Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1993 §18;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde des A H, geboren am 10. März 1971, vertreten durch Dr. Gerhard Ebner und Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwälte in Innsbruck, Anichstraße 24, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 18. Oktober 1994, Zl. III 314/94, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 18. Oktober 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Mai 1992 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Raubes nach §§ 143 Abs. 1, 143 Abs. 2 erster und zweiter Fall, § 15 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe in Brixlegg als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Bandenmitglieds und unter Verwendung einer Waffe mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) am 25. und 28. Oktober 1991 den Verfügungsberechtigten des Familia-Marktes Brixlegg Bargeld in unbekannter Höhe mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen versucht, indem er gemeinsam mit einem anderen Bandenmitglied maskiert und mit einem geladenen Gasrevolver bewaffnet Vorpaß auf die Geldboten des Familia-Marktes gehalten habe, während ein weiteres Bandenmitglied die Planung der Tat besorgt hatte, wobei die jeweilige Tatausführung nur deshalb unterblieben sei, weil die Geldboten zu dem erwarteten Zeitpunkt nicht erschienen seien; am 29. Oktober 1991 mit zwei weiteren Bandenmitgliedern den Verantwortlichen der Volksbank Schwaz Bargeld in Höhe von S 147.747,23 und DM 18.356,-- weggenommen, um sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, nachdem sie maskiert und mit einem gezogenen und geladenen Gasrevolver sowie einem Tränengasspray bewaffnet in der Filiale Brixlegg der Volksbank Schwaz durch die Drohung, zu schießen, wenn ihrem Begehren nicht entsprochen werde, die Bankkunden in Schach gehalten und - diesfalls auch durch Anwendung körperlicher Gewalt - die Bankangestellten zum Öffnen eines Tresors verhalten hätten.
Es könne kein Zweifel bestehen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers aufgrund dieser bestimmten Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 18 Abs. 1 leg. cit gefährde.
Der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und halte sich bereits seit elf Jahren im Bundesgebiet auf. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie seien daher sehr beträchtlich. Im Hinblick auf die Schwere seiner Straftaten sei diese Maßnahme jedoch zur Erreichung des im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles des Schutzes der Rechte anderer und Verhinderung strafbarer Handlungen dringend geboten (und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig). Auch wenn dem Beschwerdeführer vom Strafgericht wesentliche Milderungsgründe zugebilligt worden seien und dieser vorzeitig aus der Strafhaft entlassen worden sei, vermögen diese Umstände die Fremdenpolizeibehörde bei der von ihr vorzunehmenden Abwägung nicht zu binden. Der seit der Begehung der Straftat und der deshalb verbüßten Strafhaft verstrichene Zeitraum sei noch viel zu kurz, um davon ausgehend eine günstige Prognose hinsichtlich des künftigen Verhaltens des Beschwerdeführers anstellen zu können. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme. Der Hinderungsgrund für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 20 Abs. 2 FrG liege nicht vor. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Aufgrund der zugrundeliegenden schweren Straftaten und dem daraus hervorleuchtenden Charakterbild des Beschwerdeführers könne nicht vorhergesehen werden, wann die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Sicherheit weggefallen sein werde, weshalb gegebenenfalls ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; auf die Erstellung einer Gegenschrift wurde verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt gegen die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nichts vor.
Was die Frage der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG anlangt, so ist die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß mit dieser Maßnahme in relevanter Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde. Sie hat aber gleichfalls zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen dringend geboten ist.
Die Beschwerde sieht in diesem Zusammenhang eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides darin, daß sich die belangte Behörde darüber hinweggesetzt habe, daß der Beschwerdeführer vorzeitig (bedingt) aus der Strafhaft entlassen worden sei. Auch habe das Gericht anläßlich der Verurteilung des Beschwerdeführers diesen unter Anwendung außerordentlicher Milderungsgründe ("nur") zu vier Jahren Haft verurteilt.
Wie der Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die zur Vollziehung des Fremdengesetzes zuständige Behörde bei der Prüfung der Frage, ob die von einem Fremden begangene Straftat die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt und das Aufenthaltsverbot gemäß den §§ 19, 20 FrG zulässig ist, nicht an die für die Gewährung bedingter Strafnachsicht maßgeblichen Erwägungen des Gerichtes gebunden; sie hat diese Frage vielmehr eigenständig und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1170, mwN). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Beschwerdeführer über gerichtlichen Beschluß vorzeitig aus der Strafhaft entlassen wurde. Darin kann weder ein "sich-hinwegsetzen" über die noch ein "außer Kraft setzen" der Entscheidung des Gerichts durch die Verwaltungsbehörde erblickt werden, ist doch die "Sache" über die einerseits das Strafgericht und andererseits die Fremdenbehörde zu befinden hat, eine gänzlich verschiedene. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei nicht dringend geboten, weil sich der Beschwerdeführer vor der gegenständlichen Straftat während seines Aufenthaltes in Österreich wohlverhalten habe und das Geschworenengericht in Innsbruck erhebliche Milderungsgründe angenommen habe, ist der Gerichtshof mit der belangten Behörde der Auffassung, daß die der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des schweren Raubes zugrundeliegenden Straftaten die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zum Schutz der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Rechtsgüter erforderlich machen. Der in der Beschwerde angesprochene und im Strafverfahren als Milderungsgrund berücksichtigte Umstand, daß sich der Beschwerdeführer von dem "führenden" Bandenmitglied habe beeinflussen lassen, kann keineswegs das öffentliche Interesse an der Unterbindung seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet mindern. Es kann auch keine Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer nur in untergeordneter Weise an den Straftaten beteiligt gewesen wäre, hat er doch selbst unter Verwendung einer Waffe mehrfach an den ausgeführten Raubüberfällen teilgenommen. Es darf auch nicht übersehen werden, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Straftaten bereits 20 Jahre alt war und aktiv an insgesamt drei Raubüberfällen teilgenommen hat. So kann auch etwa das Geständnis eines Straftäters angesichts einer gegen ihn schon vorliegenden, verdichteten Beweislage die gemäß den §§ 18 ff FrG anzustellende Gefährlichkeitsprognose nicht mindern. Die belangte Behörde hat überdies richtig aufgezeigt, daß der seit Verbüßung der Stafhaft verstrichene Zeitraum viel zu kurz ist, um davon ausgehend eine für den Beschwerdeführer günstige Prognose erstellen zu können.
Die Beschwerde hält die Entscheidung der belangten Behörde auch deshalb für rechtswidrig, weil sie, ohne die Dauer des Aufenthaltes bzw. das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers sowie seine familiären Bindungen in Österreich ausreichend zu berücksichtigen, das Aufenthaltsverbot erlassen habe.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat die im § 20 Abs. 1 FrG vorgesehene Interessenabwägung durchgeführt, und zwar unter Bedachtnahme auf alle dazu von der Beschwerde ins Treffen geführten Gesichtspunkte. Daß sie hiebei zu einem dem Beschwerdeführer nachteiligen Ergebnis gelangt ist, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer hat mehrfach dokumentiert, daß er nicht geneigt ist, die körperliche Integrität und das Vermögen anderer zu respektieren, wobei besonders schwer wiegt, daß er auch vor der Verwendung von Waffen gegen andere Personen nicht zurückschreckt. Es ist zwar richtig, daß sich der Beschwerdeführer bereits elf Jahre im Bundesgebiet aufhält, jedoch ist aufgrund der Schwere und der Anzahl der Straftaten des Beschwerdeführers erwiesen, daß bei ihm die für eine Integration wesentliche soziale Komponente keineswegs sehr ausgeprägt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0035, mwN). Der Beschwerdeführer ist zwar mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, jedoch hat dieser Umstand hinter das öffentliche Interesse an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet zurückzustehen, zumal die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen wurde, als das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers bereits eingeleitet worden war und die Eheleute somit nicht mehr mit der Fortsetzung ihrer Lebensgemeinschaft im Inland rechnen durften.
Was die vom Beschwerdeführer bekämpfte Dauer des Aufenthaltsverbotes anlangt, ist darauf zu verweisen, daß nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0366) - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Wenn sich die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht imstande sah, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes innerhalb eines bestimmten Zeitraumes anzunehmen, so begegnet dies auf dem Boden der dargestellten Rechtslage unter Bedachtnahme auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Umstände keinem Einwand.
Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995210182.X00Im RIS seit
20.11.2000