Entscheidungsdatum
20.05.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G301 2229573-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Venezuela, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Clemens LAHNER in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 26.02.2020, Zl. XXXX , betreffend Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) im Wege seines Rechtsvertreters zugestellt am 28.02.2020, wurde der Antrag des BF vom 08.07.2019 auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG abgewiesen.
Mit dem am 12.03.2020 beim BFA, Regionaldirektion Wien, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 13.03.2020 vom BFA vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger der Bolivarischen Republik Venezuela.
Dem BF wurde aufgrund seines Antrags auf internationalen Schutz vom 18.10.2016 mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 19.06.2019, Zl. XXXX , gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (mit Gültigkeit bis XXXX .06.2020) erteilt.
Der BF war bei seiner Asylantragstellung im Besitz eines mittlerweile abgelaufenen venezolanischen Reisepasses mit Gültigkeit von XXXX .02.2014 bis XXXX .02.2019, der am 18.10.2016 von der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX sichergestellt und dem BFA übermittelt wurde. Aus einem mit 07.02.2018 datierten Aktenvermerk des BFA, Regionaldirektion Wien, geht hervor, dass dieser venezolanische Reisepass des BF von der Caritas bei der Behörde abgegeben worden sei. Eine Kopie dieses Reisepasses befindet sich im Verwaltungsakt. Der BF ist derzeit nicht im Besitz dieses Reisepasses.
Der BF beantragte am 08.07.2019 beim BFA, Regionaldirektion Wien, die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 FPG.
Es wird festgestellt, dass der BF nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates Venezuela zu beschaffen. Trotz mehrmaliger Versuche und Bemühungen wurde von der Botschaft Venezuelas in Wien ein Antrag des BF auf Ausstellung eines Reisepasses nicht entgegengenommen und dem BF somit auch kein Reisedokument ausgestellt. Der BF erhielt von der Botschaft Venezuelas in Wien über die entsprechende Internet-Seite in Bezug auf seine Online-Anfrage die schriftliche Auskunft, dass er für die Beantragung der Ausstellung eines neuen Reisepasses nach Venezuela reisen müsse, wo dieser dann ausgestellt werden würde.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellung, dass der BF nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates Venezuela zu beschaffen, beruht auf folgenden Erwägungen:
Der BF begründete den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses damit, dass er in der venezolanischen Botschaft gewesen sei, um einen Reisepass zu erhalten, man ihn jedoch ohne Angabe von Gründen weggewiesen hätte.
Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des BFA vom 13.11.2019 wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass die Abweisung seines Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses beabsichtigt sei, da er über einen abgelaufenen venezolanischen Reisepass verfüge. Er werde auch aufgefordert, bei der Botschaft Venezuelas in Wien vorzusprechen und die Verlängerung bzw. Neuausstellung des Reisepasses zu beantragen.
Mit Eingabe vom 21.11.2019 gab der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme ab. Der BF führte darin im Wesentlichen aus, dass er nicht im Besitz seines venezolanischen Reisepasses sei, da dieser im Jahr 2016 durch die LPD XXXX sichergestellt worden sei, wobei er eine diesbezügliche Bestätigung über die Sicherstellung beilegte. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass für eine persönliche Vorsprache beim venezolanischen Konsulat in Wien zwingend eine Terminvereinbarung über eine Website erforderlich sei. Der BF sei beim Versuch einer persönlichen Vorsprache in der Botschaft weggeschickt worden, weshalb er daraufhin versucht habe, über die Website der venezolanischen Botschaft einen Termin für die Ausstellung bzw. Verlängerung des Reisepasses zu bekommen. Der BF habe wie dort vorgegeben einen Account erstellt und eingegeben, dass er einen Termin für die Ausstellung eines Reisepasses im Ausland benötige. Nach abgeschlossener Daten-Eingabe sei als Ergebnis eine Meldung auf Spanisch erschienen, in der der BF aufgefordert worden sei, seinen Pass in Caracas zu verlängern. Der dem beigelegten Screenshot zu entnehmende Text lautete wie folgt:
„Su pasaporte está activo o tiene un pasaporte que puede ser prorrogado, estimado ciudadano, le invitamos a acceder a la solicitud de prórroga de pasaportes en Venezuela, en 48 horas es entregada en la Gran Caracas y en 5 dias hábiles en el resto de los estados“.
(Übersetzung: „Ihr Reisepass ist gültig oder Sie verfügen über einen Reisepass, der verlängert werden kann, geschätzter Bürger, wir ersuchen Sie, einen Antrag auf Verlängerung des Reisepasses in Venezuela vorzunehmen, innerhalb von 48 Stunden wird dieser in Groß-Caracas ausgegeben und innerhalb von 5 Werktagen in den übrigen [Bundes-]Staaten“.)
Der Stellungnahme des BF wurden Ausdrucke von Screenshots beigelegt, die die aufeinanderfolgenden Schritte zur Online-Terminvereinbarung für die Ausstellung bzw. Verlängerung eines venezolanischen Reisepasses bei der Botschaft dokumentieren. Auch die telefonische Nachfrage beim venezolanischen Konsulat habe ergeben, dass die Verlängerung oder Neuausstellung von Pässen beim Konsulat in Österreich nicht möglich sei.
Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid ihre abweisende Entscheidung lediglich damit, dass der BF über einen venezolanischen Reisepass (ausgestellt in Caracas am XXXX .02.2014 gültig bis XXXX .02.2019) verfüge, welcher beim BFA als Beweismittel (gemeint: im Asylverfahren) vorgelegt worden sei und im IFA-Akt einliege. Dem BF sei eine Vorsprache bei der Botschaft von Venezuela in Wien zwecks Ausstellung eines nationalen Reisepasses zumutbar.
Die gegenständliche Beschwerde stützt die behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheides im Wesentlichen darauf, dass sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen im Rahmen der Stellungnahme des BF nicht hinreichend auseinandergesetzt habe und keine Ermittlungen diesbezüglich angestellt habe, ob die Möglichkeit der Verlängerung bzw. Neuausstellung eines Reisepasses in der venezolanischen Botschaft in Wien tatsächlich möglich sei. Die belangte Behörde habe dadurch seine in § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG normierte Ermittlungspflicht verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet sei. Der Bescheid sei zudem nicht hinreichend begründet und weise eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung auf.
Wie in der Beschwerde zutreffend eingewandt wird, hat sich die belangte Behörde mit den konkretisierten und mit sogar mit Beweismitteln (Screenshots) untermauerten Ausführungen in der Stellungnahme des BF, wonach bei der venezolanischen Botschaft weder eine persönliche Vorsprache, noch die Online-Beantragung eines neuen oder verlängerten Reisepasses möglich sei, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Überdies lässt es die belangte Behörde auch unberücksichtigt, dass dem BF der – mittlerweile abgelaufene – Reisepass bereits im Zuge der Asylantragstellung abgenommen und dann auch nicht mehr retourniert wurde.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu ihrer gegenteiligen Schlussfolgerung gelangen konnte, dass dem BF eine Vorsprache bei der venezolanischen Botschaft in Wien sehr wohl zumutbar sei, ist in keiner Weise nachvollziehbar. So legte die belangte Behörde in der Begründung des Bescheides überhaupt nicht dar, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse sie überhaupt zu dieser Feststellung gelangen konnte. Die belangte Behörde geht in keiner Weise auf das substanziierte Vorbringen des BF ein, dass er sehr wohl bereits einen letztlich erfolglosen Versuch unternommen hätte, bei der venezolanischen Botschaft persönlich vorzusprechen, und daraufhin auch ein weiterer Versuch einer Online-Terminvereinbarung über die Website mit dem Ergebnis fehlgeschlagen sei, dass der BF für die Ausstellung des Reisedokuments nach Venezuela reisen müsste. Eine eingehende Würdigung der vorgelegten Ausdrucke von Screenshots lässt die belangte Behörde ohnehin auch gänzlich vermissen. Um die Behauptung des BF zu widerlegen, hätte die belangte Behörde aber ihrerseits konkret darlegen müssen, wie sie zum gegenteiligen Ergebnis kommen konnte, dass es dem BF nämlich sehr wohl möglich wäre, ein Reisedokument seines Heimatsstaates zu beschaffen.
Der belangten Behörde ist somit insgesamt vorzuwerfen, dass sie bei der Entscheidung über den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses die diesbezüglich vorgebrachten und auch inhaltlich substanziierten Ausführungen und Nachweise des BF im letztlich entscheidungswesentlichen Punkt zur Klärung der Frage, ob der BF in der Lage sei, einen Reisepass von der venezolanischen Botschaft in Wien zu erhalten, nicht in gebotener Weise würdigte.
Vielmehr ergibt sich, dass der BF von sich aus bereits mehrmals Versuche und Bemühungen unternommen hatte, um einen Termin bei der venezolanischen Botschaft in Wien für die Verlängerung bzw. Neuausstellung eines Reisepasses zu erhalten bzw. einen Online-Antrag einzureichen. Diese Bemühungen blieben schlussendlich erfolglos, da die venezolanische Botschaft keinen Reisepass ausstellte und der BF darauf verwiesen wurde, einen Antrag auf Verlängerung des Reisepasses in Venezuela stellen zu müssen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde (Spruchpunkt A.):
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Abweisung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses auf § 88 Abs. 2a FPG gestützt.
Gemäß § 88 Abs. 2a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, sind Fremdenpässe Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
Der BF ist Staatsangehöriger der Bolivarischen Republik Venezuela und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Dem BF kommt der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und er verfügt über eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung.
Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bundesgebiet zukommt, haben das subjektive Recht auf Ausstellung eines Fremdenpasses, sofern diese nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatlandes zu beschaffen und dem keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen.
Subsidiär Schutzberechtigte sind unter anderem dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Auslandsvertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Dem Fremden muss es konkret (tatsächlich) möglich sein, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn dem Antragsteller die Ausstellung eines Reisedokuments seitens der Vertretungsbehörde tatsächlich verweigert wird.
Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt und den diesbezüglichen Ausführungen in der Beweiswürdigung ergibt, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der BF zwar willens, aber tatsächlich nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen, weil dafür nach Auskunft der venezolanischen Botschaft in Wien eine Rückkehr nach Venezuela erforderlich wäre. Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat kann dem BF im Hinblick auf den ihm zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Venezuela allerdings nicht zugemutet werden.
Letztlich wurde von der belangten Behörde nicht dargelegt, dass der Ausstellung eines Fremdenpasses allenfalls zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen würden.
Da alle Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG vorliegen und sich der angefochtene Bescheid daher als rechtswidrig erwiesen hat, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG aufzuheben.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da im vorliegenden Fall bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte – trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages – gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Fremdenpass Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2229573.1.00Im RIS seit
08.10.2020Zuletzt aktualisiert am
08.10.2020