TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/20 W132 2168103-1

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Veröffentlicht am 20.04.2020
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Entscheidungsdatum

20.04.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs6
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W132 2168103-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1. In der Ersteinvernahme am 10.12.2015 gab der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Dolmetsch persönlich einvernommen über die Gründe für die Antragsstellung im Wesentlichen an, im Jahr 2006 von Kabul aus mit seiner Gattin nach Russland gereist zu sein. Diesen Entschluss habe er aus Angst vor dem damals in Afghanistan herrschenden Krieg und aus Angst vor den Taliban gefasst. Seine Frau sei im Oktober 2015 mit den gemeinsamen zwei Töchtern nach Österreich gereist, und sei ihnen der Status von Asylberechtigten zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer habe bei der österreichischen Botschaft die Familienzusammenführung beantragt. Da er keine Antwort erhalten habe, habe er beschlossen, selbständig zu seiner Frau und seinen Kindern zu kommen, er wolle mit seiner Familie zusammenleben. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er Bombenanschläge und Unruhen, er habe Angst um sein Leben.

1.2. Die Gattin des Beschwerdeführers hat am 08.06.2015 von der belangten Behörde als Zeugin einvernommen angegeben, dass sie wünscht, dass ihr Gatte nach Österreich kommt. Dem Vorhalt der belangten Behörde, dass die Ehescheidungsklage lt. Auskunft des Bezirksgerichtes Leopoldstadt seit 09.01.2014 ruht, ist die Zeugin nicht entgegengetreten.

1.3. Von der belangten Behörde am 07.07.2017 einvernommen, gab der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Dolmetsch über die Gründe für die Antragsstellung im Wesentlichen an, sich im Jahr 2014 mit seiner Gattin versöhnt zu haben, und mit seiner Familie zusammenleben zu wollen. In Afghanistan habe er ein gutes Leben gehabt, allerdings sei ihm unterstellt worden Kommunist zu sein, weshalb er bedroht worden sei.

1.4. Die belangte Behörde hat die Gattin des Beschwerdeführers am 07.07.2017 abermals als Zeugin einvernommen. Zur Ehe mit dem Beschwerdeführer hat sie angegeben, dass sie in Russland große Probleme gehabt hätten, weshalb sie nach Österreich gereist sei. Nunmehr hätte sich das Paar jedoch versöhnt.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über den Antrag des Beschwerdeführers wie folgt abgesprochen:

"I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 09.11.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

IV. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

3. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben.

4. Am 25.05.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetsch für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine rechtsfreundliche Vertretung teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete im Rahmen der Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an der Verhandlung.

Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zur aktuellen Situation in Afghanistan zur Kenntnis gebracht.

Eingangs wurden der bisherige Verfahrensgang und der Akteninhalt erläutert und zur Akteneinsicht angeboten.

Im Rahmen der Befragung hat der Beschwerdeführer zunächst die bisherigen Angaben zu seiner Person bestätigt und bekräftigt, in den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben. In der Folge wurden die Fluchtgründe (unterstellte Mitgliedschaft bei der kommunistischen Partei) sowie die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Afghanistan und in Österreich eingehend erörtert.

Die Gattin des Beschwerdeführers wurde als Zeugin einvernommen und hat ihren Wunsch bekräftigt, mit dem Beschwerdeführer zusammenleben zu wollen.

5. Mit Schreiben vom 27.07.2018 hat die Gattin des Beschwerdeführers im Wege ihrer bevollmächtigten Vertretung ein ergänzendes Vorbringen erstattet. Sie distanziere sich vom Inhalt ihrer Zeugenaussage, nach der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht habe sie erfahren, dass sie von ihrem Gatten weiterhin belogen und betrogen werde.

5.1. Dem Beschwerdeführer wurde dieses Schreiben zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.

5.2. Mit Schreiben vom 20.08.2018 hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass er entgegen den Angaben seiner Gattin, nicht vorhabe in Russland zu leben, sondern in Österreich leben wolle. Er bedaure, dass seine Gattin nicht damit einverstanden sei, dass er mit seinem in Russland lebenden Sohn, welcher aus einer anderen Beziehung stamme, Kontakt halte.

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit dem Erkenntnis vom 20.11.2018, GZ W132 2168103-1/17E, der gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX erhobenen Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 iVm 34 Abs. 2 AsylG 2005, den Status des Asylberechtigten zuerkannt, und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

6.1. Mit dem Erkenntnis vom 15.5.2019, Zl. Ra 2019/01/0012, hat der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom vom 20.11.2018, GZ W132 2168103-1/17E, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde bereits wegen der unterlassenen Auseinandersetzung mit der dem abweisenden Bescheid des BFA zugrundeliegenden Feststellung, es handle sich bei der Ehe des Beschwerdeführer und seiner Ehegattin um eine Zwangsehe, aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Hinweis auf die übereinstimmende Rechtsprechung der Höchstgerichte dazu ausgeführt, dass das Verbot des Ehezwangs bzw. die Freiheit der Eheschließung zu den von § 6 IPRG geschützten Grundwerten zählen, weshalb eine Zwangsehe nicht die Eigenschaft des Ehegatten nach § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, und somit auch keine Familienangehörigkeit nach § 34 AsylG 2005 begründen kann.

Daher erfolgte keine Auseinandersetzung mit den weiteren Revisionsgründen, nämlich, dass Zweifel am tatsächlichen Familienleben im Hinblick auf § 34 Abs. 6 Z 3 AsylG 2005 bestünden, und fraglich sei, ob der Beschwerdeführer durch die Zwangsehe bzw. die Misshandlung seiner Gattin, ein schweres, nichtpolitisches Verbrechen iSd § 6 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt F lit. b GFK, begangen habe.

7. Im fortgesetzten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Dari eingehend zu den Revisionsgründen der belangten Behörde befragt.

Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung teil.

Die Gattin des Beschwerdeführers wurde als Zeugin einvernommen. Der Beschwerdeführer war während der Zeugeneinvernahme nicht im Verhandlungssaal anwesend.

Der Beschwerdeführer hat die Heiratsurkunde zur Eheschließung am 03.07.2005, das Studienabschlussdiplom der XXXX " von 1997, die Anmeldebestätigung zum Deutschkurs B1 mit ÖIF-Integrationsprüfung, ein Deutschzertifikat A2, und eine Teilnahmebestätigung zum Werte- und Orientierungskurs des ÖIF gemäß § 5 Integrationsgesetz, vorgelegt.

Die Verhandlungsschrift wurde den anwesenden Verfahrensparteien sowie der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers persönlich ausgefolgt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist am XXXX geboren und Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Tadschicken an, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft des Islam und stammt aus Provinz XXXX , seine Muttersprache ist Dari.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person im Asylverfahren.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich im Entscheidungszeitpunkt strafrechtlich unbescholten.

Der Gattin des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit seiner Gattin hat bereits vor deren Einreise nach Österreich bestanden.

Der Beschwerdeführer ist der Cousin väterlicherseits des Vaters seiner Gattin. Dass Paar kannte einander nur von Fotos. Die Mutter des Beschwerdeführers hat, ohne dass das Paar einander persönlich kannte, um die Hand der künftigen Gattin angehalten. Nach einer zweijährigen Verlobungsphase, die Braut war damals mittlerweile volljährig, hat das Paar geheiratet. Die Ehe wurde nicht gegen den Willen der Braut geschlossen.

Probleme in der Ehe sind erst entstanden, als der Beschwerdeführer eine außereheliche Beziehung eingegangen war, und aus dieser Beziehung ein Sohn geboren wurde. Die Ehefrau des Beschwerdeführers war nicht damit einverstanden, dass der Beschwerdeführer die außereheliche Beziehung nicht abgebrochen, und Kontakt zu seinem Sohn gehalten hat.

Die Ehe ist aufrecht, das vor Jahren eingeleitete Scheidungsverfahren wird aktuell nicht weitergeführt. Der Beschwerdeführer lebt in aufrechter Ehe mit seiner in Österreich asylberechtigten Gattin, und den gemeinsamen Kindern, im selben Haushalt. Er führt mit seiner Gattin und den gemeinsamen Kindern ein tatsächliches Familienleben.

Der Beschwerdeführer hat seine Gattin in der Zeit, als die Familie in Russland wohnte, ohne Einsatz einer Waffe körperlich angegriffen, indem er sie geschlagen hat. Einmal bestand der Verdacht, dass eine Hand gebrochen sein könnte. Der Verdacht hat sich nach Anfertigung eines Röntgen nicht bestätigt. Er hat seine Gattin nicht zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Der Beschwerdeführer hat nie die Hand gegen seine Kinder erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, diese in Zweifel zu ziehen.

Die Identität konnte - mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel - nicht abschließend geklärt werden.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person im Asylverfahren.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Betreffend die Flüchtlingseigenschaft der Gattin des Beschwerdeführers, wurde Einsicht in den entsprechenden Akt der belangten Behörde genommen.

Die Eheschließung wurde durch eine Heiratsurkunde nachgewiesen.

Der Beschwerdeführer und seine Gattin haben im Rahmen der Beschwerdeverhandlung im fortgesetzten Verfahren glaubwürdig und übereinstimmend angegeben, dass die Ehe nicht gegen den Willen der Braut geschlossen wurde.

Die Feststellungen zum Bestehen des tatsächlichen Familienlebens beruhen auf den überzeugenden und übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Gattin im Rahmen der Beschwerdeverhandlung im fortgesetzten Verfahren.

Auf den Vorhalt, dass seine Gattin am 30.07.2018 ein Schreiben mit dem Inhalt vorgelegt hat, dass sie nicht mehr mit dem Beschwerdeführer leben wolle, und ihm vorwerfe, dass er nach Russland, zu seinem außerehelichen Sohn und dessen Mutter reisen wolle, hat der Beschwerdeführer nachvollziehbar ausgeführt, dass derzeit ein aufrechtes Familienleben bestünde, und die Familie im gemeinsamen Haushalt lebe.

Der gemeinsame Haushalt wird dadurch untermauert, dass der Beschwerdeführer und seine Gattin, lt. aktuellem Auszug aus dem zentralen Melderegister, an der selben Wohnadresse hauptgemeldet sind.

Es ist dem Beschwerdeführer gelungen, überzeugend darzulegen, dass er ein tatsächliches Familienleben führt. Er teilt sich mit seiner Gattin den Haushalt und die Betreuung der Kinder. Er hat dafür auch anschauliche Beispiele nennen können.

Die Gattin des Beschwerdeführers hat seine Angaben bestätigt. Es sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die Feststellungen zum Familienleben in Zweifel zu ziehen.

Auf die übereinstimmenden Ausführungen des Beschwerdeführers und seiner Gattin im Rahmen der Beschwerdeverhandlung im fortgesetzten Verfahren, gründen sich die Feststellungen zu den körperlichen Angriffen des Beschwerdeführers gegen seine Gattin, als die Familie in Russland lebte, sowie dass der Beschwerdeführer seine Gattin nicht zum Geschlechtsverkehr gezwungen und nie die Hand gegen seine Kinder erhoben hat.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

3.1. Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

Gemäß § 34 Abs. 1 AsylG gilt der Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 2 AsylG auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 34 Abs. 6 AsylG sind die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist im Sinne dieses Bundesgesetzes Familienangehöriger u.a. wer Ehegatte eines Fremden ist, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat.

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

Gemäß Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention sind die Bestimmungen dieses Abkommens auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, daß sie

b. bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben;

Da der Gattin des Beschwerdeführers die Flüchtlingseigenschaft zukommt, und die Ehe bereits vor der Einreise bestanden hat, war dieser Status gemäß § 34 AsylG auch dem Beschwerdeführer zuzuerkennen.

Die Ehe des Beschwerdeführers wurde nicht gegen den Willen seiner Gattin geschlossen, es liegt daher keine Zwangsehe und somit kein Verstoß gegen die "ordre public", sondern eine Ehe und somit Familienangehörigenschaft des Beschwerdeführers im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG, vor.

Eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption im Sinne des § 30 NAG liegt nicht vor, weil der Beschwerdeführer mit seiner in Österreich asylberechtigten Gattin, und den gemeinsamen Kindern, im selben Haushalt lebt, und mit diesen ein tatsächliches Familienleben führt.

Der Verdacht, dass der Beschwerdeführer vor der Einreise nach Österreich ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben könnte, hat sich nicht erhärtet. Die Ehe mit seiner in Österreich asylberechtigten Gattin wurde nicht unter Zwang geschlossen, er hat sie auch nicht zum Geschlechtsverkehr gezwungen.

Der Unrechtsgehalt der körperlichen Angriffe des Beschwerdeführers gegen seine Gattin in der Zeit des gemeinsamen Aufenthaltes in Russland, also vor der Einreise des Beschwerdeführers in Österreich, wird keineswegs verkannt. Es konnte jedoch nicht objektiviert werden, dass die Gattin des Beschwerdeführers dabei eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 StGB erlitten hat.

Es ist auch sonst kein Endigungs- oder Ausschlussgründe hervorgekommen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben.

Die Frage der Asylrelevanz im Sinne des § 3 AsylG sowie die im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen. Bei derartigen Gefahrenprognosen und bei Interessenabwägungen nach Art. 8 EMRK handelt es sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (vgl. VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404; VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; VwGH 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).

Schlagworte

Asylgewährung Asylverfahren Ersatzentscheidung Familienangehöriger Familienverfahren Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft mündliche Verhandlung Zwangsehe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W132.2168103.1.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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