TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/5 97/03/0105

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Veröffentlicht am 05.11.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §102 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des R in N, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Norbert Novohradsky, Rechtsanwalt in Gmunden, Rathausplatz 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. März 1997, Zl. 14/188-1/1996, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretungen nach

1. § 20 Abs. 2 StVO 1960 und 2. § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 82 Abs. 4 KFG 1967 mit Geldstrafen bestraft, weil er am 1. Dezember 1995 um 22.10 Uhr einen Pkw mit einem bestimmten deutschen Kennzeichen auf der B 314 in Heiterwang bei km 44,533

1. im Ortsgebiet gelenkt und dabei die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von 50 km/h um 31 km/h überschritten und 2. den Pkw gelenkt habe, ohne sich vor Antritt der Fahrt davon überzeugt zu haben, daß das Fahrzeug den gesetzlichen Vorschriften entspreche, da am Heck des Pkws kein internationales Unterscheidungszeichen "D" angebracht gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde erwogen:

1. Zur Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960:

Im Spruch des mit dem angefochtenen Bescheid übernommenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde der Tatort der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung mit "auf der B 314... in Heiterwang bei km 44,533" angegeben. In der Begründung dieses Bescheides stellt die belangte Behörde fest, die die Geschwindigkeitsmessung durchführenden Beamten hätten sich bei km 44,32 aufgestellt und die Geschwindigkeit des vom Beschwerdeführer gelenkten Pkws aus einer Entfernung von 133 m von vorne gemessen. Daraus ergibt sich aber der Tatort der Geschwindigkeitsüberschreitung - wie schon im Bericht der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos Tirol, Außenstelle Reutte, vom 1. Mai 1996 berichtigend angegeben - im Bereich von km 44,453. Selbst wenn berücksichtigt wird, daß bei Übertretungen, die nur während der Fahrt begangen werden können, als Tatort nicht ein bestimmter Punkt, sondern nur eine bestimmte (Fahr-)Strecke in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 96/03/0040), kann die Divergenz zwischen den Tatortangaben im Spruch und in der Begründung des angefochtenen Bescheides doch nicht als unwesentlich angesehen werden, weil aus den vorliegenden unterschiedlichen Straßenkilometerangaben nicht dieselbe bestimmte (Fahr-)Strecke abgeleitet werden kann.

Der aufgezeigte Widerspruch zwischen Spruch und Begründung bewirkt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die inhaltliche Rechtswidrigkeit des in Beschwer gezogenen Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1994, Zl. 92/03/0270). Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2. Zur Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 4 KFG 1967:

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß "der Tatort" (gemeint: die Umschreibung des Tatortes) nicht den gesetzlichen Erfordernissen entspreche und auch die Tathandlung nicht ausreichend beschrieben sei. Es sei ihm erst nach Eintritt der Verfolgungsverjährung vorgeworfen worden, sich nicht überzeugt zu haben, daß das von ihm gelenkte Fahrzeug den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Überdies sei nicht angeführt worden, daß ihm eine derartige Überprüfung zumutbar gewesen sei. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf sein Vorbringen in der Berufung, wonach eine namentlich genannte Zeugin von ihm vor Antritt der Fahrt ausdrücklich den Auftrag erhalten habe, das internationale Unterscheidungskennzeichen "aufzubringen"; dies sei jedoch unterblieben, was ihm nicht als Verschulden angelastet werden könne, da die Zeugin derartige Aufträge seit vielen Jahren immer ordnungsgemäß erfüllt habe.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Aus der Anzeige ergibt sich, daß bei dem vom Beschwerdeführer am 1. Dezember 1995 um 22.10 Uhr auf der B 314 "in Heiterwang, Str. Km 44.533" gelenkten Pkw mit einem näher bezeichneten deutschen Kennzeichen das internationale Unterscheidungszeichen gefehlt habe. Diese Anzeige wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers zusammen mit dem übrigen Akteninhalt am 18. Jänner 1996 im Wege der Akteneinsicht mit der Aufforderung zur Kenntnis gebracht, binnen drei Wochen eine allfällige schriftliche Stellungnahme abzugeben. Dieses Vorgehen der Behörde stellt eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG dar, zumal in der Anzeige die Tat hinsichtlich aller der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben war. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 1979, Zl. 1208/77) schließt nämlich die dem Kraftfahrzeuglenker im § 102 Abs. 1 KFG 1967 auferlegte Verpflichtung, sich vor der Inbetriebnahme, soweit es zumutbar ist, davon zu überzeugen, daß das Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, die Verpflichtung ein, die Inbetriebnahme und damit auch das Lenken des Kraftfahrzeuges zu unterlassen, wenn das im Rahmen des zumutbaren vorgenommene "Überzeugen" zu dem Ergebnis geführt hat, daß das Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften nicht entspricht. Demnach macht sich nicht nur derjenige, der sich vor der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges von dessen rechtmäßigem Zustand nicht überzeugt, einer Übertretung dieser Bestimmung schuldig, sondern jeder, der ein den in Betracht kommenden Vorschriften nicht entsprechendes Kraftfahrzeug in Betrieb nimmt und in der Folge lenkt. Ein derartiges Verhalten, nämlich das Lenken eines nicht den Vorschriften entsprechenden Kraftfahrzeuges, wobei der von der Behörde als rechtswidrig angenommene Zustand des Fahrzeuges im Beschwerdefall - insoweit unbestritten - schon vor der dem Lenken vorausgegangenen Inbetriebnahme bestanden hat, wurde dem Beschwerdeführer aber bereits in der am 18. Jänner 1996 mit der Aufforderung zur Rechtfertigung zur Kenntnis gebrachten Anzeige zur Last gelegt, weshalb Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 VStG nicht eingetreten ist.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, daß die Umschreibung des Tatortes und der Tathandlung im Spruch des mit dem angefochtenen Bescheid übernommenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht den gesetzlichen Erfordernissen entspricht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bedarf es vor dem Hintergrund der hg. Rechtsprechung zu § 44a Z. 1 VStG (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, SlgNr. 11894/A) nicht der Aufnahme eines ausdrücklichen Ausspruches in den Spruch des Straferkenntnisses, daß es dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen sei, sich davon zu überzeugen, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht. Auch ohne einen derartigen Ausspruch wird der Beschwerdeführer nämlich in die Lage versetzt, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ist auch nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf dem einer Zeugin erteilten Auftrag zur Anbringung des Unterscheidungszeichens beruft, vermag er damit nicht den Mangel eines Verschuldens darzutun. Die zumutbare Sorgfalt hätte nämlich auch die - vom Beschwerdeführer nicht behauptete - Kontrolle der Befolgung des erteilten Auftrages umfaßt. Dazu hätte es bloß eines kurzen Blickes auf die Rückseite des Fahrzeuges bedurft.

Die Beschwerde war somit in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 82 Abs. 4 KFG 1967 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 41671994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand. Zur gehörigen Rechtsverfolgung genügt gemäß § 28 Abs. 5 VwGG die Vorlage bloß einer Ausfertigung oder Abschrift des angefochtenen Bescheides.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Mängel im Spruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997030105.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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