie plötzlich im Alter von 51 Jahren Mitglied der Zeugen Jehovas werden und der christliche Glaube nun einen so hohen Stellenwert in Ihrem Leben einnimmt.
Es hat den Anschein, dass Sie zum Schein zum Christentum konvertierten um dadurch einen Aufenthaltsstatus in Österreich zu erlangen.
In Summe gesehen gelangt die erkennende Behörde daher im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Beweiswürdigung zu einem den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entsprechenden Ergebnis, indem sie aufgrund der getroffenen Feststellungen und Ihres Vorbringens, dass der maßgebliche, den Fluchtgrund betreffenden Sachverhalt nicht den Tatsachen entspricht und Sie mit Ihrem Vorbringen daher keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnten.
Wenn es also darum geht, Ihr Vorbringen zu beurteilen, wonach Sie in Ihrem Heimatland aufgrund Ihrer Konvertierung zum christlichen Glauben mit Verfolgungshandlungen rechnen müssten, so war Ihnen die Glaubwürdigkeit zur Gänze abzusprechen."
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht vollumfänglich Beschwerde. Diese verweist bezüglich der Ernsthaftigkeit der Konversion des Beschwerdeführers auf die oben unter Punkt 3. dargestellte Bescheinigung zu dessen Taufe und Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas und bringt weiters vor, er habe vor der belangten Behörde die an ihn gerichteten Wissensfragen beantworten und nachvollziehbar darlegen können, weshalb er sich zur Konversion entschlossen habe. Obwohl die Behörde diese Angaben als ausführlich und den Beschwerdeführer als gut informiert bezeichnet habe, sei sie - ohne dies näher zu begründen - zum Schluss gekommen, er sei zur zum Schein konvertiert.
Daher werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die zeugenschaftliche Einvernahme von XXXX zum Beweis für das Engagement des Beschwerdeführers bei den Zeugen Jehovas beantragt.
6. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verfahrensunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Er ist iranischer Staatsangehöriger arabischer Volksgruppenzugehörigkeit, entstammt einer sunnitischer-muslimischen Familie und war vor seiner Hinwendung zu den Zeugen Jehovas (sunnitischer) Moslem.
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX .2017 in XXXX als Zeuge Jehovas getauft, gehört der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas an und besucht regelmäßig die Zusammenkünfte der Gemeinde der Zeugen Jehovas XXXX , wobei er sich aktiv am Predigtdienst der Gemeinde beteiligt.
Er hat sich ernsthaft dem Glauben der Zeugen Jehovas, die sich als Christen verstehen, zugewandt und den inneren Entschluss gefasst, nach diesem Glauben zu leben.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur hier maßgeblichen Situation im Iran:
Zur Religionsfreiheit:
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).
Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018).
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).
Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).
Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).
Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).
Zur Lage der Christen:
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung anerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).
Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).
Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).
Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).
Die Schließungen der "Assembly of God"-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).
In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).
2. Beweiswürdigung:
2.1.1.Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers basieren auf den diesbezüglichen, glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht und den von ihm vorgelegten Dokumenten.
2.1.2. Die Feststellungen zu Taufe, Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas, Besuch von deren Veranstaltungen sowie aktive Teilnahme am Predigtdienst stützen sich auf die glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit der vorgelegten Bescheinigung von Jehovas Zeugen vom XXXX .2017.
2.1.3. Die Feststellung zur inneren Konversion des Beschwerdeführers basiert auf folgenden Erwägungen:
Wie zunächst festzuhalten ist, bestätigen die oben unter Punkt 3. wiedergegebenen Passagen der Niederschrift der Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde das Beschwerdevorbringen, wonach dieser in Lage war, die ihm gestellten Wissensfragen korrekt zu beantworten. Sofern die Behörde in diesem Zusammenhang ausführte, er habe über Charles Taze Russell keine ausführlichen und genauen Antworten geben können, ist dies zunächst vor dem Hintergrund des dem Beschwerdeführer auch von der Behörde konzedierten guten Wissenstandes bezüglich der Zeugen Jehovas (vgl. die - in der Beschwerde angesprochene - Aussage auf S 86 des angefochtenen Bescheides, er sei "über die Zeugen Jehovas [...] sonst gut informiert") von untergeordneter Bedeutung. Überdies wird hinsichtlich der Bedeutung von Russell von den Zeugen Jehovas selbst der Umstand betont, dass er zu einer Gruppe von Bibelforscher gehörte, denen es um die Wahrheit aus der Bibel gegangen sei (vgl. https://www.jw.org/de/jehovas-zeugen/faq-oft-gefragt/gruender/, abgefragt am 09.04.2020). Auch wurde der Beschwerdeführer von der Behörde nicht aufgefordert, detailliertere Angaben zu Russell zu machen.
Festzuhalten ist dabei, dass die vom Beschwerdeführer proaktiv und mit Bezug zu seiner eigenen Person dargelegten Glaubensüberzeugungen keineswegs den Anschein bloß lexikalischen Wissens erwecken, sondern den Eindruck vermitteln, dass er von diesen Ansichten auch selbst überzeugt ist.
Vor diesem Hintergrund hat auch das Argument der belangten Behörde, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer "plötzlich im Alter von 51 Jahren" Mitglied der Zeugen Jehovas werde, wenig Begründungswert.
Gleiches gilt im Übrigen für die Aussagen zur Stellung des Islam in der österreichischen Rechtsordnung.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann weiters - mit Blick auf die Aussage des Beschwerdeführers, wonach ihn fasziniere, dass alles was sie in den Heiligen Schriften lesen würden, auch umgesetzt werde und man nicht etwas Anderes tue als man lese, sondern alles sehr ehrlich sei - nicht gesagt werden, dass er eigentlich keinen Grund angeführt habe, was ihm am Christentum (bzw. dem Glauben der Zeugen Jehovas) so fasziniert habe, sondern bloß weshalb er sich vom Islam abgewendet habe.
2.1.4. Dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich nicht in Erscheinung getreten ist, war der zu seiner Person eingeholten aktuellen Strafregisterauskunft zu entnehmen.
2.2. Die Feststellungen zur Lage im Iran gründen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran vom 14.06.2019 (LIB). Da diese Herkunftsländerinformation auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt A):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylauschlussgrund gesetzt wurde.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 und 12 leg. cit. ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach Art. 9 Statusrichtlinie (RL 2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd GFK aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.
Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:
Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden, unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 2 Statusrichtlinie fallen und Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
Der Begriff der Religion umfasst nach Art. 10 Statusrichtlinie insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst hat (vgl. E 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117; 24.10.2001, 99/20/0550; 17.09.2008, 2008/23/0675, je mwN) kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von - allfälligen - Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).
Wie festgestellt, ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer, der aktives Mitglied der Zeugen Jehovas ist, sich ernsthaft deren Glauben zugewandt hat und somit "innerlich" konvertiert ist. Es muss daher angenommen werden, dass er den inneren Entschluss gefasst hat, nach diesem Glauben zu leben.
Vor dem Hintergrund der zuvor getroffenen Feststellungen zu den Konsequenzen einer Konversion im Iran muss der Beschwerdeführer - in Hinblick darauf, dass sich Zeugen Jehovas selbst als Christen verstehen und kein Grund ersichtlich ist, weshalb sie von den iranischen Behörden und der Bevölkerung des Iran nicht auch als solche wahrgenommen werden - bei weiterer Ausführung dieses inneren Entschlusses auch nach einer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass er aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt würde. Denn bei Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder letztlich im Falle des Versuches, andere vom eigenen Glauben um zu überzeugen, würde sich der Beschwerdeführer als sog. "geborener Moslem" einer beachtlichen Gefahr staatlicher Repressionsmaßnahmen aussetzen. Der Beschwerdeführer würde daher bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Gefahr laufen, auf Grund seines religiösen Bekenntnisses in asylrelevanter Weise verfolgt zu werden.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative kommt aufgrund des Umstands, dass die Verfolgungssituation von konvertierten "geborenen Moslems" im gesamten Staatsgebiet des Iran besteht, nicht in Betracht.
Da der Beschwerdeführer daher den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK erfüllt und kein Ausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 hervorgekommen ist, war der Beschwerde Folge zu geben, dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festzustellen, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Auf die Problematik einer Gefährdung des Beschwerdeführers im Iran aufgrund seiner früheren Aktivitäten für die Partei Khalq-e Arab musste vor diesem Hintergrund nicht eingegangen werden.
3.3. Zu Spruchpunkt B):
3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung (vgl. die oben unter Punkt 3.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes); schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
3.3.2. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Apostasie Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Konversion Nachfluchtgründe Religionsfreiheit religiöse Gründe Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W176.2186599.1.00Im RIS seit
09.10.2020Zuletzt aktualisiert am
09.10.2020