Entscheidungsdatum
27.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W195 2226794-1/ 19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.05.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 01.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen einer am 01.10.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, er sei Parteimitglied und Organisationssekretär der Bangladesh Nationalist Buddhist Forum (BNBF), einer Untergliederung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) gewesen. Er würde aus politischen und, weil er Buddhist sei, auch aus religiösen Gründen verfolgt werden.
Der BF sei am 10.11.2013 legal in Österreich mit einem Studentenvisum eingereist, welches bis 13.02.2017 gültig war. Zuletzt sei der BF am 09.08.2016 aus Österreich nach Bangladesch gereist, wo er bis 29.09.2016 aufhältig blieb. Danach sei er wieder legal in Österreich eingereist.
Zu seinen Fluchtgründen vom BFA in zwei Einvernahmen genauer befragt führte der BF - zusammengefasst - aus, dass er während seines Heimaturlaubes von einem Mitglied der AL angegriffen worden sei und in weiterer Folge eine Anzeige gegen ihn erhoben worden sei. Der BF sei seit 10.03.2012 Mitglied der BNBF, seit Juni 2013 Organisationssekretär. Am 10.11.2013 sei er dann nach Österreich gereist, um hier zu studieren.
Während seines Heimataufenthaltes in Bangladesch sei der BF am 10.08.2016 im Heimatdorf in einem Teegeschäft mit Parteifreunden der BNP gesessen und habe Tee getrunken. Angeblich sei sodann ein führendes Mitglied der örtlichen AL an ihn herangetreten, es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen, welche zu Handgreiflichkeiten geführt habe. Er sei dann mit großen Schmerzen von dort weggegangen und wären ihm seine Parteifreunde gefolgt. Diese Auseinandersetzung sei der fluchtauslösende Grund gewesen. Er habe sich versteckt gehalten und habe danach von der Anzeige erfahren. Am 19.09.2016 sei er ausgereist und nach Österreich geflogen.
Hinsichtlich der persönlichen Situation stellte das BFA fest, dass der BF ledig, ohne Beziehung und ohne Kinder sei. Seine Verwandten, insbesondere die Eltern und der Bruder, leben in Bangladesch, ein Onkel väterlicherseits in Österreich. Der BF habe seine Ausbildung einschließlich Studium in Bangladesch absolviert und dort auch sein Leben verbracht. Der BF sei gesund und arbeitsfähig.
Mit Bescheid vom 15.11.2019, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF eine Verfolgung in Bangladesch nicht habe glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
Mit Schriftsatz vom 12.12.2019 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des - durch XXXX vertretenen - BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.
Nach kurzer Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes und einer Darstellung der behaupteten Fluchtgründe wurde zusammengefasst begründend ausgeführt, gegen den BF bestünde eine politisch motivierte Anzeige wegen versuchten Mordes und Verstoß gegen das Sprengmittelgesetz. Der BF habe kein Vertrauen in die bengalische Justiz und es würde ihn kein faires Urteil erwarten, sodass die Gefahr einer langen Untersuchungshaft bestünde.
Der BF habe Unterlagen vorgelegt, unter anderem auch das behauptete Original der Anzeige und habe der BF den Vorfall detailliert geschildert. Darüber hinaus habe der BF Fotos vorgelegt und vorgebracht, dass er aus religiösen Gründen belangt worden sei. Das BFA sei seiner amtswegigen Ermittlungspflicht nicht vollumfänglich nachgekommen. Es habe keine Beweise erbracht, dass die vorgelegten Dokumente nicht echt wären, wie im Bescheid dargestellt. Es seien keine Vor-Ort-Recherchen vorgenommen worden. Das Vorbringen des BF sei glaubwürdig. Der Antrag sei deshalb zu Unrecht abgewiesen worden.
Der angefochtene Bescheid sei deshalb zu beheben, dem BF Asyl zu gewähren, in eventu das Verfahren zu ergänzen und an die I. Instanz zurückzuverweisen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Mit Schreiben vom 19.12.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.7. Mit Schreiben vom 27.04.2020 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt (April 2020) der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 26.05.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.
I.9. Am 26.05.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.
Zusammengefasst ergab sich in der Verhandlung:
Der BF ist gesund, habe jedoch manchmal Kreuzschmerzen, und arbeitsfähig.
Der BF hat eine Familie in Bangladesch, mit der er regelmäßig, täglichen Kontakt habe. Seine Familie bestehe aus seinen Eltern, einem Bruder sowie weitschichtigen Verwandten. Finanziell gehe es seiner Familie durchschnittlich, sein Vater betreibe eine kleine Apotheke.
Der BF habe in Österreich einen Onkel, der seit 1992 in Österreich lebt, mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und Taxi fährt.
Es war in der Verhandlung vor dem BVwG dem BF, welcher sich seit 2013 in Österreich aufhält, möglich, eine Konversation in deutscher Sprache zu führen. Der Sprachwortschatz ist ausreichend und die Antworten erfolgten nicht immer in vollen Sätzen. Der BF weißt geprüfte Deutschkenntnisse in B2 auf.
Der BF arbeitet selbständig im Kleintransportgewerbe, zumeist Essens- und Getränkeauslieferungen mit einem Moped, welches dem BF gehört. Der BF legte diesbezüglich auch einen Vertrag mit einem Unternehmen vor, der besagt, dass der BF monatlich fix 900 Euro erhalte und darüber hinaus pro Auftrag 4 ?.
Darüber hinaus sei er Kommanditist in einem Geschäft namens Curry Indiana in Wien, 16. Er helfe bei der Buchhaltung, Arbeitszeitabrechnung und der Programmierung und wolle lernen wie Buchhaltung und Steuerberatung in Österreich funktioniere.
In seiner Freizeit bete und meditiere er, lese Bücher über Buddhismus und bei geeignetem Wetter ginge er Radfahren. Bei Regen würde er Filme mit Freunden auf Deutsch oder Hindi ansehen. Für Freunde koche er gerne und legte der BF zehn Referenzschreiben vor, mindestens die Hälfte davon entfallen auf mittlerweile österreichische Staatsbürger.
Am 10.11.2013 sei er das erste Mal nach Österreich gekommen, und zwar legal mit einem Studentenvisum. Er habe sich 2010 entschlossen, nachdem er sein Masterstudium in Bangladesch absolviert hatte, in Österreich weiter zu studieren, er habe jedoch noch nicht in Bangladesch mit dem Deutschlernen begonnen; bevor er nach Österreich kam, konnte er kein Wort Deutsch. Er wollte zuerst in Linz ein "Wirtschaftsfach" studieren, sein Onkel, der Taxifahrer in Wien war, habe ihn dazu gebracht, in Wien "Geschichte" und "Statistik" zu studieren. Er sei bei zwei Prüfungen in Statistik angetreten und habe beide Prüfungen nicht geschafft. In Geschichte habe er keine Prüfung absolviert. Danach habe er auf "Englisch and american studies" gewechselt, aber er habe auch hier noch keine Prüfungen geschrieben. Zusammengefasst wurde festgehalten, dass der BF zwar 2013 mit einem Studentenvisum nach Österreich kam, aber bis zum heutigen Tag keine einzige Prüfung auf einer österreichischen Universität positiv abgelegt hat.
Zum Fluchtgrund befragt führte der BF aus, dass er lediglich einen politischen Fluchtgrund habe. Er sei Anhänger einer Oppositionspartei nämlich eines buddhistischen Zweiges der BNP, der (abgekürzt) BNBF. Bei dieser Partei sei er seit 10.03.2012 Mitglied, seit Juni 2013 örtlicher Organisationssekretär. Am 10.11.2013 sei er nach Österreich geflogen.
Am 09.08.2016 sei er - "mit einem Notfallvisum", weil er kein anderes mehr gehabt habe; sein Verfahren wegen eines weiteren Studentenaufenthaltes sei im Laufen gewesen, das Magistrat Wien habe aber nichts entschieden - nach Bangladesch geflogen, um seinen "kranken Vater" und seine "Tante" zu besuchen. Am 10.08.2016 landete er im Morgengrauen in Dhaka, fuhr in die Stadt seines Vaters, besuchte diesen und danach begab er sich in das Dorf seiner Tante. Zu diesem Zeitpunkt hätte es gegen den BF noch keine Anzeige gegeben.
In dem Dorf seiner Tante habe er abends vier Organisationsmitglieder der BNBF getroffen; sie hätten Tee und Kekse bestellt und besprachen Feierlichkeiten aus Anlass des sich nahenden Geburtstages ihrer Parteiführerin. Plötzlich sein ein Führer der gegnerischen Chattro League gekommen und hätte den BF aufgefordert, zu gehen. Dieser habe sich widersetzt, worauf ihn der CL-Führer zu Fall gebracht habe; weitere Personen der CL seien dazugekommen und der BF sei, nachdem einer der CL-Personen Anstalten machte, eine Waffe zu ziehe, geflüchtet.
Diesen Vorfall habe der BF nicht zur Anzeige gebracht, weil nach Ansicht des BF die Polizei nie eine Anzeige gegen einen CL-Führer aufgenommen hätte.
Am 11.08.2016 um 23.20 wurde eine Anzeige gegen den BF eingebracht in der 180 km weit entfernten Polizeistation Choddrogram. In dieser Polizeistation sei auch seinerzeit die Anzeige gegen seine Parteiführerin eingebracht worden. Die Anzeiger seien Polizisten, die Zeugen gekauft und ebenfalls Polizisten. Angezeigt sei er wegen mehrerer Verbrechen worden.
Gefragt, ob er sich gegen diese Anzeige gewehrt hätte, verneinte der BF dies. Mit dem Satz "Kein Richter auf der Welt fällt ein Urteil gegen einen Polizisten" formulierte der BF seine Meinung zur Rechtstaatlichkeit. Er hätte gegen die Polizeiermittlung nicht vorgehen können; die Originalunterlagen habe der vom Staat beigegebene Verfahrenshilfeverteidiger, welche bei flüchtigen Tätern bestellt werde, dem Vater übermittelt und befänden sich diese bei ihm im Elternhaus in Bangladesch; es gäbe gegen ihn einen landesweiten Haftbefehl.
Am 29.06.2016 habe er Bangladesch mit dem Flugzeug verlassen, Probleme bei der Ausreise habe er keine gehabt.
Am 01.10.2016 stellte der BF den Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der BF legte dem BVwG auch zahlreiche Unterlagen unmittelbar vor und während der Beschwerdeverhandlung vor, die meisten jedoch handschriftlich in bengalischer Sprache. Eine Übersetzung sei dem BF aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht möglich gewesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch, gehört der Volksgruppe der Bengalen an und ist Buddhist. Seine Muttersprache ist Bengali.
Der BF ist in Bangladesch geboren und verbrachte dort sein Leben. Er hat seine Schulbildung in Bangladesch mit einem abgeschlossenen Studium absolviert.
Er ist erstmalig legal 2013 nach Österreich gekommen, um zu studieren. Der BF hat dreimal die Studienfächer gewechselt; er hat seit 2013 bis zum 26.05.2020 keine einzige Prüfung auf einer österreichischen Universität bestanden.
Der BF hat Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2, welches er vor dem BVwG bewies.
Der BF arbeitet als selbständiger Kleintransportunternehmer (Essens- und Getränkezustellung per Motorrad) und hat ein monatliches fixes Einkommen von 900 Euro und erhält zusätzlich 4 Euro pro Auslieferung.
Der BF hat Unterstützungsschreiben vorgelegt und trifft sich zu verschiedensten Aktivitäten (zB kochen, "Filmeschauen") mit Freunden, liest aber auch gerne Bücher, betet und meditiert. In Österreich ist er Mitglied bei Vereinen mit bengalischer Orientierung. Sein Freundeskreis besteht aus bengalischen Freunden, die mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben-
Der BF ist ledig, lebt in keiner Beziehung und hat keine Kinder; er hält regelmäßig, täglichem Kontakt zu seiner Mutter und Verwandten in Bangladesch. In Österreich lebt ein Onkel des BF, mittlerweile Österreicher, zu dem der BF Kontakt hält.
Der BF ist zuletzt Ende September 2016 legal mittels Studentenvisum in das Bundesgebiet eingereist.
Der BF ist gesund, obgleich er manchmal Schmerzen im Kreuzbereich hat und dagegen Medikamente nimmt.
I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Der BF hat in der Verhandlung vor dem BVwG keine Glaubwürdigkeit mit seinem Fluchtvorbringen erlangt. Der BF konnte nicht darlegen, weshalb er politisch oder aus religiösen Gründen verfolgt werde. Vor dem BVwG machte der BF ausschließlich (und damit einschränkend) politische Gründe geltend.
Der BF behauptet seit 2012 Mitglied der BNBF sowie seit Juni 2013 Organisationssekretär gewesen zu sein. Bis August 2013 sei er für die Partei tätig gewesen. Der BF hat nicht dargelegt, dass er nach dieser Zeit maßgeblich politisch verfolgt wurde, sondern behauptete der BF, dass er danach nach Österreich gekommen sei, um hier zu studieren.
Während eines Heimataufenthaltes sei der BF am 10.08.2016 in einem Teegeschäft von einem Führer der Chattro Dal angegriffen worden, obwohl vier Parteifreunde dabei gewesen wären. Der BF konnte nicht glaubwürdig darlegen, dass diese Auseinandersetzung wegen seiner behaupteten politischen Tätigkeit - noch dazu in einem anderen Dorf als seinem Heimatdorf - erfolgte, welche durch seinen Aufenthalt in Österreich seit August 2013 faktisch beendet war. Eine Anzeige wegen des behaupteten Angriffes gegen seine Person habe er nicht erstattet.
Der BF behauptete, dass gegen ihn im August 2016 eine Anzeige wegen Mordes und Verstoßes gegen das Sprengmittelgesetz in einer von seinem Heimatdorf 180 km weit entfernten Polizeistation erfolgt sei. Der BF versucht diese behauptete Anzeige mit seiner Parteiführerin in Verbindung zu setzen, weil von dieser Polizeistation seinerzeit auch die Anzeige gegen die Parteiführerin erfolgt sei. Der BF hat nichts unternommen, um sich gegen diese behauptete Anzeige zu wehren und hat auch keinen Anwalt mit seiner Angelegenheit betraut.
Der BF konnte im Jahr 2016 ungehindert nach Bangladesch zu einem Heimurlaub einreisen und von dort - trotz behaupteter Anzeige gegen ihn wegen Mordes und Verstoßes gegen das Sprengmittelgesetz - Ende September 2016 ausreisen.
Es kann daher eine konkrete Verfolgung des BF in Bangladesch nicht festgestellt werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF Mitglied oder gar Funktionär der BNBF bzw der BNP im Jahr 2012 und 2013 war. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF Bedrohungen und/oder Verfolgungshandlungen seitens der AL bzw der Chattro Dal im Jahr 2016 ausgesetzt war. Es kann nicht festgestellt werden, dass gegen den BF eine Strafanzeige wegen Mordes und Verstoßes gegen das Sprengmittelgesetz erstattet worden wäre. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF überhaupt Opfer einer Attacke aus politischen Gründen wurde.
Es wird weiters festgestellt, dass dem selbständigen BF genügend finanzielle Ressourcen zur Verfügung standen, um seine schriftlichen Stellungnahmen und die vorgelegten Dokumente dem BVwG in deutscher Sprache vorzulegen; dazu hätte es keines gerichtlichen Dolmetschers bedurft, sondern hätte eine einfache (Arbeits-)Übersetzung ausgereicht, die gegebenenfalls auch von seinem Onkel, einem österreichischen Staatsbürger mit bengalischen Hintergrund, verfasst werden konnte. Ein besonderer zeitlicher Druck, nämlich bei einem Zeitraum von vier Wochen von der Ladung bis zum Verhandlungstermin, kann ebenso nicht festgestellt werden, abgesehen hätte der BF bereits zu einem früheren Zeitpunkt entsprechende Dokumente vorlegen können.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle einer Rückkehr der Tod droht. Dem BF steht eine Niederlassung in anderen Landesteilen Bangladeschs offen um allfälligen Behelligungen zu entgehen.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
1. Politische Lage
Letzte Änderung: 06.04.2020
Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).
Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die "junge Generation" übergeben wolle (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).
Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).
Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).
Quellen:
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* AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020
* ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020
* BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020
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* bdnews24 (20.6.2019): Turnout in Upazila polls drops 50% from general elections, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/06/20/turnout-in-upazila-polls-drops-50-from-general-elections, Zugriff 6.4.2020
* BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019
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* FH - Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 - Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020
* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch - Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020
* Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020
* Hindu, The (1.1.2019): Hasina's triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020
* HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
* PA - Prothom Alo (8.9.2019): BNP to join upazila polls: Fakhrul, https://en.prothomalo.com/bangladesh/news/201499/BNP-to-join-upazila-polls-Fakhrul, Zugriff 6.4.2020
* Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020
* HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020
* USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
* WPR - World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020
2. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 06.04.2020
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene "Studentenorganisationen". Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).
Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).
Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (22.3.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 2.4.2020
* AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
* ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
* AA - Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020
* AI - Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020
* BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch - Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020
* FH - Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 - Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
* HRW - Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh 'Crossfire' Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020
* Kaipel, Simione Christina (2018): "Globaler Wandel - regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse", Masterarbeit, Seite 41 - 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020
* SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet - Bangladesh, Number of Terrorism Related Incidents Year Wise 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020
* SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet - Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020
* TDS - The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by 'Rohingyas', https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020
* UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020
* UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh - Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020
* USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 06.04.2020
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).
Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).
Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).
Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
* FH - Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 - Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
* FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
4. Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 06.04.2020
Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).
Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.7.2019). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).
Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).
Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig "verschwinden" (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 27.7.2019).
Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).
Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.7.2019). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 8.2019). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen, etwa durch Angehörige des RAB ab. Die Sicherheitskräfte versuchen seit langem, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist. Hunderte wurden angeblich in solchen "Kreuzfeuer" getötet (HRW 14.1.2020).
Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 8.2019).
Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 8.2019).
Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 8.2019).
Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.7.2019).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
* HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
* USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
5. Korruption
Letzte Änderung: 06.04.2020
Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.7.2019; vgl. LIFOS 25.2.2019, ODHIKAR 8.2.2020). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2019 den 146. Platz unter 180 Staaten (TI 23.1.2020). Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber 2018 (149. Platz unter 180 untersuchten Staaten) um drei Positionen (Vergleich zum Jahr 2017: 143/180) (TI 29.1.2019).
Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 8.2019).
Das Strafgesetzbuch von 1860 verbietet es Beamten, Bestechungsgelder anzunehmen [Absatz 161, 165] oder Beihilfe zur Bestechung zu leisten [Absatz 165 A] (TI 1.2019). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden, die Polizei sowie die Rechtspflege genannt. NGOs und Militär genießen den besten Ruf (AA 27.7.2019).
Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als "eher zahnloser Papiertiger" sowie "reines Aushängeschild" beurteilt (ÖB 8.2019). Die Antikorruptionsbehörde (ACC) darf der Korruption verdächtigte Beamte nur mit Erlaubnis der Regierung anklagen. Faktisch ist die "Anti Corruption Commission" machtlos (AA 27.7.2019; vgl. ODHIKAR 2.8.2020). Die Regierung nutzt die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 2020).
Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weit verbreiteten Polizeikorruption (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
* FH - Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 - Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
* LIFOS - Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (25.2.2019): Bangladesh falska handlingar, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458189/1226_1551169348_190225550.pdf, Zugriff 5.3.2019
* ODHIKAR (8.2.2020): Annual Human Rights Report 2019; Bangladesh, 8. Februar 2020, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2019_eng.pdf, Zugriff 3.4.2020
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
* TI - Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019, https://www.transparency.org/files/content/pages/2019_CPI_Report_EN.pdf, Zugriff 6.4.2020
* TI - Transparency International (1.2019): Korruptionsvermeidung in der Bekleidungsindustrie: Szenarien aus Bangladesch, https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/2019/Broschuere_Undress_Corruption_Fassung_2019.pdf, Zugriff 6.4.2020
* TI - Transparency International (29.1.2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, https://www.transparency.org/files/content/pages/2018_CPI_Methodology.zip, Zugriff 6.3.2019
* USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
6. Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 06.04.2020
Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 8.2019; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit
17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum "High Court" offen. Die "National Human Rights Commission" wurde im Dezember 2007 unter dem "National Human Rights Commission Ordinance" von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 8.2019).
Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwinden lassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen und Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 8.2019, siehe auch Abschnitt 5).
Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Delikten von Verleumdung juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).
Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzu