TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 W215 2120033-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AVG §73
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W215 2120033-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Republik Usbekistan, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am 01.08.2014 gestellten Antrag auf internationalen Schutz, Zahl 491647105-1292380, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Republik Usbekistan wird gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, in Verbindung mit § 9 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, auf Dauer für unzulässig erklärt und XXXX gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 58 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, in Verbindung mit § 55 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz,

BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

Die Antragstellerin, deren Identität nicht feststeht, reiste nach eigenen Angaben bereits am 15.03.2009 gemeinsam mit ihrem damaligen Ehegatten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, stellte aber erst am 07.05.2009 ihren ersten Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz und gab an XXXX zu heißen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.05.2010, Zahl 09 05.398-BAW, wurde der erste Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde die Antragstellerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Usbekistan ausgewiesen.

Nach der Geburt des ersten Kindes im Bundesgebiet wurde für dieses am 23.07.2010 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.08.2010, Zahl 10 06.480-BAW, wurde dieser ebenfalls abgewiesen und dieses Kind aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Usbekistan ausgewiesen.

Die gegen die abweisenden Bescheide erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 23.11.2010, Zahlen 1) D18 413796-1/2010 und

2) D18 415010-1/2010, gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 AsylG und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidungen erwuchsen mit 11.12.2010 in Rechtskraft.

In weiterer Folge kam die Antragstellerin ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern verblieb illegal im Bundesgebiet und brachte für sich und ihr erstgeborenes Kind am XXXX bei der XXXX Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln ein. Diese Anträge wurden - ebenso wie die Anträge der später (nach)geborenen beiden Kinder - am XXXX mit der Begründung zurückgewiesen, dass seit der rechtskräftig erlassenen Ausweisung in Bezug auf das Privat- und Familienleben kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervorgekommen sei.

2. Gegenständliches Verfahren:

Die Antragstellerin kam ihrer Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nach und stellte während ihres illegalen Aufenthaltes für sich und ihre drei Kinder Anträge auf internationalen Schutz. Sie gab im zweiten Asylverfahren an XXXX zu heißen.

Auf die Frage, warum die Antragstellerin neuerlich einen Asylantrag stelle und was sich konkret seit der Rechtskraft gegenüber dem bereits entschieden Verfahren geändert habe, führte die Antragstellerin zusammengefasst aus, dass ihr Ehegatte sie schlage, sehr oft mit ihr streite und auch schlecht zu den Kindern sei. Am XXXX sei sie von ihrem Ehegatten in der Wohnung gefährlich bedroht worden, woraufhin sie die Polizei verständigt habe und mit ihren Kindern ins Frauenhaus geflüchtet sei. Sie habe Angst vor ihrem Ehegatten und wenn sie zurück nach Usbekistan fahren würden, hätten sie keinen Schutz vor ihm. Im Fall einer Rückkehr fürchte sie sich auch vor der Familie ihres Ehegatten und vor ihrem Bruder, weil sie ihren Ehegatten verlassen und deshalb Schande über die Familie gebracht habe.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde die Ehe zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehegatten einvernehmlich geschieden.

Am 27.08.2015 erhoben die Antragstellerin wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG und führten aus, dass sie am 01.08.2014 Asylfolgeanträge gestellt hätte und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seither keine Entscheidung getroffen habe.

Mit Schreiben vom 18.01.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 22.01.2016, übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Säumnisbeschwerde der Antragstellerin und teilte mit, dass nach individueller Prüfung des Aktes eine Erledigung im vorliegenden Fall nicht fristgemäß erfolgen könne.

Am XXXX reiste der Ex-Ehegatten der Antragstellerin unter Gewährung von Rückkehrhilfe freiwillig in die Republik Usbekistan aus.

Mit Schreiben vom 06.05.2019 beauftragte das Bundesverwaltungsgericht gemäß

§ 19 Abs. 6 AsylG das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit der niederschriftlichen Befragung der Antragstellerin.

Am 15.07.2019 wurde die Antragstellerin im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Dabei gab sie an, dass ihre Eltern und drei Schwestern weiterhin in der Republik Usbekistan leben würden und ein Bruder in Portugal aufhältig sei. Das Verhältnis zu ihrer Familie sei normal und sie hätten Kontakt. Die Antragstellerin sei seit XXXX geschieden und habe seit XXXX die alleinige Obsorge über die drei gemeinsamen Kinder. Sie habe seit der Scheidung keinen Kontakt mehr mit ihrem Ex-Ehegatten; ihre Kinder hätten seit 2019 keinen Kontakt zu ihm. Von ihren Kindern wissen sie, dass ihr Ex-Ehegatte derzeit in der Türkei aufhältig sei. Im Fall einer Rückkehr nach Usbekistan habe sie Angst vor ihrem

Ex-Ehegatten und weiters gebe es ein Strafverfahren gegen sie, da ihr Ex-Ehegatte sich in der Republik Usbekistan über die Antragstellerin beschwert und gesagt habe, dass die Antragstellerin sich in Österreich einer religiösen Frauengruppe angeschlossen habe. Die Antragstellerin fürchte, dass sie bei ihrer Rückkehr von der Polizei festgenommen werde und die Kinder alleine wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies - trotz anhängigen Säumnisbeschwerdeverfahren - mit Bescheiden vom 05.08.2019, Zahlen

1) 491647105-14843495, 2) 526677205-14843547, 3) 597968008-14843601 und

4) 1024183609-14843610, die (zweiten) Anträge auf internationalen Schutz gemäß

§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung der Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan (Spruchpunkt II.) ab, erteilte gemäß § 57 AsylG Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Antragsteller nach Usbekistan gemäß § 46 FPG jeweils zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen (Spruchpunkt IV.).

Gegen diese Bescheide, zugestellt am 07.08.2019, erhob die Antragstellerin am 04.09.2019 Beschwerden, in denen sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholten und auf ihre Integration (Schulbesuch der Kinder, Deutschkenntnisse und Freundschaften der Antragstellerin) hinwiesen.

Die Beschwerdevorlagen vom 05.09.2019 langten am 06.09.2019 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 03.12.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen die Antragstellerin und ihre Vertreterin. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Die Antragstellerin und ihre Vertreterin verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung; zur Erstattung einer Stellungnahme wurde eine Frist von zwei Wochen eingeräumt.

Am 18.12.2019 langte eine schriftliche Stellungnahme der Antragstellerin im Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019,

Zahlen a) 1) W215 2120033-2/5E, 2) W215 2120873-2/5E, 3) W215 2120871-2/4E und

4) W215 2120875-2/5E, hob das Bundesverwaltungsgericht die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2019, Zahlen 1) 491647105-14843495,

2) 526677205-14843547, 3) 597968008-14843601 und 4) 1024183609-14843610, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde gemäß § 28 Abs. 1 iVm

§ 16 Abs. 1 VwGVG auf und erklärte jeweils die Revision nach

Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019,

Zahlen b) 1) W215 2120033-1/9E, 2) W215 2120873-1/9E, 3) W215 2120871-1/8E und

4) W215 2120875-1/8E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Anträge auf internationalen Schutz A) in Spruchpunkt I. hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und in Spruchpunkt II. hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab. In Spruchpunkt III. wurden den Antragstellern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie Rückkehrentscheidungen erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Republik Usbekistan jeweils zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde in Spruchpunkt IV. jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. In Spruchpunkt B) wurde die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019,

b) 1) W215 2120033-1/9E, erhob lediglich die Antragstellerin mit Schreiben vom 06.02.2020 außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und führte aus, dass das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet sei. Aus Kostengründe erhebe nur sie außerordentliche Revision, aber da es sich gegenständlich um ein Familienverfahren handle, seien ihre Kinder, gegen die gleichlautende Entscheidungen ergangen seien, ohnehin mitbetroffen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.04.2020, Ra 2020/20/0055-9, wurde das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019,

b) 1) W215 2120033-1/9E, in Spruchpunkt b) A) III., soweit damit eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass die Abschiebung der Antragstellerin in die Republik Usbekistan zulässig sei, und in Spruchpunkt IV., soweit die Frist für die freiwillige Ausreise in Bezug auf die Revisionswerberin festgelegt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wurde die Revision zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen sei, wonach bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen sei.

1. Feststellungen:

1. Die Identität der Antragstellerin steht nicht fest. Die Antragstellerin ist geschieden und alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die im Bundesgebiet geboren wurden. Sie ist Staatsangehörige der Republik Usbekistan und moslemischen Glaubens. Die Muttersprache der Antragstellerin ist Tadschikisch. Sie beherrscht darüber hinaus auch Russisch, Usbekisch, Farsi und Türkisch.

Die Antragstellerin reiste am 15.03.2009 mit ihrem damaligen Ehegatten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 07.05.2009 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Nachdem der Antrag zuletzt mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 23.11.2010, Zahl D18 413796-1/2010, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen worden waren, verblieben die Antragstellerin illegal im Bundesgebiet und stellte am XXXX bei der XXXX einen Antrag auf Erteilung von Aufenthaltstiteln. Dieser Antrag wurde am XXXX zurückgewiesen.

Nach bald vierjährigem illegalem Aufenthalt in Österreich stellte die Antragstellerin gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und erhob mit Schreiben vom 27.08.2015 wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Nachdem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts am 15.07.2019 eine niederschriftliche Befragung der Antragstellerin durchführte, wurde - trotz anhängigen Säumnisbeschwerdeverfahrens - mit Bescheid vom 16.11.2015, Zahl 831253100-1711983, der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung der Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Antragstellerin nach Usbekistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen (Spruchpunkt IV.). Dagegen erhob die Antragstellerin am 04.09.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und der erstinstanzliche Bescheid wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019, Zahl W215 2120033-2/5E, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde gemäß § 28 Abs. 1 iVm

§ 16 Abs. 1 VwGVG aufgehoben sowie die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019, Zahl W215 2120033-1/9E, wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf internationalen Schutz in Spruchpunkt b) A) I. hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und in Spruchpunkt II. hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab. In Spruchpunkt III. wurden der Antragstellerin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Republik Usbekistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde in Spruchpunkt IV. mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. In Spruchpunkt B) wurde die Revision nach

Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019,

Zahl W215 2120033-1/9E, erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 06.02.2020 außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.04.2020, Ra 2020/20/0055-9, wurde das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019, Zahl W215 2120033-1/9E, in Spruchpunkt b) A) III., soweit damit eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass die Abschiebung in die Republik Usbekistan zulässig sei, und in Spruchpunkt IV., soweit die Frist für die freiwillige Ausreise in Bezug auf die Revisionswerberin festgelegt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wurde die Revision zurückgewiesen.

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten und des Status der subsidiär Schutzberechtigten im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019, Zahl W215 2120033-1/9E, in Spruchpunkt b) A) I. und II. erwuchs somit in Rechtskraft.

2. Die Antragstellerin hält sich seit ihrer illegalen Einreise im März 2009 durchgehend in Österreich auf und stellte erst am 07.05.2009 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Nach negativem Abschluss ihres ersten Asylverfahrens durch das Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 23.11.2010, Zahl D18 413796-1/2010, kam sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern verblieben illegal im Bundesgebiet und stellte am XXXX bei der XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, der am XXXX zurückgewiesen wurden. Nach bald vierjährigem illegalen Aufenthalt in Österreich stellte die Antragstellerin am 01.08.2014 den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Obwohl sich die Antragstellerin seit nunmehr zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält, hat sie diesen langen Zeitraum kaum für ihre Integration genützt. Zwar besuchte die Antragstellerin während ihres Aufenthaltes in Österreich einige Deutschkurse, legte jedoch erst am XXXX - und somit mehr als neun Jahre nach ihrer illegalen Einreise - die Integrationsprüfung ab. Die Antragstellerin spricht sehr viel und schnell Deutsch, kann jedoch kaum richtige Sätze bilden und weist insbesondere bei der deutschen Grammatik massive Defizite auf. Abgesehen von dem Besuch von Deutschkursen besuchte die Antragstellerin keine Fortbildungsveranstaltungen, übte nie ehrenamtlichen Aufgaben aus, hat nur im Jahr XXXX , nicht einmal drei Monate lang, in Österreich gearbeitet und ist kein Mitglied in einem Verein. Die Antragstellerin verbringt die Tage damit, sich um ihre Kinder zu kümmern, Deutschkurse zu besuchen, spazieren zu gehen und das Museum sowie die Bücherei zu besuchen. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung in Österreich kann nicht festgestellt werden.

Die Antragstellerin ist unbescholten, nicht selbsterhaltungsfähig und in die Grundversorgung einbezogen. Sie verfügt abgesehen von ihren familiären Bindungen zu ihren Kindern über keine weiteren Familienangehörigen in Österreich. Finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten zu in Österreich lebenden Personen können nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

1. Die Identität der Antragstellerin (siehe Feststellungen 1.) konnte mangels Vorlage eines usbekischen Identitätsdokuments mit Lichtbild nicht festgestellt werden. Im ersten Asylverfahren gab die Antragstellerin an, dass ihr Vorname XXXX laute, im zweiten Asylverfahren XXXX .

2. Die Feststellungen zur Sprachprüfung der Antragstellerin beruht auf der Kopie der Bestätigung, wonach sie am XXXX die Integrationsprüfung erfolgreich absolviert hat. Die Feststellungen, dass die Antragstellerin in Österreich auf keine ausgeprägten und verfestigten individuellen integrativen Anknüpfungspunkte hinsichtlich ihres Privat- und Familienlebens verweisen kann, gründet sich auf den Umstand, dass Gegenteiliges im Verfahren nicht hervorgekommen ist und auf Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Zentrales Fremdenregister, Grundversorgungs-Informationssystem, Strafregister); diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.04.2020, Ra 2020/20/0055-9, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019, W215 2120033-1/9E, mit dem der zweite Antrag der Antragstellerin auf internationalen Schutz in Spruchpunkt

b) A) I. hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten und in Spruchpunkt

II. hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde, in Spruchpunkt III. der Antragstellerin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt wurde, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass ihre Abschiebung in die Republik Usbekistan zulässig sei, die Frist für die freiwillige Ausreise in Spruchpunkt IV. mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt wurde sowie in Spruchpunkt B) die Revision nach

Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt wurde, teilweise aufgehoben:

Spruchpunkt b) A) III. wurde, soweit damit eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass die Abschiebung der Antragstellerin in die Republik Usbekistan zulässig sei, und in Spruchpunkt IV., soweit die Frist für die freiwillige Ausreise in Bezug auf die Revisionswerberin festgelegt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wurde die Revision zurückgewiesen.

Somit ist die Abweisung des zweiten (Folge-)Antrags der Antragstellerin auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten und des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Rechtskraft erwachsen.

Es wird explizit festgehalten, dass lediglich die Antragstellerin eine außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019, W215 2120033-1/9E, erhoben hat und der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 06.04.2020, Ra 2020/20/0055-9, auch nur dieses teilweise zu zwei Spruchpunkten aufgehoben hat; verfahrensgegenständlich ist somit nur das noch zu W215 2120033-1 teilweise anhängige Verfahren der Antragstellerin.

Nur der Vollständigkeit halber wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich die Bestimmung des § 16 Abs. 3 BFA-VG, wonach die auch nur von einem Familienangehörigen gegen einen im Familienverfahren erlassenen Bescheid erhobene Beschwerde, auch als Beschwerde gegen die, die anderen Familienangehörigen betreffenden, Entscheidungen gilt, lediglich für Beschwerdeverfahren anwendbar ist. Eine vergleichbare Regelung für das - mit Verfahrenskosten verbundene - Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist hingegen nicht ersichtlich.

Zu A) Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung und Erteilung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus":

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 des § 10 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

Bereits im vorangegangenen Erkenntnis vom 27.12.2019, wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, nicht vorliegen, weil der Aufenthalt der Antragstellerin weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die Antragsteller Opfer von Gewalt gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, wurden; dieser Ausspruch wurde in der außerordentlichen Revision nicht bekämpft und ist damit in Rechtskraft erwachsen.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ist der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre. (§ 9 Abs. 3 BFA-VG, in der Fassung

BGBl. I Nr. 70/2015).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt kann den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen bzw. eine Ausweisung als unverhältnismäßig erscheinen lassen (vgl. VwGH 10.05.2011, 2011/18/0100 mit Verweis auf VwGH 25.09.2009, 2007/18/0538; 26.08.2010, 2010/21/0009, und 2010/21/0206; 20.01.2011, 2010/22/0158).

Jedoch ist auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (VwGH vom 29.08.2018, Ra 2018/22/0180).

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 06.04.2020, Ra 2020/20/0055-9, ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht den festgestellten, die Integration der Antragstellerin betreffenden Umständen, nicht die nach der Rechtsprechung in Bezug auf Konstellationen mit einer derart langen Aufenthaltsdauer zukommende Bedeutung beigemessen habe. Anhand der getroffenen Feststellungen könne die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Ansicht, im gegenständlichen Fall stelle sich trotz des Aufenthalts der Revisionswerberin im Bundesgebiet in der Dauer von mehr als zehneinhalb Jahren die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Hintergrund der in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien noch als verhältnismäßig dar, nicht geteilt werden.

Im konkreten Fall ist daher nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs die Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Republik Usbekistan gemäß

§ 52 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, auf Dauer für unzulässig zu erklären.

Gemäß § 54 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, werden Drittstaatsangehörigen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt als:

1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt,

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,

3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 sind für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar (§ 54 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012).

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen

die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen (§ 55 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87 /2012).

Gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017 (IntG), in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2019, ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

Gemäß § 11 Abs. 1 IntG, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2019, wird die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

Gemäß § 11 Abs. 2 IntG umfasst die Prüfung Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

Die Antragstellerin hat am 03.10.2018 die Integrationsprüfung bestanden und sohin das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt. Es liegt daher die Voraussetzungen des

§ 55 Abs. 1 Z 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, iVm § 9 Abs. 4 IntG, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2019, iVm § 11 Abs. 2 IntG, vor und ist der Antragstellerin somit gemäß

§ 55 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat der Antragstellerin den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, auszufolgen, welcher gemäß

§ 54 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen ist; die Antragstellerin hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, mitzuwirken.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. In dem konkreten Fall ist die Rückkehrentscheidung aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 06.04.2020, Ra 2020/20/0055-9, auf Dauer für unzulässig zu erklären, weshalb auch keine Frist für die freiwillige Ausreise zu bestimmen ist.

Da das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung am 03.12.2019 davon ausgehen muss, dass die Antragstellerin trotz ihres langjährigen Aufenthaltes immer noch nicht ausreichend Deutsch versteht, konnte im Fall der Antragstellerin von einer Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung gemäß

§ 12 Abs. 1 BFA-VG nicht abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im konkrete Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.04.2020,

Ra 2020/20/0055-9, im gegenständlichen Verfahren stützen, weshalb sich im Lauf dieses Verfahrens kein Hinweis auf das Vorliegen von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung ergab.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Ersatzentscheidung Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung Privat- und Familienleben Rechtsanschauung des VwGH Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W215.2120033.1.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten