TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/30 W131 2192110-1

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Veröffentlicht am 30.04.2020
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Entscheidungsdatum

30.04.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W131 2192110-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, gesetzlich vertreten durch die XXXX , dieses vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2018, Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der minderjährige Beschwerdeführer (= Bf) reiste im Jahr 2016 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 25.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand die Erstbefragung des Bf vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, am 29.01.2018 wurde der Bf niederschriftlich vor der belangten Behörde zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Der Bf gab im verwaltungsbehördlichen Verfahren stets an, dass sein Vater und sein älterer Bruder aufgrund deren Zusammenarbeit mit den Amerikanern von den Taliban entführt worden seien und der Bf sowie sein jüngerer Bruder (- hg Beschwerdeverfahren W131 2192108-1) daher von ihrer Mutter nach Europa geschickt worden sei.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 06.03.2018, welcher dem Bf nachweislich am 12.03.2018 durch Übernahme seines gesetzlichen Vertreters zugestellt wurde, wies die belangte Behörde den Antrag des Bf auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine entsprechende befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte II. und III.). Gleichzeitig stellte die belangte Behörde dem Bf eine Rechtsberatungsorganisation für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (= BVwG) zur Seite.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die - vom gesetzlichen Vertreter des Bf, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter - rechtzeitig erhobene Beschwerde. Die Beschwerde wurde gemeinsam für den Bf und seinen jüngeren Bruder erhoben, dessen Antrag auf internationalen Schutz ebenfalls hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wurde. Mit der Beschwerde wird der gegenständlich angefochtene Bescheid ausdrücklich nur hinsichtlich des Spruchpunktes I. (Nichtzuerkennung des Asylstatus) bekämpft, dies wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerde führt aus, dass der Bf im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung durch die Taliban aufgrund der Arbeit seines Vaters und seines Bruders für die Amerikaner, somit aufgrund einer ihm (unterstellten) politischen und religiösen Gesinnung und der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, fürchte. Zwar habe der Bf nicht direkt für internationale Streitkräfte gearbeitet, er erfülle aber das von UNHCR definierte Risikoprofil als Familienangehöriger von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen.

4. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt den dazugehörigen Verwaltungsakten dem BVwG zur Entscheidung vor.

5. Am 14.10.2019 fand vor dem BVwG unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der der Bf (dieser im Verhandlungsprotokoll BF 1), sein jüngerer Bruder und der ausgewiesene Rechtsvertreter teilnahmen. Vertreter der belangten Behörde sind nicht erschienen.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden Länderberichte zu Afghanistan (konkret: das Länderinformationsblatt vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen bis 26.03.2019, die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, der ACCORD-Bericht zur Sicherheits- und Versorgungslage im Zeitraum 2010-2018, der ACCORD-Bericht aus Jänner 2019 zur allgemeinen Sicherheitslage, sowie der EASO-Bericht aus Mai 2018 zur Sicherheitslage in Afghanistan und die EASO-Country-Guidance-Notes) übermittelt.

Der Bf erstattete iZm einem Parteiengehör zu dem nach der Verhandlung erschienenen LIB zu Afghanistan vom 13.11.2019 keine Stellungnahme, die weitere Ermittlungsschritte notwendig gemacht hätte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Über den Verfahrensgang hinaus wird Folgendes festgestellt:

1.1. Zum Bf individuell

Der Bf ist minderjähriger Staatsangehöriger Afghanistans, stammt aus der Provinz Paktika, ist Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zum Islam sunnitischer Ausrichtung. Er ist ledig und kinderlos.

Der Bf reiste im Jahr 2016 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 25.04.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.03.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen, dem Bf jedoch rechtskräftig der Status des Subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

1.2. Zur individuellen Verfolgungs- und Bedrohungslage des Bf

Der Bf war in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner gegen ihn gerichteten Bedrohung oder Verfolgung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private, aufgrund seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen) ausgesetzt und hat eine solche im Falle seiner Rückkehr auch nicht zu erwarten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Bf beruhen auf seinen eigenen, insoweit unbedenklichen Angaben. Das BVwG hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen zu zweifeln.

2.2. Die Feststellung, dass der Bf in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner gegen ihn gerichteten Bedrohung oder Verfolgung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private, aufgrund seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen) ausgesetzt war und eine solche im Falle seiner Rückkehr auch nicht zu erwarten hat, resultiert aus den Angaben des Bf. Hierzu ist Folgendes auszuführen:

Der Bf stützte sein Fluchtvorbringen (ebenso wie sein jüngerer, miteingereister Bruder) im gesamten Verfahren stets darauf, dass sein Vater und sein älterer Bruder in ihrer Heimatprovinz Paktika für "die Amerikaner" gearbeitet hätten. Der Vater habe deshalb einen Drohbrief von den Taliban erhalten, worin der Vater und der ältere Bruder des Bf aufgefordert worden seien, ihre Arbeit für die Amerikaner niederzulegen. Der Vater und der ältere Bruder hätten dies aber nicht getan und seien deshalb vor (damals) ca eineinhalb Jahren von den Taliban mitgenommen worden. Der ältere Bruder des Bf sei von den Taliban getötet worden, ob der Vater noch lebe, wisse der Bf nicht. Danach hätten der Bf und seine übrigen Familienangehörigen die Heimatprovinz Paktika verlassen und seien nach Kabul gezogen. Ihre Mutter habe Angst gehabt, dass die Taliban auch den Bf und seinen jüngeren Bruder mitnehmen würden und habe beschlossen, dass der Bf und sein Bruder Afghanistan verlassen müssten.

Dieses Vorbringen ist jedoch - mag es auch im Wesentlichen widerspruchsfrei und in Übereinstimmung mit den Aussagen seines jüngeren, mitgereisten Bruders, erstattet worden sein - nicht geeignet, eine konkrete und individuell gegen die Person des Bf gerichtete Verfolgung in seinem Herkunftsstaat plausibel zu machen. Der Bf war nicht in der Lage, mit seinem Vorbringen glaubhaft und nachvollziehbar darzulegen, warum er in Afghanistan (weiterhin) einer Gefährdung durch die Taliban aufgrund der (behaupteten) ehemaligen Tätigkeiten seines Vaters und seines älteren Bruders für die Amerikaner ausgesetzt sein sollte:

Der Bf war weder selbst für die Regierung bzw die Amerikaner tätig noch handelt es sich bei ihm um eine politisch exponierte Person. Der Bf hat daher - da er selbst nie für die Regierung oder für die Amerikaner tätig war - weder die prinzipiellen Zwecke der Taliban vereitelt noch gegen ihre Interessen verstoßen.

Ferner ist bereits deshalb nicht davon auszugehen, dass eine Gefährdung für den Bf aufgrund der ins Treffen geführten Tätigkeiten seines Vaters und Bruders besteht, da der Grund für eine mögliche Verfolgung, nämlich die Tätigkeit des Vaters und des Bruders des Bf für die Amerikaner, bereits weggefallen ist. Selbst im Falle einer Wahrunterstellung seines Fluchtvorbringens ist dem Bf somit entgegenzuhalten, dass die Taliban aufgrund der behaupteten Entführung seines Vaters und Bruders sowie aufgrund der vorgebrachten Ermordung des Bruders ihr Ziel (nämlich die Niederlegung der Arbeit des Vaters und des Bruders des Bf für die Amerikaner bzw einer allfälligen Vergeltung der Tätigkeiten für die Amerikaner) erreicht haben. Folglich ist nicht ersichtlich, weshalb der Bf - der zu keiner Zeit behauptet hat, selbst für die Amerikaner gearbeitet zu habe - in den Fokus der Taliban geraten sollte.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Bf in Afghanistan selbst nie persönlichen Bedrohungen bzw Verfolgungssituationen ausgesetzt war. Der Bf gab vor der belangten Behörde diesbezüglich an, nie Kontakt zu den Taliban gehabt zu haben. Auch erklärte der Bf, dass es nach dem Verschwinden des Vaters keine weiteren Drohbriefe gegeben habe. Ob seine Mutter persönlich von den Taliban kontaktiert worden sei, wisse der Bf nicht. Ebenso gab sein jüngerer, mitgereister Bruder zu Protokoll, nicht zu wissen, ob seine Mutter jemals persönlich bedroht worden sei. Festzuhalten ist weiter, dass die Veranlassung zur Ausreise des Bf und seines jüngeren Bruders gemäß dem Vorbringen des Bf lediglich auf den abstrakten Befürchtungen der Mutter beruhe, dass ihre jüngeren Söhne ebenfalls Opfer der Taliban werden könnten.

Letztlich ist - ebenfalls unter der Annahme einer Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens - nach mittlerweile fast dreieinhalb Jahren im Falle einer (aufgrund des subsidiären Schutzstatus des Bf bloß fiktiven) Rückkehr des Bf nach Afghanistan nicht davon auszugehen, dass seitens der Taliban weiterhin ein besonderes Interesse an der Person des Bf bestehen würde, zumal eine Wiedererkennung des Bf durch die Taliban in Afghanistan als nahezu unwahrscheinlich erscheint. Der Bf hat Afghanistan (unter Zugrundelegung des von ihm selbst angegebenen Geburtsdatums) bereits im Alter von dreizehn Jahren und somit beinahe noch als Kind verlassen. Dass der Bf im Falle einer (fiktiven) Rückkehr nach Afghanistan als mittlerweile junger Mann nach mehrjähriger Abwesenheit als jener Sohn bzw Bruder erkannt werden würde, dessen Vater bzw älterer Bruder einst für die Amerikaner gearbeitet haben, erscheint nicht plausibel. Hinzu kommt, dass der Bf in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde selbst angab, von den Taliban nie persönlich bedroht worden zu sein und Afghanistan auch über kein (mit Österreich vergleichbares) Meldewesen verfügt, was es zusätzlich schwieriger macht, eine Person (deren äußeres Erscheinungsbild unbekannt ist) nach mehreren Jahren ausfindig zu machen.

Vor diesem Hintergrund ist somit festzuhalten, dass der Bf unter Zugrundelegung seines Fluchtvorbringens selbst im Falle einer Wahrunterstellung eine Verfolgung durch die Taliban nicht mit der dafür erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu gewärtigen hat. In diesem Zusammenhang ist nochmals in Erinnerung zu rufen, dass eine Verfolgungsgefahr nur dann anzunehmen ist, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/011; 28.05.2009, 2008/19/1031).

Auch andere Anhaltspunkte für eine aktuelle und individuelle Verfolgung des Bf in seinem Herkunftsstaat aus einem der in der GFK genannten Fluchtgründe sind im Verfahren ebenfalls nicht hervorgekommen. So negierte der Bf vor der belangten Behörde ausdrücklich, in Afghanistan jemals Probleme aufgrund seiner Religion oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw mit den afghanischen Behörden gehabt zu haben und gab an, nie politisch aktiv gewesen zu sein.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zum Anfechtungsumfang und zur Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 06.03.2018, mit dem der Antrag des Bf auf internationalen Schutz "hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" abgewiesen wurde. Mit demselben Bescheid wurde dem Bf rechtskräftig der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides).

Bei den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides handelt es sich um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche. Demgemäß können diese Aussprüche unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen (vgl VwGH 06.07.2016, Ra 2014/01/0217; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121, mwN).

Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides sind somit bereits in Rechtskraft erwachsen und damit nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig, sie ist aber nicht begründet:

3.2. Zu Spruchpunkt A) - Abweisung der Beschwerde

3.2.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Flüchtling im Sinne der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 25.3.1999, 98/20/0431 uva).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt nur dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK (taxativ) festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

3.2.2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahren und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass sich die vom Bf behauptete Furcht, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, konnte der Bf mit seinem Fluchtvorbringen nicht glaubhaft darlegen, dass ihm in seinem Herkunftsstaat eine Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Andere Anhaltspunkte, die eine mögliche, individuelle, Verfolgung des Bf im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen, sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.

3.2.3. Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan, lässt sich für den Bf die Notwendigkeit einer Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des VwGH keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl etwa VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist (dies gilt gleichermaßen für die vom Bf angedeuteten Gefahren, die sich aus der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben).

Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) war somit abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter Spruchpunkt A zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit mündliche Verhandlung politische Gesinnung unterstellte politische Gesinnung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2192110.1.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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