Entscheidungsdatum
27.05.2020Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
G307 2012140-2/3E
beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD im Verfahren zur Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des XXXX , geb. am XXXX , StA.: Serbien, durch den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2020, Zahl: XXXX beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der albanisch sprechende Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste erstmals im Jänner 1989 nach Österreich ein. Bereits am XXXX .1994 hatte der BF bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX (BH XXXX ) insgesamt 10 rechtskräftige Vormerkungen im Verwaltungsstrafregister zu Buche stehen.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX (LG XXXX ) vom XXXX .1996 wurde der BF zu XXXX wegen teils versuchten Einbruchsdiebstahls gemäß §§ 127, 129 Z 1 und Z 2, 15 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
Mit Urteil des LG XXXX vom XXXX wurde der BF zu XXXX wegen teils versuchten schweren, gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls und Urkundenunterdrückung gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 2. Satz, 2. Fall, 15 Abs. 1 und 229 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
Mit Urteil des LG XXXX vom XXXX wurde der BF zu XXXX wegen Raufhandels gemäß § 91 Abs. 2. 2. Fall StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von insgesamt € 640,00, im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen verurteilt.
Mit Urteil des LG XXXX vom XXXX wurde der BF zu XXXX , wegen Suchtmittelhandels und erlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 28a Abs. 1, 5. Fall, 27 Abs. 1, Z 1., 1 und 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
Am XXXX .1998 erließ die Bundespolizeidirektion XXXX (BPD XXXX ) gegen den BF ein Aufenthaltsverbot, welcher mit Bescheid derselben Behörde am XXXX .2005 aufgehoben wurde.
Am XXXX .1999 brachte der BF beim Bundesasylamt Linz seinen ersten Asylantrag ein. Dieser wurde mit Bescheid des BAA Linz vom 19.06.2000 abgewiesen.
Am XXXX .2000 stellte der BF seinen zweiten Asylantrag, welcher mit Bescheid des BAA vom 04.10.2000 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.
Am XXXX .2000 stellte der BF über seinen damaligen Vertreter, XXXX einen dritten Asylantrag, welcher mit Bescheid des BAA am 04.10.2000 negativ beschieden wurde. Dagegen erhob der BF Berufung und zog seinen Antrag am 07.11.2000 zurück.
Das damals noch im Berufsstadium befindliche zweite Asylverfahren, welchem von Seiten des VwGH am 29.10.2004 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, endete durch Zurückziehung der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid durch den BF.
Dem am 20.01.2005 bei der österreichischen Botschaft in Skopje gestellten Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels „begünstigter Drittstaatsangehöriger“ wurde stattgegeben und dem BF ein solcher Titel, gültig vom 29.03.2005 bis 22.03.2006 erteilt.
Am XXXX .2014 stellte der BF beim Bundesamt, EASt West seinen 4. Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Dieser wurde gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG mit Bescheid des BFA am 03.09.2014 ebenso wie die dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vom 14.10.2014, Zahl G306 2012140-1/2E abgewiesen und erwuchs die letztgenannte Entscheidung am 29.10.2014 in Rechtskraft.
Am XXXX .2014 wurde der BF nach Serbien abgeschoben.
Der BF verfügte zuletzt über eine vom Magistrat der Stadt XXXX zu XXXX erteilte Aufenthaltsberechtigung „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“, welche vom 23.03.2012 bis 22.02.2015 gültig war.
Seit 19.09.2015 hatte der BF – bis zur aktuellen Anhaltung in der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX .2020 bis zum XXXX .2020 – keinen ordentlichen Wohnsitz mehr in Österreich.
Am XXXX .2018 um 03:00 Uhr wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen einer Schwerpunktaktion angehalten und wies sich mit einem gefälschten serbischen Personalausweis aus. In der Folge wurde der BF abermals am XXXX .2018 nach Serbien abgeschoben.
Mit Bescheid des BFA vom 19.09.2018 wurde gegen den BF unter anderem eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG sowie gemäß § 53 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Dem folgte am XXXX .2018 eine neuerliche Abschiebung in den Herkunftsstaat.
Am XXXX .2020 stellte der BF seinen nunmehr 5. und jüngsten Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes.
Dieses begründete er damit, er könne in Serbien nirgendwo leben und lebe seine ganze Familie in Österreich. Weiters befänden sich in Serbien Personen, die ihn dort suchten und ihn umbringen wollten. Er könne auch beweisen, dass seine Freunde angerufen worden seien und diese gefragt worden seien, wo sich der BF befinde.
Nach der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.04.2020 wurde dem BF mit der ihm am 11.05.2020 zugestellten Verfahrensanordnung mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG aufzuheben.
Am 20.05.2020 wurde der BF vor dem BFA in Anwesenheit einer Rechtsberaterin zu seinem zweiten Folgeantrag und zur beabsichtigten Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes einvernommen. Anschließend wurde der faktische Abschiebeschutz mit dem oben angeführten, mündlich verkündeten und in der Niederschrift der Einvernahme beurkundeten Bescheid gemäß §§ 12a Abs 2, 22 Abs 10 AsylG aufgehoben.
Am 11.05.2020 gab er vor dem BFA, zu den Gründen für die neuerliche Asylantragstellung im Wesentlichen an, er sei von den Leuten, mit denen er Probleme gehabt habe, bedroht worden, unbekannte Personen würden auf ihn in Serbien warten. Ferner habe er „da unten“ keine Familie und sei unfähig, „unten“ eine Arbeit zu finden.
Im Zuge des letzten Asylverfahrens führte der BF vor der belangten Behörde zu seinen Fluchtgründen unter anderem aus, in Serbien gebe es kein Leben und keine Arbeit. In dem Gebiet, wo er in Serbien lebe, gebe es nichts mehr. Die Häuser seien alle leer und kaputt. Man könne dort nicht mehr leben. Seine gesamte Familie sei in Österreich und habe er niemanden mehr in Serbien. In Serbien würde er keine Arbeit finden. Sein in Österreich lebender Vater sei krank und müsse irgendwer auf diesen aufpassen.
Weder in Bezug auf das Privat- und Familienleben des BF noch in Bezug auf die Situation in seinem Herkunftsland Serbien hat sich die Situation seit dem Abschluss der vorangegangenen Verfahren entscheidungswesentlich geändert.
Die vom BFA zur Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes übermittelten Verwaltungsakten langten am 25.05.2020 in der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein.
Der BF kann sich auch auf Deutsch verständigen.
1. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes des BFA und des Gerichtsaktes des BVwG.
Ein über die Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber hinausgehendes Aufenthaltsrecht des BF wird von diesem nicht behauptet und lässt sich dem Akt und dem Auszug aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR) nicht entnehmen, zumal gegen ihn am 19.09.2018 ein Einreiseverbot und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurden.
Bei der Einvernahme am 20.05.2020 ergaben sich keine Hinweise auf eine Gesundheitsbeeinträchtigung des BF. Zudem gab er vor der Polizei am 24.04.2020 an, er leide an keiner Krankheit. Daher ist davon auszugehen, dass er derzeit jedenfalls an keiner schwerwiegenden behandlungsbedürftigen Erkrankung leidet.
Die festgestellten Sprachkenntnisse des BF gehen aus seinen Angaben bei der Erstbefragung hervor und sind mit dem Umstand in Einklang zu bringen, dass der BF am 20.05.2020 in dieser Sprache einvernommen wurde. Albanischkenntnisse sind zudem angesichts seiner Herkunft und Volksgruppenzugehörigkeit plausibel, zumal es bei der jüngsten Einvernahme keine Verständigungsprobleme mit der beigezogenen Übersetzerin gab. Die vom BF angegebenen Deutschkenntnisse sind glaubhaft, zumal er die in der polizeilichen Erstbefragung an ihn gerichteten Fragen auf Deutsch beantworten konnte.
Das gegen den BF im Jahr 1998 erlassene, ursprünglich für 10 Jahre gültige Aufenthaltsverbot wurde in der Beschwerdevorlage seitens des BFA ausführlich und konsistent dokumentiert.
Die vom BF in den Asylverfahren jeweils angegebenen Fluchtgründe werden anhand der Vorhalte zu den früheren Asylverfahren und seiner Angaben bei der Erstbefragung sowie anhand seiner Aussage bei der Einvernahme vor dem BFA am 07.05.2020 festgestellt.
Aus dem auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der BF zwischen 27.11.2001 und 20.03.2011 insgesamt lediglich für 478 als Unselbständiger und 129 als freier Dienstnehmer beschäftigt war. Das entspricht einer „Arbeitsauslastung“ von rund 17 %.
Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie den weiteren 3 in der Beschwerdevorlage erwähnten Urteilen. Ferner ergeben sich diese aus den Haupt- und Nebenwohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut dem Zentralen Melderegister (ZMR).
Die gegen den BF geführten fremden- und asylrechtlichen Verfahren sind aktenkundig und spiegeln sich im Erkenntnis des BVwG vom 24.10.2014 Zahl G306 2012140-1/2E wieder.
Die Feststellung, dass sich die Situation in Bezug auf das Privat- und Familienleben des BF seit der Entscheidung in den Vorverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert hat, beruht darauf, dass sich weder aus seiner Schilderung noch aus den vorgelegten Akten und den vom BVwG vorgenommenen Registerabfragen entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben. Seine in Österreich lebenden Angehörigen (Brüder, Schwestern, Eltern) wurden bereits in den vorangegangenen Verfahren berücksichtigt (insbesondere in dem vor dem BVwG zuletzt im Jahr 2014 geführten).
Das BFA legte seiner Entscheidung Informationen über die allgemeine Situation in Serbien zugrunde, die von verschiedenen anerkannten Institutionen stammen und ein widerspruchsfreies Gesamtbild ergeben. Das BVwG hegt keine Zweifel an der Richtigkeit der in den zu überprüfenden Bescheid unter Angabe konkreter Quellen aufgenommenen Feststellungen zur Lage in Serbien und übernimmt diese. Entscheidungswesentliche Änderungen seit dem Bescheid des BFA vom 03.09.2014 liegen nicht vor, zumal sich die in diesen Bescheid aufgenommenen Länderinformationen nur unwesentlich von den in den nunmehr zu beurteilenden Bescheid aufgenommenen unterscheiden und die Situation in Serbien nicht volatil ist. Es gibt unter Berücksichtigung der aktuellen Berichte zur Lage in Serbien keine Anhaltspunkte dafür, dass die damals getroffenen Feststellungen zur Situation dort unrichtig oder nicht mehr aktuell sein könnten oder dass in der Zwischenzeit eine entscheidungswesentliche Änderung eingetreten wäre, zumal Serbien laut § 1 HStV jedenfalls als sicherer Herkunftsstaat gilt.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 22 Abs 10 AsylG ergehen Entscheidungen des BFA über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs 3 AVG. Der Verwaltungsakt ist dem BVwG unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das BVwG.
Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes entscheidet das BVwG im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss. Dabei wird einerseits geprüft, ob die materiellen Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG vorliegen und andererseits, ob das BFA bei der Durchführung des Verfahrens die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten hat. Beides ist hier der Fall.
§ 12a Abs 2 AsylG ermöglicht dem BFA die bescheidmäßige Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bei Folgeanträgen, wenn kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG (Folgeanträge nach einer Entscheidung gemäß § 4a AsylG [Schutz in einem anderen EWR-Staat oder in der Schweiz] oder § 5 AsylG [Zuständigkeit eines anderen Staats]) vorliegt. Voraussetzung ist, dass gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Ein Folgeantrag ist gemäß § 2 Abs 1 Z 23 AsylG jeder weitere Antrag auf internationalen Schutz, der einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag zeitlich nachfolgt. Da dem Antrag auf internationalen Schutz vom 24.04.2020 bereits rechtskräftig erledigte Anträge des BF vorangingen, handelt es sich um einen Folgeantrag. Es liegt kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG vor. Gegen den BF besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot.
Das BFA geht nach dem derzeitigen Verfahrensstand zu Recht davon aus, dass auch der nunmehr gestellte Folgeantrag des BF voraussichtlich gemäß § 68 AVG zurückzuweisen sein wird, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht geändert hat. Bei der dabei anzustellenden Prognoseentscheidung ist relevant, ob eine Sachverhaltsänderung behauptet wird, die zu einem anderen Ergebnis als im vorangegangenen Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Sache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).
Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs 2 Z 2 AsylG ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs 2 AsylG. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art 41 Abs 1 lit b der Richtlinie 2013/32/EU - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (siehe VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0338).
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil der BF den aktuellen Folgeantrag erst nach seiner Festnahme und kurz vor der Anordnung der Schubhaft stellte, ohne die nunmehr behaupteten Umstände schon früher, etwa im Rückkehrentscheidungsverfahren 2018, vorgebracht zu haben. Er begründet den nunmehrigen Antrag im Wesentlichen mit den bereits in den früheren Asylverfahren geltend gemachten Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen. Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Asylantrag vorlagen, sind nicht geeignet, einen maßgeblich geänderten Sachverhalt im Sinn des § 68 Abs 1 AVG zu begründen und rechtfertigen somit keine neue Sachentscheidung (vgl. VwGH 18.09.2019, Ra 019/18/0263).
Im Ergebnis liegt daher keine relevante Sachverhaltsänderung vor; es ist vielmehr davon auszugehen, dass der BF nur deshalb neuerlich internationalen Schutz beantragt hat, um die unmittelbar bevorstehende Durchsetzung der 2018 erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verhindern.
Vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12 Abs 2 Z 3 AsylG eine Refoulement-Prüfung im weiteren Sinn und eine Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK vorzunehmen. Das BFA ist hier zutreffend davon ausgegangen, dass die Abschiebung für den BF keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 (Recht auf Leben), Art 3 (Verbot der Folter) oder Art 8 (Recht auf Privat- und Familienleben) EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (Abschaffung der Todesstrafe) bedeutet und für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Weder in den vorangegangenen Verfahren noch in diesem Verfahren sind konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Gefahr hervorgekommen. Es liegen - insbesondere angesichts der stabilen Situation in Serbien, wo die Todesstrafe abgeschafft ist und kein bewaffneter Konflikt herrscht - keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF abweichend von dieser Einschätzung nunmehr durch die Rückkehr in seine Heimat doch dem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.
Auch zur Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK ist auf die Entscheidung des BFA vom 03.09.2014 zu verweisen. Eine maßgebliche Änderung der für den Verbleib des BF in Österreich sprechenden Interessenlage, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnte, liegt nicht vor, sodass nach wie vor kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben anzunehmen ist. Im nunmehrigen Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte für eine maßgebliche weitere soziale Verfestigung oder Integration ergeben, zumal der BF seither keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet mehr hatte.
Das BFA hat die bei der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes einzuhaltenden Verfahrensschritte eingehalten und ist der ihm obliegenden Verpflichtung, ein Ermittlungsverfahren gemäß § 18 AsylG durchzuführen, ordnungsgemäß nachgekommen. Dem BF wurde Parteiengehör eingeräumt; es wurde ihm auch Gelegenheit zur Stellungnahme zu den wesentlichen Berichten zur allgemeinen Lage in Serbien gegeben. Im Ergebnis ist daher die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG durch den mündlich verkündeten Bescheid des BFA festzustellen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag strafrechtliche Verurteilung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2012140.2.00Im RIS seit
08.10.2020Zuletzt aktualisiert am
08.10.2020