TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/3 W261 2191156-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W261 2191156-1/22E

Schriftliche Ausfertigung des am 26.05.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg vom 21.02.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.05.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde des XXXX wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Wesentliche Entscheidungsgründe:

I. Gang des Verfahrens:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach seinen Angaben am 19.11.2015 irregulär in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung am 20.11.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion XXXX , gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei am XXXX in der Provinz Sar-e Pul, in Afghanistan geboren. Er habe in Afghanistan als Mechaniker gearbeitet. Er habe bis zum Jahr 2012 im Iran gearbeitet, habe Geld gespart und sei nach Afghanistan zurückgekehrt und habe sich einen Bauernhof mit Hühnern gekauft. Danach sei er ständig von den Taliban und der Polizei erpresst worden, welche Geld von ihm verlangt hätten. Schlussendlich sei er in Konkurs gegangen. Trotzdem hätten ihn die Taliban nicht in Ruhe gelassen. Die Taliban hätten ihm gesagt, dass sie Informationen hätten, dass der Beschwerdeführer ein Spion der afghanischen Regierung wäre. Er habe mehrfach betont, dass das nicht stimme, weswegen die Taliban ihn mit dem Umbringen bedroht hätten, weswegen er aus Angst um sein Leben geflüchtet sei. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil er Angst vor den Taliban habe, er sei Hazara und Schiit und werde von diesen getötet.

Am 07.12.2017 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg - Außenstelle Salzburg (im Folgenden belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers statt.

Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der Ersteinvernahme vor, dass er Hazara und schiitischer Moslem sei. Er sei in der Provinz Sar-e Pul, im Dorf XXXX geboren. Er habe in ca. eineinhalb Jahre lang die Schule besucht. Befragt zu den Fluchtgründen gab er an, dass er von Sar-e Pul nach Mazar gefahren sei, wo er fünf Monate bei seiner Schwester gelebt habe. Er sei früher über einen Zeitraum von vier Jahren mit einem Mädchen befreundet gewesen, welches ebenfalls in Mazar-e Sharif gelebt habe. Er habe diese Frau geliebt und habe diese heiraten wollen. Ihre Eltern seien gegen die Ehe gewesen und hätten die junge Frau einem anderen Mann versprochen, welchen diese sieben Monate nach deren Verlobung habe heiraten müssen. In der Hochzeitsnacht habe der Mann bemerkt, dass seine Frau keine Jungfrau mehr sei. Der Mann habe seine Frau geschlagen und ein Foto des Beschwerdeführers bei ihr gefunden. Er habe wissen wollen, wer dieser Mann sei, und die Frau habe ihm gesagt, dass der Mann " XXXX " heiße und im Iran sei. Die Frau habe den Beschwerdeführer gewarnt, dass ihr Mann ihn suchen würde, und er so rasch als möglich das Land verlassen solle, weil dieser den Beschwerdeführer töten werde. Der Mann habe sich von der Frau bei Gericht scheiden lassen. Nach der Scheidung habe der Exmann dieser Frau eine Granate in das Auto der Familie der Frau geworfen, wobei es auch Tote gegeben habe. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass der Bruder des Mädchens und deren Exmann ihn töten würden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21.02.2018 wies diese im Spruchpunkt I. den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ab. Im Spruchpunkt II. wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab. Im Spruchpunkt III. erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ im Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung und stellte im Spruchpunkt V. fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Im Spruchpunkt VI. legte die belangte Behörde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer habe viele widersprüchliche Angaben gemacht, wie beispielsweise zu seinem Geburtsdatum. Auch die Angaben zu seinem Fluchtvorbringen seien widersprüchlich und nicht glaubhaft. Es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Sein Fluchtvorbringen sei weder substantiiert, noch schlüssig, noch plausibel und sei auch der Beschwerdeführer als Person nicht glaubwürdig. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Afghanistan in Abstimmung mit seiner Familie verlassen habe, um in Europa eine wirtschaftliche Besserstellung zu erreichen. Seine Herkunftsprovinz Sar-e Pul zähle zu den umkämpften Provinzen, weswegen der Beschwerdeführer nicht dorthin zurückkehren könne. Es würden diesem jedoch eine Reihe von innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternativen zur Verfügung stehen. Er habe Familie in Afghanistan, er sei weitgehend gesund, und es sei ihm aufgrund seiner mannigfachen Berufserfahrung möglich und zumutbar, für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Er verfüge in Österreich über kein schützenswertes Privat- und Familienleben. Daher würden die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, und eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan sei zulässig.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich fristgerecht mit Eingabe vom 14.03.2018 das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein und legte eine Vertretungsvollmacht vor.

In der Beschwerdebegründung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass der Bescheid vollinhaltlich angefochten werde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei von der belangten Behörde nicht richtig beurteilt worden. Er sei seiner Mitwirkungsverpflichtung im Rahmen des Verfahrens so gut wie möglich nachgekommen, die belangte Behörde habe es vielmehr verabsäumt, den Hinweisen von Amts wegen nachzugehen. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Asylverfahrens wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Es drohe ihm, wegen Zina bestraft zu werden. Der Beschwerdeführer gehöre auch einer Gruppe an, welche von den Taliban bedroht werden würde. Es sei im Falle einer Rückkehr definitiv eine Bedrohung für den Beschwerdeführer gegeben, und die Furcht vor einer Rückkehr sei sehr wohl begründet. Der Beschwerdeführer habe keine familiären Bezugspunkte mehr in Mazar-e Sharif, weswegen er im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten werde, weswegen ihm jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Er halte sich seit dem Jahr 2015 in Europa auf und habe den Kontakt zu den Sozialsystemen in Afghanistan verloren, was ihm eine Rückkehr nach Afghanistan erschweren würde, wie dies auch Friedericke Stahlmann, eine Afghanistanexpertin, bestätigen würde. Er könne es sich nicht leisten, sich in Afghanistan eine Unterkunft zu mieten, er werde trotz seiner Berufserfahrung keine Arbeit finden, weil nicht einmal Akademiker in Afghanistan Arbeit finden würden. Hinzu komme das Problem der allgegenwärtigen Korruption. Für junge Rückkehrer aus dem Westen bestehe zudem die Gefahr, dass sie als Kollaborateure der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft gehalten werden würden. All dies habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, weswegen der Bescheid unter schweren Verfahrensmängeln leiden würde. Sollte dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Asylrelevanz zugebilligt werden, so würden jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen. Der Beschwerdeführer bemühe sich in Österreich Deutsch zu lernen, er besuche die Schule und habe sich gut integriert. Es werde ersucht, der Beschwerde stattzugeben.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Aktenvorgang mit Schreiben vom 28.03.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo diese am 03.04.2018 in der Gerichtsabteilung W230 einlangte.

Mit Schreiben vom 21.06.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer drauf hin, dass die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte V. und VI. Mängel enthalte und hinsichtlich der Anfechtung der Spruchpunkte III., V. und VI. würden die Gründe fehlen, weswegen diese angefochten werden würden. Das Bundesverwaltungsgericht räumte dem Beschwerdeführer eine Frist zur Mängelbehebung ein.

Der Beschwerdeführer kam mit Eingabe vom 20.07.2018, eingelangt am 24.07.2018, durch seinen bevollmächtigten Vertreter dem Verbesserungsauftrag fristgerecht nach und führte ergänzend aus, dass der Spruchpunkt VI. des Bescheides nicht angefochten werde, der Eventualantrag zur Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG werde zurückgezogen, was aber die amtswegige Erteilung der Aufenthaltsberechtigung vom erkennenden Bundesverwaltungsgericht nach Abs. 1 leg. cit keinesfalls ausschließe. Was die Gründe der Rechtswidrigkeit der ausgesprochenen Abschiebung betreffe, werde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.

Der Beschwerdeführer legte mit Eingabe vom 08.01.2019 durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 28.11.2018 vor, wonach der Beschwerdeführer mit diesem Datum rechtswirksam den Austritt aus der islamischen Kirche erklärt habe. Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben einer Vertrauensperson vom 21.11.2018 vor, wonach der Beschwerdeführer sich gemeinsam mit zwei weiteren Asylwerbern für das Christentum interessiert habe. Aufgrund des großen Interesses habe diese Person sich bereit erklärt, den Beschwerdeführer und seine beiden Freunde im katholischen Glauben zu unterrichten. Seit ca. einem halben Jahr treffe sich die Gruppe wöchentlich. Es sei deren Wunsch, sich auf die Taufe vorzubereiten. Von Seiten der katholischen Kirche sei dafür eine Vorbereitungszeit von einem Jahr vorgesehen. Es sei bereits der Antrag auf Taufe vom Pfarramt in XXXX an die Erzdiözese XXXX gestellt worden. Die Vertrauensperson sei in Pension, er sei selbst sehr religiös und habe nebenberuflich an der Volksschule Religion unterrichtet. Der Beschwerdeführer und seine Freunde würden mit großem Interesse und Engagement am Pfarrleben in XXXX teilnehmen.

Mit Eingabe vom 24.04.2020 übermittelte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter den Taufschein der (Erz-) Diözese XXXX der römisch-katholischen Kirche in Österreich vom 20.4.2019, wonach der Beschwerdeführer am 20.04.2019 in der Pfarre XXXX getauft worden sei.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.09.2019 wurde das Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W230 abgenommen und der Gerichtsabteilung W263 neu zugeteilt, wo dieses am 20.09.2020 einlangte.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W263 abgenommen und der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt, wo dieses am 27.01.2020 einlangte.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte in weiterer Folge mit Ladung vom 13.02.2020 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 26.05.2020 an. Mit Schreiben vom 04.05.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens ein Hinweisblatt zu COVID-19.

Mit Eingabe vom 05.05.2020 beantragte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter die Einvernahme eines Zeugen.

Das Bundesverwaltungsgericht kam diesem Antrag nach, und lud den Zeugen mit Ladung vom 06.05.2020 zur mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.05.2020.

Mit Eingabe vom 14.05.2020 teilte die belangte Behörde mit, dass ein bevollmächtigter Vertreter an der mündlichen Beschwerdeverhandlung teilnehmen werde.

Mit Eingabe vom 19.05.2020 übermittelte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter ergänzende Unterlagen, unter anderem die Beschreibung eines Traums des Beschwerdeführers, Bilder von seiner Taufe, welche in der Osternacht am 20.04.2019 stattgefunden habe, und bei welcher er den Taufnamen "Stefan" erhalten habe, Arbeitsbestätigungen und Gehaltsauszüge, eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs vom 24.05.2018, ein Schreiben seiner Taufpatin und ein Schreiben des Pfarrers des katholischen Pfarramtes von XXXX vom 02.05.2020, dass der Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen an der Heiligen Messe teilnehme.

Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte diese Stellungnahme samt Anlagen der belangten Behörde am 22.05.2020.

Mit Eingabe vom 25.05.2020 übermittelte der Beschwerdeführer eine Arbeitsbestätigung der XXXX Alm vom 19.05.2020, wonach der Beschwerdeführer in der Sommersaison 2020 in deren Betrieb arbeiten werde.

Mit Eingabe vom 26.05.2020 übermittelte die belangte Behörde eine "Information im Beschwerdeverfahren" und führte darin zusammenfassend aus, dass es gravierende Widersprüche im Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers zwischen der Erstbefragung und der Ersteinvernahme gegeben habe. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Ersteinvernahme auch ausgeführt, dass er nicht religiös sei, er würde die Gesetze und Regeln um menschlich zu sein kennen. Er habe im gesamten erstinstanzlichen Verfahren keinerlei Angaben darüber gemacht, dass er Interesse für das Christentum habe. Es seien der belangten Behörde weder Bestätigungen über die Taufvorbereitung noch über die Taufe vorgelegt worden. Es sei zweifelhaft, ob der Beschwerdeführer aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse dem Taufunterricht habe folgen können. Ebenso zweifelhaft sei es, dass der Beschwerdeführer in der Lage sei, den Traum in Deutsch selbst zu beschreiben. Die Beschreibung des Traumes sei auch nicht eigenhändig vom Beschwerdeführer unterschrieben und sei auch nur in Kopie vorgelegt worden. Es sei nicht klar, wann er diesen Traum gehabt habe, ein derartig einschneidendes Erlebnis müsse datierbar sein. Es gebe Hinweise darauf, dass der als Zeuge namhaft gemachte Mann dem Beschwerdeführer bei der Traumbeschreibung geholfen habe, wie er dies offensichtlich auch beim Freund des Beschwerdeführers, einem gewissen XXXX , gemacht habe. Es handle sich bei derartigen Träumen nicht um kirchlich anerkannte Phänomene, daher sei diese Traumbeschreibung mit Skepsis und Zurückhaltung zu betrachten. Der Beschwerdeführer verfüge über afghanische Netzwerke. Er habe falsche Angaben zu möglichen Verwandten in Österreich gemacht. Ein Mann, dessen Vater der Cousin des Vaters des Beschwerdeführers sei, würde mit seiner Ehefrau und den Kindern in Österreich leben. Auch diese Familie habe viele Verwandte und Kontakte nach Afghanistan. Auffallend seien insbesondere die vielen Widersprüche im Verfahren, welche die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers insgesamt und damit auch im Hinblick auf eine aus innerster Überzeugung erfolgte Konversion bezweifeln lassen. Nach den der belangten Behörde vorliegenden spärlichen Informationen sei die Konversion ausschließlich im Hinblick auf den positiven Ausgang des Asylverfahrens durchgeführt worden, und es handle sich um eine Scheinkonversion. Es werde daher ersucht, dies bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen und der Ansicht der belangten Behörde zu folgen.

Am 26.05.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt, zu der der Beschwerdeführer persönlich gemeinsam mit seinem bevollmächtigten Vertreter erschien. Auch ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der mündlichen Verhandlung teil.

Der Beschwerdeführer führte auf richterliche Befragung zu den Gründen seiner Konversion und den damit für ihn verbundenen Auswirkungen im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus. Er schilderte als Fluchtgrund die ihm drohende Verfolgung durch den Bruder und den Exmann jener Frau, welche er geliebt habe. Über eine mögliche Bedrohung durch die Taliban sagte der Beschwerdeführer nichts aus.

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung vernahm das Bundesverwaltungsgericht den vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen. Er bestätigte, dass er es gewesen sei, der den Traum des Beschwerdeführers verschriftlich habe. Er habe den Beschwerdeführer und seine Freunde, wozu auch XXXX zähle, nach den Vorgaben der Bischofskonferenz der katholischen Kirche für die Taufe vorbereitet. Die Entscheidung, dass der Beschwerdeführer bereit sei, das heilige Sakrament der Taufe zu empfangen habe nicht er, sondern der Pfarrer bzw. der Bischof der Erzdiözese XXXX getroffen. Er persönlich sei davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Er lebe sein Christentum auch öffentlich aus.

Nach Schluss der Verhandlung verkündete die erkennende Richterin das Erkenntnis. Der Beschwerdeführer verzichtete nach Belehrung ausdrücklich auf die Revision an den Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Vertreter der belangten Behörde gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung keine Erklärung ab.

Mit Schreiben vom 27.05.2020 ersuchte die belangte Behörde um Übermittlung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Feststellungen:

1.1 Zum Beschwerdeführer und dessen Fluchtgründen

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist am XXXX im Dorf XXXX , im Distrikt Tokzar, in der Provinz Sar-e Pul geboren. Er ist afghanischer Staatsbürger und Hazara. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht auch Farsi und etwas Deutsch. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Sein Vater hieß XXXX und war ca. 75 Jahre alt, als er verstarb. Seine Mutter hieß XXXX , sie war 44 Jahre alt, als sie mit seiner Tante mütterlicherseits und seinem Onkel mütterlicherseits von den Taliban getötet wurde.

Er hat drei Schwestern und drei Brüder, welche alle in Afghanistan leben. Alle seine Familienangehörigen haben Arbeit.

Der Beschwerdeführer lebte die ersten Jahre seiner Kindheit in seinem Heimatdorf. Im Jahr 1383 (2004) zog er mit seinem Vater in den Iran. Im Jahr 1385 (2005) wurden sein Vater und er nach Afghanistan abgeschoben. Im Jahr 1386 (2007) verlor der Beschwerdeführer auf der Flucht vor den Taliban bei einem Unfall mehrere Zehen. In der Zeit von 1387 (2008) bis 1390 (2011) hielt der Beschwerdeführer sich wieder im Iran auf. Danach wurde er wiederum nach Afghanistan abgeschoben, und er kehrte dann noch einmal in den Iran zurück.

Der Beschwerdeführer übte verschiedene Berufe aus, so war er als Landwirt, als Friseur und als Schneider tätig, und er war Inhaber einer Hühnerfarm.

Vor seiner Ausreise nach Europa wohnte er ca. 4 Monate lang bei seiner Schwester in Mazar- e Sharif.

Die Geschwister des Beschwerdeführers besitzen in Afghanistan einen Garten mit Apfelbäumen, zwei Landwirtschaften und ein Haus. Die finanzielle Situation der Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan war gut.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan weder von den Taliban, noch vom Bruder und auch nicht vom Exmann einer jungen Frau bedroht.

Der Beschwerdeführer verließ am 20.07.1394 (2015) seine Heimat und stellte am 19.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer hat viele österreichische Freunde, er hilft seinem Lehrer im Haushalt. Der Beschwerdeführer war im Jahr 2018 mehrfach am Bauhof der Gemeinde XXXX tätig. Am 24.05.2018 besuchte er den Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds. In der Zeit von Juni 2018 bis Mitte April 2019 war er in der Gästebetreuung als Maskottchen " XXXX " für den Tourismusverband XXXX tätig. Er half bei verschiedenen Veranstaltungen beim Auf- und Abbau von Zelten, bei der WC Reinigung und beim Aufräumen und beim Kinderprogramm mit. Er führte gemeinsam mit der Obfrau des Sozialkreises Besuche im Seniorenheim durch.

Der Beschwerdeführer arbeitete im Sommer 2019 auf der XXXX Alm. Seit Herbst 2019 arbeitete der Beschwerdeführer bei der Skihütte XXXX in XXXX am XXXX als Aushilfe in der Küche. Der Beschwerdeführer hat eine Zusage in der Sommersaison 2020 auf der XXXX arbeiten zu können.

Der Beschwerdeführer bekannte sich früher zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam und ist nunmehr bekennender Christ. Der Beschwerdeführer erklärte am 28.11.2018 den Austritt aus der islamischen Kirche. Er wurde am 20.04.2019 in der katholischen Kirche in XXXX getauft.

Die Geschwister des Beschwerdeführer wissen um die erfolgte Konversion und seine Taufe. Der Beschwerdeführer lebt seinen christlichen Glauben in Österreich offen aus.

Der Beschwerdeführer befürchtet, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Konversion vom Islam zum Christentum von anderen Personen getötet zu werden, weil er nach der dort allgemein vorherrschenden Ansicht als Moslem nicht die Religion wechseln hätte dürfen. Der Beschwerdeführer ist jedoch gewillt, auch im Fall der Rückkehr seinen christlichen Glauben offen und nach außen hin erkennbar auszuüben, seine Konversion zum Christentum nicht zu widerrufen und nicht wieder zum Islam überzutreten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Es liegen keine Gründe vor, nach die Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen sind oder nach denen ein Ausschluss Beschwerdeführer zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB),

- UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR) und

- EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO)

1.2.1. Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen anderen gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).

1.2.1.1. Aktuelle Entwicklungen

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann. Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten. Ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welcher Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens ist. Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (LIB, Kapitel 2).

1.2.2. Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).

Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze: Aufgrund der COVID-19 Maßnahmen der afghanischen Regierung sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen. Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (LIB, Landesspezifische Anmerkungen COVID-19).

1.2.3. Medizinische Versorgung

Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).

90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil. Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei. Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung. Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung. 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten. Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (LIB, Landesspezifische Anmerkungen COVID-19).

1.2.4. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9-10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild. Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Es bestehen keine sozialen oder politischen Stammesstrukturen (LIB, Kapitel 17.3).

Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (LIB Kapitel 17.3).

Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, dies steht im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen - inklusive der schiitischen Hazara - halten an (LIB, Kapitel 17.3).

Ausländische Christen und die wenigen Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (LIB, Kapitel 16.2).

1.2.5. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).

Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).

1.2.6. Herkunftsprovinz Sar-e Pul

Sar-e Pul liegt im Norden Afghanistans. Sie besteht aus Usbeken gefolgt von Hazara, Tadschiken, Paschtunen, Arabern, Aimaq und Belutschen. Die Provinz hat 609.986 Einwohner (LIB, Kapitel 3.30).

Die Sicherheitslage in der Provinz hat sich in manchen Distrikten in den letzten Jahren verschlechtert. Neben den Taliban sind seit 2015 Kämpfer der Islamic Jihad Union (IJU) in der Provinz Sar-e Pul aktiv. Die Taliban versuchen Ölquellen in der Nähe der Stadt Sar-e Pul entweder zu kontrollieren oder zu zerstören. In der Provinz kam es regelmäßig zu Sicherheitsoperationen durch die afghanischen Sicherheitskräfte und zu bewaffneten Zusammenstößen oder Angriffen von Aufständischen gegen die afghanischen Sicherheitskräfte. Bei manchen Vorfällen kamen auch Zivilisten ums Leben. Im Jahr 2018 gab es 101 zivile Opfer (22 Tote und 79 Verletzte) in der Provinz Sare Pul. Dies entspricht einem Rückgang von 6% gegenüber 2017. Die Hauptursachen für Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Kampfmittelrückständen (UXO) bzw. Minen und IEDs sowie gezielten oder vorsätzlichen Tötungen (LIB, Kapitel 3.30).

In der Provinz Sar-e Pul kommt es zu willkürlicher Gewalt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an individuellen Risikofaktoren erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

1.2.7. Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).

Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).

Die Taliban sind keine monolithische Organisation; nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (LIB, Kapitel 2).

1.2.8 Konversion

Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam. Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum der Abtrünnigen konfiszieren und deren Erbrecht einschränken. Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden. Missionierungen sind illegal. Die öffentliche Meinung stehe Christen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber (LIB, Kapitel 16.2).

Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie, also als Glaubensabfall betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tode bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, sie fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten "ungeheuerlichen Straftaten", die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen. Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund- und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren. Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, müssen Berichten zufolge um ihre persönliche Sicherheit fürchten (UNHCR, Kapitel III, A. 5 b).

Bekehrungsversuche, um Personen zum Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion zu bewegen, sind Berichten zufolge laut der Hanafi Rechtslehre ebenfalls rechtswidrig und es stehen darauf dieselben Strafen wie für Apostasie. Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können, so wird berichtet, selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. In der Regel haben Beschuldigte laut Berichten indes keinen Zugang zu einem Verteidiger oder zu anderen Verfahrensgarantien (UNHCR, Kapitel III, A. 5 b).

2. Beweiswürdigung

2.1 Zum Beschwerdeführer und dessen Fluchtgründen

Die Angaben der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akt, insbesondere auch aus den persönlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.05.2020. Das erkennende Gericht erachtet diese Angaben des Beschwerdeführers als grundsätzlich glaubhaft.

Die getroffenen Feststellungen betreffend die Konvertierung des Beschwerdeführers zum Christentum ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers anlässlich der Beschwerdeverhandlung am 26.05.2020.

Dabei vermochten der Beschwerdeführer und der zu diesem Beweisthema einvernommene Zeuge zu überzeugen, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2018 regelmäßig Glaubensunterweisungen erhält und an den Gottesdiensten der römisch-katholischen Pfarrkirche in XXXX teilnimmt. Er wurde am 20.04.2020 in der römisch-katholischen Pfarrkirchen in XXXX getauft. Der Beschwerdeführer ist im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung in der Lage, die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum darzutun. Bei seiner Einvernahme im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.05.2020 vermag der Beschwerdeführer ein großes Wissen über seinen neuen Glauben zu vermitteln. Dies wird auch von dem bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung einvernommen Zeugen bestätigt.

Der Beschwerdeführer hat im Verfahren glaubhaft dargelegt, dass er aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam zum Christentum konvertiert ist. Es sind im Beschwerdeverfahren letztendlich, trotz des Umstandes, dass die Konversion erst nach Erlassung des negativen Asylbescheides erfolgte, auch keine darüberhinausgehenden Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß asylzweckbezogen zum Schein erfolgt wäre.

Wenn die belangte Behörde mehrfach anführt, dass sie grundsätzliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Person des Beschwerdeführers habe und für diese sehr vieles darauf hinweise, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Schein erfolgt sei, um den Status des international Schutzberechtigten zuerkannt zu erhalten, so ist dazu auszuführen, dass es tatsächlich Aussagen des Beschwerdeführers gibt, welche seine Glaubwürdigkeit als Person in Frage stellen können.

So ist der belangten Behörde zu folgen, dass seine Aussagen, insoweit diese sein ursprüngliches Fluchtvorbringen betreffen, nicht glaubhaft, plausibel und schlüssig sind. Es gibt dazu auch zu viele Widersprüche. So gab der Beschwerdeführer, wie die belangte Behörde in der Begründung für den angefochtenen Bescheid und auch in deren Stellungnahme vom 26.05.2020 richtig anführt, bei seiner Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund an, als er dies bei seiner Ersteinvernahme tat. Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch, dass er selbst bei seiner Einvernahme vor dem Bundesveraltungsgericht von sich aus mit keinem Wort erwähnte, dass er (auch) von den Taliban bedroht worden sein soll, wie er dies bei seiner Erstbefragung behauptet hatte. Auch das Vorbringen im Zusammenhang mit der vorgeblichen Liebe zu einer jungen Frau ist im Lichte der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zitierten Länderinformationen weder plausibel noch nachvollziehbar. Vielmehr ist bei diesen Fluchtvorbringen davon auszugehen, dass es sich dabei um Konstrukte handelt, welche dazu dienen hätten sollen, in Österreich den Asylstatus zu erhalten. So gesehen war die Entscheidung der belangten Behörde, den Antrag des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid abzuweisen, richtig. Daher werden die entsprechenden Feststellungen getroffen.

Nach anfänglichen Zweifeln, welche auch bei der erkennenden Richterin vorlagen, konnte der Beschwerdeführer letztendlich doch überzeugen, dass er aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertierte. Dabei spielte der Traum, welchen der Beschwerdeführer gehabt haben will, gar keine Rolle. Auch zu dieser Frage teilt die erkennende Richterin den Standpunkt der belangten Behörde, dass es sich hierbei um ein fragwürdiges Konstrukt handelt, weswegen diesem keine besondere Bedeutung beigemessen wird.

Maßgeblich für die Feststellung, dass der Beschwerdeführer ernsthaft zum christlichen Glauben konvertierte, waren letztendlich neben den Ausführungen des Beschwerdeführers, die Aussage des unter Wahrheitspflicht aussagenden Zeugen. Dieser kennt den Beschwerdeführer bereits seit zwei Jahren und begleitete diesen auf dem Weg zu seiner Konversion zum Christentum, indem er die Taufvorbereitung für den Beschwerdeführer und seine beiden Freunde, welche ebenfalls am 20.04.2019 das heilige Sakrament der Taufe erhielten, durchführte. Nach dessen Ausführungen nahm der Beschwerdeführer ein Jahr lang an einem Taufvorbereitungskurs teil. Die Inhalte für diese Taufvorbereitung werden laut der Aussage des Zeugen von der österreichischen Bischofskonferenz vorgegeben, woran sich der Zeuge auch gehalten hat.

Eine Einsicht auf die öffentlich zugängliche Internetseite der österreichischen Bischofskonferenz (https://www.bischofskonferenz.at/pages/bischofskonferenz/rechtsmaterie/index7.html, abgerufen am 29.05.2020) ergab, dass es klare und öffentlich zugängliche Informationen darüber gibt, wie eine Taufvorbereitung von Asylwerbern zu erfolgen hat. Grundlage hierfür ist das Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz, Nr. 64, 1. Februar 2015.

Von besonderer Relevanz sind im gegenständlichen Fall folgende Angaben daraus:

"...

Grundlage für die Durchführung des Katechumenats (Taufvorbereitung) ist der Ordo Initiationis Christianae Adultorum (= Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche).

...

Wesentliche Teile dieses Katechumenats sind die Einführung in den Glauben durch Glaubensgespräche (Katechesen), Hinführung zur persönlichen Umkehr und Neuorientierung hinsichtlich der eigenen Lebensgestaltung, die Einübung in das Gebet und die Grundvollzüge von Kirche sowie die Integration in eine Gemeinde. Die gesamte Vorbereitungszeit (inklusive Erstverkündigung = Vorkatechumenat) dauert nach Möglichkeit mindestens ein Jahr. Allerdings ist die Vorbereitung individuell zu gestalten und kann daher auch längere Zeit in Anspruch nehmen.

...

Grundsätzlich gilt für Asylwerber dasselbe wie für alle Erwachsenen, die getauft werden wollen.

....

Nach der österreichischen Rechtslage ist der Wunsch nach einer Konversion zum Christentum bzw. eine schon erfolgte Eingliederung in die Kirche dann im Asylverfahren zu berücksichtigen, wenn der Religionswechsel als Ursache der Flucht oder wegen einer aufgrund einer späteren Konversion nunmehr gegebenen Verfolgung im Herkunftsland als Asylgrund geltend gemacht wird. Das gilt vor allem für eine Konversion von Flüchtlingen aus Ländern, in denen der Islam die dominante Religion der Bevölkerungsmehrheit ist. Nur in diesen Fällen ist die konkrete Konversion eines Asylwerbers für die Behörden relevant, wobei diese sicherstellen müssen, dass es sich nicht um eine Scheinbekehrung mangels anderer relevanter Asylgründe handelt. Deshalb ist es für die Kirche besonders wichtig, die Echtheit der Motive für den Taufwunsch genau zu prüfen und auf eine sorgfältige Durchführung des Katechumenats und eine ausreichende Dauer zu achten.

...

Die Frage der Prüfung der Echtheit von Konversionen wird von immer größerer Brisanz, weil sich in Asylantenkreisen Personen bewegen, die kirchlich nicht autorisierte Beratung anbieten, wie eine sichere und schnellere Anerkennung als Asylant durch eine scheinbare Hinwendung zum Christentum erlangt werden kann. Das ist selbstverständlich für die Kirche nicht wünschenswert. Aber es ist dies auch der Grund, warum die Behörden misstrauisch agieren, wenn der Wunsch Christ zu werden als hauptsächlicher Asylgrund angegeben wird. Dieses Misstrauen trifft dann aber alle Asylwerber, einschließlich jener, die wirklich Christen sein wollen und oft schon seit längerer Zeit gut in eine Gemeinde integriert sind.

Im Rahmen des Katechumentates erfolgt eine Klärung der Motive und ein erstes substanzielles Kennenlernen dessen, was Christsein bedeutet. Der Katechumene soll (für sich und andere) begründen können, warum er Christ werden will. Es ist also zu klären, was "christlich" grundsätzlich bedeutet. Dazu gehört insbesondere eine Grundkenntnis der Person Jesu Christi und seiner Botschaft.

...

Wenn Zweifel an der Aufrichtigkeit des Wunsches, Christ zu werden, bleiben, ist mit großer Behutsamkeit vorzugehen. So kann vermutet werden, dass es sich um eine Scheinbekehrung handelt, wenn Interessenten sich weigern, ihre vollständigen Asylunterlagen vorzuweisen und nicht klar angeben können, wann und wie der Wunsch nach der Taufe entstanden ist. Aber nur wenn eindeutig klar wird, dass es sich um eine Scheinbekehrung handelt, sollte die Vorbereitung von Seiten der Kirche mit entsprechender Begründung beendet werden.

....

Bei Konvertiten aus dem Islam ist insbesondere Klarheit in folgenden Glaubensinhalten erforderlich: Der Glaube an den Einen Dreifaltigen Gott, Jesus Christus als wahrer Mensch und Gott, die Rolle der Gottesmutter im Heilsereignis, Tod und Auferstehung Jesu, die Vergebung der Sünden, das christliche Menschenbild und die damit verbundene Stellung von Mann und Frau.

...

Die Taufe von Erwachsenen ist eine vollständige Initiation, die nach Möglichkeit in der Osternacht stattfindet. In derselben Feier empfangen die Neugetauften in der Regel auch die Firmung und die Eucharistie. Mit der Taufe sind sie vollständig in die Kirche eingegliedert und übernehmen sämtliche Rechte und Pflichten von Christen. Dazu gehört grundsätzlich auch ein Bekenntnis des Glaubens, das die Öffentlichkeit nicht scheut. Dennoch ist bei Asylwerbern und Asylanten von Seiten der Verantwortlichen auch nach der Taufe die notwendige Vorsicht für ihre Sicherheit nicht außer Acht zu lassen. Dies ist auch wichtig wegen der Sippenhaftung in manchen religiösen Gruppen, die zu Repressionen gegen Angehörige in den Herkunftsländern führen können.

...

Gerade bei Neuchristen ist auch eine Begleitung nach der Taufe - wie sie als Zeit der Mystagogie bis Pfingsten für jede Erwachsenentaufe vorgesehen ist - als Vertiefung der Lehrinhalte entsprechend den wachsenden sprachlichen Möglichkeiten besonders hinsichtlich der Sakramente und der Beteiligung an den Grundvollzügen von Kirche unbedingt erforderlich. Solange das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist, sollte mindestens ein loser Kontakt zu den für den Katechumenat Verantwortlichen bestehen bleiben.

...

Eine Zulassung zur Taufe von Personen, die beim behördlichen Verfahren als unglaubwürdig eingestuft werden, führt zur Unglaubwürdigkeit der Kirche bzw. des Katechumenats in ganz Österreich. Damit geraten alle Taufbewerber in Misskredit, auch jene, die aus echter und tiefster Überzeugung Christ werden wollen. All diese sind dann, wenn sie sich in einem Asylverfahren befinden, verstärkt von Abschiebung akut bedroht. Gegebenenfalls sollte eine geplante Zulassung von Personen, über deren Glaubwürdigkeit während des Katechumenats Zweifel auftreten, ausgesetzt und nach eingehender Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.

Da die Gerichte die Echtheit der Bekehrung und des Wunsches, Christ zu werden, zu prüfen haben, stellen sie Fragen zum Glaubenswissen und zur Lebenspraxis der Asylwerber. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Asylbehörden nicht unterscheiden, in welcher Diözese die Taufvorbereitung stattfindet.

Daher sind diesbezügliche Standards auch innerkirchlich erforderlich. Eine Vereinfachung der Anforderungen und eine Verkürzung der Vorbereitung helfen weder den Taufbewerbern noch der Kirche. Das aber legt nahe, auch innerkirchlich möglichst eng zusammenzuarbeiten. Um gleiche Standards des Katechumenats von Asylwerbern und das passende Verhalten im Zusammenhang mit den österreichischen Asylbehörden sicherzustellen, ist die Erarbeitung und Umsetzung genauer Regelungen für alle Diözesen erforderlich.

..."

Daraus folgt, dass sich auch die Österreichische Bischofskonferenz des Umstandes bewusst ist, dass es bei AsylwerberInnen immer wieder zu Scheinkonversionen kommen kann, weswegen ganz offensichtlich bei der Beurteilung der Frage, ob eine Person tatsächlich zum katholischen Glauben konvertiert ist, ein besonders strenger Maßstab angelegt wird, bevor jemand in einer katholischen Kirche zur Taufe zugelassen bzw. tatsächlich getauft wird.

Nachdem der Beschwerdeführer tatsächlich getauft wurde, und auch der Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde XXXX , welcher die Taufe vornahm und der Erzbischof von XXXX konkret der Taufe des Beschwerdeführers zustimmten, ist davon auszugehen, dass alle diese Personen nach eingehender Auseinandersetzung mit der Person und den Motiven des Beschwerdeführers davon ausgegangen sind, dass im Fall des Beschwerdeführers keine Scheinkonversion im Sinne der oben genannten Regularien gegeben ist.

Im Fall des Beschwerdeführers liegen auch nicht nur seine eigene Aussage, wonach er aus freier und innerer Überzeugung Christ geworden ist, vor, sondern auch die Aussage des unter Wahrheitspflicht einvernommen Zeugen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, seiner Taufpatin, welche in ihrem Schreiben vom 02.03.2020 anführt, dass der Beschwerdeführer ein "begeisterter Christ ist, und sie gerne seine Taufpatin ist" (vgl. OZ 16) und auch die Bestätigung des Pfarrers des katholischen Pfarramtes Neukirchen vom 02.05.2020, wonach der Beschwerdeführer regelmäßig die Heilige Messe besucht (vgl. OZ 16). Alle diese Menschen, welche sich für den Beschwerdeführer einsetzen, kennen diesen seit Jahren und konnten sich selbst ein Bild von diesem und seinem Bestreben, Christ zu werden und zu sein, machen.

Dadurch ist nicht nur mit ausreichender Wahrscheinlichkeit belegt, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Christ geworden ist, sondern es ist auch belegt, dass der Beschwerdeführer den christlichen Glauben auch nach wie vor im Alltag lebt. Er hat sein soziales Umfeld in Österreich schon darüber informiert, dass er nun Christ ist. Auch seine Geschwister in Afghanistan wissen um seine Konversion. Der Beschwerdeführer legt zudem glaubhaft dar, dass er offen zu seinem neuen Glauben steht. Dies wird auch durch den Zeugen bestätigt.

Auf Grund der nunmehrigen Lebensumstände und der insoweit über weite Strecken glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers kann daher davon ausgegangen werden, dass diese Tatsache der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum über das persönliche Umfeld des Beschwerdeführers hinaus auch nach außen hin bekannt geworden ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Konversion vom Islam zum Christentum war in ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Christen und Konvertiten in Afghanistan, insgesamt als glaubhaft zu beurteilen. So war das Vorbringen des Beschwerdeführers zur möglichen Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan ausreichend substantiiert, umfassend, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände des Beschwerdeführers und die allgemeine Situation in Afghanistan plausibel.

Auch der Verfassungsgerichtshof fordert, dass, sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, insoweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VfgH 27.02.2018, E 2958/2017, mwN).

In einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers, der Aussage des einvernommenen Zeugen und der vorliegenden Bestätigungen im Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführer zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan aus Gründen der Konversion vom Islam zum Christentum insgesamt glaubhaft, und dies obwohl die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid zu Recht die persönliche Glaubwürdigkeit in Zusammenhang mit seinem ursprünglichen Fluchtvorbringen abgesprochen hatte.

Im gesamten Verfahren sind keine Gründe zu Tage getreten, welche den Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausschließen.

2.2. Zur Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Situation Konvertiten in Afghanistan beruhen auf den angeführten Quellen und wurden in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.05.2020 erörtert. Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation Konvertiten zum christlichen Glauben ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Der B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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