TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/5 W272 2198989-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2020
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Entscheidungsdatum

05.06.2020

Norm

AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W272 2198989-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Braunstein als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren auf internationalen Schutz

1.1 Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte infolge illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 05.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Anlässlich ihrer am 07.03.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgehaltenen niederschriftlichen Erstbefragung gab diese zusammengefasst an, sie stamme aus der Teilrepublik Inguschetien, sei verheiratet und habe noch mehrere Angehörige in der Russischen Föderation. Zum Grund ihrer Flucht führte sie aus, sie habe gedacht, ihr Ehemann mache etwas Illegales; deswegen sei sie vor diesem weggelaufen und zu ihrer Mutter zurückgekehrt. In der Folge sei sie nach Österreich gereist. Für den Fall einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte sie, wegen der vielleicht illegalen Geschäfte ihres Ehemannes Probleme zu bekommen.

1.3 Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 07.04.2015 gab die BF an, dass sie seit 2002 an aplastischer Anämie leide, derzeit aber keine Medikamente nehme. Bei ihrem nächsten Arzttermin am 20.04.2015 werde eine Knochenmarkpunktion durchgeführt. Sie habe weder in Österreich noch in der restlichen EU Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe. In Polen habe sie sich zwei oder drei Stunden aufgehalten, sie habe Angst, dorthin zurückzukehren, weil ihr Ex-Mann vielleicht dort sei. Das Lager in Polen sei nicht so überwacht wie hier in Österreich, dort könne jeder hinein- und hinausgehen.

1.4 Mit Bescheid des BFA vom 27.06.2015 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz zurückgewiesen, da für die Prüfung des Antrags Polen zuständig sei. Eine Abschiebung nach Polen wurde für zulässig erachtet.

1.5 Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 06.07.2015 Beschwerde erhoben, in welcher vorgebracht wurde, dass die BF an aplastischer Anämie leide, einer Störung der Knochenmarksfunktion, wobei es sich um ein äußerst seltenes Krankheitsbild handle. Sie fühle sich ständig schwach und schwindlig und es seien etwa alle zwei Wochen regelmäßige Behandlungen notwendig, bei denen Bluttransfusionen durchgeführt würden, welche für die BF sehr anstrengend seien. Das BFA habe es unterlassen, sich mit der Krankheit, dem Behandlungsverlauf sowie den Behandlungsmöglichkeiten in Polen auseinanderzusetzen, und habe damit einen schweren Ermittlungsfehler begangen. Weiters sei die BF psychisch äußerst belastet, sie sei ständig nervös, verängstigt, verwirrt und weinerlich. Nachts könne sie kaum schlafen und sie habe große Probleme im Alltag. Außerdem habe sie große Angst vor ihrem gewalttätigen Ehegatten, sie befürchte, dass er sie in Polen leichter finden könne. Beiliegend wurde ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen zum Beleg der medizinischen Situation der BF übermittelt.

1.6 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.11.2015, Zahl W184 2110403-1, wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 letzter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Begründend wurde festgehalten, dass der angefochtene Bescheid keine ausreichenden Feststellungen zum Krankheitszustand der BF enthalte, insbesondere fehle eine medizinische Einschätzung zum aktuellen Behandlungsbedarf sowie zur Transportfähigkeit der BF; darüber hinaus wäre abzuklären, ob die erforderlichen Therapien für die BF in Polen gesichert wären.

1.7 Am 22.09.2016 wurde die BF vor dem BFA nach Zulassung ihres Verfahrens niederschriftlich einvernommen. Sie gab zusammengefasst an, sie gehöre der Volksgruppe der Inguschen an, bekenne sich zum islamischen Glauben und lebe seit Sommer 2012 von ihrem Ehemann, mit welchem sie lediglich traditionell verheiratet gewesen wäre, getrennt. Ihren Lebensunterhalt habe sie im Herkunftsstaat zuletzt durch eine selbständige Tätigkeit als Näherin bestritten. Zum Grund ihrer Flucht führte sie zusammengefasst aus, dass sie im Laufe ihrer Ehe mitbekommen habe, dass ihr Mann in illegale Aktivitäten verwickelt wäre und hätte, nachdem dieser zusehends Druck auf sie ausgeübt hätte, einen Weg gesucht, diesen zu verlassen. Sie sei zu ihrer Mutter zurückgekehrt, welche gesundheitliche Probleme gehabt hätte. Nachdem ihr Mann etwa im August 2014 verschwunden wäre, hätten dessen Freunde begonnen, die BF zu verfolgen, um dessen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen. Aufgrund der Stresssituation hätten sich die Laborwerte der BF verschlechtert. Sie sei zu entfernten Verwandten gegangen und habe begonnen, ihre Wertsachen zu verkaufen. Am 24. Februar sei sie im Zuge eines Krankenhausaufenthalts durch ihren minderjährigen Neffen telefonisch informiert worden, dass die Freunde ihres Mannes bei ihr zuhause gewesen wären, woraufhin sie nicht mehr nach Hause zurückgekehrt wäre. Hinsichtlich der Bedrohungen habe sie keine Hilfe bei den Behörden gesucht, da sie Angst gehabt hätte. Sie wisse nicht, was sie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat zu befürchten hätte, sie habe Angst vor diesen Menschen. Die BF übermittelte in der Folge regelmäßig Unterlagen zum Beleg ihrer gesundheitlichen Situation sowie ihrer Integrationsbemühungen.

1.8 Mit Bescheid des BFA wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (im Folgenden AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für deren freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

1.9 Gegen den Bescheid brachte die BF am 20.06.2018 fristgerecht Beschwerde ein, in welcher begründend zusammengefasst ausgeführt wurde, die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, zumal sich die herangezogenen Länderberichte nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen (Verfolgung durch eine mutmaßlich illegale politische Vereinigung), der Lage in Inguschetien und der Rückkehrsituation der BF unter Berücksichtigung ihrer schweren physischen und psychischen Erkrankungen befassen würden. Die vorgenommene Beweiswürdigung erweise sich ebenfalls als mangelhaft, zumal verabsäumt worden wäre, den realen Hintergrund ihres Vorbringens zu ermitteln, die Behörde lediglich Widersprüche in Details aufgezeigt hätte und die BF zum Zeitpunkt ihrer Einvernahme vor dem BFA in schlechter Verfassung gewesen wäre. Der BF drohe Verfolgung seitens einer - wahrscheinlich oppositionellen oder sonst politisch motivierten - Organisation, welcher ihr ehemaliger Ehemann angehört hätte. Zwar handle es sich um keine vom russischen Staat ausgehende Verfolgung, doch sei der Herkunftsstaat nicht willens und in der Lage, die BF vor Verfolgung zu schützen. Die BF leide an aplastischer Anämie, welche ohne entsprechende aufwendige Behandlung in kurzer Zeit ein lebensbedrohliches Ausmaß erreichen würde, zudem sei diese psychisch krank und leide an Ohrengeräuschen, welche einer Abklärung bedürften. Das BFA lasse offen, wie die BF bei dieser Ausgangslage in Anbetracht der Länderberichte im Herkunftsstaat überleben solle. Eine Einzelfallbetrachtung zur Beurteilung des Vorhandenseins einer innerstaatlichen Schutzalternative habe nicht stattgefunden. Im Übrigen habe die Behörde nicht nachvollziehbar begründet, weshalb die BF über keine nennenswerte Integration in Österreich verfügen solle.

1.9 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.10.2019, XXXX wurde die Beschwerde gem. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG idgF., § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

Darin stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die BF im Herkunftsstaat keiner Verfolgung durch ihren Ex-Gatten oder durch Angehörige einer kriminellen Gruppierung ausgesetzt sei, welche im Jahr 2014 den Aufenthaltsort ihres Ex-Gatten in Erfahrung bringen wollten. Es könne auch sonst nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation respektive Inguschetien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Es bestehe darüber hinaus für die BF im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation (Inguschetien) keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit.

Bezüglich der Integration in Österreich stellte das BVwG fest, dass die unbescholtene BF im Bundesgebiet keine Familienangehörigen oder sonstigen engen sozialen Beziehungen habe. Sie sei aktuell nicht selbsterhaltungsfähig und bestreite ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Die BF habe sich bestrebt gezeigt, durch den regelmäßigen Besuch von Kursen die deutsche Sprache zu erlernen und habe zuletzt eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 bestanden. Sie habe Freundschaften und Bekanntschaften im Bundesgebiet geknüpft und engagiere sich durch ehrenamtliche Mitarbeit in einem Malprojekt. Seit Oktober 2019 sei diese ehrenamtliche Mitarbeiterin in einem Sozialmarkt, zudem besuche sie regelmäßig einen Tanzkurs.

Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dass auch wenn die Bemühungen der BF um eine sprachliche, berufliche und soziale Integration nicht bestritten werde, keine außergewöhnliche Konstellation erkannt werden könne, welche eine Rückkehrentscheidung als Verletzung von Art. 8 EMRK erscheinen ließe. Eine derartige Verdichtung der persönlichen Interessen, dass der BF allein wegen ihrer Integrationsbemühungen - ungeachtet des relativ kurzen Inlandsaufenthalts und des Umstands, dass bei ihr nur ein Eingriff in das Privatleben und nicht auch in ein Familienleben zur Debatte stehe - unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsse, könne fallgegenständlich nicht erkannt werden. Es besteht für die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation (Inguschetien) keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Diese liefe auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Im Herkunftsstaat halten sich enge Angehörige der Beschwerdeführerin auf, welche sie nach einer Rückkehr unterstützen könnten. Der Beschwerdeführerin wäre es alternativ zu einer Rückkehr in ihre Heimatregion Inguschetien möglich und zumutbar, sich in einem anderen Teil der Russischen Föderation, etwa in Moskau, niederzulassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen. Die Beschwerdeführerin leidet an schwerer aplastischer Anämie sowie an einer mittelgradigen depressiven Episode und posttraumatischer Belastungsstörung.

In der Russischen Föderation bestehen zugängliche Behandlungsmöglichkeiten für die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Krankheitsbilder im körperlichen und psychischen Bereich. Diese habe nicht konkret vorgebracht, dass ihr eine benötigte Behandlung im Herkunftsstaat in der Vergangenheit verweigert worden wäre oder individuell nicht zugänglich gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin befand sich zuletzt in keinem lebensbedrohlichen Krankheitszustand und durchlief keine lebensnotwendige Behandlung, deren Fortsetzung ihr im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht ausreichend zeitnah möglich sein würde. Sie hat nicht begründet dargelegt, dass eine Rückkehr in den Heimatstaat für sie mit einer signifikant verkürzten Lebenserwartung oder intensivem Leiden einhergehen würde.

Eine dagegen erhobene Beschwerde und Antrag auf Verfahrenshilfe wurde durch den VfGH mit Beschluss vom 11.12.2019, Zahl E4343/2019-6 wurde abgewiesen bzw. die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Der VwGH lehnte den Antrag auf Verfahrenshilfe mit Ra 2019/01/0455 ab, ein Antrag auf außerordentliche Revision wurde nicht eingebracht.

2. Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels

2.1 Mit Schreiben vom 13.01.2020 stellte die BF beim BFA, Regionaldirektion NÖ, den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels in Österreich. Sie brachte vor, dass sie aufgrund der Religion und Mentalität in ihrem Herkunftsland nicht zu ihrer Familie zurückkehren könne. Sie habe sich hervorragend integriert, die vorgeschriebenen Prüfungen bis B1 erfolgreich bestanden und sich auf unterschiedliche Weise engagiert. Sie habe einige Zusagen für eine Anstellung bei Erteilung eines Aufenthaltsrechts erhalten und wäre daher selbsterhaltungsfähig.

Mitvorgelegt wurden:

?        Bestätigungen der Mietzahlungen für die Monate Dezember 2019 und Jänner 2020

?        eine Arbeitsbestätigung des Landestheaters NÖ iHv € 300,- pro Monat

?        Auftragsbestätigung XXXX iHv € 200,- vom 03.01.2020

?        Auftragsbestätigung Familie XXXX iHv € 100,- vom 04.01.2020

?        Auftragsbestätigung XXXX iHv € 100,- vom 05.12.2019

?        Auftragsbestätigung XXXX iHv € 110,- vom 30.11.2019

?        Auftragsbestätigung XXXX iHv € 800,- vom 09.01.2020

?        Unterstützungsschreiben XXXX vom 13.01.2020

2.2 Am 05.02.2020 wurde die BF vom BFA niederschriftlich in deutscher Sprache einvernommen. Befragt nach ihren finanziellen Verhältnissen gab sie an, dass sie finanzielle Hilfe von ihren Freunden, aber kein Sozialgeld erhalte. Sie sei Mitglied bei den Tätigkeiten des „Büros für Diversität St. Pölten“ und beim Festspielhaus St. Pölten – Tanz 60 +. Sie habe, wie den beigelegten Empfehlungsschreiben entnommen werden kann, viele soziale Kontakte in Österreich. Sie habe die Prüfungen für A1, A2 und B1 absolviert und den Integrationskurs besucht. Nach wie vor leide sie an Anämie und nehme Tabletten. Offiziell sei sie Moslem und gehöre der Volksgruppe der Inguschen an, sie praktiziere den Glauben aber nicht. Sie habe einen Hauptschulabschluss, habe dann eine Nähschule und eine Schule für Lebensmitteltechnologie besucht. Bis 2015 habe sie in Russland gelebt und als Köchin, Bäckerin und Näherin gearbeitet. Vorgehalten, dass das Verfahren auf internationalen Schutz am 29.10.2019 in zweiter Instanz negativ abgeschlossen worden sei, gab sie an, dass sie in einem Zimmer in Pottenbrunn wohne und es sehr langweilig sei. Sie fühle sich nicht wohl, da sie arbeiten wolle. Ihr Zustand sei schlecht. Sie wundere sich, dass so mit ihr umgegangen werde, sie sei 50 Jahre alt und habe einen wesentlichen Grund gehabt, Russland zu verlassen. Sie fände es ungerecht, dass sie das Land verlassen müsste, da sie aus Angst weggegangen sei.

2.3 Am 05.02.2020 stellte die BF den offiziellen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 Abs. 1 AsylG. Da sie das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfülle, beantrage sie die Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung plus. Zu ihrer Integration gab die BF an, dass sie freiwillige Mitarbeiterin im Sozialmarkt Soogut in St. Pölten sei. Darüber hinaus leite sie den Nähkurs und den Malraum im Diversity Cafe ehrenamtlich. Für den Zeitraum vom 24.05.2017 bis 23.07.2019 habe sie Dienstleistungschecks. Sie habe Beschäftigungszusagen von 6 Personen und spreche Deutsch auf Niveau B1. Sie habe den Werte- und Orientierungskurs besucht und an einer Deutschlerngruppe des ÖIF teilgenommen. Zudem habe sie einen großen Freundeskreis in Österreich, zwei Mal pro Woche sei sie ihm Diversity Cafe und sie sei Teil der Theatergruppe „I have a dream“ des Landestheaters NÖ. Sie sei darüber hinaus Mitglied der Tanzgruppe 60 + des Festspielhauses St. Pölten und habe Interviews für Radiobeiträge des Campus und City Radios St. Pölten gegeben.

Mitvorgelegt wurden:

?        Auftrag für Hausarbeiten Mag. XXXX iHv € 100,-

?        Auftragszusage XXXX iHv € 100,-

?        Teilnahmebestätigung Selbstbewusstseinstraining Frühjahr 2019

?        Versicherungsdatenauszug vom 19.11.2019

?        Teilnahmebestätigung Österreichischer Integrationsfonds Deutsch-Lerngruppe 2016, 2018

?        Teilnahmebestätigung Tanz 60 + des Festspielhauses St. Pölten

?        Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs

?        Zeugnis der Integrationsprüfung A2

?        Zeugnis der Integrationsprüfung B1

?        Teilnahmebestätigung Büro für Diversität St. Pölten, Deutschkurs B1, Malprojekt

?        Bestätigung der freiwilligen Mitarbeit im Markt Soogut

?        Beglaubigte Übersetzung des Diploms „Verfahrenstechnikerin“

?        Zeugnis der Fachschule für Lebensmittelindustrie

2.4 Mit Bescheid des BFA vom 21.02.2020 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 06.02.2020 gem. § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.05.2018 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.10.2019 als unbegründet abgewiesen worden sei. Dabei sei vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt und berücksichtigt worden, dass sich die BF seit September 2014 durchgehend im Bundesgebiet aufhalte. Die BF habe im Laufe ihres nun gegenständlichen Antrags keine neuerlichen Unterlagen oder Beweismittel in Vorlage gebracht. Der Großteil der eingebrachten Beweismittel sei bereits im Erkenntnis des BVwG vom 29.10.2019 berücksichtigt worden. Die BF habe kein derart neues Vorgehen erstattet, welches maßgeblich von dem bereits vom Bundesverwaltungsgericht beurteilten Sachverhalt abweiche und eine gänzlich andere Bewertung erfordern würde. Ihre Lebenssituation habe sich nicht verändert.

2.5 Mit Schriftsatz vom 24.03.2020 erhob die BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte vor, dass die belangte Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe und sich dieses daher als mangelhaft erweise. Hätte die Behörde ordnungsgemäß ermittelt, wäre sie zu der Conclusio gekommen, dass der Freundes- und Bekanntenkreis der BF wie ihre Familie sei. Sie könne auf emotionale und finanzielle Unterstützung zurückgreifen. Es bestehe regelrecht ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Freunden und Bekannten. Die vorgenommene Interessensabwägung iSd Art. 8 EMRK erweise sich als rechtswidrig. Die BF sei seit März 2015 durchgehend in Österreich aufhältig. Sohin verkenne die belangte Behörde die schwierige Situation von Rückkehrern. Außerdem zähle das Recht auf Gesundheit zu den sozialen Grundrechten und zähle der Gesundheitszustand einer Person zu den schützenswerten Aspekten des Art. 8 EMRK. Aufgrund des derzeit nicht legalen Aufenthaltes sei es der BF nicht möglich, Arztbesuche zu tätigen, die lebensnotwendig wären. Darüber hinaus würden die Medikamente nur mehr für die nächsten ein oder zwei Monate reichen.

Mitvorgelegt wurden:

?        Bestätigung Soogut Markt

?        Termine und Fotos Landestheater „Lebendige Bibliothek“

?        Arbeitseinstellung Landestheater

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1 Die volljährige BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Sie ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, bekennt sich zum muslimischen Glauben und ist Zugehörige der Volksgruppe der Inguschen.

Die BF spricht Deutsch auf Niveau B1, hat den Werte- und Orientierungskurs absolviert, an einem „Selbstbewusstseinstraining“ teilgenommen und ist Mitglied der Tanzgruppe 60 + des Festspielhauses St. Pölten. Darüber hinaus nimmt sie am Projekt „Lebendige Bibliothek“ des Festspielhauses St. Pölten teil und bietet für Teilnehmer im Büro für Diversität ein freies Malprojekt an. Sie ist freiwillige Mitarbeiterin im Sozialmarkt Soogut und verfügt über ein Diplom als „Verfahrenstechniker“ und einen Abschluss der Fachschule für Lebensmittelindustrie aus der Russischen Föderation. Sie legte im Verfahren sechs Auftragsbestätigungen für zukünftige Arbeiten privater Personen sowie des NÖ Landestheaters jeweils zwischen € 100,- und € 800,- pro Monat vor. Zwischen Mai 2017 und Juli 2019 war die BF mehrfach geringfügig angestellt. Die BF hat soziale Kontakt in Österreich.

Die BF leidet an aplastischer Anämie sowie an einer mittelgradigen depressiven Episode und posttraumatischer Belastungsstörung. In der Russischen Föderation bestehen zugängliche Behandlungsmöglichkeiten für die bei der BF vorliegenden Krankheitsbilder im körperlichen und psychischen Bereich. Die BF befand sich zuletzt in keinem lebensbedrohlichen Krankheitszustand und durchlief keine lebensnotwendige Behandlung, deren Fortsetzung ihr im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht ausreichend zeitnah möglich sein würde. Sie hat nicht begründet dargelegt, dass eine Rückkehr in den Heimatstaat für sie mit einer signifikant verkürzten Lebenserwartung oder intensivem Leiden einhergehen würde. Sie ist arbeits- und leistungsfähig. Das Gesundheitssystem in der Russischen Föderation ist intakt.

Die BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2 Die BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen mit Bescheid des BFA vom 23.05.2018 negativ entschieden wurde. Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 29.10.2019, W192 2198989-1/11E, ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde an den VfGH wurde abgelehnt. Ein Verfahren vor dem VwGH ist nicht anhängig. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ist rechtskräftig.

Unter Bezugnahme auf die rechtskräftige Entscheidung des BVwG vom 29.10.2019 steht fest, dass sich die BF einzig wegen des als unglaubwürdig erachteten Vorbringens vorübergehend als Asylwerberin im Bundesgebiet aufhalten konnte und diesbezüglich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht hatte. In der Entscheidung des BVwG wurde umfangreich dargestellt, dass die Angaben der BF über ihre Fluchtgründe nicht glaubhaft und nicht asylrelevant sind. Im Rahmen dieser Entscheidung wurde auch umfassend dargestellt, dass die BF im Fall der Rückkehr in die Russische Föderation den Lebensunterhalt sichern könnte, an dieser Einschätzung hat sich nichts geändert, zumal die BF stets schildert, arbeitsfähig und arbeitswillig zu sein.

Die BF ist trotz der Rückkehrentscheidung ihrer Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen, sondern hielt sich weiterhin unrechtmäßig um Bundesgebiet auf. Mit Schreiben vom 13.01.2020 stellte die BF beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels in Österreich. Dieser wurde mit Bescheid vom 21.02.2020 als unzulässig zurückgewiesen.

1.3 Aus dem Vorbringen der BF geht im Vergleich zum Zeitpunkt, zu dem die Sach- und Rechtslage in Bezug auf die Rückkehrentscheidung zuletzt geprüft wurde, nämlich zum Zeitpunkt der Erlassung des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2019, kein im Hinblick auf das Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt hervor, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht.

2. Beweiswürdigung

2.1 Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie des Gerichtsaktes zum mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2019 abgeschlossenen Asylverfahren.

Aufgrund des im Gerichtsakts W192 2198989-1 einliegenden russischen Inlandsreisepasses wird von einer feststehenden Identität der BF ausgegangen. Die Feststellungen betreffend die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF ergeben sich aus den glaubhaften Angaben der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vom 05.02.2020.

Die Feststellungen der Integration der BF beruhen auf den im Verfahren eingebrachten Unterlagen und Beweismitteln. Die Feststellung, dass die BF Deutsch spricht, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Einvernahme am 05.02.2020 in deutscher Sprache durchgeführt wurde.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF resultieren aus den im Laufe des Verfahrens zu W192 2198989-1 in Vorlage gebrachten ärztlichen Unterlagen, den im angeführten Verfahren eingebrachten Unterlagen in Zusammenschau mit den Angaben der BF vor dem BFA im Asylverfahren und der niederschriftlichen Einvernahme am 05.02.2020, wo die BF angab, dass sie Tabletten nehme und sich gut fühle. Sie könne und dürfe arbeiten. Zu Behandlungsmöglichkeiten hielt das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 29.10.2019 bereits fest, dass „die entsprechenden Medikamente bzw. wirkstoffähnliche Medikamente, die die Beschwerdeführerin benötigt (insbesondere das aufgrund der bestehenden schweren aplastischen Anämie benötigte Ciclosporin), im Herkunftsstaat ebenso verfügbar seien, wie eine psychotherapeutische Behandlung. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren keine konkreten Rückkehrbefürchtungen in Zusammenhang mit ihrer gesundheitlichen Situation zur Sprache gebracht; vielmehr hat sie erklärt, dass die schwere aplastische Anämie bereits im Jahr 2002 diagnostiziert worden wäre, sie diesbezüglich bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2014 in Behandlung, unter anderem in Moskau, gestanden hätte und auch im Herkunftsstaat Zugang zu den benötigten Bluttransfusionen gehabt hätte. Die Beschwerdeführerin hat das Vorhandensein von Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat für das bei ihr vorliegende Krankheitsbild nicht bestritten und nicht vorgebracht, dass die benötigte Behandlung im Herkunftsstaat für sie individuell nicht zugänglich respektive finanzierbar gewesen wäre. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat das Vorliegen einer schweren chronischen Erkrankung der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt, jedoch im angefochtenen Bescheid durch Wiedergabe fallbezogener Länderinformationen aufgezeigt, dass dieser nach Rückkehr eine zeitnahe Fortsetzung der Behandlung ihrer aplastischen Anämie ebenso wie die Weiterführung einer psychotherapeutischen Behandlung möglich sein wird. Die Beschwerde hat demgegenüber lediglich allgemein eine unzureichende Ermittlung der Rückkehrsituation der Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit den vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen behauptet, ohne jedoch den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zum Vorhandensein zugänglicher Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat inhaltlich entgegenzutreten. Auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin grundsätzlich eine eigenständige Bestreitung ihres Lebensunterhalts durch Teilnahme am Erwerbsleben möglich ist, wurde von der Beschwerde nicht bestritten. Die Beschwerdeführerin konnte ihren Lebensunterhalt in der Vergangenheit trotz der bestehenden chronischen Erkrankung durch selbständige Tätigkeit als Näherin bestreiten; aus einem gemeinsam mit der Beschwerde übermittelten Schreiben einer Ärztin für Allgemeinmedizin ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin arbeitswillig sei und sich gesund genug fühle, um einer Arbeit nachzugehen. Die Beschwerdeführerin geht in Österreich regelmäßig ehrenamtlichen Arbeiten nach, besucht Deutschkurse und einen Tanzkurs, sodass sich auch aus ihren Lebensumständen insgesamt nicht das Bild eines aktuellen schwerwiegenden Krankheitszustandes oder maßgeblichen Einschränkung ihrer Möglichkeit, am Erwerbsleben teilzunehmen, ergibt. Die Beschwerdeführerin verfügt in der Russischen Föderation über eine Wohnmöglichkeit in ihrem Elternhaus sowie enge Angehörige (insbesondere drei Geschwister), welche sie nach einer Rückkehr sowie bei der allenfalls notwendigen privaten Finanzierung von Medikamentenkosten unterstützen können werden. Es kann demnach nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund ihrer gesundheitlichen Situation im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.“

Auch in der Befragung vor dem BFA gab sie an, dass sie in ihrem Heimatland nicht arm war, weil sie arbeiten ging (AS 45), da sie von 2005 bis 2014 als Näherin tätig war.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2 Die Feststellungen der Einreise, der Antragsstellung sowie der negativen Entscheidung 2. Instanz ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt.

2.3 Die BF bringt in der Beschwerde vor, dass davon auszugehen sei, dass sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt in Bezug auf Art. 8 EMRK geändert habe.

Das Bundesverwaltungsgericht hielt bezüglich der Integration der BF in Österreich in der rechtlichen Beurteilung des Erkenntnisses vom 29.10.2019 Folgendes fest:

„Die Integration der Beschwerdeführerin in Österreich ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht im hohen Grad ausgeprägt: Die unbescholtene Beschwerdeführerin war während ihrer gesamten Aufenthaltsdauer nicht selbsterhaltungsfähig und bestreitet ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Diese verfügt über keine verwandtschaftlichen oder sonstigen engen sozialen Bezugspunkte im Bundesgebiet. Die Beschwerdeführerin besuchte Deutschkurse, hat eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 absolviert und sich um eine Integration in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht bemüht gezeigt. Sie hat sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, arbeitet ehrenamtlich in einem Sozialmarkt sowie einem sozialen Malprojekt mit und nimmt an einem Tanzkurs teil.

Wenn auch die Bemühungen der Beschwerdeführerin um eine sprachliche, berufliche und soziale Integration nicht bestritten werden, kann keine außergewöhnliche Konstellation erkannt werden, welche eine Rückkehrentscheidung als Verletzung von Art. 8 EMRK erscheinen ließe. Eine derartige Verdichtung der persönlichen Interessen, dass der Beschwerdeführerin allein wegen ihrer Integrationsbemühungen - ungeachtet des relativ kurzen Inlandsaufenthalts und des Umstands, dass bei ihr nur ein Eingriff in das Privatleben und nicht auch in ein Familienleben zur Debatte steht - unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste, kann fallgegenständlich nicht erkannt werden (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0149-6 mwN).“

Was die soziale und familiäre Situation der BF im Inland betrifft, sind seit der im angeführten, Erkenntnis des BVwG vom 29.10.2019 erfolgten Rückkehrentscheidung gegen die BF, außer dem bloßen Zeitablauf von nicht ganz 4 Monaten (gerechnet bis zu dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde) - keine maßgeblichen Änderungen eingetreten.

Es ist festzuhalten, dass die BF bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.02.2020 selbst auf Nachfrage keine fallrelevanten Änderungen ihres Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidungen zu nennen vermochte. Befragt, inwiefern sich das Privat- und Familienleben der BF seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung verändert habe, gab sie an, dass sie in einem Zimmer in einer Wohnung in Pottenbrunn wohnen würde und ihr sehr langweilig sei. Sie fühle sich nicht wohl, da sie arbeiten wolle. Ihr Zustand sei schlecht. Wobei sie wiederum angab arbeitsfähig zu sein.

Die BF konnte hinsichtlich ihrer sozialen und beruflichen Integration markante Veränderungen nicht dartun, sie geht nach wie vor keiner dauerhaften, legalen Erwerbstätigkeit nach und lebt von den Zuwendungen Bekannter. Die Zusagen Privater zur Erteilung von Haushaltsaufträgen vermögen nichts daran ändern, dass die BF über kein regelmäßiges, dauerhaftes Einkommen verfügt, sondern lediglich Arbeitszusicherungen erhalten hat und in Zukunft von der Auftragslage mehrerer Personen abhängig wäre. Dass die BF über soziale Kontakte im Bundesgebiet verfügt, wurde bereits bei Erlass der Rückkehrentscheidung berücksichtigt.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die BF nunmehr über Sprachkenntnisse auf B1 Niveau verfügt und auch eine entsprechende Prüfung beim Österreichischen Integrationsfonds abgelegt hat. Das Prüfungszertifikat der B1 Prüfung stammt jedoch bereits aus März 2019, weshalb nicht ersichtlich ist, wieso die BF den Nachweis erst im derzeitigen Verfahren vorlegen konnte. Abgesehen davon vermag der Sprung von Deutschkenntnissen von A2 auf B1 für sich allein genommen keine markante Änderung im Vergleich zu den Sprachkenntnissen der BF vor wenigen Monaten mit sich bringen.

Die BF ist weiterhin beim NÖ Landestheater, im Festspielhaus St. Pölten sowie im Büro für Diversität in St. Pölten engagiert und arbeitet als freiwillige Mitarbeiterin im Soogut Sozialmarkt, wobei auch diesbezüglich keine markanten Änderungen seit Rechtskraft der letzten Rückkehrentscheidungen zu erkennen waren.

Auch die Teilnahmebestätigen vom „Selbstbewusstseinstraining“ der Frauengruppe, der Deutschlerngruppe sowie des Werte- und Orientierungskurses sind alle bereits im Jahr 2017, 2018 oder Frühjahr 2019 ausgestellt und damit im Asylverfahren bereits berücksichtigt worden. Wie die belangte Behörde treffend ausführte, brachte die BF nahezu keine neuerlichen Unterlagen oder Beweismittel in Vorlage. Die Unterlagen hinsichtlich der Aufführungen und Proben eines Theaterspiels im Mai 2020 zeigen zwar den fortgesetzten Integrationswillen der BF, wiegen jedoch nicht derart schwer, dass das Gericht von einem geänderten Sachverhalt sprechen könnte.

Auch hinsichtlich der Verhältnisse im Herkunftsland liegen im Verfahren - außer dem Zeitablauf - weder Hinweise auf fallrelevante Änderungen im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation vor, noch wurden solche beschwerdeseitig substantiierbar behauptet. Darüber hinaus sind Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland nicht geeignet, das Interesse der BF an einem Verbleib in Österreich in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind diese vielmehr - letztlich auch als Folge von einer ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. dazu auch VwGH 30.06.2016, Zl. Ra 2016/21/0076, Rz 9).

Hinsichtlich des Corona-Virus ist festzuhalten, dass es sich um eine globale Pandemie handelt, von der sowohl Österreich als auch die Russische Föderation betroffen sind, weshalb eine Ansteckung mit dem Virus durch einen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet genauso wenig ausgeschlossen werden kann, wie in der Russischen Föderation. Die Gesundheitsversorgung der Russischen Föderation ist jedoch, wie im Erkenntnis vom 29.10.2019 festgehalten, grundlegend vorhanden und intakt, weshalb die BF in ihrem Heimatland nach wie vor Zugang zu notwendigen Medikamenten hat. Ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems ist in Russland trotz der Pandemie derzeit nicht gegeben, auch wurde dies nicht vorgebracht. In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass in Österreich die Versorgung mit Medikamenten für sie schwer ist. So sind die Zahlen der Neuinfizierten rückläufig und in Inguschetien auf niedrigem Niveau (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgefragt am 04.06.2020). Es wurde auch nicht vorgebracht, dass die BF an dem Coronavirus erkrankt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Verfahren

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG - wie die vorliegende - das AVG mit Ausnahme seiner §§ 1 bis 5 und seines IV. Teiles, die Bestimmungen weiterer, hier nicht relevanter Verfahrensgesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, welche die Verwaltungsbehörde in jenem Verfahren angewandt hat oder anzuwenden gehabt hätte, das dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist. Dementsprechend sind im Verfahren über die vorliegende Beschwerde Vorschriften des AsylG und des BFA-VG anzuwenden. (So enthalten zB § 16 Abs. 1 zweiter Satz und § 21 Abs. 7 BFA-VG ausdrücklich Sonderbestimmungen gegenüber dem VwGVG.)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - und somit auch das Bundesverwaltungsgericht - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Verwaltungsbehörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde "unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens" widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Verwaltungsbehörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§ 55 AsylG lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 IntG erfüllt, wenn ein Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z 1), einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBL. I. Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3), einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I. Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen (Z 5).

Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG zurück- oder abgewiesen, so hat das BFA gemäß § 58 Abs. 8 AsylG darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Gem. § 60 Abs. 1 AsylG dürfen einem Drittstaatsangehörigen Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gem. § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG oder eine Rückkehrentscheidung eines anderen EWR Staates oder der Schweiz besteht.

Anträge gemäß § 55 AsylG sind gemäß § 58 Abs. 10 AsylG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG begründen gemäß § 58 Abs. 13 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG hat das BFA bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde (Z 1) und die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben (Z 2).

Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.

Die vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29.10.2019 gegen die BF erfolgte Rückkehrentscheidung ist gem. § 12a Abs. 6 AsylG nach wie vor aufrecht und durchsetzbar.

Der gegenständliche Antrag ist gem. § 58 Abs. 10 AsylG als unzulässig zurückzuweisen, da gegen die BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gem. § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gem. Art 8 EMRK erforderlichen machen würde, nicht hervorgeht.

Dies entspricht § 44b Abs. 1 NAG aF, zu dem der Verwaltungsgerichtshof ausführte, dass die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen ist, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. VwGH 10.4.2014, 2011/22/0286; 10.4.2014, 2013/22/0198; 11.11.2013, 2013/22/0252). Es stellt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als verfassungswidrig dar, wenn die Zulässigkeit eines Antrages nur an das Vorliegen eines für die Beurteilung nach Art. 8 EMRK maßgeblich geänderten Sachverhalts geknüpft wird und nicht jede Änderung im Tatsächlichen bereits die Zulässigkeit einer Antragstellung herbeiführt. Auch einer Antragszurückweisung hat nämlich eine Beurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK voranzugehen. Dies ist zwar nur im Rahmen der Prognose, ob die seit Erlassung der rechtskräftigen Ausweisung eingetretenen Sachverhaltsänderungen eine andere Beurteilung nicht als ausgeschlossen erscheinen lassen, vorzunehmen. Bei dieser Prognose sind aber die nach Art. 8 MRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als im Rahmen der Prognose zu beurteilen ist, ob diese Umstände dergestalt sind, sodass nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK nunmehr geboten sein könnte. Mit anderen Worten: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen. Auch eine solche Beurteilung ist letztlich nur unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt möglich (vgl. VwGH 20.08.2013, 2012/22/0119). Die Überprüfung der im Asylverfahren ergangenen Ausweisung ist nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. VwGH 17.04.2013, 2013/22/0051).

Maßgeblich für eine Zurückweisung ist jener Sachverhalt, der der rechtskräftigen (und nicht bloß der nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen) Ausweisungsentscheidung zu Grunde lag, und es ist zu prüfen, ob sich dieser bis zum Zeitpunkt der in erster Instanz vorgenommenen Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Hinblick auf Art. 8 EMRK maßgeblich geändert hat (vgl. VwGH 26.06.2013, 2011/22/0319; 29.05.2013, 2011/22/0167). Nach der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Umstände haben keinen Einfluss auf die Beurteilung, ob die Antragszurückweisung von der Erstbehörde zu Recht vorgenommen wurde (vgl. VwGH 29.05.2013, 2011/22/0277).

Im Fall der BF wurde die Frage, ob eine Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben eingreift, mit Erkenntnis des BVwG vom 29.10.2019 verneint. Bis zur Entscheidung der belangten Behörde über den gegenständlichen Antrag am 21.02.2020 vergingen rund 4 Monate.

Diesbezüglich führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis zu 2011/22/0035 aus, dass der bloße Zeitablauf zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und der erstinstanzlichen Antragszurückweisung - rund vier Monate - keine solche Sachverhaltsänderung, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätte, bewirken konnte (VwGH 13.09.2011, 2011/22/0035).

Die BF hat die Zeit zwischen der rechtskräftigen Entscheidung 2. Instanz vom 29.10.2019 und dem gegenständlichen Bescheid zwar genutzt, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und diverse Auftragsbestätigungen vorgelegt.

Hinsichtlich der Relevanz von Einstellungszusagen in Asylverfahren wird auf die Judikatur des VwGH (vgl. Entscheidung vom 22.02.2011, Zl. 2010/18/0323) verwiesen, "wonach einer "bindenden Einstellungszusage" keine wesentliche Bedeutung zukommt, da der Beschwerdeführer lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 15. September 2010, Zl. 2007/18/0612, und vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0195, jeweils mwN)". Für den gegenständlichen Fall kann somit die Bedeutung der von der BF vorgelegten Einstellungszusagen sogar als noch geringer angesehen werden, da die BF in casu nicht einmal mehr über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt und darüber hinaus eine aufrechte, rechtskräftige Rückkehrentscheidungen gegen sie besteht.

Darüber hinaus hat der VwGH bereits festgehalten, dass „auch mit dem Hinweis, dass er [hier: der BF] neben dem Betreuungsgeld der Caritas über einen Freundeskreis, auf Grund dessen ihm ein Einkommen ermöglicht werde, eine aufrechte Kranken- und Unfallversicherung und einen Mietvertrag verfüge, macht er keine Umstände geltend, die seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich maßgeblich verstärken könnten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2008, Zl. 2008/18/0670, VwGH 26.11.2009, 2007/18/0305, VwGH 02.10.2008, 2008/18/0670).

Die Auftragszusagen der BF zeigen somit ihr Engagement, sich künftig am Arbeitsmarkt integrieren zu wollen, vermögen aber keine maßgebliche Änderung des Sachverhalts hervorzurufen, die einer erneuten Prüfung zugänglich wäre.

Bezüglich der erworbenen Sprachkenntnisse ist festzuhalten, dass, wie beweiswürdigend dargelegt, dass nicht verkannt wird, dass die BF über Sprachkenntnisse auf B1 Niveau verfügt und auch eine entsprechende Prüfung beim Österreichischen Integrationsfonds abgelegt hat. Das Prüfungszertifikat der B1 Prüfung stammt jedoch bereits aus März 2019, weshalb nicht ersichtlich ist, wieso die BF den Nachweis erst im derzeitigen Verfahren vorlegen konnte. Abgesehen davon vermag der Sprung von Deutschkenntnissen von A2 auf B1 für sich allein genommen keine markante Änderung im Vergleich zu den Sprachkenntnissen der BF vor wenigen Monaten mit sich bringen. Hierzu ist auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach selbst bei weitreichenden Integrationsschritten (zB hervorragende Deutschkenntnisse, Hauptschulabschluss, erfolgreicher Besuch einer HTL, österreichischer Freundeskreis und österreichische Freundin) sowie einem etwa dreijährigen Aufenthalt als nicht ausreichend erachtet wird, um eine Ausweisung für dauerhaft unzulässig zu erklären (vgl. VfGH 12.06.2013, U 485/2012; siehe auch VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029, mwN).

Wenn in der Beschwerde darauf verwiesen wird, dass im Rahmen der Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG auch eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes miteinzubeziehen sei, so muss darauf verwiesen werden, dass, wie beweiswürdigend ausgeführt, eine ausreichende Behandlungsmöglichkeit im Heimatland der BF gegeben ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei der Abwägung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch dem Umstand Bedeutung zukomme, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird. Wenn für den Fremden keine Aussicht besteht, sich in seinem Heimatstaat oder in einem anderen Land - sollte ein solches als Zielort überhaupt in Betracht kommen - außerhalb Österreichs der für ihn notwendigen Behandlung unterziehen zu können, kann das - abhängig von den dann zu erwartenden Folgen - eine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen an einem (unter Umständen auch nur vorübergehenden) Verbleib in Österreich darstellen (vgl. etwa zuletzt das Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0282, mwN). Dem kann freilich auch bei der Übung des der Behörde eingeräumten Ermessens, von einer Ausweisung Abstand zu nehmen, Bedeutung zukommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang aber auch die Rechtsprechung des EGMR einzubeziehen, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in seinem aktuellen Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, fällt nicht entscheidend ins Gewicht, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat gibt (vgl. etwa das schon genannte Erkenntnis vom 29. April 2010, Zlen. 2009/21/0055 bis 0057, mwN). Die BF gab auch nicht an, dass sich ihr Gesundheitszustand wesentlich geändert habe, sie möchte nur nicht zu Hause sitzen, sondern arbeiten.

Da im Heimatland der BF nach wie vor eine ausreichende medizinische Behandlung zu Verfügung steht und sich der Sachverhalt auch in dieser Hinsicht, wie beweiswürdigend ausgeführt, nicht maßgeblich verändert hat, vermag auch dieses Argument keine neuerliche Prüfung des Antrags zu veranlassen.

Auch wenn nun weltweit die Corona-Pandemie vorherrscht, so ist hier neben der Russischen Föderation auch Österreich betroffen. Dass die BF hier an einer Erkrankung leidet ist nicht hervorgetreten. Sozialleistungen erfolgen in der Russischen Föderation weiterhin, es sind dahingehend keine negativen Berichte vorhanden. Und die BF kann als Näherin von zu Hause aus arbeiten (Home-working), sodass auch ein Zugang zum Arbeitsmarkt erfolgen kann. Wobei auch Ausgangseinschränkungen wie in Österreich immer nur für kurze Zeit (Wochen) erfolgt, sodass auch hier keine wesentliche Änderung erfolgte.

Die BF vermochte in ihrem Antrag bzw. der Einvernahme sowie der Beschwerde, wie in der Beweiswürdigung bereits hinreichend dargelegt, keine Sachverhaltsänderung vorzulegen, die geeignet wäre, eine andere Beurteilung des Art. 8 EMRK herbeizuführen. Sowohl die Deutschkenntnisse als auch die soziale Integration bestanden bereits bei Erlassung der Rückkehrentscheidung auf einen hinsichtlich der Entscheidungsrelevanz wenig gesteigertem Niveau. Zudem fehlt es weiterhin an einer nachhaltigen beruflichen Integration und können Einstellungszusagen dem keine Abhilfe verschaffen. Auch der Gesundheitszustand der BF ist unverändert.

Die von der BF geltend gemachten Umstände schließen eine zu Gunsten der BF vorzunehmende neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK aus.

Da somit ausgeschlossen werden kann, dass ein zu Gunsten der BF vorzunehmende neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK erfolgt, ist die Zurückweisung ihres Antrages gem. § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 23.01.2020, Ra 2019/21/0356).

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs. 7 BFA-VG stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung dann unterbleiben kann, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen des BF nicht den Tatsachen entspricht. Neben dieser Bestimmung ist § 24 VwGVG anzuwenden.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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