Entscheidungsdatum
18.05.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
W119 2190524-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Georg BÜRSTMAYR, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 3. 2. 2018, Zl IFA: 1093369810 Verfahren: 151693368, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährige Beschwerdeführer stellte gemeinsam mit seinen Eltern (Zl W119 2190530 und W119 2190528) und seinen Geschwistern (Zlen W119 2190529, W119 2190531 und W119 2190527) jeweils Anträge auf internationalen Schutz.
Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG führte die Mutter des Beschwerdeführers zunächst aus, aus der Provinz Herat zu stammen und der tadschikischen Volksgruppe anzugehören. Zu ihrem Fluchtgrund führte sie aus, dass ihre Tochter hätte zwangsverheiratet werden sollen, wogegen sie und ihr Ehemann sich aufgelehnt hätten, sodass es zu einer Feindschaft mit der gegnerischen Familie gekommen sei. Zudem sei es sehr schwierig gewesen, auf die Sicherheit ihrer drei Töchter zu achten, weshalb diese auch die Schule nicht hätten besuchen dürfen.
Am 12. 6. 2017 wurde die Mutter des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen und gab zunächst an, an Depressionen zu leiden, wogegen sie Medikamente einnehme. Weiters führte sie aus, dass jemand namens XXXX um die Hand ihrer Tochter angehalten habe, womit sie und ihr Ehemann nicht einverstanden gewesen seien. Zwei Monate später sei dieser Mann wiedererschienen. Er habe auch über andere Personen versucht, ihre Tochter zu einer Eheschließung zu bewegen. In weiterer Folge habe dieser Mann in ihrem Wohnhaus versucht, ihre Tochter zu vergewaltigen, um diese ihm übergeben zu müssen. Ihr Ehemann habe mit diesem Mann im Garten eine Auseinandersetzung gehabt, ihre Kinder hätten dies miterlebt. Aufgrund dieses Vorfalles hätte sie gemeinsam mit ihrer Familie die Flucht in den Iran angetreten.
In Österreich besuche sie Deutschkurse und sie wolle künftig als Schneiderin arbeiten.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 3. 2. 2018, Zl IFA: 1093369810 Verfahren: 151693368, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.
Mit Verfahrensanordnung vom 3. 2. 2018 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21. 2. 2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Eltern des Beschwerdeführers ausführlich zu ihren Fluchtgründen und Beschwerdevorbringen befragt wurden. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und am XXXX geboren. Er stellte am 4. 11. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um den Sohn der XXXX , der mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl W119 2190528, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und der damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer gehört als ihr Sohn der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers sowie aus den übereinstimmenden Akteninhalten der Mutter des Beschwerdeführers und dem Beschwerdeführer selbst. Der Beschwerdeführer gehört als ihr Sohn der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
A)
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriger Sohn der XXXX , weshalb ein Familienverfahren vorlag. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom heutigen Tag der Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zuerkannt und gleichzeitig gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war der Beschwerdeführer bereits volljährig, war jedoch weiterhin als Familienangehöriger anzusehen. Die Legaldefinition des Familienangehörigen in § 2 Z 22 AsylG 2005 stellt darauf ab, ob es sich zum Zeitpunkt der Antragstellung um ein minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde handelt. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung stellt das Gesetz bei der Definition des Familienangehörigen daher auf den Zeitpunkt der Antragstellung ab und perpetuiert diese Eigenschaft für das gesamte Verfahren, auch wenn der Betroffene zwischenzeitig volljährig wird (VwGH vom 28.10.2009, Zl. 2007/01/0532 zur vergleichbaren Regelung des § 1 Z 6 AsylG 1997).
Dem Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).
B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
Asylgewährung Asylverfahren Familienangehöriger Familienverfahren FlüchtlingseigenschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W119.2190524.1.00Im RIS seit
09.10.2020Zuletzt aktualisiert am
09.10.2020