TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/7 W211 2219837-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W211 2219837-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

"Gemäß § 55 Ab. 1-3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 4 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde am XXXX .2018 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt, wobei er zusammengefasst angab, wegen der Scheidung von seiner Frau von den Gerichten mit einer Geld- oder Haftstrafe bedroht worden zu sein. Die Familie seiner Frau habe ihn wegen der Ehrverletzung angegriffen, wobei er von der Polizei gerettet worden sei. Es drohe ihm eine Gefängnisstrafe.

Am XXXX .2019 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erneut einvernommen und führte dabei zusammengefasst und soweit wesentlich aus, als Taxifahrer gearbeitet zu haben und den Lor anzugehören. Er sei geschieden. Es bestehe im Iran ein Haftbefehl gegen ihn. Zum Fluchtgrund befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass er und seine Frau sich am XXXX .2016 wegen der Untreue der Ehefrau scheiden ließen. Er habe sich davor dem Großvater seiner Frau anvertraut, der ihm geraten habe, im Falle einer Trennung wegzugehen, zu seiner eigenen Familie. Von der Scheidung habe man niemandem etwas erzählt. Im Rahmen der Scheidung habe seine Frau auf ihre Ansprüche verzichtet. Eine Woche später seien die Mutter, Tante und die ehemalige Frau des Beschwerdeführers zu dessen Eltern gegangen und hätten einen Tumult verursacht. Ein paar Tage später sei der Beschwerdeführer mit einem Taxi nach Haus gefahren, wobei er beim Halt wegen eines Staus durch zwei Männer bedroht worden sei. Er habe sich diesen Männern durch den Ausstieg auf der anderen Seite entzogen. Da habe er gewusst, dass man ihn bedrohe; man habe an seiner Hand vorbeigestochen, was sich im Zeitraum der Scheidung abgespielt. Seine ehemalige Frau habe dann ihre Rechte aus der Scheidung gerichtlich geltend gemacht. Eine Vorladung habe der Beschwerdeführer nicht beachtet. Einem weiteren Termin habe er Folge geleistet, wo ihm der Richter gesagt habe, seine Frau habe das Recht, ihren Verzicht zu überdenken, und er müsse ihr das Brautgeld bezahlen. Ein Einspruch sei abgewiesen worden; auch ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle sei erfolglos verlaufen. Der Richter habe ihm geraten, eine Stundung zu vereinbaren. Der Beschwerdeführer habe sich in dieser Zeit auf Kish versteckt, sei aber vom Großvater seiner ehemaligen Frau dort angerufen worden, dass man wisse, wo er sei. Der Beschwerdeführer sei dann zu seinem Bruder gegangen und habe dort fünf bis sechs Monate gelebt. Seine Mutter habe ihm dann gesagt, dass ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden sei. Ca. Ende Februar 2018 wären am Heimweg zwei Männer mit einem Motorrad bei ihm stehen geblieben und hätten ihn mit einem Messer angegriffen. Diese Männer seien aber von der Polizei vertrieben worden. Er fürchte im Falle seiner Rückkehr in den Iran von der Familie seiner ehemaligen Frau getötet zu werden und wegen einer Geldschuld ins Gefängnis gehen zu müssen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen und ihm in Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom XXXX .2019 brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde ein.

4. Mit Schreiben vom XXXX .2019 wurden der Beschwerdeführer und das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX 2020 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. Die belangte Behörde hatte sich mit Schreiben vom XXXX .2019 für die Teilnahme entschuldigt. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich befragt, und aktuelle Länderberichte ins Verfahren eingebracht.

5. Weitere Stellungnahmen langten im Verfahren nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein XXXX geborener, volljähriger iranischer Staatsangehöriger.

Der Beschwerdeführer ist in XXXX geboren und lebte später gemeinsam mit seiner Familie in XXXX . Ca. ein Jahr verbrachte der Beschwerdeführer am Anfang seiner Ehe in Teheran, dann lebte das Paar in XXXX , bis der Beschwerdeführer zurück nach XXXX zog.

Die Eltern sowie fünf Geschwister des Beschwerdeführers leben im Iran. Eine Schwester ist in der Türkei. Seine Eltern leben von der Pension des Vaters und von gelegentlichen Einkünften aus einem Ladentaxi. Drei Brüder sind berufstätig, zwei Schwestern sind Hausfrauen, und die Schwester in der Türkei verdient sich ihren eigenen Lebensunterhalt. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie im Iran in Kontakt.

Der Beschwerdeführer besuchte im Iran die Schule, maturierte und verbrachte ein Jahr an der Universität, wo er aber sein Studium nicht abschloss. Er arbeitete dann als Taxifahrer.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2. Zum Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er lebt nunmehr ca. ein Jahr und sieben Monate in Österreich.

Er verfügt in Österreich über keine familiären Bindungen.

Der Beschwerdeführer besuchte den Werte- und Orientierungskurs (Bestätigung vom XXXX .2019) und arbeitete insgesamt 6 Stunden freiwillig beim Verein XXXX mit (Bestätigung vom XXXX .2019, AS 247). Er lernt selbständig etwas Deutsch und besucht die Musikschule. Einer Dame in der Unterkunftsgemeinde half er einmal in der Woche für ca. eineinhalb Monate im Garten.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Zur maßgeblichen Situation Iran

Aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt sich Folgendes:

1.3.1.

Rechtsschutz / Justizwesen: Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T. dem Regime nahe stehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)

Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen - auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden (AA 12.1.2019). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen ("Qisas"), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes ("Diya") kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten (ÖB Teheran 12.2018).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 12.1.2019).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 12.1.2019).

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nicht registrierten Gefängnissen, aber auch aus offiziellen Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet, insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht. Foltervorwürfen von Inhaftierten gehen die Behörden grundsätzlich nicht nach (AA 12.1.2019, vgl. US DOS 13.3.2019). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen, unter ihnen auch Minderjährige, erhalten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben (AI 22.2.2018, vgl. US DOS 13.3.2019). Sie wurden wegen Diebstahls oder tätlichen Angriffen verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. außereheliche Beziehungen, Anwesenheit bei Feiern, an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen, Essen in der Öffentlichkeit während des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verhängten Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Die Behörden vollstrecken auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, unter Umständen ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 12.2018). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018).

Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase, um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidiger und jugendlichen Straftätern. Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen. Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019, vgl. HRW 17.1.2019). Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.2.2019).

Die iranische Verfassung vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene "Hohe Rat für Menschenrechte" untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten "Pariser Prinzipien" (AA 12.1.2019).

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 12.2018). Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 13.3.2019).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 12.2018).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen sind noch immer an der Tagesordnung und bleiben straflos. Es werden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdrückung zu protestieren. Es waren die größten Kundgebungen gegen die iranische Führung seit 2009 (AI 22.2.2018). Bei diesen landesweiten Protesten wurden ca. 4.900 Personen verhaftet und mindestens 21 Personen wurden bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsbehörden während der Demonstrationen getötet (FH 4.2.2019). Human Rights Watch spricht von 30 Getöteten, einschließlich Sicherheitskräften. Glaubwürdige Untersuchungen in Bezug auf die getöteten Demonstranten oder in Bezug auf die übermäßige Gewaltanwendung wurden nicht unternommen. Die Behörden wendeten sich verstärkt dem friedlichen Aktivismus zu und nahmen Anwälte und Menschenrechtsverteidiger fest, die nun mit Anklagen konfrontiert sind, die zu langen Gefängnisstrafen führen können (HRW 17.1.2019).

Wie 2013 versprach Rohani auch im Wahlkampf 2017, die Bürgerrechte und die Meinungsfreiheit zu stärken. In seiner ersten Amtszeit von 2013-17 konnte die Regierung den Erwartungen nach einer Liberalisierung im Innern allerdings nicht gerecht werden. Die Menschenrechtslage in Iran bleibt fünf Jahre nach Amtsantritt einer gemäßigten Regierung trotz gradueller Verbesserungen im Bereich der Kunst- und Pressefreiheit nahezu unverändert kritisch. Regimegegner sowie religiöse und ethnische Minderheiten sind nach wie vor regelmäßig Opfer staatlicher Repressionen. Beunruhigend ist die hohe Anzahl an Hinrichtungen, die jedoch aufgrund einer Änderung im Drogengesetz 2018 niedriger lag als in den Vorjahren (AA 15.2.2019a).

Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen. Laut der NGO "United for Iran", die sich mit Haftbedingungen beschäftigt, ist die Häftlingspopulation dreimal größer als die Kapazität der Gefängnisse (US DOS 13.3.2019). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019).

In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 12.2018).

Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Für politische Gefangene sind die Haftbedingungen von Fall zu Fall unterschiedlich und reichen vor allem in der Untersuchungshaft bzw. in irregulärer Haft vor einem Gerichtsverfahren von schlechten hygienischen Bedingungen über unzureichende medizinische Versorgung bis hin zur Verweigerung lebenswichtiger Medikamente (AA 12.1.2019).

Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend sind. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in "sichere Häuser" gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, und wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 12.2018). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 12.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern oder anderweitig zu misshandeln, insbesondere während Verhören. Gefangene, die sich im Gewahrsam des Ministeriums für Geheimdienste oder der Revolutionsgarden befinden, müssen routinemäßig lange Zeiträume in Einzelhaft verbringen, was den Tatbestand der Folter erfüllt (AI 22.2.2018).

Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht im Stande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 12.2018).

Eherecht: Laut Art. 1108 ZGB hat eine Ehefrau, die ihre Ehepflichten (Gehorsam und Ehebeziehungen) nicht erfüllt, keinen Anspruch auf Unterhalt. Der Ehemann hat das Recht zur Vielehe (bis zu vier Frauen) (AA 9.12.2015).

Scheidungsrecht: Der Ehemann hat das Recht zur Scheidung, ohne dass er den Scheidungsantrag begründen muss. Ebenso kann er nach einer widerrufbaren Scheidung die Ehe innerhalb von drei Monaten wieder aufnehmen. Eine Frau kann bei Geisteskrankheit und Impotenz des Ehemanns (Art. 1122, 1125 ZGB), wegen einer unerträglichen Härte im Falle der Fortführung der Ehe z.B. bei stark unislamischer Lebensführung des Ehemanns oder bei Verletzung der Unterhaltspflicht (Art. 1130 ZGB) die Scheidung beantragen (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 13.3.2019). Zusätzlich zu diesen gesetzlich geregelten Fällen werden in standardisierten, notariell beurkundeten Eheverträgen oft weitere Scheidungsgründe vereinbart (z.B. für die Frau gefährliche Erkrankung, Drogenkonsum, weitere nicht abgestimmte Heirat des Ehemanns). Das Vorliegen der Scheidungsbedingungen nachzuweisen ist für die Frau sehr schwierig. Im Streitfall kann sich ein solcher Rechtsstreit über mehrere Jahre hinziehen. Die Frau hat jedoch in den meisten Fällen die Möglichkeit, dem Mann gegen die Scheidung die Morgengabe zu schenken, wobei es sich häufig um große Summen handelt. Lässt sich der Mann scheiden, muss er diese der Frau auszahlen. Einen besonders hohen Anteil stellen einvernehmliche Scheidungen dar (AA 9.12.2015).

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen. Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern und Mitgliedern von religiösen Minderheiten ein. Ebenso sind Wissenschaftler in sensiblen Bereichen und Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker und Menschen- und Frauenrechtsaktivisten von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (US DOS 13.3.2019).

Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (im Jahr 2018 4.400.000 IRR, ca. 45 bis 28? je nach Wechselkurs). Am internationalen Flughafen Imam-e Khomeini werden zunehmend strenge Kontrollen durchgeführt, die Devisenaus- und -einfuhr wird mittlerweile streng reglementiert (max. 5000? je Person). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 12.1.2019).

Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 12.1.2019).

1.3.2.

Zu Covid-19 im Iran:

Der Iran gehört zu den Ländern, die am meisten von der Corona-Pandemie betroffen sind. Nach offiziellen Angaben gibt es über 80 000 Infizierte und über 5000 Todesopfer (Stand 18.4.2020). Die Lage ist weiterhin sehr unübersichtlich und volatil. Die Zahl der Neuerkrankungen ist den offiziellen Angaben zufolge allerdings im Rückgang begriffen, sodass eine Lockerung der Bestimmungen in Kraft getreten ist.

Es besteht weiter eine Reisewarnung des Bundesministeriums für auswärtige und europäische Angelegenheiten für den gesamten Iran.

In Teheran und den großen Städten des Landes sind wirtschaftliche und soziale Aktivitäten weitgehend zum Erliegen gekommen. Erstmals seit der islamischen Revolution 1979 wurde das Freitagsgebet abgesagt, wie auch alle Sport- und Kulturveranstaltungen. Schulen, Universitäten und auch das Parlament sind geschlossen. Die medizinische Situation ist, auch wegen sanktionsbedingter Versorgungsengpässe, äußerst angespannt.

Die Größe des Schadens für die iranische Wirtschaft ist noch nicht abzusehen. Der Ausbruch von COVID-19 trifft das Land in einer durch die amerikanischen Sanktionen ohnehin schon angespannten wirtschaftlichen Situation, in der zahlreiche Unternehmen vor großen Problemen stehen. Durch die Schließung der Grenzen sind auch die iranischen Exporte in die Nachbarländer, die zuletzt einer der wenigen Lichtblicke der Wirtschaftslage waren, stark beeinträchtigt, auch Importe sind dadurch wesentlich erschwert.

Da die Anzahl der Neuerkrankungen den offiziellen Angaben zufolge rückgängig ist, wurde eine schrittweise Lockerung der Sperren und Beschränkungen verfügt: In den iranischen Provinzen mit Ausnahme von Teheran durften Unternehmen am 11. April wiedereröffnen, wenn von ihnen eine niedere oder mittlere Ansteckungsgefahr ausgeht. Bei Unternehmen, bei denen eine hohe Ansteckungsgefahr angenommen wird, wie Veranstaltern von Sportereignissen oder solchen, bei denen eine große Zahl von Personen zusammenkommen, bleiben bis auf weiteres geschlossen bzw. untersagt. In Teheran begann die Lockerung der Beschränkungen mit einer Woche Verzögerung, also am 18. April. Ämter und Behörden werden ab dem 11. April mit einer um ein Drittel verringerten Belegschaft ihre Aktivitäten wiederaufnehmen. Ab diesem Datum gelten für Büros allgemein Öffnungszeiten von 07.00 bis 14.00 Uhr, diese entsprechen den üblichen Öffnungszeiten während des Ramadan, und werden jedenfalls bis zum Ende des Fastenmonats am 23. Mai beibehalten. Privatfahrzeuge ohne Ausnahmegenehmigung dürfen bis 19. April nicht über Provinzgrenzen hinweg verkehren, die Provinzen Teheran und Alborz gelten hier als eine Provinz. Auch die heiligen Stätten bleiben bis auf weiteres geschlossen.

Laut WHO gab es am 06.05.2020 offiziell gemeldet 101.650 Covid-19 Fälle im Iran, 81.587 Gesundete und 6.418 Covid-19 Todesopfer.

1.4. Der Beschwerdeführer und seine Frau ließen sich am XXXX .2016 einvernehmlich scheiden. Während die ehemalige Frau des Beschwerdeführers zuerst auf Leistungen aus der Scheidung verzichtete, klagte sie später auf die Zahlung des Brautgeldes, wobei der Beschwerdeführer von einem Gericht am XXXX .2017 zur Zahlung des Brautgeldes verurteilt wurde. Dass gegen den Beschwerdeführer deswegen ein Haftbefehl besteht, kann nicht festgestellt werden.

Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von der Familie seiner ehemaligen Frau zweimal aktiv bedroht wurde und darüber hinaus im Falle einer Rückkehr in den Iran durch diese Familie weiterhin ernsthaft aus Gründen einer Ehrverletzung durch die Scheidung bedroht werden würde. Jedenfalls muss aber festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offen steht, sich in anderen Landesteilen und großen Städten im Iran niederzulassen, seinen Beruf als Taxifahrer auszuüben und sich damit einer allfälligen Belästigung durch die ehemalige Schwiegerfamilie zu entziehen.

Der Beschwerdeführer war und ist im Iran und außerhalb nicht politisch aktiv (gewesen).

1.5. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahme durch das BFA ( XXXX .2019) sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ( XXXX .2020), der Beschwerdeschriftsatz, das LIB 2019 zum Iran, mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Strafregisterauszug sowie der Verwaltungsakt zum Asylverfahren.

2.2. Zu folgenden Feststellungen unter oben 1. wird weiter näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Die Feststellungen zum Geburtsjahr und zur Staatsangehörigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich nicht zweifelhaften Angaben des Beschwerdeführers und Feststellungen aus den Vorverfahren und dem angefochtenen Bescheid sowie der Kopie der Dokumente. Andere Informationen dazu werden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Das gleiche gilt für die Feststellungen zum Herkunftsort, zu den Familienangehörigen im Iran, zu den Einkommensverhältnissen im Iran, zur Schulbildung und zur Berufstätigkeit, die ebenfalls auf den unstrittigen Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens fußen.

Relevante gesundheitliche Beeinträchtigungen machte der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens nicht geltend. Medizinische Unterlagen wurden keine vorgelegt.

2.2.2. Die Angaben des Beschwerdeführers zu fehlenden familiären Anknüpfungspunkten in Österreich sind gleichbleibend und glaubhaft, weshalb dazu Feststellungen erfolgen konnten. Die Feststellungen zum sonstigen Leben in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren und auf den diesbezüglich im Verfahren und in der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Unterlagen (siehe Anmerkungen bei den Feststellungen selbst).

Dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung bezieht und strafgerichtlich unbescholten ist, gründet sich auf den entsprechenden Auszügen aus dem GVS und dem Strafregister.

2.2.3. Die Länderfeststellungen unter 1.3.1. beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran mit Stand 06/2019 und da wiederum auf den folgenden Einzelquellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2015-09-12-2015.pdf, Zugriff 24.5.2019

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 24.5.2019

- AA - Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450#content_2, Zugriff 28.5.2019

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 24.5.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 24.5.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf, Zugriff 28.5.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 24.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 24.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html, Zugriff 24.5.2019

- US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 24.5.2019

An der Aktualität, Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen hat das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel.

Die Feststellungen zur Situation im Zusammenhang mit Covid-19 beruhen auf einer Information der WKO, online abrufbar unter https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavirus--.html (zuletzt besucht am 06.05.2020), mit Stand 19.04.2020)

Die Daten der WHO konnten unter den folgenden beiden Webadressen abgerufen werden:

Die aktuellen Infektionszahlen (soweit gemeldet) finden sich auf der Website der WHO unter https://app.powerbi.com/view?r=eyJrIjoiN2ExNWI3ZGQtZDk3My00YzE2LWFjYmQtNGMwZjk0OWQ1MjFhIiwidCI6ImY2MTBjMGI3LWJkMjQtNGIzOS04MTBiLTNkYzI4MGFmYjU5MCIsImMiOjh9 (zuletzt besucht am 06.05.2020). Siehe auch Datenbank: WHO: https://covid19.who.int/region/emro/country/ir (zuletzt besucht am 06.05.2020).

Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich bei den Feststellungen zur Situation in Zusammenhang mit COVID-19 auf allgemein zugängliche Informationen, an deren Aktualität und Verlässlichkeit es keinen Grund gibt zu zweifeln.

2.2.4. Die Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer einvernehmlich geschieden und dann zur Zahlung des Brautgeldes verurteilt wurde, gründen sich auf die diesbezüglich nachvollziehbaren, konsistenten und glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens.

Während er jedoch nach Einvernahmeprotokoll bei der belangten Behörde (AS 65) sehr wohl die beiden Gerichtspapiere zur Scheidung im Verfahren vorlegen konnte, gab er im Laufe des Verfahrens bekannt, den von ihm im Verfahren erwähnten Haftbefehl nicht zu haben und daher nicht vorlegen zu können. Dieser sei von den Beamten seiner Mutter nur gezeigt worden. Das Bestehen eines Haftbefehls konnte daher insbesondere im Lichte der Vorlage sonstiger Unterlagen, die mit dem Gerichtsverfahren in Verbindung stehen, nicht glaubhaft gemacht werden, sondern erscheint der erkennenden Richterin als Steigerung des Fluchtvorbringens, weshalb die Existenz eines solchen Haftbefehls nicht festgestellt werden kann. Unterstützt wird diese Annahme dadurch, dass der Beschwerdeführer offenbar das Bestehen eines Haftbefehls nicht als Anlass für eine Ausreise angesehen hat, denn von diesem soll er im elften Monat 2017 erfahren haben, während er erst Ende Februar 2018 - nach einem Vorfall mit zwei Männern auf einem Motorrad - die Ausreise avisierte (siehe dazu gleich auch Verhandlungsprotokollauszug weiter unten). Zu diesem Zeitpunkt hielt sich der Beschwerdeführer außerdem in seinem Heimatort auf, was nicht darauf hindeutet, dass er sich vor einer Inhaftnahme auf Basis eines gültigen Haftbefehls versteckt hat. Er selbst meinte über diese Zeit, er habe damals gearbeitet und sei ins Fitnessstudio gegangen. Sorgen wegen des Haftbefehls lassen sich aus dieser Chronologie nicht ableiten, was gegen seine Existenz spricht.

Zum Fluchtvorbringen und zur Verfolgungsgefahr durch die Familie der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers führte dieser in der mündlichen Verhandlung aus wie folgt (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

" [...] P: Mein Fluchtgrund bezieht sich auf zwei verschiedene Dinge: Es gab einen Haftbefehl gegen mich und ich hatte keine Sicherheit mehr, mein Leben war in Gefahr von Seiten meiner Schwiegereltern.

Während der Ehe gab es Probleme, weswegen meine Frau und ich auch nicht mehr zusammenleben konnten. Es ist so weit gegangen, dass wir uns für eine Scheidung entschieden haben. Die Probleme haben mit der einvernehmlichen Scheidung angefangen, das war im zehnten Monat des Jahres 1395 (=2016). Eine Woche nach der Scheidung wurde ich informiert, dass die Familie meiner Ex-Frau zu uns nach Hause gegangen ist, sie haben in das Haus eingebrochen und die Fensterscheiben eingeschlagen. Zu dieser Zeit war ich nicht zu Hause, ich weiß auch nicht, ob meine Frau zu Hause war oder nicht. Auf Nachfrage: Das Haus war in XXXX . Ein paar Tage später, auf dem Nachhauseweg mit dem Taxi, hat mich jemand mit einem Messer angegriffen. Ich saß auf der Fensterseite im Taxi. Ich denke, er hätte mehr machen können, hat er aber nicht. Ich hatte das Gefühl, dass er mich nur erschrecken wollte. Ich bin auf der anderen Seite des Taxis dann ausgestiegen und bin davongelaufen. Ein paar Tage darauf hatte ich eine Ladung vom Heiratsbüro (D: =Behörde, vergleichbar mit dem Standesamt) bekommen. In dem Schreiben stand, dass meine Frau die Morgengabe beantragt hat. Ein paar Tage später erhielt ich vom Familiengericht eine Ladung. Diese Ladung vom Gericht habe ich nicht sehr beachtet, ich habe mich bei ein paar Anwälten erkundigt. Ich habe ihnen auch das Urteil gezeigt, in dem stand, dass meine Frau auf die Morgengabe verzichtet hat. Daraufhin sagten mir die Anwälte, dass sie keinen Anspruch auf die Morgengabe hätte. Der erste Termin beim Gericht wäre Ende 1395 (=2016) gewesen. Ich bin nicht hingefahren, weil ich das für unnötig hielt. Daraufhin sagten mir die Anwälte, ich soll einfach zum Gericht gehen und die entsprechenden Dokumente vorlegen, die zeigen, dass sie auf die Morgengabe verzichtet hat, somit wird das Verfahren abgeschlossen. Der Gerichtstermin war Anfang 1396 (=2017). Wir waren im zweiten Monat 1396 im Gericht, beim gleichen Sprengel, wo wir das erste Mal waren. Sogar beim gleichen Richter. Der Richter hat zu mir gesagt, dass ich verurteilt bin, die Morgengabe zu bezahlen. Ich habe den Richter gefragt, was das sein soll. Er hat selbst beim ersten Mal das Urteil gefällt, dass auf die Morgengabe verzichtet wird. Der Richter hat mir daraufhin gesagt, dass die Frau nach Scharia drei Monate Zeit hat sich Gedanken darüber zu machen. Ich habe das beanstandet, der Richter meinte, dass ich die Scharia bzw. das iranische Gesetz nicht kritisieren darf. Daraufhin habe ich eine Beschwerde eingelegt beim Gericht. Anfang des dritten Monats im Jahr 1396 (=2017) habe ich einen abweisenden Bescheid vom Gericht erhalten. Laut dem Urteil hätte ich doch die Morgengabe zahlen müssen. Ich habe dort angegeben, dass ich kein Geld habe und dass es Zeugen gibt, die bezeugen würden, dass ich kein Geld habe. Der Richter meinte, ich werde einen neuen Termin bekommen und ich soll die Zeugen mitnehmen. Ich hatte immer Angst vorm Gericht, daher habe ich auch immer einen Freund mitgenommen und aus Angst bin ich zum nächsten Termin nicht erschienen. Stattdessen bin ich auf die Insel Kish gefahren. Ich war ziemlich durcheinander, ich wollte ausreisen und habe dann einen Freund in der Türkei kontaktiert, ob er mir bei der Ausreise helfen würde. Inzwischen hat mir meine Mutter berichtet, dass ein Brief vom Rat für Konfliktlösungen (D: =außergerichtliche Schlichtungsstelle) gekommen ist. Ich bin dort auch hingefahren, das war im vierten Monat des Jahres 1396 (=2017). Dort bin ich verurteilt worden, dass ich ihren Unterhalt bezahlen muss und wurde auch zusätzlich von meiner Frau und von ihrer Mutter angegriffen. Sie haben mich geschlagen. Sie haben gedroht, dass sie Drogen in meinem Auto verstecken werden, dass sie dafür sorgen werden, dass ich hingerichtet werde, weil ich die Ehre der Familie verletzt hätte. Ich bin dann auf die Insel Kish gefahren. Nach ein paar Tagen hat mich der Großvater meiner Ex-Frau angerufen und erzählte mir, dass der nächste Termin beim Gericht in ein paar Tagen wäre. Ich soll lieber zurückkommen, denn der Vater meiner Ex-Frau weiß, dass ich auf Kish bin und dass er mir etwas antun würde. Ich bin dann nach XXXX zu meinem Bruder zurückgekommen, ich bin dort mit dem Taxi gefahren (gearbeitet). Ich war auch ab und zu im Fitnessstudio. Im elften Monat des Jahres 1396 (=2017) hat mich meine Mutter telefonisch informiert, dass ein paar Beamte mit einem Haftbefehl bei uns zu Hause waren. Eines nachts, auf dem Weg vom Fitnessstudio nach Hause, sind zwei Personen mit einem Motorrad gekommen, sie hatten ihre Gesichter bedeckt gehabt. Es ist zu einer Auseinandersetzung gekommen, alles ging sehr schnell. Einer von ihnen hatte einen "Ghame" (D: das ist ein sehr großes Messer; mind. 60-70 cm) in der Hand und mit dem hat er mich angegriffen. Wie durch Zufall kam plötzlich noch die Polizei dazu, und die Männer mit dem Motorrad sind davongefahren. Davor hat mir einer gesagt, dass ich nur dieses Mal Glück hatte und dass sie mich fertigmachen werden, wie der Herr XXXX es verlangt hätte. Als ich dann zu Hause bei meinem Bruder war, habe ich gesehen, dass ich wie durch ein Wunder nicht verletzt wurde, aber dass die Spur eines Blutfleckes von diesem Messer zu sehen war. Ich war etwas an der Hand verletzt. Ich glaube, dass der Blutfleck von der Verletzung von meiner Hand durch das Messer war und damit mein T-Shirt blutig wurde. Ich hatte daraufhin große Angst. Ich habe gesehen, dass die Familie meiner Ex-Frau es ernst meint. Daraufhin habe ich meinen Freund in der Türkei kontaktiert. Dieser meinte, ich müsse noch ein paar Tage warten. Eine Woche später hatte er mich kontaktiert und ich habe dann am XXXX .1396 (= XXXX .2018) den Iran verlassen.

R: Sagen Sie mir, wo haben Sie mit Ihrer Frau während der Ehe überall gelebt? In welchen Städten?

P: Also, geheiratet haben wir im Teheran, da waren wir dann ca. auch ein Jahr. Dann waren wir für drei bis vier Monate in XXXX und die restliche Zeit in XXXX .

R: Die Scheidung und das Gerichtsverfahren, sowie die Vorfälle mit der Schwiegerfamilie haben wo stattgefunden, in welcher Stadt?

P: Das war alles in XXXX .

R: Die Familie Ihrer Frau lebt wo?

P: Vor unserer Scheidung haben sie in XXXX gelebt, nach der Scheidung haben sie in Teheran gelebt. Nachgefragt gebe ich an, dass die Schwiegerfamilie nie in XXXX gelebt hat. In XXXX waren sie nie, sie waren immer in XXXX , nach der Scheidung sind sie, weil es ihrer Meinung eine Ehrverletzung war, nach Teheran gegangen.

R: Der erste Einbruch: in welche Wohnung wurde da eingebrochen?

P: Das war das Haus meiner Eltern in XXXX . Meine Ehefrau und ich, wir waren beide zwar damals in XXXX , hatten aber eine eigene Wohnung.

RV: Wurde die Wohnung, welche Ihnen und Ihrer Frau gehörte, aufgegeben?

P: Wir haben die Wohnung zurückgegeben, ich habe auch den Vertrag mit. Die Kaution hat die Frau bekommen, ich habe alles meiner Frau überlassen.

Die Verhandlung wird um 10.29 Uhr unterbrochen und um 10:47 Uhr fortgesetzt.

R: Warum haben Sie nicht versucht, dieses Urteil mit der Morgengabe zu erfüllen, z.B. mit einer Ratenzahlung?

P: Weil sie alles, sogar auch unsere Heirat, mit Lügen angefangen hat. Sie hatte eine ganz andere Persönlichkeit gehabt als ich sie kennengelernt habe.

R: Warum haben Sie es nicht bezahlt? Das hat dann nichts mehr mit der Persönlichkeit Ihrer Frau zu tun, es gab einen Gerichtsbeschluss?

P: Ich war ihr treu und sie hat mich aber betrogen.

R wiederholt die Frage.

P: Ich kritisiere das iranische Gesetz, weil, es gab ja auch einen Gerichtsbeschluss, nach dem ich keine Morgengabe hätte zahlen sollen. Das ist meiner Meinung nach ein Gesetzesmangel, wenn sich die Scharia in diese Angelegenheit einmischt. Abgesehen davon ging es der Familie meiner Frau nicht um die Morgengabe, sie waren reich und sehr bekannt. Ihr Problem war die Scheidung an sich. Es ging um eine sogenannte Ehrverletzung.

R: Es war eine einvernehmliche Scheidung, ist das richtig?

P: Es war eine einvernehmliche Scheidung, es steht sogar drinnen, dass der Verzicht auf die Morgengabe für meine Einwilligung in die Scheidung die Bedingung war.

R: Haben Sie den Haftbefehl da?

P: Den Haftbefehl habe ich nicht bei mir, denn die Beamten haben das nur meiner Mutter gezeigt und ihr nicht gegeben. Ich hätte in Bezug auf die vorherige Frage noch etwas auszuführen: Ich bin grundsätzlich jemand, der sich an die Gesetze hält, ich hatte keine Vorstrafen im Iran. Nachdem die Familie meiner Ex-Frau versucht hat, mich zu töten und mich auch dementsprechend angegriffen hat, war mein Leben in Gefahr, und sollte ich im Gefängnis landen, wäre ich mit Sicherheit nicht mehr lebendig rausgekommen, darum musste ich das Land verlassen.

R: Habe ich das richtig verstanden: Sie hätten der Haft entgehen können, wenn Sie die Morgengabe bezahlt hätten, auch in Ratenzahlung?

P: Die Morgengabe war 614 Goldmünzen (eine Goldmünze kostet ca. zwischen 5 und 10 Millionen Thoman; das sind ca. 472.000 Euro [berechnet mit 10 Millionen Thoman und ein 1 Euro=ca. 13.000 Thoman]), die ich auf keinen Fall zahlen konnte.

R: Haben Sie diese Gerichtsurteile, mit welchen Sie aufgefordert wurden, die Morgengabe zu bezahlen?

P: Die liegen bei Ihnen auf. Ich habe es beim BFA vorgelegt.

R: Dies wurde im Protokoll des BFA vermerkt, aber es liegen keine Urteile im Akt auf. Allerdings gibt es übersetzte Zusammenfassungen auf Seite 3 des EV-Protokolls vom XXXX .2019 (AS65).

Sind Sie in irgendeiner Form politisch aktiv (hier oder im Iran)?

P: Nein. Manchmal poste ich etwas auf Instagram, was die Verteidigung meiner Mitmenschen betrifft.

R: Was meinen Sie mit "was die Verteidigung ihrer Mitmenschen betrifft"?

P: Es geht um das Recht der Bevölkerung im Iran. Vor allem aber um das Wahlrecht. Viele Leute sind gegen das Regime. Die Demonstrationen werden niedergeschlagen. Diesbezüglich werden in den Social Media sehr viele Videos gepostet. Meine Posts sind auch in diese Richtung. Auf Nachfrage: Mein Instagram Profil ist nicht in meinem eigenen Namen, es gibt auch kein Foto von mir, aus Angst vor der Familie meiner Ex-Frau.

R: Was hätte Sie daran gehindert, in eine andere große Stadt im Iran zu gehen und dort ein Leben weg von Ihrer Schwiegerfamilie aufzubauen? Ihr Beruf als Taxifahrer ist auch nicht ortsabhängig.

P: Dass ich auf die Insel Kish gefahren bin, diese ist ja 1000 Kilometer entfernt, zeigt, dass ich im Iran bleiben wollte, aber sie hätten mich auf jeden Fall gefunden im ganzen Iran. Wie, weiß ich auch nicht, aber sie hätten mich gefunden.

R: Schildern Sie bitte genauer, warum die Familie Ihrer Frau Sie finden könnte, wenn Sie untertauchen wollten. Teheran alleine hat 16 Millionen Einwohner.

P: Es ging mir sehr viel um den geistigen Druck, den ich hatte. Vor allem nach dem letzten Ereignis. Ich hatte das Gefühl, dass ich ständig gesucht werde. Sie waren reich und sehr bekannt und haben gute Beziehungen zu den Regierungsmitgliedern gehabt. Abgesehen davon waren unsere Wohnungen nicht weit weg von einander. Sie hätten mich mit Sicherheit gefunden. Wie gesagt, ich hatte große Angst gehabt, und das war der ausschlaggebende Grund dafür, dass ich mich nicht mehr getraut habe im Iran zu bleiben. Ich wollte unbedingt so schnell wie möglich das Land verlassen.

R: Welche Wohnung lagen nicht weit weg voneinander?

P: Ich meine das Haus meiner Eltern und unser Haus.

R: Sie müssen mir genauer erklären, warum Sie keine innerstaatliche Fluchtalternative haben, wenn Sie von der Familie Ihrer Ex-Frau bedroht werden. Warum können Sie nicht z.B. einen Koffer packen, mit Ihrem Auto nach Isfahan gehen, dort ein Zimmer mieten und als Taxifahrer arbeiten?

P: Erstens gab es einen Haftbefehl gegen mich, deswegen konnte ich mich nicht an den Staat wenden. Wenn ich mich an die Regierung gewandt hätte, hätten sie das Ganze gegen mich verwendet. Eine innerstaatliche Flucht habe ich ja versucht, indem ich auf die Insel Kish gefahren bin. Ich bin ein Lor; bei uns ist die Ehrverletzung eine sehr große Sache. Es ist schon einmal vorgekommen, dass Menschen deswegen auch umgebracht wurden. Als die Familie meiner Ex-Frau erfahren hat, dass ich mich von meiner Frau wegen Betrug scheiden lassen will, hat sie das sehr geärgert. Genau deswegen sind sie dann auch umgezogen.

R: Wenn es den Haftbefehl nicht geben würde, was würde Sie daran hindern, Schutz bei der Polizei zu suchen?

P: Ich könnte das trotzdem nicht, weil die Beamten sehr käuflich sind. Außerdem hatte ich kein Beweismittel und ich könnte mir auch keinen Anwalt leisten. Darum hätte man im Gericht alles gegen mich verwendet. Das Ziel der Familie meiner Frau war einfach, dass sie mich fertigmachen. Im Iran tötet man Menschen für 10 Millionen.

R: Am Ende der Beschwerde der Diakonie gibt es drei YouTube-Links. Was beinhalten bzw. zeigen diese?

P: Auf YouTube sind drei Videos, in denen ich zweimal im Iran gesungen habe und einmal in Österreich auf Deutsch. Damit wollte ich nur zeigen, dass ich mich für die Musik sehr interessiere. Ich wollte den Iran nicht verlassen, es ging mir dort gut und ich wollte mich auch um meine Eltern kümmern.

RV: Ist es im Iran auch eine Schande, wenn man sich einvernehmlich scheiden lässt?

P: Nein, eine einvernehmliche Scheidung im Iran ist keine Schande. Genau deswegen habe ich auch nicht bekannt gegeben, warum ich mich von ihr scheiden lassen will, weil ich ihr das nicht antun wollte, dass ich erzähle, dass sie mich betrogen hat. Ich wurde ein paar Mal von Bekannten und von der Familie gefragt, warum ich mich scheiden lassen will. Ich habe immer gesagt, dass es an mir liegt und wollte sie nicht schlecht darstellen. Ihre Eltern haben dann großen Druck gemacht, dann musste ich erzählen, dass sie mich betrogen hat und dass dies der Grund der Scheidung ist.

R: Wem haben Sie dann erzählt, dass Ihre Frau Sie betrogen hat?

P: Meine Eltern hatten schon immer ihre Zweifel, sie wollten sich nur nicht einmischen, aber ich habe ihnen dann davon erzählt. Sie waren nicht sehr überrascht von dieser Nachricht, aber den Schwiegereltern habe ich nichts davon erzählt.

RV: Wie haben die Schwiegereltern dann davon erfahren, warum waren die so wütend?

P: Ich bin selbst daran schuld, dass ihre Eltern es erfahren haben. Wir waren gerade eine Woche getrennt. Ich habe ihr die Wohnung und alles überlassen. Dabei habe ich gesehen, dass sehr schlechte Menschen, darunter auch Drogensüchtige, in diesem Haus ein- und ausgehen. Das konnte ich natürlich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, daher habe ich ihren Großvater über unsere Scheidung informiert.

R: Haben Sie ihn nur über die Scheidung informiert, oder auch über die Probleme mit Ihrer Frau?

P: Nur über die Scheidung. Ich wollte, dass sie ihr Leben auch nach unserer Scheidung in Ruhe führen kann. Aber sie hat alles kaputt gemacht, weil alle erfahren hatten, warum ich mich von ihr scheiden ließ. Auf Nachfrage, wie alle davon erfahren haben: Nach unserer Scheidung sind ein paar Filme aufgetaucht, die zeigen, dass meine Frau mit einem anderen Mann eine Beziehung hatte. Nachdem alle erfahren haben, dass wir uns scheiden ließen, wurde weit und breit darüber gesprochen, und jeder hat eine Meldung zu ihrem Betrug abgegeben. Als der Ärger zwischen den beiden Familien hochgegangen ist, haben meine Eltern zu ihren Eltern gesagt: "Wozu dieser ganze Ärger? Ihre Tochter ist doch nicht so ganz unschuldig an dieser ganzen Sache", und dass sie ihren Sohn betrogen hätte. [...]"

Aus diesen Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit seinen Angaben bei der belangten Behörde ergibt sich, dass er einen Gerichtsstreit gegen seine ehemalige Frau wegen Zahlung der Morgengabe an diese verloren hat und nicht bereit war, seine Schulden auch in For

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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