Entscheidungsdatum
08.06.2020Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W189 2231040-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gesetzlich vertreten durch XXXX , dieser vertreten durch ARGE – Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Asylverfahren
1.
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) wurde am XXXX als Sohn zweier Asylwerber in Österreich geboren.
1.2. Mit Schreiben vom XXXX stellten die Eltern des BF als dessen gesetzliche Vertreter beim Bundesasylamt (in der Folge: BAA) einen „Asylerstreckungsantrag“.
1.3. Mit Bescheid des BAA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Asylantrag des BF abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Abschiebung nach Russland zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der BF aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
1.4. Mit Schreiben vom XXXX legte der BF durch seine gesetzliche Vertretung Berufung gegen diesen Bescheid ein.
1.5. Der Unabhängige Bundesasylsenat behob mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BAA zurück.
1.6. Mit Bescheid des BAA vom XXXX wurde (zur selben Zl. wie unter Punkt 3.) der Asylantrag des BF erneut abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der BF aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
1.7. Mit Schreiben vom XXXX legte der BF durch seine gesetzliche Vertretung wiederum Berufung gegen diesen Bescheid ein.
1.8. Der Unabhängige Bundesasylsenat behob mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , erneut den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BAA zurück.
1.9. Mit Bescheid des BAA vom XXXX wurde (zur selben Zl. wie unter Punkt 3.) dem Asylantrag des BF schließlich stattgegeben, ihm Asyl gewährt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
2. Aberkennungsverfahren
2.1. Mit Strafverfügung vom XXXX , Zl. XXXX , wurde gegen den BF eine Geldstrafe von EUR 100,- wegen Verletzung des § 51 Abs. 2 iVm § 11 Abs. 1 WaffenG verhängt, da er eine Waffe, nämlich einen Elektroschocker, besessen hat, obwohl Menschen unter 18 Jahren der Besitz von Waffen, Munition und Knallpatronen verboten ist.
2.2. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der BF als Jugendlicher gemäß § 1 Z 2 JGG wegen des zweifachen Verbrechens des Raubes gem. §§ 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie gem. § 142 Abs. 1 StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Es wurde ihm für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.
2.3. Am XXXX wurde der BF in Anwesenheit seines Vaters als gesetzlicher Vertreter durch das nunmehrige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen.
2.4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde dem BF der mit Bescheid vom XXXX zuerkannte Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen (Spruchpunkt IV.), die Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt (Spruchpunkt V.), dem BF eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.), sowie gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen ihn ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
2.5. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, in der neben anderen Ausführungen „nur der Vollständigkeit halber“ auch erwähnt wird, dass sich der Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides und dessen rechtliche Beurteilung widersprechen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Der minderjährige BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Er ist der Volksgruppe der XXXX zugehörig. Der BF wurde in Österreich geboren. Seine Identität steht fest.
Dem BF wurde mit Bescheid des BAA vom XXXX , Zl. XXXX , gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
1.2. Mit Strafverfügung vom XXXX , Zl. XXXX , wurde gegen den BF eine Geldstrafe von EUR 100,- wegen Verletzung des § 51 Abs. 2 iVm § 11 Abs. 1 WaffenG verhängt, da er eine Waffe, nämlich einen Elektroschocker, besessen hat, obwohl Menschen unter 18 Jahren der Besitz von Waffen, Munition und Knallpatronen verboten ist.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der BF als Jugendlicher gemäß § 1 Z 2 JGG wegen des zweifachen Verbrechens des Raubes gem. §§ 142 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie gem. § 142 Abs 1 StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Es wurde ihm für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.
Laut festgestelltem Sachverhalt hat der BF durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einem anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, I.) weggenommen, und zwar im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter, indem sie sich bedrohlich vor das Opfer hinstellten, dieses nach Geld fragten und als dieses keine Antwort gab, in dessen Hosentasche griffen, dessen Geldbörse an sich nahmen, EUR 20,- herausnahmen und dem Opfer die Geldbörse wieder zurückgaben; sowie II.) im Anschluss jenem Opfer abgenötigt, und zwar im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mittätern, indem sich der BF und zwei Mittäter vor die Freundinnen des Opfers stellten, um dieses abzuschotten, während ein weiterer Mittäter das Opfer aufforderte zum Hausdurchgang mitzukommen, wo er dann ein Messer herausnahm, es dem Opfer zeigte und zu ihm sagte „Was würdest du machen, wenn ich dich schlage und dein ganzes Geld wegnehmen würde?“ und dessen Geldbörse verlangte, woraufhin das Opfer diese eingeschüchtert übergab und der BF die restlichen EUR 105,- herausnahm, wobei der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt wurde, wovon der BF jedoch keine Kenntnis hatte.
Bei den Strafbemessungsgründen mildernd gewertet wurden der bisher ordentliche Lebenswandel, die erfolgte Schadensgutmachung und das großteilige Geständnis. Erschwerend war das Zusammentreffen von zwei Verbrechen.
Aufgrund der Straffälligkeit des BF leitete das BFA ein Aberkennungsverfahren gegen den BF ein.
2. Beweiswürdigung
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt des BF, insbesondere der dort aufliegenden Urteilsausfertigung und einem aktuellen Strafregisterauszug.
3. Rechtliche Beurteilung
Zum Spruchteil A)
3.1. Zur Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid
3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 leg. cit. vorliegt.
Nach § 6 Abs. 1 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1); einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2); aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3); oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet (Z 4).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fallen unter den Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522; ebenso in den Gesetzesmaterialien in RV 952 BlgNR XXII. GP, S. 36). Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch bereits festgehalten, dass es sich dabei um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten handelt (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109).
Für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG müssen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein: Der Betroffene muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden sein, drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen viertens die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die Interessen des Betroffenen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. bereits VwGH 03.12.2002, 99/01/0449; VwGH 06.10.1999, 99/01/0288).
Bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, kommt es nicht auf die Strafdrohung allein an. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als „schwer“ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522). Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (vgl. VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626).
Nach der internationalen Literatur sind „besonderes schwere Verbrechen“ iSd Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall Genfer Flüchtlingskonvention nur die extremen Fälle der schweren Verbrechen im Zufluchtsland. Nach Grahl-Madsen soll Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention nur in extrem seltenen Fällen zur Anwendung kommen. Kälin zufolge muss es sich jeweils fallbezogen um die „ultima ratio“ handeln, die Bestimmung sei „restriktiv auszulegen“. Es kämen „nur die schwersten Straftaten“ in Betracht („nur in besonders krassen Fällen“) (vgl. VwGH 03.12.2002, 99/01/0449).
Auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegender unbedingter Freiheitsstrafen können verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als „besonders schweres Verbrechen“ qualifiziert werden (vgl. zuletzt VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522).
Im Rahmen einer Gefährdungsprognose ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014).
§ 142 Abs. 1 StGB normiert: „Wer mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz wegnimmt oder abnötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“
§ 142 Abs. 2 StGB lautet: „Wer einen Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begeht, ist, wenn die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143) handelt, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“
§ 1 JGG normiert auszugsweise: „Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist (…) 2. Jugendlicher: wer das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; 3. Jugendstraftat: eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die von einem Jugendlichen begangen wird; (…)“
§ 5 JGG lautet auszugsweise: „Für die Ahnung von Jugendstraftaten gelten die allgemeinen Strafgesetze, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist: (…) 4. Das Höchstmaß aller sonst angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen wird auf die Hälfte herabgesetzt; ein Mindestmaß entfällt. (…)“
3.1.2. Gegenständlich stützte das BFA die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Bescheidspruch sowohl in der deutschen Fassung als auch in der Übersetzung ausdrücklich auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG. In der Bescheidbegründung stellt das BFA sodann jedoch auf eine maßgebliche und nachhaltige Änderung der Lage im Herkunftsstaat des BF ab, die sich seit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ergeben habe, und bezieht sich somit offenkundig auf den Endigungstatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK, auf den wiederum § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG verweist. Konkret führt die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten unter anderem wie folgt aus: „Angemerkt wird, dass seitens des Bundesamtes auch in Erwägung gezogen wurde, zusätzlich den Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG heranzuziehen, dies aufgrund Ihrer Verurteilung nach § 142 StGB aus dem Jahr XXXX , da von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkennt wird, dass ein Raub als ‚besonders schweres Verbrechen‘ zu werten ist, wobei fallbezogen hiervon angesichts der verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten Abstand genommen wurde.“ (AS 285)
Eine Auslegung des Spruchs eines Bescheides nach dessen Begründung kommt nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Dagegen kommt eine Umdeutung (oder auch Ausweitung) eines klar gefassten Spruches anhand der Begründung des Bescheides nicht in Betracht. Ist somit der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu. Selbst ein Widerspruch der Begründung zum Spruch ist unerheblich, wenn nach dem Wortlaut des Spruchs eines Bescheides über dessen Inhalt kein Zweifel herrschen kann. Eine über den formalen Spruchinhalt hinausgehende Gesamtbetrachtung von Spruch und Begründung findet somit ihre Grenze dann, wenn der formale Spruchinhalt durch Ausführungen im Begründungsteil nicht ergänzt bzw. komplettiert wird, sondern mit diesem in Widerspruch gerät (mwN VwGH 25.10.2018, Ra 2018/09/0110).
Gegenständlich ist der – allein normative – Bescheidspruch zwar in dem Sinne nicht eindeutig, dass die belangte Behörde offen ließ, welche Fallvariante des § 6 AsylG, auf den § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG verweist, vorliege. Er ist aber gleichzeitig so eindeutig, dass der Spruch jedenfalls nicht anhand der Begründung des Bescheides in der Art ausgelegt werden könnte, dass ein Endigungstatbestand nach Art. 1 Abschnitt C GFK eingetreten sei, da diese unter § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG subsumiert werden. Eine solche Auslegung bzw. Modifizierung des Spruchs würde die Grenzen der Interpretation eindeutig überschreiten.
Somit steht der Spruch des Bescheides, nämlich die Aberkennung gem. § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG, in einem unauflösbaren Widerspruch zu seiner Begründung, nämlich einerseits des Vorliegens einer maßgeblichen und dauerhaften Änderung der Lage im Herkunftsstaat und andererseits des Nichtvorliegens eines besonders schweren Verbrechens. Dies führt zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 60, Rz 31).
Im Übrigen teilt das erkennende Gericht vorbehaltslos die Ansicht der belangten Behörde, dass der BF schon allein aufgrund der bloß „einfachen“, qualifikationslosen Verwirklichung des Straftatbestandes des § 142 StGB (nämlich insbesondere auch der Tatsache, dass der BF keinen bewaffneten Raub beging) und der lediglich sechsmonatigen, zudem bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in concreto kein „besonders schweres Verbrechen“ beging. Eine andere Beurteilung würde auch nicht in Einklang mit den obzitierten Grundsätzen aus Lehre und Rechtsprechung stehen, da es sich auch in Anbetracht der dem Strafurteil zu entnehmenden verwirklichten Tathandlung zweifellos um keinen „besonders krassen Fall“ handelt, zumal der BF sogar den (relativ geringen) Schaden wiedergutmachte und sich beim Opfer entschuldigte.
Für die Verwirklichung eines Ausschlussgrundes nach § 6 Abs. 1 Z 1, Z 2 und Z 3 AsylG ergaben sich darüber hinaus keine Hinweise.
Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten erweist sich demnach als rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid insoweit zu beheben war.
Da die Rechtmäßigkeit der weiteren Spruchpunkte (II. bis VII.) voraussetzt, dass dem BF der Status des Asylberechtigten zu Recht aberkannt wurde, waren daher auch diese zu beheben.
3.2. Unterbleiben der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Da bereits aus der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist, konnte eine mündliche Verhandlung iSd § 24 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGVG unterbleiben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung strafrechtliche Verurteilung Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W189.2231040.1.00Im RIS seit
07.10.2020Zuletzt aktualisiert am
07.10.2020