TE Bvwg Beschluss 2020/5/15 W245 2226554-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2020
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Entscheidungsdatum

15.05.2020

Norm

BDG 1979 §75
B-VG Art133 Abs4
MSchG §15
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W245 2226554-1/ 2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vom 26.09.2019, Zl. XXXX , betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung eines Karenzurlaubes nach § 75 BDG 1979, beschlossen:

A)

Der Beschwerde gegen die Abweisung des Mehrbegehrens - Karenzurlaub gemäß § 75 BDG 1979 für die Zeit vom 08.04. bis 07.10.2020 - wird stattgegeben und der Bescheid hinsichtlich des Mehrbegehrens behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit Schreiben vom 07.03.2019 wurde die Beschwerdeführerin XXXX (in der Folge auch "BF") von der XXXX darüber in Kenntnis gesetzt, dass für ihre Tochter XXXX für das Kindergartenjahr 2019/20 kein Platz im Kindergarten XXXX zur Verfügung steht (VWA ./1).

I.2. Am 11.06.2019 stellte die BF einen Antrag auf Gewährung einer Karenz gemäß § 75 BDG 1979 bis zum 07.10.2020. Im Antrag führte die BF aus, dass nach der Geburt ihrer Tochter ihr die gesetzliche Karenz bis zum 07.10.2019 bewilligt worden sei. Es sei jedoch die Verlängerung der Karenz erforderlich, da einerseits eine familiäre Betreuung nicht möglich sei, da ihre Eltern und ihrer Geschwister berufstätig seien. Andererseits habe sie eine Absage für einen Kindergartenplatz für das Kindergartenjahr 2019/20 erhalten (VWA ./2).

I.3. Mit Schreiben vom 29.08.2019 erstattete der Leiter der XXXX einen Bericht an die Generaldirektion für den Straf- und Maßnahmenvollzug im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz. Darin wird ausgeführt, dass gegenwärtig eine angespannte Personalsituation in der XXXX herrsche. Diese beziehe sich vorrangig auf den Exekutivbereich.

In der Stellungnahme wurde ausgeführt, dass für die XXXX 62 Planstellen vorgesehen seien. Aktuell sei die Planstelle Anstaltsleiter und vier Planstellen PEG nicht besetzt. Mit 57 im Dienststand befindlichen Exekutivbeamten sei der Besetzungsgrad der XXXX auf den ersten Blick relativ gut.

Drei ArbeitsplatzinhaberInnen des Exekutivdiensten weisen derzeit eine Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit auf die Hälfte auf, zwei weitere (einschließlich die BF) seien in Karenz bzw. im Mutterschutz. BInsp. XXXX habe im Juni 2019 einen schweren Verkehrsunfall erlitten; er befinde sich seitdem im Krankenstand und werde sich vom 03.09.2019 bis 24.09.2019 einer Rehabilitationsbehandlung unterziehen. Ob er jemals wieder eine volle Dienstfähigkeit erlangen werde, sei derzeit noch nicht absehbar.

BInsp. XXXX befinde sich seit 11.06.2019 im Krankenstand. Ein Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand sei bereits eingeleitet worden, es gebe derzeit keine Anzeichen, welche darauf schließen könnten, dass er den Dienst wieder antreten werde.

GrInspin. XXXX sei seit 01.06.2019 dem Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz - Zentralleitung zur Dienstleistung in der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen zugeteilt worden.

Die Summe der Justizwachschule-Kurszeiten von Bediensteten der XXXX für E2a- und E2b-Ausbildungen im Kalenderjahr 2019 betrage 24 Monate und 374 Tage. Dies habe zur Folge, dass de facto drei weitere Exekutivbeamte ganzjährig nicht in der XXXX dienstlich verwendet werden können.

Die aufgezeigten personellen Einschränkungen bewirken, dass derzeit nur 47,5 "ganze" Beamte des Exekutivdienstes (einschließlich der BF) in der XXXX tatsächlich zur Dienstleistung verfügbar seien. Der oben dargestellte, zufriedenstellende Besetzungsgrad sei durch die dargestellten personellen Einschränkungen zu relativieren; es sei daher in der XXXX eine angespannte Personalsituation absolut gegeben.

Im Fall der BF sei die derzeitige Situation in der XXXX ihres Arbeitsplatzes schwierig. Neben BInsp. XXXX , der wie oben dargestellt für eine unabsehbare Zeit ausfallen werde, befinde sich auch XXXX längere Zeit im Krankenstand. Auch in seinem Fall ist mit einer Versetzung in den Ruhestand auszugehen. Um diese Personalausfälle zu kompensieren sei ein geeigneter Bediensteter einer anderen Organisationseinheit eingeschult worden. Jedoch könne dieser nur dann in der XXXX eingesetzt werden, wenn für diesen selbst ein entsprechender Ersatz zur Verfügung steht.

Im Fall einer Krankmeldung eines Bediensteten seien kurzfristige Personalrochaden erforderlich, welch mitunter die halbe XXXX betreffen würde. Die Auswirkungen in Bezug auf Arbeitszufriedenheit und Motivation sei mit Fortdauer dieser Situation zunehmend wahrnehmbar.

I.4. Mit Bescheid des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (in der Folge "belangte Behörde", auch "bB") vom 26.09.2019 (VWA ./4), übernommen am 04.10.2019 (VWA ./5), wurde der BF ein Karenzurlaub gemäß § 75 BDG 1979 für die Zeit vom 08.10.2019 bis 07.04.2020 gewährt. Das Mehrbegehren für die Zeit vom 08.04.2020 bis 07.10.2020 wurde abgewiesen.

Begründend führte die bB aus, dass gemäß § 75 BDG 1979 einem Beamten auf Antrag ein Urlaub unter Entfall der Bezüge gewährt werden könne, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen würden. Auf die Gewährung eines Karenzurlaubes nach § 75 BDG 1979 bestehe kein Rechtsanspruch. Für den Fall, dass zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, sei der Dienstbehörde ausdrücklich die Bewilligung des Karenzurlaubes untersagt. In allen anderen Fällen unterliege dies dem freien Ermessen der Dienstbehörde.

Die Ermessensentscheidung bestehe in einer Abwägung der für bzw. gegen die Gewährung des Karenzurlaues sprechenden dienstlichen bzw. privaten Interessen, wobei der Behörde jedoch gerade in Ansehung der Gewichtung dieser Interessen ein Ermessensspielraum zukomme.

In der XXXX gebe es zum Stichtag 01.09.2019 2 systemisierte E1-Planstellen, 38 systemisierte E2a-Planstellen und 16 systemisierte E2b-Planstellen. Aktuell sei die Planstelle des Anstaltsleiters nicht besetzt, drei Justizwachebediensteten würden eine Herabsetzung der Wochendienstzeit auf die Hälfte aufweisen, zwei weitere (darunter auch die BF) befinden sich in Karenz bzw. Mutterschutz, bei einem Bediensteten sei ein Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand nach § 14 BDG 1979 eigeleitet worden und eine Bedienstete sei der bB zur Dienstleistung zugeteilt. Dabei seien die laufenden Abwesenheiten, bedingt durch Krankenstände, Urlaub, Kuren, Pflegefreistellungen, Ausbildungen, Seminare usw. noch nicht berücksichtigt worden.

Im Fall der BF sei die momentane Situation in der XXXX zusätzlich verschärft, da sich ein Bediensteter nach einem schweren Verkehrsunfall seit Juni 2019 im Krankenstand befinde und es nicht absehbar sei, wann er die volle Dienstfähigkeit wiedererlange. Zudem befinde sich ein Bediensteter - nur durch Erholungsurlaube unterbrochen - seit April 2019 im Krankenstand. Um diese Personalausfälle zu kompensieren und den Dienstbetrieb der XXXX aufrecht erhalten zu können, werde ein geeigneter Bediensteter einer anderen Organisationseinheit entsprechend eingeschult. Dies habe jedoch zur Folge, dass dieser Bedienstete nur dann als Vertreter in der XXXX eingesetzt werden könne, wenn für ihn selbst entsprechender Ersatz möglich sei. Im Falle einer Krankmeldung eines Bediensteten (auch in einem völlig anderen Bereich) seien häufig -zusätzlich zu den sonst notwendigen Einziehungen - kurzfristige Personalrochaden erforderlich, welche mintunter die halbe Justizanstalt betreffe. Die negativen Auswirkungen in Bezug auf Arbeitszufriedenheit, Motivation usw. eines nicht unbeträchtlichen Anteils der gesamten MitarbeiterInnen werden mit Fortdauer der gegenwärtigen Situation zunehmend wahrnehmbar.

Unter Abwägung der für bzw. gegen die Gewährung des Karenzurlaubes sprechenden dienstlichen bzw. privaten Interessen werde der BF für die Zeit vom 08.10.2019 bis 07.04.2020 ein Karenzurlaub gemäß § 75 BDG 1979 gewährt, um ihr die Möglichkeit zu geben, einen geeigneten Betreuungsplatz für ihre Tochter zu organisieren. Dem Mehrbegehren für die Zeit vom 08.04.2020 bis 07.10.2020 könne keinesfalls entsprochen werden.

I.5. Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 28.10.2019 fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerde führte die BF im Wesentlichen aus, dass es nur schwer nachvollziehbar sei, dass bei 56 Planstellen sowie zusätzlichen Vertragsbediensteten die Abwesenheit von vier Justizwachebeamten eine unplanmäßige Ausnahme darstelle (VWA ./6).

Ihr Ersuchen, die Karenz für ein weiteres Jahr zu verlängern, begründete die BF wie folgt: Eine familiäre Betreuung sei nicht möglich, da ihr Ehemann beruflich viel im Ausland sei und ihre Eltern sowie Geschwister ebenfalls berufstätig seien. Die Großmutter der BF habe vor kurzem die Diagnose Brustkrebs bekommen und ihr Großvater leide an den Folgen eines Schlaganfalles. Zudem habe sie eine Absage für einen Kindergartenplatz für das Kindergartenjahr 2019/20 bekommen. Auch nach mehrmaliger Rücksprache mit der Leiterin des Kindergartens könne ihre Tochter erst zu ihrem dritten Geburtstag im Oktober 2020 eintreten. Da die BF bereits ihre ältere Tochter im Oktober 2013 verloren habe, falle es ihr schwer, ihre Tochter XXXX in eine fremde Betreuung zu geben. Sie habe nach der Beerdigung ihrer älteren Tochter sofort den Dienst angetreten und sei in den letzten 16 Jahren kaum im Krankenstand gewesen und sie habe sich nie etwas zu Schulden kommen lassen.

Sie sei gerne in ihrem Beruf tätig und habe zusätzlich berufsbegleitend fünf Jahre an der XXXX in XXXX das Bachelorstudium in XXXX sowie das Master-Studium in Management mit XXXX erfolgreich absolviert. Sie sei eine loyale Mitarbeiterin und versuche sich stetig zu verbessern. Jedoch sei sie auch eine Mutter, die ihre Kinder über alles liebe und die wenige Zeit, wo die Kinder noch nicht in den Kindergarten gehen müssten, gerne für sie da sein würde.

Für die BF sei es komplett unerklärlich, dass gerade beim Staat, der die Frauenquote in jedem Bereich erhöhen möchte, die Mütter schlechter behandelt werden würde, als beim Land, der Gemeinde oder vielen privaten Unternehmen. Sie kenne keine Mutter, bei der die Verlängerung um ein Jahr abgelehnt worden wäre.

Für den Fall der Ablehnung ihrer Beschwerde, habe sie sich bereits informiert und habe eine Einigung über die gesetzlich zulässigen zwölf Wochenstunden (§ 15h MSchG) erwirken wollen. Leider sei dies, laut Aussage der Generaldirektion, für sie als Beamte nicht möglich. Alle Mütter von Kleinkindern in ihrem Umfeld würden weniger als 20 Wochenstunden arbeiten. Die BF zweifle, ob sie vor 16 Jahren und vor allem als Frau den richtigen Arbeitgeber gewählt habe.

I.6. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt - mit den Bestandteilen ./1 bis ./6 - wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch "BVwG") am 13.12.2019 von der bB vorgelegt. Eine Stellungnahme zur Beschwerde der BF erfolgte von der bB nicht (VWA ./7).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

II.1.1. Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt 0 dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt.

II.1.2. Zum Dienstverhältnis bzw. zur dienstlichen Verwendung der BF:

Die BF ist Justizwachebeamtin der Verwendungsgruppe E2a und hat den Arbeitsplatz " XXXX " in der XXXX inne.

II.1.3. Zur Karenz der BF:

Mit Bescheid der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen vom 14.12.2017 wurde der BF eine Karenz gemäß § 15 MSchG für die Zeit vom 22.02.2018 bis 07.10.2019 gewährt.

Mit Bescheid vom 26.09.2019 wurde der BF ein Karenzurlaub gemäß § 75 BDG 1979 für die Zeit vom 08.10.2019 bis 07.04.2020 gewährt.

Das Mehrbegehren für die Zeit vom 08.04.2020 bis 07.10.2020 wurde abgewiesen.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der bB [in der Folge kurz "VWA" mit den Bestandteilen ./1 - Mitteilung der XXXX , vom 07.03.2019 (siehe Punkt 0), ./2 - Antrag der BF vom 11.06.2019 (siehe Punkt 0), ./3 - Stellungnahme des Leiters der XXXX vom 29.09.2019 (siehe Punkt 0), ./4 - Bescheid der bB vom 26.09.2019 (siehe Punkt 0), ./5 - Übernahmebestätigung für den Bescheid vom 04.10.2019 (siehe Punkt 0), ./6 - Beschwerde der BF vom 29.10.2019 (siehe Punkt 0), ./7 - Aktenvorlage durch die bB vom 13.12.2019 (siehe Punkt 0)].

II.2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der bB und des Gerichtsaktes des BVwG.

II.2.2. Zum Dienstverhältnis bzw. zur dienstlichen Verwendung der BF:

Die Feststellungen zum Dienstverhältnis bzw. zur dienstlichen Verwendung der BF ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verfahrensakt.

II.2.3. Zur Karenz der BF:

Die Feststellungen zur Karenz der BF ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verfahrensakt.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Dem angefochtenen Bescheid liegt eine Entscheidung der bB gemäß § 75 BDG 1979 zugrunde. Diese Angelegenheit ist gemäß § 135a BDG nicht von Senatsentscheidungen erfasst. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wie oben bereits ausgeführt steht der in der Angelegenheit maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der Sache selbst zu entscheiden.

II.3.1. Zu A) Behebung des Bescheides hinsichtlich des Mehrbegehrens:

II.3.1.1. Zum Beschwerdegegenstand:

Im bekämpften Bescheid gewährt die bB teilweise den Antrag der BF; sie genehmigt einen Karenzurlaub für den Zeitraum 08.10.2019 bis 07.04.2020. Das Mehrbegehren für die Zeit vom 08.04. bis 07.10.2020 weist sie ab.

Aus der Erklärung der BF in ihrer Beschwerde "Mit dem im Betreff angefochtenen Bescheid wurde mir jedoch, trotz Freigabe durch den Dienststellenausschuss, nur ein halbes Jahr Karenzurlaub bis inklusive 07.04.2020 gewährt. [...] Ich möchte Sie bitten Ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken und mir noch sechs weitere wertvolle Monate mit meiner Tochter XXXX zu gewähren" (VWA ./6, Seite 1 und 3) richtet sich daher ihre Beschwerde nur gegen die Abweisung des Mehrbegehrens.

In gegenständlicher Beschwerdesache erwächst der nicht angefochtene Teil - Genehmigung des Karenzurlaubes vom 08.10.2019 bis 07.04.2020 - in Rechtskraft, das heißt, dass dieser Teil der Entscheidungsbefugnis des BVwG entzogen ist (vgl. VwGH 21. 10. 2004, 2003/07/0105).

II.3.1.2. Zur Rechtslage im gegenständlichen Beschwerdeverfahren:

§ 75 Abs. 1 BDG lautet:

Dem Beamten kann auf Antrag ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

II.3.1.3. Für die gegenständliche Beschwerdesache wird auf folgende einschlägige höchstgerichtliche Rechtsprechung verwiesen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt aus § 75 Abs. 1 BDG 1979, dass das Gesetz die Gewährung eines Karenzurlaubes für den Fall ausdrücklich untersagt, dass ihr zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, sie in allen anderen Fällen jedoch dem freien Ermessen der für die Entscheidung zuständigen Dienstbehörde anheim stellt. Ob der Karenzurlaubsgewährung zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, ist von der Behörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (VwGH 12.05.2010, 2009/12/0113).

Dass einer Bewilligung des Karenzurlaubes keine zwingenden dienstlichen Gründe entgegen stehen, bedeutet nicht, dass der Beamte einen Rechtsanspruch auf dessen Gewährung hätte, vielmehr liegt die Entscheidung dann im Ermessen der Behörde. Dabei besteht die Ermessensentscheidung in einer Abwägung der für bzw. gegen die Gewährung des Karenzurlaubes sprechenden dienstlichen bzw. privaten Interessen, wobei der Behörde jedoch gerade in Ansehung der Gewichtung dieser Interessen ein Ermessensspielraum zukommt (VwGH 05.09.2018, Ra 2017/12/0118).

Hat jedoch die Behörde eine Ermessensentscheidung zu treffen, ist es Aufgabe des Verwaltungsgerichts zu überprüfen, ob sich die Ermessensübung im Sinn des Gesetzes erwies, ohne dass das Verwaltungsgericht befugt wäre, in eine eigene Ermessensentscheidung einzutreten (VwGH 05.09.2018, Ra 2017/12/0118).

Ob bestimmte tatsächliche Umstände "zwingende dienstliche Gründe" darstellen, die gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 einer Gewährung des Karenzurlaubes (ohne Interessensabwägung) von vornherein entgegenstehen, oder ob solche Umstände zwar keine "zwingende dienstliche Gründe" im vorgenannten Sinne darstellen, aber im Rahmen einer Interessensabwägung dazu zu führen haben, dass der Karenzurlaub (dennoch) nicht zu gewähren ist, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (VwGH 26.05.1999, 99/12/0107).

II.3.1.4. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die Beschwerdesache Folgendes:

Die Begründung des bekämpften Bescheides besteht im Wesentlichen aus der wörtlichen Widergabe des Antrages der BF sowie der Stellungnahme des Leiters der XXXX (VWA ./2 und ./3).

Soweit aus dem bekämpften Bescheid entnehmbar, besteht das private Interesse der BF darin, dass eine familiäre Betreuung ihrer Tochter nicht möglich ist, da ihre Eltern und Geschwister berufstätig sind und eine Absage für einen Kindergartenplatz erteilt worden ist. Das dienstliche Interesse wird mit der angespannten Personalsituation in der XXXX , insbesondere in der XXXX in jenem Bereich der Dienststelle in der die BF beschäftigt ist, begründet.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist jedoch nicht ersichtlich, ob der BF die Stellungnahme des Leiters der XXXX zur Kenntnis gebracht wurde und ihr die Möglichkeit eines Parteiengehörs eingeräumt wurde. Das sogenannte Überraschungsverbot verbietet es, in die rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einzubeziehen, die der Partei nicht bekannt waren (VwGH 19.06.2019, Ra 2019/02/0098).

In Zusammenhang einer angespannten Personalsituation kann dies sogar ein zwingendes dienstliches Interesse darstellen, welches die Gewährung eines Karenzurlaubes ausschließt (vgl. VwGH 16.06.1986, 85/12/0116; 12.12.1988, 87/12/0077 sowie 26.05.1999, Zl. 99/12/0107). Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass die bB offenbar dahingehend keine zwingenden dienstlichen Interessen annahm; es bleibt ihr aber nicht verwehrt, diese Umstände im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (vgl. VwGH 28.04.2008, 2005/12/0059).

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 28.05.1997, 94/12/0240, ausgesprochen hat, besteht die Ermessensentscheidung in einer Abwägung der für bzw. gegen die Gewährung des Karenzurlaubes sprechenden dienstlichen bzw. privaten Interessen, wobei der Behörde jedoch gerade in Ansehung der Gewichtung dieser Interessen ein Ermessensspielraum zukommt (vgl. auch VwGH 20.12.2004, 2004/12/0137). Entscheidend ist, dass das Ergebnis dieser Abwägung gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG dem "Sinn des Gesetzes" entspricht (VwGH 12.05.2010, 2009/12/0113).

Diesen Anforderungen wird die Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch nur dann gerecht, wenn sie neben der Darstellung des für die Gewährung des Karenzurlaubes sprechenden privaten Interessen der BF noch eine Abwägung derselben gegenüber den der Bewilligung entgegenstehenden dienstlichen Interessen enthält. Die Begründung im angefochtenen Bescheid wird diesen Anforderungen jedoch nur zum Teil gerecht.

Im bekämpften Bescheid sind zwar private Interessen der BF sowie die dienstlichen Interessen der bB erkennbar. Jedoch sind konkrete bzw. maßgebliche Überlegungen hinsichtlich der Gewichtung der privaten und dienstlichen Interessen aus dem Bescheid nicht zu entnehmen. Aus der bloßen Wiedergabe der Ausführungen der BF zu ihrem privaten Interesse bzw. der Wiedergabe der Ausführungen des Leiters der XXXX zum dienstlichen Interesse kann eine Gewichtung dieser Aspekte nicht gewonnen werden. D.h., aus der Begründung des bekämpften Bescheides kann gerade nicht entnommen werden, warum die bB ihren dienstlichen Interessen eine höhere Bedeutung beimisst als den privaten Interessen der BF. Im Zusammenhang mit dem Mehrbegehren (Karenzurlaub vom 08.04. bis 07.10.2020) führte die bB bloß aus, dass unter Abwägung der für bzw. gegen die Gewährung des Karenzurlaubes sprechenden dienstlichen bzw. privaten Interessen ein Karenzurlaub keinesfalls entsprochen werden kann. Da aus der Entscheidung der bB eine schlüssige Begründung nicht entnommen werden kann, dass die dienstlichen Interessen der bB höherwertiger sind, als die privaten Interessen der BF, erweist sich die vorgenommene Ermessensentscheidung als unvollständig.

Soweit im bekämpften Bescheid ausgeführt wurde, dass der BF für die Zeit vom 08.10.2019 bis 07.04.2020 ein Karenzurlaub gewährt wurde, um ihr die Möglichkeit zu geben, einen geeigneten Betreuungsplatz für ihre Tochter zu organisieren, so bezieht sich dieser Aspekt nur auf den genehmigten Zeitraum des Karenzurlaubes bis 07.04.2020. Ein nachvollziehbarer Bezug zur Abweisung des Mehrbegehrens, insbesondere hinsichtlich der Abwägungsentscheidung, kann daraus jedoch nicht gewonnen werden.

Aufgrund der unzureichenden Begründung hinsichtlich der Abwägung der privaten und dienstlichen Interessen stellen die Ausführungen der bB keine ausreichende Begründung für ihre Ermessensentscheidung dar. In gegenständlicher Beschwerdesache kann das Verwaltungsgericht nur überprüfen, ob sich die Ermessensübung der bB im Sinne des Gesetzes erwies. Das Verwaltungsgericht ist jedoch nicht befugt, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen oder eine unvollständige Ermessensentscheidung der bB zu ergänzen (vgl. VwGH 05.09.2018, Ra 2017/12/0118).

Auch ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht ersichtlich, ob der BF zur Stellungnahme des Leiters der XXXX die Möglichkeit eines Parteiengehörs eingeräumt wurde. Das sogenannte Überraschungsverbot verbietet es, in die rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einzubeziehen, die der Partei nicht bekannt waren (VwGH 19.06.2019, Ra 2019/02/0098). Da in der gegenständlichen Beschwerdesache dem BVwG verwehrt war, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, war es dem BVwG auch nicht möglich, die erstmaligen Ausführungen der BF zur Stellungnahme des Leiters der XXXX in ihrer Beschwerde (VWA ./6, Seite 1 und 2) zu berücksichtigen.

In gegenständlicher Beschwerdesache war sohin der Beschwerde hinsichtlich des Mehrbegehrens stattzugeben und der Bescheid gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die bB zurückzuverweisen. Wie bereits ausgeführt, ist es dem BVwG verwehrt, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. VwGH 05.09.2018, Ra 2017/12/0118).

Im fortgesetzten Verfahren hat die bB zunächst konkrete Feststellung zu den privaten Interessen der BF und ihren dienstlichen Interessen zu treffen. Soweit die bB weitere Ermittlungsschritte setzt, ist das Ergebnis der Beweisaufnahme der BF zur Kenntnis zu bringen und ihr die Möglichkeit eines Parteiengehörs einzuräumen. In der Folge ist dazustellen, ob ein zwingendes dienstliches Interesse vorliegt, welches die Gewährung eines Karenzurlaubes ausschließt. Wenn der Gewährung des Karenzurlaubes keine zwingenden dienstlichen Gründe entgegenstehen, obliegt die Gewährung des Karenzurlaubes im Ermessen der bB. Dabei besteht die Ermessensentscheidung in einer Abwägung der für bzw. gegen die Gewährung des Karenzurlaubes sprechenden dienstlichen bzw. privaten Interessen, wobei der bB jedoch gerade in Ansehung der Gewichtung dieser Interessen ein Ermessensspielraum zukommt.

II.3.2. Zum Entfall der Verhandlung:

II.3.2.1. Zur Rechtslage im gegenständlichen Beschwerdeverfahren:

§ 24 Abs. 2 VwGVG - Verhandlung - lautet:

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

II.3.2.2. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die Beschwerdesache Folgendes:

Da der bekämpfte Bescheid zu beheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen Grundlage für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Begründungsmangel Begründungspflicht dienstliche Interessen Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Interessenabwägung Justizanstalt Justizwachebeamter Karenzurlaub Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung Mehrbegehren private Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W245.2226554.1.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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