TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/10 W137 2230819-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W137 2230819-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1127162207-200060111 über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 23.08.2016 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA/Bundesamt/Behörde) vom 04.10.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde einer Beschwerde gem. § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).

2. Der BF tauchte in die Anonymität ab und gab der Behörde keine Meldeadresse bekannt. Er entzog sich dem Verfahren. Der Bescheid erwuchs mit 19.10.2016 in Rechtskraft. Am 12.10.2016 trat Deutschland an Österreich zur Rückübernahme heran. Am 13.04.2017 traten die niederländischen Behörden an Österreich heran mit der Information, dass sich der BF zurzeit in den Niederlanden befinden würde. Am 21.06.2017 trat Luxemburg an Österreich heran mit der Information dass sich der BF nunmehr in Luxemburg befinden würde.

Überstellungen des BF mussten von den Mitgliedsstaaten stets storniert bzw. ausgesetzt werden, da sich der BF den Überstellungsverfahren immer wieder entzog und in die Anonymität untergetaucht war.

Am 27.03.2018 traten die französischen Behörden an Österreich heran mit der Information, dass sich der BF nun in Frankreich befinden würden. Am 03.05.2018 konnte der BF schließlich erfolgreich von Frankreich nach Österreich überstellt werden.

3. Am 03.05.2018 stellte der BF in Österreich erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Mai und Juni 2018 wurde der BF bei der Begehung mehrerer Strafdelikte auf frischer Tat ertappt und zur Anzeige gebracht.

4. Der Antrag auf internationalen Schutz vom 03.05.2018 wurde aufgrund entschiedener Sache (§68 Abs. 1 AVG) am 09.07.2018 vollinhaltlich zurückgewiesen. Am 13.07.2018 wurde per FAX fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.05.2018 eingebracht.

Am 25.07.2018 erkannte das BVwG zu Recht, dass die Beschwerde gegen den Bescheid vom 09.07.2018 als unbegründet abgewiesen werde.

5. Am 11.09.2018 traten die Schweizer Behörden an Österreich heran mit der Information, dass sich der BF zu dieser Zeit in der Schweiz befinden würde, Österreich jedoch zuständig sei.

Mit Antwortschreiben vom 12.09.2018 wurde einer Überstellung des BF von der Schweiz nach Österreich zugestimmt. Am 24.10.2018 wurde er von der Schweiz nach Österreich überstellt. Am 24.10.2018 entzogen sich der BF jedoch bereits am Flughafen den Behörden durch Flucht.

6. Am 28.10.2018 stellten er einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, wurde festgenommen und infolge von einem Behördenvertreter des BFA niederschriftlich einvernommen.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom 30.10.2018 wurde über Sie die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über Ihren Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Am 08.11.2018 wurde der BF abermals niederschriftlich einvernommen und im Anschluss daran wurde mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gem. § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Die Verwaltungsakten wurden unverzüglich von Amts wegen dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Beschluss vom 15.11.2018 fest, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

7. Am 06.03.2019 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen, da die Erteilung eines Ersatzreisedokumentes zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar war.

8. Am 30.07.2019 stellten er wiederum einen Asylantrag in Frankreich. Mit Schreiben vom 06.08.2019 wurde einer Überstellung des BF nach Österreich zugestimmt. Es erfolgte vorerst keine Dublin-Überstellung aus Frankreich.

9. Mit Bescheid des BFA vom 06.08.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 28.10.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Da der BF unbekannten Aufenthaltes war, wurde der Bescheid vom 06.08.2019 im Akt hinterlegt und mit 27.08.2019 rechtskräftig.

10. Am 04.11.2019 wurde der BF von der belgischen Polizei festgenommen. Belgien trat infolge an die österreichischen Behörden heran. Mit Antwortschreiben vom 15.11.2019 wurde einer Überstellung des BF von Belgien nach Österreich zugestimmt. Der BF wurde am 17.01.2020 erfolgreich von Belgien nach Österreich überstellt. Am Flughafen Wien-Schwechat wurden er umgehend festgenommen und stellte er am 17.01.2020 einen weiteren – den insgesamt vierten - Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) in Österreich.

11. Mit verfahrensgegenständlichem Mandatsbescheid des BFA vom 18.01.2020 wurde über den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

12. Mit Bescheid des BFA vom 30.01.2020 wurde der Folgeantrag des BF vom 17.01.2020 gem. § 68 Abs. 1. AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und gleichzeitig festgestellt, dass die Abschiebung der Person den BF nach Marokko zulässig sei. Der Bescheid erwuchs am 15.02.2020 in Rechtskraft. Die laufende Schubhaft galt fortan als zur Sicherung der Abschiebung verhängt (§ 76 Abs. 5 FPG).

13. Mit Aktenvorlage vom 08.05.2020 legte das BFA den gegenständlichen Asyl- und Schubhaftakt gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG mit der Bitte um gerichtliche Prüfung und Genehmigung der Fortsetzung der laufenden Schubhaft vor. Informativ wurde mitgeteilt, dass das BFA laufend die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Marokkanischen Botschaft in Erinnerung rufe und weiterhin die Voraussetzungen für die Fortführung der Schubhaft vorlägen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 13.05.2020, W171 2230819-1/9E, festgestellt, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist. Begründend wurde insbesondere auf die mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren sowie auf die fehlende soziale Verankerung im Bundesgebiet verwiesen.

14. Mit Schreiben vom 03.06.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt erneut zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor. In einer ausführlichen Stellungnahme wurde dabei umfassend auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers, den Aufenthalt im Verborgenen und die wiederholte Absetzung ins Ausland.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft bzw. zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

1.1. Der Beschwerdeführer hat bisher keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bescheinigen; seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der faktische Abschiebeschutz kommt ihm nicht zu. Er unterliegt einem auf 5 Jahre befristeten rechtskräftigen Einreiseverbot.

1.2. Der Beschwerdeführer wird seit 18.01.2020 in Schubhaft angehalten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ordnete die Schubhaft (ursprünglich) mit Bescheid vom 18.01.2020 über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG an. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer nicht bekämpft. Das in diesem Zusammenhang relevante (dritte) Asylfolgeverfahren wurde mit Bescheid vom 30.01.2020 abgeschlossen; diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

1.3. Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit wiederholt seine Ausreiseverpflichtung missachtet und sich illegal in Österreich aufgehalten. Er hat sich zudem mehrmals unrechtmäßig in andere Mitgliedsstaaten (Deutschland 2016, Niederlande 2017, Luxemburg 2017, Frankreich 2018, Schweiz 2018, Frankreich 2019 und Belgien 2020) abgesetzt und so fremdenrechtliche Maßnahmen in Österreich erfolgreich verhindert. Auch den dortigen Verfahren zur Rücküberstellung nach Österreich (im Rahmen der Dublin III-VO) hat er sich mehrfach entzogen. Am 24.10.2018 entzog sich der Beschwerdeführer unmittelbar nach einer einschlägigen Rücküberstellung der Behörde durch Flucht.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde in den vergangenen Jahren mehrfach wegen der Begehung von Straftaten angezeigt. Er ist insgesamt in besonders ausgeprägtem Maß nicht vertrauenswürdig.

1.5. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch beruflich verankert. In Österreich leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers.

1.6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen; es hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer mit der marokkanischen Vertretungsbehörde eingeleitet. In diesem HRZ-Verfahren mit Marokko wird nachweislich laufend urgiert.

Mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats ist innerhalb der zulässigen gesetzlichen Anhaltedauer zu rechnen. Am 12.03.2020 wurden die Unterlagen bezüglich des Beschwerdeführers erneut zur Durchführung einer Identitätsprüfung den marokkanischen Behörden übermittelt. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers im Sommer 2020 ist jedenfalls realistisch.

1.7. Der Beschwerdeführer ist haftfähig und hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.8. Eine (relevante) Änderung der Umstände seit Anordnung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes insbesondere zur Zahl 2230819-1 in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft bzw. zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

2.1. Aus dem Verwaltungsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. An seiner Volljährigkeit besteht jedoch kein Zweifel. Ebenso bestehen zum Entscheidungszeitpunkt keine begründeten Zweifel an der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers und wurde diese auch der jüngsten Rückkehrentscheidung zugrunde gelegt.

2.2. Dass der Beschwerdeführer seit 18.01.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Die Feststellung zu der behördlichen Anordnung der Schubhaft ergibt sich zudem aus der zitierten Entscheidung.

Der Stand des Asylverfahrens, der fremdenrechtliche Status des Beschwerdeführers und die Feststellungen zu seiner fehlenden Integration ergeben sich aus der Aktenlage. Die Feststellungen zu dem mangelnden sozialen Netz, dem fehlenden Wohnsitz, den fehlenden finanziellen Mittel sowie der mangelnden beruflichen Tätigkeit ergeben sich ebenso wie die Feststellung, dass in Österreich keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben, überdies insbesondere aus den bisherigen Angaben des Beschwerdeführers in seinen Verfahren.

2.3. Die Feststellungen zu den wiederholten Antragstellungen in EU-Staaten sowie der Entziehung aus den dort anhängigen Überstellungsverfahren nach Österreich ergeben sich aus der Aktenlage. Dies gilt auch für die Flucht nach Überstellung aus der Schweiz (2018) unmittelbar nach Rücküberstellung.

2.4. Ebenfalls aus der Aktenlage ergeben sich die Strafanzeigen gegen den Beschwerdeführer. Die in besonderem Ausmaß fehlende Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers – insbesondere der Entziehung aus Verfahren im In- und Ausland sowie dem intensiv betriebenen Versuch des „Asylshoppings“.

2.5. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren ergibt sich aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers und aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer bereits dem Asylverfahren sowie mehreren Überstellungsverfahren entzogen hat. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten würde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern würde. Aus diesem ergibt sich auch die besonders ausgeprägte Vertrauensunwürdigkeit des Beschwerdeführers.

2.6. Die Feststellungen zu den fehlenden sozialen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben sich aus der Aktenlage sowie den unstrittigen längeren Auslandsaufenthalten des Beschwerdeführers seit der Antragstellung in Österreich 2016. In diesen knapp vier Jahren hat sich der Beschwerdeführer nur einen relativ kleinen Teil der Zeit im Bundesgebiet aufgehalten (wobei er auch in dieser Zeit nur teilweise gemeldet war), was eine nachhaltige soziale Verankerung bereits faktisch ausschließt. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer selbst auch keine sozialen, familiären oder beruflichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet geltend gemacht.

2.7. Die Feststellungen zu den Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit der marokkanischen Vertretungsbehörde ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere des vorgelegten Registerauszugs zur Kommunikation mit der marokkanischen Botschaft. Vor diesem Hintergrund kann realistisch von einer Identifizierung des Beschwerdeführers samt Ausstellung eines HRZ und Abschiebung innerhalb der kommenden zwei bis drei Monate ausgegangen werden.

2.8. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Eine Haftunfähigkeit wurde auch nicht behauptet. Zudem sprechen die illegalen Auslandsaufenthalte (und Verfahrensentziehungen) des Beschwerdeführers ebenfalls klar gegen substanzielle gesundheitliche Probleme. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ergibt sich aus der Ausstattung des Polizeianhaltezentrums.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) – Fortsetzung der Schubhaft:

3.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.3. Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt – ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG – einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.

3.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.5. Es wurde bereits ein Heimreisezertifikatsverfahren eingeleitet. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bereits mehrfach urgiert. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer ist derzeit sehr wahrscheinlich. Der Beschwerdeführer kann durch entsprechende Mitwirkung selbst auf eine kürzere Schubhaftdauer hinwirken.

3.6. Im gegenständlichen Fall liegt weiterhin ausgeprägte Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Der Beschwerdeführer ist nicht kooperativ und hat sich dem Zugriff der zuständigen Behörden in Österreich (aber auch in anderen europäischen Ländern) wiederholt entzogen. Der Beschwerdeführer hat auch keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer hat keine nennenswerten familiären oder sozialen Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit geht er in Österreich nicht nach. Er hat in Österreich auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Zudem hat er sich als in besonderem Maße nicht vertrauenswürdig erwiesen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat die Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgiert und wirkt somit auf eine kurze Anhaltung in Schubhaft hin. Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bedingt. Es obliegt dem Beschwerdeführer durch eine Kooperation mit den Behörden und Mitwirkung bei seiner Identitätsfeststellung die Dauer der Schubhaft möglichst kurz zu halten.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einer Beendigung der Schubhaft kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten (Absetzung ins Ausland / versuchtes „Asylshopping“) in Zukunft ändert.

Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es auch weiterhin zu Einschränkungen im internationalen Flugverkehr. Gleichzeitig treten hier nun systematisch Lockerungen ein. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht damit aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im (Spät-)Sommer 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Es ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 in diesem Zeitraum zumindest weitgehend gelockert und Abschiebungen durchführbar sein werden. Überdies muss derzeit ohnehin noch der Abschluss des HRZ-Verfahrens (für dessen Erfordernis vorrangig der Beschwerdeführer selbst die Verantwortung trägt) abgewartet werden. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund der Pandemie-Beschränkungen ist zum Entscheidungszeitpunkt damit nicht gegeben.

Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht auch weiterhin verhältnismäßig.

3.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann aufgrund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Zu Spruchteil B) – Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Ob die weitere Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig ist, ist eine Frage des konkreten Einzelfalles, sodass keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung vorliegt.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Untertauchen Verfahrensentziehung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2230819.2.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten