TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/30 W154 2227168-5

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Veröffentlicht am 30.04.2020
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Entscheidungsdatum

30.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W154 2227168-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1246041407 - 190938625, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX StA. Pakistan, in Schubhaft zu Recht:

I)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal nach Österreich ein und versuchte am 15.09.2019 nach Italien ausreisen, ohne im Besitz von Dokumenten zu sein. Eine ED Behandlung brachte weder einen VIS Treffer noch einen EURODAC Treffer zum Vorschein.

Der Beschwerdeführer wurde in der Folge festgenommen, es wurde ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs 3 Z vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erlassen.

2. Er wurde am 15.09.2019 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Er gab bei dieser Einvernahme im Wesentlichen an, dass er nach Italien reisen wolle, um dort zu leben und keinerlei Anbindungen im Bundesgebiet habe, nicht einmal wisse, wie er nach Österreich gekommen sei. In der Folge wurde über den Beschwerdeführer am 15.09.2019 die Schubhaft nach § 76 Abs 2 Z 2 FPG angeordnet.

Der Beschwerdeführer wurde vom BFA am 16.09.2019 einvernommen, und mit Bescheid vom 19.09.2019 eine Rückkehrentscheidung nach Pakistan erlassen, die Abschiebung für zulässig erklärt, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt und ein 18monatiges Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs mit 30.10.2019 in Rechtskraft.

3. Am 13.11.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Asylantrag, seitens des BFA wurde ein Aktenvermerk nach § 76 Abs 6 FPG erstellt und dem Fremden zugestellt. Mit Bescheid des Bundesamts wurde der Asylantrag negativ entschieden und die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung des BFA unter L506 2226593-1/3E 19.12.2019.

Der BF trat in Hungerstreik und es wurde der Heilbehandlung zugestimmt.

4. Durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 11.02.2020 eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft unter der GZ: W112 2227168-2/7Z.

5. Am 09.03.2020 langte der Verfahrensakt zur erneuten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das HRZ-Verfahren noch im Laufen sei und verwies auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers. Die Gründe für die Verhängung der Schubhaft lägen daher aus Sicht der Behörde auch weiterhin vor und sei diese im Hinblick auf den gesteigerten Sicherungsbedarf angesichts des fortgeschrittenen Verfahrensstandes auch weiterhin erforderlich und verhältnismäßig. Die Effektuierung der Außerlandesbringung innerhalb der gesetzlich zulässigen Höchstdauer der Schubhaft sei nach wie vor als absolut wahrscheinlich anzusehen. Die letzte Urgenz betreffend die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei am 17.02.2020 erfolgt.

Am 09.03.2020 übermittelte das PAZ, über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts die medizinischen Unterlagen des Beschwerdeführers. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 10.03.2020, W278 2227168-3/4E, erneut erkannt, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft (weiterhin) verhältnismäßig ist.

6. Am 01.04.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Im Vorlageschreiben wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das HRZ-Verfahren mit Pakistan weiterhin am Laufen sei und von einer Abschiebung im Rahmen des gesetzlich zulässigen Anhaltezeitraumes ausgegangen werden könne. Die gegenwärtige Aussetzung des Flugbetriebs im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sei überdies nur vorrübergehend. Beigeschlossen war eine schriftliche Urgenz an die pakistanische Botschaft vom 31.03.2020 bezüglich der Ausstellung eines Heimreisezertifikats.

Mit Erkenntnis vom 07.04.2020, W137 2227168-4/3E, erkannte das Bundesverwaltungsgericht erneut, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft (weiterhin) verhältnismäßig ist.

7. Am 27.04.2020 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Verwaltungsakt erneut gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vor. In der erstatteten Stellungnahme führte das Bundesamt nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen aus, dass die Gründe für die Anordnung der Schubhaft weiterhin vorlägen und die Schubhaft in Hinblick auf den gesteigerten Sicherungsbedarf angesichts des fortgeschrittenen Verfahrensstandes auch weiterhin erforderlich und verhältnismäßig sei. Die Effektuierung der Außerlandesbringung innerhalb der gesetzlich zulässigen Höchstdauer der Schubhaft sei nach wie vor als absolut wahrscheinlich anzusehen. Auch wenn durch die COVID 19 Krise derzeit keine Abschiebung nach Pakistan möglich seien – da es derzeit keine Flüge dorthin gäbe – so sei dennoch mit einer Abschiebung jedenfalls innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer zu rechnen.

Die Aussetzung der Flüge sei derzeit bis ca. Ende April angesetzt, die AUA habe die Flüge bis zum 17.05.2020 ausgesetzt. Jedoch die Ankündigungen der Regierung, dass die derzeit auf Grund COVID 19 geltenden Beschränkungen gelockert würden, ließen darauf schließen, dass der Flugbetrieb in absehbarer Zeit wiederaufgenommen werden würde. Sobald es wieder Flüge nach Pakistan gäbe, werde umgehend eine Abschiebung nach Pakistan organisiert werden.

Auf die schriftliche Urgenz an die pakistanische Botschaft vom 31.03.2020 bezüglich der Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde erneut hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer ist volljährig, Staatsangehöriger von Pakistan und nicht österreichischer Staatsbürger. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer verfügt über kein Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Er hielt sich seit 2013 in EUROPA auf. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt nach Österreich ein. Er trat nicht von sich aus mit den Behörden in Kontakt, sondern wurde am 15.09.2019 im Nachtzug bei einem Ausreisversuch nach Italien polizeilich betreten und festgenommen.

1.2. Mit Bescheid vom 19.09.2019, zugestellt am 01.10.2019 erließ das Bundesamt nach der niederschriftlichen Einvernahme am 16.09.2019 gegen ihn eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und räumte ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise ein; erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig ist. Der Bescheid erwuchs mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

1.3. Der Beschwerdeführer stellte erst mit Eintritt der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz zur Verhinderung der Abschiebung. Diesen wies das Bundesamt nach der Erstbefragung am 13.11.2019 und Einvernahmen am 18.11.2019 und 27.11.2019 mit Bescheid vom 03.12.2019, zugestellt am selben Tag, sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Mit Schriftsatz vom 11.12.2019 erhob er Beschwerde gegen diesen Bescheid, mit Erkenntnis vom 19.12.2019, ihm zugestellt zu Handen seines Vertreters am selben Tag, wies das Bundesverwaltungsgericht seine Beschwerde als unbegründet ab. Beschwerde oder Revision wurde nicht erhoben.

1.4. Der Beschwerdeführer tat nichts, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen oder seine Identifizierung zu bewirken und lehnte bei der Rückkehrberatung die freiwillige Ausreise ab. Es steht auf Grund seines Vorverhaltens fest, dass er sich im Falle der Haftentlassung auf freiem Fuß der Abschiebung durch Weiterreise in einen anderen Mitgliedsstaat oder untertauchen im Bundesgebiet entziehen würde.

1.5. Er trat am 21.12.2019 in den Hungerstreik, um sich aus der Schubhaft freizupressen. Diesen brach er am 24.12.2019 nach Genehmigung der Heilbehandlung freiwillig ab.

1.6. Das BFA suchte am 08.01.2020 um ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer an. Das Bundesamt urgierte zuletzt am 31.03.2020 die HRZ Ausstellung bei den Pakistanischen Vertretungsbehörden. Mit der Ausstellung des HRZ und der Durchführung der Abschiebung ist mit maßgeblicher Sicherheit in wenigen Monaten, jedenfalls aber innerhalb der Schubhafthöchstdauer zu rechnen.

1.7. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 15.09.2019 in Schubhaft. Er leidet an einer reaktiven Depression. Im Übrigen ist er gesund. Er ist haftfähig.

1.8. Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine substanziellen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und ist annähernd mittellos.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Die Feststellungen zu 1.1 ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten, insbesondere den Verhandlungsniederschriften zu GZ: 2227168 vom 11.02.2020 und vom 15.01.2020.

Die Feststellungen zu den Vorverfahren ergeben sich aus den im Akt einliegenden Bescheiden des Bundesamts sowie der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur GZ.: L506 2226593-1.

2.2 Die Feststellungen zu 1.4 ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten, insbesondere den Verhandlungsniederschriften zu GZ: 2227168 vom 11.02.2020 und vom 15.01.2020.

Die Feststellung zum Hungerstreik des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Anhaltedatei.

2.3. Die Feststellungen zum HRZ Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten, insbesondere den Verhandlungsniederschriften zu GZ: 2227168 vom 11.02.2020 und vom 15.01.2020 sowie aus der Beschwerdevorlage des Bundesamts vom 01.04.2020. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Abschiebungen finden regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese benötigen üblicherweise einige Monate. Die bereits vergleichsweise lange Dauer des einschlägigen Verfahrens ergibt sich aus der mangelhaften Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren. Derzeit ist zudem mit Verzögerungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie zu rechnen.

2.4. Die Anhaltedauer des Beschwerdeführers in Schubhaft ergibt sich aus der Anhaltedatei. Die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand und seiner Haftfähigkeit ergibt sich aus den Vorverfahren sowie der Stellungnahme des PAZ vom 27.04.2020 sowie den einschlägigen Einträgen in der Anhaltedatei.

2.5. Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich daraus, dass der BF bewusst nicht an seiner Identifizierung mitwirkt und die freiwillige Rückkehr ablehnt, sowie dem Umstand, dass er seine Freilassung aus der Schubhaft durch einen Hungerstreik zu erpressen versucht hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 15.09.2019 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. f EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung) lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass sich die laufende Anhaltung in Schubhaft nunmehr erneut auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG bezieht, weil das zwischenzeitliche Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig abgeschlossen worden ist und § 76 Abs. 6 FPG aus diesem Grund nicht mehr zur Anwendung kommt.

Es liegt Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG vor, weil der Beschwerdeführer die Abschiebung durch Nichtvorlage von Dokumenten behindert; hinzukommt, dass sich der Beschwerdeführer seit mehreren Jahren unangemeldet im Gebiet der Mitgliedsstaaten aufhält und er in der Schubhaft in den Hungerstreik trat.

Es liegt auch Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG vor, weil im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen ihn bestand und er sich zu jenem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand.

Schließlich ergibt sich die Fluchtgefahr auch aus § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, weil der Beschwerdeführer in Österreich weder über Familie noch Wohnung oder Arbeit verfügt und insoweit allenfalls einen äußerst geringen Grad der sozialen Verankerung im Bundesgebiet vorweisen kann.

Mit der Anwendung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden.

Die Anhaltung in Schubhaft ist auch verhältnismäßig: Der Beschwerdeführer ist abgesehen von der reaktiven Depression, die in Schubhaft behandelt wird, gesund. Mit der Ausstellung des Heimreisezertifikates ist innerhalb eines Zeitraums von voraussichtlich wenigen Monaten, jedenfalls aber innerhalb der Schubhafthöchstdauer zu rechnen. Die Dauer des Verfahrens resultiert aus dem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der (letztlich unbegründeten/erfolglosen) Asylantragstellung nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und der Notwendigkeit der Identifizierung des Beschwerdeführers zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, da er keine Dokumente in Vorlage bringt. Alle Verfahren wurden und werden vom Bundesamt effizient geführt. Daher ist auch die bisher über siebenmonatige Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verhältnismäßig.

Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Das eingeleitete HRZ-Verfahren ist aktuell noch im Laufen – wobei das Bundesamt regelmäßig, zuletzt am 31.03.2020, urgiert - und bewegt sich, unter Berücksichtigung der bewussten Nichtmitwirkung des Beschwerdeführers am Verfahren, im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates (diesbezüglich ist auch auf die im Gerichtsakt einliegende Stellungnahme der zur Erlangung eines Heimreisezertifikates zuständige Stelle des BFA vom 10.02.2020 zu verweisen, aus der hervorgeht, dass eine Überprüfung durch die pakistanischen Behörden in Islamabad in der Regel etwa 3-4 Monate in Anspruch nimmt).

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Zu Spruchpunkt II. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2227168.5.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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