TE Bvwg Beschluss 2020/5/28 W212 2205556-1

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W212 2205556-1/2E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER nach Beschwerdevorentscheidung des Österreichischen Generalkonsulat Istanbul vom 07.08.2018, GZ: Istanbul-GK/KONS/1670/2017, aufgrund des Vorlageantrages der XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Österreichischen Generalkonsulat Istanbul vom 25.04.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerdevorentscheidung des Österreichischen Generalkonsulat Istanbul vom 07.08.2018 wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.

II. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige, stellte am 27.07.2017 beim Österreichischen Generalkonsulat Istanbul (im Folgenden: ÖGK Istanbul) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde die angebliche Tochter der Beschwerdeführerin XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, namhaft gemacht, welcher mit Bescheid vom 29.11.2013, der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Dem Antrag beigelegt waren folgende Unterlagen:

Die Beschwerdeführerin betreffend:

?        Auszug aus dem Personenstandsregister,

?        Geburtsurkunde,

?        Reisepasskopie,

Die Bezugsperson betreffend:

?        Bescheid mit dem ihr der Status der Asylberechtigten mit 29.11.2013 zuerkannt wurde,

?        Meldebestätigung,

?        Reisepasskopie

2. Am Tag der Antragstellung erhielt die Beschwerdeführerin den Verbesserungsauftrag, einen Auszug aus dem Familienstandregister zwecks Dokumentation der behaupteten Familieneigenschaft nachzureichen.

Dieser Aufforderung wurde - trotz der gewährten Frist von drei Monaten – nicht entsprochen.

3. Nach Übermittlung des Antrages der Beschwerdeführerin an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) teilte diese Behörde der belangten Behörde mit, dass die Beschwerdeführerin betreffend die Gewährung des Status einer Asylberechtigten beziehungsweise subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei.

Begründend wurde vom BFA ausgeführt, dass die Angaben der Beschwerdeführerin in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten widersprechen würden und hätten sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens und anhand der gemachten Angaben gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses ergeben, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass die Eigenschaft als Familienangehörige im Sinne von § 35 AsylG bestehe.

4. Mit Schreiben vom 27.02.2018, übermittelt am selben Tag, wurde der Beschwerdeführerin die Gelegenheit gegeben, die oben angeführten Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen binnen Wochenfrist zu zerstreuen.

5. Am 19.03.2017 nahm die Beschwerdeführerin - nach mehrfach gewährter Fristerstreckung seitens der belangten Behörde - zur beabsichtigten Entscheidung, wonach ihr Antrag abzuweisen sei, Stellung und machte wie folgt geltend:

Die Beschwerdeführerin sei die Mutter der namhaft gemachten minderjährigen Bezugsperson, der mit Bescheid des BFA vom 29.11.2013 der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei, und beabsichtige sie nunmehr in Österreich das gemeinsame Familienleben mit ihrer Tochter fortzuführen.

Die Aufforderung zur Stellungnahme habe keine Konkretisierungen darüber enthalten, worin die vermeintlichen Widersprüche bestehen würden und weshalb an ihrer Angehörigeneigeneigenschaft gezweifelt werde. Da die Prognoseentscheidung des BFA nicht hinreichend genau begründet worden sei, um ihr zu ermöglichen, zu den Vorwürfen entsprechend Stellung nehmen zu können, liege eine Verletzung des Parteiengehörs vor. Auch hätte das BFA nicht angeführt, warum der Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft nicht ausreichend erbracht worden sei, zumal weder angeführt worden sei, welche Dokumente zu dieser Einschätzung herangezogen worden seien noch ob weitere Dokumente zu einem zweifelsfreien Nachweis fehlen würden. Selbst wenn die Behörde aufgrund der vorgelegten Unterlagen am behaupteten Verwandtschaftsverhältnis zweifle, hätte die Beschwerdeführerin über die Möglichkeit zur Vornahme einer DNA-Analyse belehrt werden müssen, zu der sie sich bereit erkläre.

Die Stellungnahme wurde dem BFA weitergeleitet.

6. In einer E- Mail vom 29.03.2018 teilte das BFA der ÖKG Istanbul mit, dass die Beschwerdeführerin schon früher einen Antrag gemäß § 35 gestellt und damals eine andere Tochter als Bezugsperson namhaft gemacht habe. Da diese bereits volljährig gewesen sei, sei der damalige Antrag der Beschwerdeführerin abgelehnt worden. Im Asylverfahren der nunmehr als Tochter bezeichneten Bezugsperson, sei die früher namhaft gemachte Tochter, als deren Tante angeführt worden. Dass die beiden plötzlich Schwestern sein sollen, sei demnach nicht glaubhaft. Darüber hinaus würde in den im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen der Beschwerdeführerin die nunmehr als Tochter bezeichnete kein einziges Mal aufscheinen, weshalb nicht von einem Verwandtschaftsverhältnis ausgegangen werden könne. Die negative Prognoseentscheidung bleibe sohin aufrecht.

7. Daraufhin verweigerte das ÖGK Istanbul mit Bescheid vom 25.04.2018, zugestellt am selben Tag, den Antrag auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG.

8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 23.05.2018 bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde, in der Folgendes moniert wurde:

Die Beschwerdeführerin habe in der Stellungnahme vom 19.03.2018 beantragt, die vom BFA erkannten Widersprüche zu konkretisieren, um ihr die Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch unterblieben. Dem am 25.04.2018 übermittelten Bescheid sei lediglich eine E-Mail des BFA beigelegt gewesen, in der näher auf die vermeintlichen Widersprüche eingegangen werde. Eine erneute Möglichkeit zur Stellungnahme beziehungsweise zur Klarstellung der Familiensituation sei dazu aber nicht eingeräumt worden, weshalb eine gravierende Verletzung des Parteiengehörs vorliege.

Die Beschwerdeführerin erklärte ferner, dass ihre beiden Töchter im Jahr 2012 gemeinsam nach Österreich eingereist seien und die ältere Tochter in sämtlichen Einvernahmen zu Protokoll gebracht habe, die Schwester der nunmehrigen Bezugsperson zu sein. Dass die ältere Tochter im Asylbescheid der Bezugsperson fälschlicherweise als Tante geführt werde, sei offensichtlich ein Fehler der Behörde. Wäre der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden, so hätte sich dieses Missverständnis leicht aufklären lassen. Darüber hinaus hätte ihr die Möglichkeit zur Durchführung einer DNA-Analyse gegeben werden müssen, wodurch das Verwandtschaftsverhältnis zweifelsfrei aufgeklärt hätte werden können.

Der Beschwerde beigefügt waren:

?        Asylbescheid der Bezugsperson,

?        Meldebestätigung der Bezugsperson,

?        Zivilregisterauszug der Bezugsperson,

?        Zivilregisterauszug der Beschwerdeführerin

8. In weiterer Folge erließ das ÖGK am 07.08.2018 eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs 1 VwGVG mit welcher die Beschwerde zurückgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass die Vertretungsbehörde in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Asylgewährung beziehungsweise Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden sei und eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose durch die Botschaft nicht in Betracht komme. Unabhängig davon teile die belangte Behörde die rechtliche Beurteilung des BFA und sei ferner darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Antragstellung am 27.07.2017 in Form eines Verbesserungsauftrages die Möglichkeit eingeräumt worden sei, Dokumente zum Nachweis ihrer Familieneigenschaft vorzulegen. Auch sei zu betonen, dass die Beschwerdeführerin zwar ihre Bereitschaft zur Durchführung einer DNA-Analyse erklärt habe, weitere Schritte, wie etwa eine Kontaktaufnahme mit der belangten Behörde zur Organisation der Entnahme und Übermittlung von DNA-Proben, seien von ihr aber keine gesetzt worden. Die belangte Behörde sei lediglich verpflichtet organisatorische Hilfeleistellung zu leisten.

9. Am 20.08.2018 wurde von der Beschwerdeführerin ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

Die Beschwerdeführerin wies darin zunächst darauf hin, dass die Beschwerdevorentscheidung erst nach der hiefür vorgesehenen Frist von zwei Monaten erlassen worden sei und sohin unzulässig sei.

Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde in der BVE selbst angeführt habe, dass sie zu einer organisatorischen Hilfeleistung bezüglich der DNA- Analyse verpflichtet sei. Zumal die belangte Behörde aber nie auf die Beantragung der Ermöglichung einer solchen reagiert habe, könne jedenfalls von keiner Hilfeleistung gesprochen werden und belaste die unterlassene Belehrung den Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

10. Mit einer am 13.09.2018 eingelangten Note des Bundesministeriums für Inneres wurde dem Bundesverwaltungsgericht dieser Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A.) I. Ersatzlose Behebung der Beschwerdevorentscheidung

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerde am 23.05.2018 rechtzeitig erhoben wurde. Allerdings wurde die Beschwerdevorentscheidung mit 07.08.2018 verspätet und damit von einer unzuständigen Behörde erlassen. Der Vorlageantrag wurde rechtzeitig erhoben und ist zulässig.

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG stand es der belangten Behörde frei, den angefochtenen Bescheid - innerhalb von zwei Monaten - aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen, wie hier erfolgt (Beschwerdevorentscheidung); dies unter sinngemäßer Beachtung des § 27 VwGVG. Die zweimonatige Frist beginnt mit dem Einlangen der Beschwerde bei der Behörde zu laufen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Rz 7 zu § 14, ebenso Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 14 VwGVG, K 6).

Diese zweimonatige Frist endete nach § 32 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 2 AVG (iVm § 17 VwGVG) am 23.07.2018. Die Beschwerdevorentscheidung wurde erst am 07.08.2018 erlassen und erweist sich somit als verspätet.

Wie dargestellt wurde die Beschwerdevorentscheidung sohin von einer unzuständigen Behörde erlassen.

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Frage der Zuständigkeit der erlassenden Behörde von Amts wegen aufzugreifen. Die Beschwerdevorentscheidung ist daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde nach § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 14 Abs. 1 VwGVG iVm § 27 VwGVG ersatzlos zu beheben. (Vgl Eder/Martschin/Schmid, das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 14 VwGVG K 7.)

Die Beschwerdevorentscheidung tritt durch den Vorlageantrag mangels einer gesetzlichen Regelung nicht außer Kraft, was vom Gesetzgeber offenbar beabsichtigt war (vgl. RV 2009, BlgNR 24 GP 5), sondern derogiert dem Ausgangsbescheid endgültig und wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (dazu ausführlich VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Da mit vorliegender Entscheidung allerdings die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos ex tunc behoben wird, war die Behörde doch bereits mit 07.08.2018 unzuständig, ist der angefochtene Bescheid nicht derogiert und dieser in Folge anhand der Beschwerde iSd § 28 Abs. 2 VwGVG zu prüfen.

Nun stellt sich jedoch die Frage nach dem rechtlichen Schicksal des Vorlageantrages. Vereinzelt könnte die Meinung vertreten werden, durch die ex tunc Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung wäre der Vorlageantrag mangels derselben unzulässig. Dies erscheint nicht konsequent und gibt es aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinen vernünftigen Grund, den Vorlageantrag deswegen aus dem Rechtsbestand zu entfernen, war er doch als Rechtsmittel gegen die (verspätete) erlassene Beschwerdevorentscheidung insoweit erfolgreich, als er zu deren Aufhebung führte. Schließlich wird eine Beschwerde auch nicht dadurch unzulässig, dass ihr Erfolg beschieden ist.

Zu A) II. Behebung des Bescheides und Zurückverweisung

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 34 AsylG 2005:

"§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

§ 35 AsylG 2005:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

"§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG)

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

"§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte."

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 FPG lautet:

"§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

§ 13 Abs. 4 BFA-VG lautet:

"Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Mit Erkenntnis vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH festgestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Im Erkenntnis vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamtes schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.

Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel: "Verwaltungsverfahren Band I2", E 84 zu § 39 AVG).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Auch wenn es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbständig) angefochten werden kann (VwGH 06. 10.2010, 2008/19/0527), setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des Bundesamtes in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesamt die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält.

Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor beziehungsweise wurde auch Verfahrensvorschriften nicht ausreichend Rechnung getragen:

Die Behörde lehnte den Einreiseantrag der Beschwerdeführerin gegenständlich im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Angaben der Beschwerdeführerin in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten widersprechen würden und sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses ergeben hätten.

Zunächst ist der Behörde zuzubilligen, dass die bei Antragstellung vorgelegten Unterlagen der Beschwerdeführerin nicht geeignet waren, das von ihr behauptete Familienverhältnis glaubhaft zu machen, zumal aus diesen nicht klar zu entnehmen war, dass die Beschwerdeführerin die Mutter der Bezugsperson ist. Auch ist es nicht richtig, dass – wie von der Beschwerdeführerin später behauptet - die Behörde der Beschwerdeführerin nicht mitgeteilt hätte, welche weiteren Dokumente vorzulegen gewesen wären, um ein Verwandtschaftsverhältnis nachweisen zu können, da die Behörde der Beschwerdeführerin bereits bei ihrer Antragstellung mitteilte, dass diesbezüglich ein Ausdruck des Familienstandregisters nachzureichen sei. Da die Beschwerdeführerin dem Verbesserungsauftrag, obgleich ihr hiezu eine Frist von drei Monaten eingeräumt worden war, nicht nachkam, und in Zusammenhang mit den von der Behörde zudem erkannten vermeintlichen Widersprüchen, konnte der Behörde folglich nicht entgegengetreten werden, wenn diese anfängliche Zweifel an der Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin hegte.

Im gegenständlichen Fall wurde jedoch den Verfahrensvorschriften insofern nicht ausreichend entsprochen, als die Beschwerdeführerin – wie zutreffend vorgebracht - von der Behörde nicht entsprechend § 13 Abs. 4 BFA-VG über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse belehrt wurde.

Vor Abweisung eines Antrags gemäß § 35 AsylG aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis hat jedenfalls gemäß § 13 Abs 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung eines DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg: "hat ihm ... zu ermöglichen"; "ist zu belehren"; vgl VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0131). Eine korrekte Anwendung des § 13 Abs. 4 BFA-VG erfordert eine Belehrung der Fremden über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse. Der Beschwerdeführerin ist auf ihr Verlangen und auf ihre Kosten eine solche zu ermöglichen (vgl etwa BVwG W175 2142004-1f vom 17.05.2017; W205 21009987-1f vom 16.06.2016; W192 2009649-1f vom 24.03.2016 und W165 2012710-1 vom 07.01.2019).

Die Behörde hatte, wie bereits ausgeführt, berechtigte Zweifel am behaupteten Verwandtschaftsverhältnis der Beschwerdeführerin, zumal es der Beschwerdeführerin nicht gelang dieses anhand von Urkunden oder sonstigen Bescheinigungsmitteln nachzuweisen. Nach dem oben Gesagten, wäre die Behörde aber jedenfalls dazu verpflichtet gewesen, vor Abweisung des Antrages, die Beschwerdeführerin über ihre Möglichkeit zur Vornahme einer DNA-Analyse zu belehren und ihr eine solche auf ihr Verlangen hin zu ermöglichen.

Sofern die belangte Behörde in der unzulässigen Beschwerdevorentscheidung ausführt, dass die Beschwerdeführerin, zwar ihre Bereitschaft zur Durchführung einer DNA-Analyse erklärt, jedoch keine weiteren Schritte gesetzt habe, um diese durchzuführen - wie etwa die Kontaktaufnahme mit der belangten Behörde zur Organisation der Entnahme und Übermittlung von DNA-Proben – so ist diesbezüglich festzuhalten, dass bereits die explizit erklärte Bereitschaft, sich zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft einer DNA-Analyse zu unterziehen (vgl. Stellungnahme vom 19.03.2018), nur so verstanden werden kann, dass die Beschwerdeführerin damit um die gebotene behördliche organisatorische Hilfestellung im oben wiedergegebenen Sinn, somit auch eine Anleitung betreffend die Modalitäten der Durchführung einer DNA-Analyse (u.a. Ort, Zeit und Kosten) ersucht hat (vgl auch VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0131). Gerade diese organisatorische Hilfestellung ist jedoch unterblieben.

In diesem Zusammenhang ist auch noch Folgendes festzuhalten: Eine allfällige Kenntnis eines Fremden von der Bestimmung des § 13 Abs 4 BFA-VG entbindet die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den Fremden über die Möglichkeit der Durchführung einer DNA-Analyse zu belehren. Für eine hievon abweichende Auslegung bietet der klare Wortlaut der Bestimmung keine Anhaltspunkte (arg.: "Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren"...). Die Behörde hat es jedenfalls unbestrittener Maßen verabsäumt, die Beschwerdeführer entsprechend zu belehren, obgleich die Beschwerdeführerin selbst auf diese die Behörde treffende Verpflichtung hinwies.

Ohne die Bindungswirkung an die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA in Frage zu stellen, fehlt in der vorliegenden Entscheidung außerdem die erforderliche Nachvollziehbarkeit. So wurden die Widersprüche zwischen den von der Beschwerdeführerin gemachten Angaben und jenen, die die Bezugsperson im Asylverfahren tätigte, auf die sich das BFA in seiner Stellungnahme bezieht, nicht näher konkretisiert, weshalb es der Beschwerdeführerin nicht möglich war hiezu Stellung zu nehmen.

Im Sinne der Rechtsprechung des VwGH sind mögliche Widersprüche, die sich aus den Einvernahmen mit der Bezugsperson und aus den Angaben der Antragsteller ergeben können, konkret bekannt zu geben, um einem Antragsteller eine entsprechende Stellungnahme dazu zu ermöglichen (VwGH, 09.11.2010, 2007/21/0323).

Im gegenständlichen Verfahren übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin am 27.02.2018 die Mitteilung über die negative Wahrscheinlichkeitsprognose unter Anschluss der Stellungnahme des BFA, in welcher unter anderem auf – nicht näher präzisierte – Widersprüche hingewiesen wurde. Auf diesen Umstand und die daraus resultierend fehlende Möglichkeit der Abgabe einer entsprechenden Stellungnahme wurde in der bezugnehmenden Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 19.03.2018 in zutreffender Weise hingewiesen. Die belangte Behörde erstellte daraufhin am 25.04.2018 die nunmehr in Beschwerde gezogene abweisende Erledigung, nachdem durch das BFA per E-Mail eine ergänzende Stellungnahme abgegeben wurde, in welcher die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrechterhalten wurde und die Zweifel am Bestehen eines relevanten Familienverhältnisses zum Teil näher dargelegt wurden. Jenes Schreiben wurde der Beschwerdeführern in der Folge am gleichen Tag wie der Bescheid zugestellt, wodurch die Beschwerdeführerin vor Bescheiderlassung keine Möglichkeit hatte, zu den konkreten Gründen der ablehnenden Entscheidung – insbesondere hinsichtlich des Widerspruchs, dass die im früheren Familienverfahren namhaft gemachte Tochter im Asylbescheid der nunmehr als Tochter bezeichneten Bezugsperson als deren Tante aufscheint, nun aber deren ältere Schwester sein soll – im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu beziehen.

Dem BVwG steht es offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FrPolG 2005 nicht entgegengehalten werden.

Zumal im gegenständlichen Fall eine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, kann der Beschwerdeführerin sohin nicht entgegengehalten werden, dass diese erst im Rahmen ihrer Beschwerde auf die vermeintlichen Widersprüche eingeht, in dem sie auf die Protokolle des Asylverfahrens der Bezugsperson verweist - worin die früher namhaft gemachte Bezugsperson eindeutig als Schwester aufscheint – und gleichzeitig vorbringt, dass sich der vermeintliche Widerspruch aufgrund eines Fehlers der im Rahmen des Asylverfahrens agierenden Behörde ergeben hätte. Da ihr Vorbringen – wie oben angemerkt – nicht dem Neuerungsverbot unterliegt, wäre dieses von der Behörde zu berücksichtigen gewesen. Dasselbe gilt hinsichtlich dem ebenso mit Beschwerde vorgelegten Zivilregisterauszug der Bezugsperson, worin die Beschwerdeführerin als deren Mutter angeführt wird.

In einem fortgesetzten Verfahren wird sich die Behörde umgehend mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den von ihr vorgelegten Beweismitteln auseinanderzusetzen sowie eventuell die zeugenschaftliche Einvernahme der Bezugsperson anzuberaumen haben, um mögliche Zweifel auszuräumen.

Darüber hinaus wird die Behörde – wie bereits oben angemerkt - unter Berücksichtigung der neueren höchstgerichtlichen Judikatur (vgl VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0131) eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG durchzuführen und der Beschwerdeführerin, im Falle ihrer Ansicht nach weiterhin vorliegender Zweifel an der Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin, Gelegenheit zur Vornahme von DNA-Analysen zu geben haben.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) der gegenständlichen Beschwerdeverfahren hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zur Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Beschwerdevorentscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2205556.1.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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