TE Bvwg Beschluss 2020/6/3 L517 2230903-1

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Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

AlVG §49
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §13 Abs4

Spruch

L517 2230903-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen den mit Spruchpunkt B) verfügten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 22.01.2020 nach ergangener Beschwerdevorentscheidung vom 30.03.2020, GZ: XXXX , XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, zulässig.

Text


BEGRÜNDUNG:

I.

Verfahrensgang:

22.01.2020

– Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. bB), Verlustigerklärung der Notstandeshilfe für den Zeitraum 05.07.2019 bis 20.12.2019 (Spruchpunkt A), Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt B)

18.02.2020 – Beschwerde der bP

30.03.2020 – Beschwerdevorentscheidung der bB, Abweisung der Beschwerde

07.05.2020 – Vorlageantrag

12.05.2020 – Beschwerdevorlage am BVwG

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. 0. Feststellungen

Mit Bescheid vom 22.01.2020 sprach das AMS aus, dass die nunmehrige beschwerdeführende Partei (in Folge bP) gemäß § 49 AlVG für den Zeitraum vom 05.07.2019 bis zum 20.12.2019 keine Notstandshilfe erhält (Spruchpunkt A). Zudem wurde die aufschiebende Wirkung einer dagegen erhobenen Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt B).

Zu Spruchpunkt B wurde wie folgt ausgeführt:

„Die Einhaltung einer Kontrollmeldung ist ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung und dient der raschen Integration in den Arbeitsmarkt, weshalb diese grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen ist. Die im öffentlichen Interesse gelegene rasche Arbeitsmarktintegration gestaltet sich umso schwieriger, je länger der Arbeitslose der Vermittlungstätigkeit des AMS fernbleibt, indem er vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen von triftigen Gründen nicht wahrnimmt. Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung (bzw. neuerlichen Antragstellung) dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich war, stünde eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen. Aus diesem Grund überwiegt das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ist daher auszuschließen.“

Gegen diesen Bescheid erhob die bP am 18.02.2020 fristgerecht Beschwerde und führte zu Spruchpunkt B aus, die bP beantrage gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde aufzuheben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom

30.03.2020

wies die bB die Beschwerde mit näherer Begründung ab.

Die bP beantragte am 07.05.2020 die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.

Am

12.05.2020

legte die bB die Beschwerde und die Verfahrensakten vor. Nachrichtlich führte die bB aus: „Gemäß § 1 Abs. 1 COVID-19-VwBG sind alle verfahrensrechtlichen Fristen (d. s. insbesondere auch Rechtsmittelfristen), die nach dem 21. März 2020 ablaufen oder beginnen, jedenfalls bis zum 30 April 2020 unterbrochen. Die Frist für die Einbringung des Vorlageantrages endet daher am 15. Mai 2020. Der Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) vom 30.03.2020 wurde am selben Tag abgefertigt und Fr. XXXX am 03.04.2020 durch Zurücklassen des Dokuments an der Abgabestelle wirksam zugestellt. Den Vorlageantrag hat sie am 07.05.2020 persönlich und damit fristgerecht beim AMS XXXX eingebracht.“

2.0. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idgF

- Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte durch Einzelrichter. Im Gesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte oder in Bundes- oder Landesgesetzen kann vorgesehen werden, dass die Verwaltungsgerichte durch Senate entscheiden.

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senats das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.

Grundsätzlich sollen die Verwaltungsgerichte durch Einzelmitglied zu entscheiden haben; Senatszuständigkeiten unter Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern sollen die Ausnahme bilden (vgl. dazu Art. 135 Abs. 1 B-VG und die ErläutRV 1618 BlgNR 24.GP und AB 1771 BlgNR 24.GP sowie § 2 VwGVG und § 6 BVwGG). Der Normgeber hat – die differenzierenden Anforderungen (Rechtsschutz, Verfahrensaufwand, Ressourceneinsatz, gesellschaftspolitische Akzeptanz der Rechtsprechung sowie quantitative, qualitative und zeitliche Aspekte) berücksichtigend – grundsätzlich vorgesehen, dass die Verwaltungsgerichte ihre Entscheidungen durch einen einzelnen Richter treffen. Damit wird deutlich, dass – unter Berücksichtigung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit – der Gesetzgeber dem Rechtsschutzsuchenden mittels schneller Entscheidungen, die weniger Koordinationsaufwand bedürfen, den Vorzug gegeben hat. Allerdings ermöglicht der Gesetzgeber, in sachlich gerechtfertigten Ausnahmefällen andere Zusammensetzungen vorzusehen. Damit entspricht er dem vielfach geäußerten Wunsch, insbesondere der Sozialpartner, in bestimmten Bereichen das Fachwissen fachkundiger Laienrichter einzubringen (vgl. ErläutRV 2009 BlgNR 24.GP).

Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass Ziel und Zweck der Zusammensetzung von Rechtsprechungsorganen in Form von Senaten die Einbringung von Fachwissen der Laienrichter in bestimmten Bereichen waren. In Angelegenheiten des Arbeitslosenversicherungsgesetzes wurde dem Wusch der Sozialpartner entsprochen und hat über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat zu entscheiden, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Dennoch ist zu vermerken, dass der Gesetzgeber mit § 9 Abs. 1 BVwGG eine Regelung geschaffen hat, aus der ersichtlich ist, dass nicht jede Entscheidung der Verwaltungsgerichte in der im Materiengesetz vorgesehenen Senatsbesetzung getroffen werden muss. So sind eben verfahrensrechtliche Beschlüsse vom senatsvorsitzenden Richter alleine zu treffen. Da es im gegenständlichen Fall nicht um eine inhaltliche Entscheidung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz geht, die besondere fachliche Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung erfordert, liegt – auch unter Anerkennung der Aspekte der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit – nach Ansicht des ho. Gerichtes eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Mit der vorliegenden Entscheidung wird die Rechtssache nicht erledigt, sondern lediglich über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung abgesprochen. Mangels materieller Erledigung der Rechtsache hat die vorliegende Entscheidung somit durch Beschluss zu erfolgen.

Zu A) Aufhebung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung:

3.4. Nach dem im vorliegenden Fall anzuwendenden § 15 Abs. 2 VwGVG hat ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat.

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung (vgl. § 64 Abs. 1 AVG).

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen (vgl. § 64 Abs. 2 AVG).

Gemäß § 13 Abs. 3 VwGVG kann die Behörde Bescheide gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufgeben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

Gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

3.5. Der VwGH hat zur aufschiebenden Wirkung in Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018 u. a. aufgezeigt:

Die Entscheidung über Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028). Die vom Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis aufgezeigten Rechtsschutzdefizite bestehen bei der hier anzuwendenden Regelung nicht. § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).

Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.2.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.

Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 09.05.2016, Ra 2016/09/0035).

Im Hinblick auf die zu erfolgende Interessensabwägung im Einzelfall wäre die aufschiebende Wirkung etwa dann nicht zu gewähren, wenn begründete Zweifel an der späteren Einbringlichkeit der Forderung bestünden, da in diesem Fall das Interesse der Versichertengemeinschaft, somit das öffentliche Interesse, an der Verfügbarkeit von Mitteln für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung überwiegt (VwGH 13.05.2009, 2007/08/0285).

3.6. Verfahrensgegenständlich hat die bB mit Bescheid vom 22.01.2020 ausgesprochen, dass die bP vom 05.07.2019 bis 20.12.2019 keine Notstandshilfe erhält und die aufschiebende Wirkung einer dagegen erhobenen Beschwerde ausgeschlossen.

Im Sinne des § 13 Abs. 2 VwGVG ist nun zu prüfen, ob die sofortige Wirksamkeit des Bescheides und damit der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf öffentliche Interessen oder Interessen anderer Parteien wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Die von der Behörde vorzunehmende Interessenabwägung hat die (nicht dezidiert erwähnten aber immanenten) Interessen des Beschwerdeführers am nicht sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides und in diesem Zusammenhang auch den (möglichen) Erfolg seines Rechtsmittels gegen die berührten öffentlichen Interessen und die Interessen anderer Parteien am sofortigen Vollzug abzuwägen (vgl. Götzl, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Rz 13 zu § 13).

Im konkreten Fall begründete das Arbeitsmarktservice den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung insbesondere damit, dass die aufschiebende Wirkung den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen würde und stünde eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die von der bP verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse.

Das AMS stützte den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ausschließlich auf generalpräventive Gründe. Dem gesamten Akteninhalt ist eine Erörterung der Interessen der bP als Empfängerin von Notstandshilfe am nicht sofortigen Vollzug und einer vorläufigen Weitergewährung der Leistung nicht zu entnehmen.

Die bB hat demnach weder eine Abwägung der genannten Interessen – der öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug iSd Verlustigerklärung der Notstandshilfe und der Interessen der bP am nicht sofortigen Vollzug iSd Weitergewährung der Leistung – vorgenommen noch hat die bB sich mit dem Vorliegen von Gefahr im Verzug auseinandergesetzt – ob eben bei Aufschub der Vollstreckung des Bescheides ein gravierender Nachteil für das öffentliche Wohl (=Gefährdung der Einbringlichkeit der Rückforderungsansprüche) droht. Es fehlt sohin für die Annahme, dass Gefahr im Verzug vorliegt, an einer sachverhaltsbezogenen fachlichen Beurteilung durch die bB und hätte das AMS zu ermitteln und aufgrund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der bP festzustellen gehabt, ob eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Rückforderungsansprüche vorliegt.

Nach Maßgabe des dem BVwG vorliegenden Sachverhaltes ist eine Abwägung der öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug der Verlustigerklärung der Notstandshilfe mit den Interessen der bP an der Weiterzahlung der Notstandshilfe nicht möglich. Angesichts der vom AMS festgestellten Umstände kann folglich nicht von einem so gravierenden Nachteil für die berührten öffentlichen Interessen ausgegangen werden, dass Gefahr im Verzug vorliegt bzw. dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, weshalb der Ausspruch, mit dem die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen wurde, ersatzlos aufzuheben ist.

Der Beschwerde kommt somit aufschiebende Wirkung zu.

Es wird festgehalten, dass mit der gegenständlichen (verfahrensleitenden) Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eine Entscheidung in der die Rechtssache erledigenden Entscheidung nicht vorweggenommen wird und die Entscheidung darüber zu einem späteren Zeitpunkt gesondert erfolgt.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung (als Einzelrichter gemäß § 6 iVm § 9 BVwGG und § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG) von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes abweicht (vgl. VwGH vom 07.09.2017, Ra 2017/08/0081). Dies deswegen, als die §§ 6 und 9 BVwGG mit § 56 AlVG in einem Spannungsverhältnis stehen und eine Einzelrichterzuständigkeit als Grundsatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – wenn man bei der Senatszuständigkeit nach § 56 Abs. 2 AlVG lediglich auf die den Bescheid erlassende Behörde abstellt – praktisch, insbesondere aber auch in einem „Eilverfahren“, nie zur Anwendung kommen kann. Im Ergebnis würde die systematische Ausschließung auf Grundlage der besagten Judikatur des VwGH die beiden genannten Normen mit einer „Sinnlosigkeit“ behaften. Dieser Umstand kann aber unter Heranziehung der Judikatur des VfGH nicht Ziel und Zweck des Gesetzgebers gewesen sein, da ansonsten der VwGH dem Gesetzgeber ein sinnloses Schaffen von Normen unterstellen würde.

In diesem Sinne ist die Revision zulässig.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Interessenabwägung Revision zulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L517.2230903.1.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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