TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 G306 2223751-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

G306 2223751-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA.: Serbien, vertreten durch Diakonie und Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 23.08.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)       Der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, als die Befristung des Einreiseverbotes auf 2 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX .2019 um 11:36 Uhr von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und am selben Tag in die Justizanstalt XXXX eingeliefert. Mit Beschluss des Landesgericht XXXX , Zl.: XXXX vom XXXX .2019 wurde der BF in Untersuchungshaft genommen. Per E-Mail vom XXXX .2019 wurde das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, von der Justizanstalt Wiener Neustadt, über die Inhaftierung des BF verständigt.

Mit Urteil des Landesgericht XXXX , Zl.: XXXX , vom XXXX .2019, wurde der BF wegen der Verbrechen des schweren begangenen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 130 Abs. 1 zweiter Fall und Abs. 2 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt.

Der BF wurde am 23.08.2019 vor dem BFA zu der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot, niederschriftlich einvernommen

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 23.08.2019, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den BF erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von 7 Jahren erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Der BF wurde am XXXX .2019 über den Flughafen XXXX nach Serbien, Belgrad, abgeschoben. Der BF befindet sich seit dieser Zeit nicht mehr im Bundesgebiet

Mit per E-Mail, am 20.09.2019 beim BFA eingebrachten Schreiben, erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (RV), Beschwerde in vollem Umfang an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, jeweils in eventu die ersatzlose Behebung des Bescheides, die Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes sowie die Behebung des angefochtenen Bescheides, beantragt.

Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt, wurde dem BVwG vom BFA am 20.09.2019 vorgelegt.

Mit Schreiben vom XXXX .2019 des BFA per Mail, wurde dem BVwG eine Meldung der Landespolizeidirektion XXXX in Vorlage gebracht, aus der hervorging, dass der BF neuerlich wegen einer Straftat zur Anzeige gebracht wurde.

Mit Verständigung von der Beweisaufnahme vom 29.04.2020 des BVwG, wurde die RV über die neuerliche Anzeigeerstattung des BF in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 15.05.2020 nahm die RV Stellung und brachte als Beweis eine Bestätigung der Staatsanwaltschaft XXXX , aus der hervorgeht, dass das Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen § 127 StGB am 28.10.2019 gemäß § 192 Abs. 1 Z 1 StPO eingestellt wurde, zur Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Serbien, ledig, hat Obsorgeverpflichtungen für zwei mj Kinder, gesund, arbeitsfähig und der serbischen Sprache mächtig.

Der genaue Einreisezeitpunkt ins Bundesgebiet konnte nicht festgestellt werden, und weist der BF bis auf seine Anhaltung in Justizanstalten beginnend mit XXXX .2017 – XXXX .2017 sowie XXXX .2019 – XXXX .2019, im PAZ XXXX mit XXXX .2019 – XXXX .2019, keine Wohnsitzmeldungen in Österreich auf.

Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet erweist sich als unrechtmäßig.

Der BF verfügt weder über familiäre noch soziale Anknüpfungspunkte in Österreich, und geht keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach. Auch sonst konnten keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer – besonderen – Integration des BF in Österreich festgestellt werden. Die gesamte Kernfamilie des BF lebt im Heimatstaat Serbien.

Mit rechtskräftigen Urteil des Landesgericht XXXX , Zl.: XXXX , vom XXXX .2019, wurde der BF wegen der Verbrechen des schweren begangenen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 130 Abs. 1 zweiter Fall und Abs. 2 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Anhaltung in Justizanstalten und Polizeianhaltezentrum sowie das Fehlen sonstiger Wohnsitzmeldungen in Österreich beruhen auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

Die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus den in der rechtlichen Beurteilung näher ausgeführten Tatsachen.

Die strafgerichtliche Verurteilung des BF, die näheren Ausführungen zu den Straftaten und deren Gründe und zu den Strafbemessungsgründen sowie die Feststellung, dass der BF die beschriebenen Handlungen gesetzt hat, beruhen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichts (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich) sowie einer Ausfertigung des oben zitierten Strafurteils.

Die sonstigen oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, jenen in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten wurde.

Dass das Strafverfahren gegen den BF – Anzeige vom XXXX .2019 des SPK XXXX – seitens der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt wurde, ergibt sich aus der in Vorlage gebrachten Einstellungsbeschluss eben dort.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jemand der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit, ein Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist als Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit Drittstaatsangehöriger iSd. § 4 Abs. 4 Z 10 FPG.

Staatsangehörige der Republik Serbien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, idgF von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerksfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen. Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG idF. BGBl. I 68/2013 halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Der BF reiste zuletzt – ein genauer Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden – zumindest im Juli 2019 ins Bundesgebiet ein und hielt sich seither in diesem auf (Tatbegehung und strafrechtliche Verurteilung sowie Inhaftierung).

Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet erweist sich, ungeachtet der ihm an sich zustehenden Möglichkeit der zuvor dargelegten visumsfreien Einreise – angesichts seiner gerichtlich geahndeten – wie in der rechtlichen Beurteilung näher dargelegt wird – grundsätzlich, wegen der anzunehmenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Verhängung eines Einreiseverbotes erlaubenden, strafrechtlichen Verfehlungen aufgrund der dadurch bedungenen Nichterfüllung der Einreisevoraussetzungen iSd. Art 5 Abs. 1 lit. e Schengener Grenzkodex auch diesbezüglich als unrechtmäßig.

Da sich der BF nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ist zunächst gemäß § 58 Abs 1 AsylG von Amts wegen die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG zu prüfen. Gemäß § 58 Abs 3 AsylG ist darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung sind nicht erfüllt, weil der Aufenthalt des BF nie geduldet iSd § 46a FPG war und er von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er Zeuge oder Opfer strafbarer Handlungen oder Opfer von Gewalt wurde.

Da der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG ("Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung", §§ 41 bis 45c FPG) fällt, ist die Entscheidung über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nach § 10 Abs 2 AsylG und § 52 Abs 1 Z 1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

Nach § 9 Abs 1 BFA-VG ist (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des BF eingreift, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des BF, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198). Da die Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bezogen sein soll, darf die Frage nach dem damit verbundenen Eingriff in das Privat- oder Familienleben nicht allein im Hinblick auf die Verhältnisse des BF in Österreich beurteilt werden, sondern es ist auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten in den Blick zu nehmen (vgl. VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007), auch wenn ein Einreiseverbot die Erteilung einer Einreiseerlaubnis oder einer Aufenthaltsberechtigung durch einen anderen Mitgliedstaat nicht absolut ausschließt (vgl. insbesondere Art 11 Abs 4 der Rückführungsrichtlinie; siehe VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob sie auf Dauer unzulässig ist, also wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht verfügen, unzulässig wäre.

Die Rückkehrentscheidung greift nicht in das Privat- und Familienleben des BF ein, da er angab in Österreich nur über eine Tante väterlicher Seits zu verfügen. Er angab, in Österreich nie über einen Wohnsitz verfügt zu haben und immer wieder nur 2 – 3 Mal im Jahr – für ein paar Tage – nach Österreich gekommen zu sein. Des Weiteren machte der BF keinerlei Angaben über die Beziehung zu seiner in Österreich lebenden Tante. Dass kein enger Kontakt zu ihr besteht, ergibt sich auch daraus, dass der BF bei seinem letztmaligen Aufenthalt im Bundesgebiet bei seinen Freund Unterkunft nahm und auch von diesem verpflegt wurde. Der BF spricht kein Deutsch und besitzt keine Genehmigung, in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten oder sich längerfristig dort aufzuhalten. Eine besondere Integration in Österreich ist nicht erkennbar, zumal für seinen Lebensunterhalt der Freund aufkam. Er hat nach wie vor ausreichende Bindungen zu seinem Herkunftsstaat, wo er sein bisheriges Leben verbrachte, sprachkundig und mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut ist. Aufgrund seines erwerbsfähigen Alters und des Fehlens gesundheitlicher Beeinträchtigungen wird es ihm möglich sein, in Serbien wieder Arbeit zu finden und sich dort eine Existenz aufzubauen. Darüber hinaus gab der BF an in Serbien als Hilfskoch gearbeitet zu haben. Aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung und dem weiteren Verstoß gegen die öffentliche Ordnung (Missachtung melderechtlicher Vorschriften) besteht ein besonders großes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung.

Aufgrund der Straffälligkeit des BF ist daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn in einer Gesamtbetrachtung der nach § 9 BFA-VG zu berücksichtigenden Umstände zulässig und geboten. Die Rückkehrentscheidung ist angesichts der Schwere der Verstöße des BF gegen die österreichische Rechtsordnung zur Verwirklichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele, namentlich der Verhinderung strafbarer Handlungen, des Schutzes der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit sowie der Rechte und Freiheiten anderer, dringend geboten. Die vom BFA erlassene Rückkehrentscheidung ist daher nicht zu beanstanden.

Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist die Abschiebung des BF nach Serbien zulässig, zumal es sich um einen sicheren Herkunftsstaat nach § 1 Z 6 HStV handelt. Es liegen unter Berücksichtigung der stabilen Situation dort und der Lebensumstände des gesunden und arbeitsfähigen BF keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, verbunden werden, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder ein anderes in Art 8 Abs 2 EMRK genanntes öffentliches Interesse aus, kann gemäß § 53 Abs 3 FPG ein Einreiseverbot für bis zu zehn Jahre verhängt werden. Dies ist (soweit hier relevant) insbesondere dann der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige von einem Gericht rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt wurde (§ 53 Abs 3 Z 1 erster Fall FPG). Bei einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren kann gemäß § 53 Abs 3 Z 5 FPG sogar ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen sei eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer schwerwiegenden Gefährdung öffentlicher Interessen gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung und Bestrafung des Betroffenen abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt. Es ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; VwGH Ra 2016/21/0289).

Der BF wurde mit Urteil des Landesgericht XXXX , Zl.: XXXX vom XXXX .2019 zu einer 14-monatigen bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Das genannte Urteil lautet auszugsweise:

„Im Namen der Republik

Sachverhalt: XXXX ist schuldig, er hat zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem XXXX .2017 in XXXX dadurch, dass er XXXX ersuchte, sein Fahrzeug XXXX und XXXX für den Diebstahl eines Motorrads zur Verfügung zu stellen, zur Ausführung der genannten strafbaren Handlung von XXXX und XXXX , die zwischen XXXX .2017 und XXXX .2017 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Motorrad der Marke Suzuki XXXX , mit dem behördlichen Kennzeichen XXXX , im Wert von zumindest € 7.000,-- dem XXXX mit dem Wortsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen haben, wobei sie den Diebstahl an Sachen, deren Wert € 5.000,-- übersteigt, und den schweren Diebstahl nach § 128 Abs 1 StGB im Rahmen einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung begingen, einen sonstigen Beitrag geleistet.

Strafbare Handlungen: das Verbrechen des schweren Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB.

Strafe: nach dem § 130 Abs 2 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil eines serbischen Gerichtes aus dem Jahr 2019 gemäß §§ 31, 40 StGB, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von

14 (vierzehn) Monaten

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Angerechnete Vorhaft: Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB werden die vom Angeklagten die erlittene Vorhaften, und zwar vom XXXX .2017, 19.45 Uhr, bis zum XXXX .2017, 13.00 Uhr, und vom XXXX .2019, 11.36 Uhr, bis zum XXXX .2019, 12.18 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

Kostenentscheidung: Gemäß § 389 Abs 1 StPO wird der Angeklagte zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Strafbemessungsgründe:

mildernd: - bisher ordentlicher Lebenswandel, Sicherstellung des Motorrades, untergeordneter Tatbeitrag

erschwerend: - mehrfache Qualifikation das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (ergibt sich aufgrund der vom Angeklagten behaupteten Verurteilung wegen Diebstahls in Serbien dieses Jahr);“

Das Strafgericht führte aus, dass der BF einen untergeordneten Tatbeitrag geleistet hat, indem er seinen Freund ersuchten sein Motorrad den späteren Tätern zur Begehung eines Diebstahles, zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren liegt der Tatzeitpunkt bereits 3 Jahre zurück.

Es ist aber auch zu berücksichtigten, dass das Strafgericht den Strafrahmen bei der Verurteilung bei weitem nicht ausschöpfte, dass der BF erstmals im Bundesgebiet strafgerichtlich verurteilt wurde und zum ersten Mal in Haft war, wobei dem Erstvollzug im Allgemeinen eine erhöhte spezialpräventive Wirksamkeit zukommt. Ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von 7 Jahren steht daher außer Relation zu der über ihn verhängten – ausschließlich bedingten Freiheitsstrafen und dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe. Dabei soll die Sicherstellung des Diebesgutes und der Umstand, dass der BF als Beitragstäter auftrat, nicht unberücksichtigt bleiben.

Demgemäß ist die Dauer des Einreiseverbots entsprechend dem darauf gerichteten Eventualantrag in der Beschwerde auf zwei Jahre zu reduzieren. Ein Einreiseverbot in dieser Dauer ist notwendig, aber auch ausreichend, um der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Eine komplette Aufhebung scheitert an der Tatsache, dass der BF in Serbien im Jahr 2018, ebenfalls wegen Diebstahls zu einer 6-monatigen bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde (siehe Ausführungen Gerichtsurteil).

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen von der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.01.2019, Ra 2018/18/0272).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, kann die Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der vom BF in der Beschwerde ergänzend vorgebrachten Tatsachen ausgegangen wird.

Zu Spruchteil B):

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH Ra 2016/21/0284). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Einreiseverbot Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen Resozialisierung Rückkehrentscheidung Unrechtsgehalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2223751.1.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten