TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/12 W144 2231797-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.06.2020
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Entscheidungsdatum

12.06.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W144 2231797-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb, StA. von Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2020, Zl.: IFA: XXXX Verf.Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) ist ein Staatsangehöriger des Irak, der sich gemeinsam mit seinen 3 minderjährigen Kindern im Mai 2018 von Bagdad in die Türkei begab, von wo aus er mit den Kindern über Griechenland, Mazedonien, Albanien, Serbien und Bosnien nach Kroatien reiste. Seine Kinder wurden – laut seiner Darstellung - in Kroatien im Wald von der Polizei aufgegriffen als der BF selbst nicht in der Nähe der Kinder war, diese verblieben in der Folge als unbegleitete Minderjährige in Kroatien, der BF selbst begab sich letztlich ins Bundesgebiet, wo er am 18.01.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Das BFA richtete bezüglich des BF am 21.01.2020 ein Informationsersuchen gem. Art. 34 Dublin III-VO an die kroatischen Behörden.

Kroatien teilte daraufhin mit Schreiben vom 25.02.2020 mit, dass der BF in Kroatien nicht registriert sei, dass aber seine Kinder seit 08.01.2020 dort als unbegleitete minderjährige Asylwerber aufhältig seien. Die Kinder seien mit ihrem Vater, dem BF, in einem Aufnahmezentrum in Bosnien gewesen, wo sie ihr Vater angewiesen habe, mit einer iranischen Familie nach Kroatien zu gehen, während der BF selbst in Bosnien geblieben sei.

In der Folge stellte das BFA ein auf Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Kroatien. Kroatien akzeptierte dieses Aufnahmeersuchen durch ausdrückliche Zustimmung mit Schreiben vom 08.05.2020 auf der Grundlage des Art. 11 Dublin III-VO als zuständigkeitsbegründende Norm.

Am 25.05.2020 wurde der BF seitens des BFA einvernommen und gab er im Wesentlichen zu Protokoll, dass er bisher wahrheitsgemäße Angaben erstattet habe. Er leide an keinen schwerwiegenden Krankheiten, er sei nur schwerhörig. Zeitweise leide er an Kopfschmerzen und nehme deshalb Schmerztabletten. In einem Krankenhaus sei in Österreich niemals stationär aufhältig gewesen. Er habe in Österreich keine Verwandten oder sonstigen Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe. Er wolle nicht nach Kroatien zurückkehren, er wisse, dass seine Kinder dort seien, er wolle aber nicht dorthin zurückkehren - es gebe dafür keinen besonderen Grund, er habe Angst. Man habe ihm verboten, mit seinen Kindern zu telefonieren. Anfangs habe er noch mit diesen telefonieren dürfen, jetzt aber nicht mehr. Er sei in Kroatien nicht aufhältig gewesen, sondern in Bosnien in einem Wald. Dort seien zwischen Kroatien und Bosnien seine Kinder festgenommen worden, die kroatische Polizei sei dort gewesen. Auf die Frage, warum er bei der Festnahme nicht bei seinen Kindern geblieben sei, erklärte der BF, dass er gerade nicht dort gewesen sei, er habe Wasser holen wollen. Er habe nicht versucht, zu den Kindern zukommen, er habe Angst gehabt, dass er von der Polizei geschlagen werde. In Bosnien sei ihm gesagt worden, dass er keinen Asylantrag stellen könne. Man habe gesagt, dass man in Kroatien nicht menschlich behandelt werde. Er habe „sich für seine Kinder geopfert und sei durch viele Länder gekommen“, seine „Kinder seien jetzt in sicheren Händen“. Nach Vorhalt, dass Kroatien zur Prüfung seines Asylantrags zuständig sei, gab der BF an, dass er dort keine Fingerabdrücke abgegeben habe und wie Kroatien zuständig sein solle, wenn er dort keinen Antrag gestellt habe.

Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 27.05.2020 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Kroatien gemäß Art. 11 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurde im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

?        „Zur Lage im Mitgliedsstaat:

Gesamtaktualisierung am 14.11.2018

letzte Kurzinformation eingefügt am XX.XX.XXXX
1.         Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

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2.         Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 3.2018; USDOS 20.4.2018 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Laut Statistik wurden 2018, bis zum 20. September, 816 Asylanträge gestellt und in 157 Fällen wurde Schutzstatus zuerkannt. Im Gesamtjahr 2017 gab es 1.887 Asylanträge, wobei 211 Personen Schutz gewährt wurde (GOC 3.10.2018).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        GOC – Government of Croatia, Ministry of Interior (Autor), veröffentlicht von CoE-CommDH – Council of Europe – Commissioner for Human Rights (3.10.2018): Letter by the Council of Europe Commissioner for Human Rights - reply to be delivered,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1445769/1226_1539159234_commdh-govrep-2018-12-letter-croatia-interior-minister-2018-10-en-and-hr-versions-pdf.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430271.html, Zugriff 31.10.2018

-        VB des BM.I für Kroatien (19.7.2018): Bericht des VB, per E-Mail
3.         Dublin-Rückkehrer

Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren, haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in so einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 3.2018).

Gemäß Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs dürfen Migranten im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückgeschickt werden, die im Zuge der sogenannten „Flüchtlingskrise“ von 2015/2016 von Kroatien „durchgewunken“ worden waren. Die Weiterreise der betreffenden Migranten erfolgte dem EuGH zufolge illegal und die Dublin-Regeln sind anzuwenden (DS 26.7.2017; vgl. AIDA 3.2018).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        DS – Der Standard (26.7.2017): Entscheidung zu Asylregeln: Kroatien befürchtet hunderte Rückschiebungen, http://derstandard.at/2000061843511/EU-Hoechstgericht-zu-Asylregeln-Kroatien-befuerchtet-hunderte-Rueckschiebungen, Zugriff 31.10.2018

-        ECRE – European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016): Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system, https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        VB des BM.I für Kroatien (9.11.2016): Bericht des VB, per E-Mail
4.         Non-Refoulement

Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte „Push-backs“ von Migranten an der Grenze zu Serbien, Slowenien und Bosnien und Herezgowia, aber teilweise auch aus dem tiefsten Landesinnern (AIDA 3.2018; vgl. FRA 9.2018; AI 22.2.2018).

Die Menschenrechtskommissarin des Europarats zeigte sich besorgt wegen Berichten von Flüchtlings- und Migrantenorganisationen über "eine Großzahl" von kollektiven Rückschiebungen von irregulären Migranten von Kroatien nach Serbien und Bosnien-Herzegowina. "Besonders besorgniserregend" seien Vorwürfe über "systematische Gewalt", auch gegen Schwangere und Kinder. Nach Angaben des UNHCR soll Kroatien seit Beginn 2018 bereits 2.500 Migranten kollektiv abgeschoben haben. Von diesen berichten 1.500, dass ihnen verwehrt wurde, einen Asylantrag zu stellen, 700 beklagten Gewalt und Diebstahl durch kroatische Polizeibeamte. In einer Reaktion wies das kroatische Innenministerium die Beschuldigungen über kollektive Abschiebungen und Polizeigewalt gegenüber Migranten zurück. Alle eingegangenen Anzeigen von Menschenrechtsorganisationen wurden demnach im Rahmen der Möglichkeiten überprüft. Weiters wurde betont, dass die Migranten keine Absicht hätten, in Kroatien zu bleiben, sondern es nur als Transitland nutzen würden. Die Statistik zeige, dass Kroatien den Bürgern von Drittländern den Zugang zu internationalem Schutz gewährt (CoE-CommDH 20.9.2018; vgl. GOC 3.10.2018; DS 5.10.2018; DK 5.10.2018; AJ 5.10.2018).

Es gibt eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und Türkei. Bisher wurde das Konzept des sicheren Herkunftslandes meist bei Algeriern und Marokkanern angewandt. Laut Gesetz ist ein sicherer Drittstaat einer, in welchem ein Antragsteller sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko einen ernsten Schaden zu erleiden; welcher das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und welcher effektive Zugang zum Asylverfahren gewährt. Ob dies zutrifft, ist eine Einzelfallentscheidung. Wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 3.2018).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Croatia,
https://www.ecoi.net/de/dokument/1444202.html, Zugriff 31.10.2018

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        AJ – Al Jazeera (5.10.2018): Council of Europe urges Croatia to probe police abuse allegations, https://www.aljazeera.com/news/europe/2018/10/council-europe-urges-croatia-probe-police-abuse-allegations-181005104405894.html?utm_source=ECRE+Newsletters&utm_campaign=e334b196b4-EMAIL_CAMPAIGN_2018_10_08_12_37&utm_medium=email&utm_term=0_3ec9497afd-e334b196b4-422318529, Zugriff 31.10.2018

-        CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (20.9.2018): Letter by the Council of Europe Commissioner for Human Rights,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1445749/1226_1539158417_commdh-2018-22-letter-pm-croatia-en-pdf.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        DK – Der Kurier (5.10.2018): Europarat sieht Polizeigewalt gegen Flüchtlinge in Kroatien, https://kurier.at/politik/ausland/europarat-sieht-polizeigewalt-gegen-fluechtlinge-in-kroatien/400137953, Zugriff 31.10.2018

-        DS – Der Standard (5.10.2018): Europarat besorgt über Behandlung von Migranten in Kroatien, https://derstandard.at/2000088780239/Europarat-besorgt-ueber-Behandlung-von-Migranten-in-Kroatien, Zugriff 31.10.2018

-        ECRE – European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016): Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system, https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        FRA – Agency for Fundemantal Rights (9.2018): Periodic data collection on the migration situation in the EU - September Highlights - 1 July–31 August 2018, http://fra.europa.eu/en/publication/2018/migration-overviews-september-2018, Zugriff 31.10.2018

-        GOC – Government of Croatia, Ministry of Interior (Autor), veröffentlicht von CoE-CommDH – Council of Europe – Commissioner for Human Rights (3.10.2018): Letter by the Council of Europe Commissioner for Human Rights - reply to be delivered,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1445769/1226_1539159234_commdh-govrep-2018-12-letter-croatia-interior-minister-2018-10-en-and-hr-versions-pdf.pdf, Zugriff 31.10.2018
5.         Versorgung

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht umfasst Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung und gilt ab dem Zeitpunkt, an dem sie den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen. Nur für Folgeantragsteller gelten Einschränkungen. Die monatliche finanzielle Unterstützung gibt es ab Unterbringung in einem Zentrum. Diese betrug Ende 2017 100 Kuna (EUR 13,30) für eine Person. Gibt es abhängige Familienmitglieder, erhöht sich der Betrag. Trotzdem gilt die Unterstützung als sehr gering bemessen. Seit Mitte 2016 dürfen Asylwerber in Zagreb die öffentlichen Verkehrsmittel gratis benützen. Asylwerber deren Verfahren nach 9 Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber wird durch die Sprachbarriere und hohe Arbeitslosigkeit behindert. Asylwerber haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber innerhalb der Unterbringungszentren mitarbeiten und werden in Form zusätzlicher Bedarfsartikel entlohnt (AIDA 3.2018).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

5.1.    Unterbringung

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in Unterbringungszentren für Asylwerber. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über 2 offene Unterbringungszentren für Asylwerber, in Zagreb „Hotel Porin“ (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 100 Plätze). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt, wobei Kutina primär der Unterbringung vulnerabler Asylwerber dient. Bezüglich der Unterbringungsbedingungen werden keine besonderen Probleme berichtet, bis auf den schlechten Zustand der Zimmer in Zagreb, der sich aber durch die im Jahr 2018 durchgeführten Renovierungsarbeiten ändern soll. Es gibt in den Zentren u.a. präventive Maßnahmen gegen sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt, Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an (AIDA 3.2018).

In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Kinder bis 16 Jahre erhalten auch eine Nachmittagsjause. In Kutina gibt es Küchen, in denen die Asylwerber selbst kochen können. Die Eröffnung von zwei Kitchenetten in Zagreb wurde bis Ende Februar 2017 geplant. Im März 2018 waren die Küchen nicht geöffnet; sie wurden nur für besondere Anlässe benutzt. Spezielle Anforderungen an die Ernährung (z.B. ärztliche Verschreibung oder religiöse Gründe) werden berücksichtigt, wobei es angeblich einige Probleme gab (AIDA 3.2018).

Nach Angaben des Kroatischen Roten Kreuzes bieten Sozialarbeiter täglich psychosoziale Unterstützung und organisieren soziale und pädagogische Aktivitäten mit Asylsuchenden in Zagreb (Montag-Samstag) und Kutina (Montag-Sonntag). Hauptaktivitäten sind: Unterstützung (Unterbringung, Erstinformation, usw.); Individuelle und familiäre psychosoziale Unterstützung nach Bedarf; Unterstützung von unbegleiteten Minderjährigen; Besondere Betreuung für Personen mit psychischen Problemen und potenziellen Opfern von Folter und Trauma; Spiel- und Bildungsaktivitäten mit Kindern; Unterstützung bei Schulaufgaben; Einführung in die kroatische Kultur, Sitten und Gebräuche; Gruppen- und Einzelarbeit mit einzelnen Frauen, einschließlich Einzelgesprächen zur Verhütung von Menschenhandel und sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt; Konflikt- und Gewaltprävention, Workshops zur Verhütung des Menschenhandels; Sportliche Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Empfangszentren; Sprachkurse für Kroatisch und Englisch; Hygieneförderung und Gesundheitserziehung; Jobcenter; Bibliothek; Friseursalon; Bereitstellung von Informationen, praktische Unterstützung im täglichen Leben; Verweis an das Innenministerium zur Gesundheitsversorgung, an spezialisierte Einrichtungen der psychologischen und psychischen Gesundheit; und Organisation von Gemeindeversammlungen in Kutina und Zagreb (Vox Populi). Der Jesuitische Flüchtlingsdienst (JRS) hat einen Computerraum mit neun Computern in Zagreb eingerichtet. Das Klassenzimmer ist täglich von Montag bis Freitag mit der Anwesenheit eines Dolmetschers und freiwilligen Unterstützern geöffnet. Gelegentlich ist die Klasse auch samstags und sonntags geöffnet. Seit November 2016 halten Freiwillige einmal wöchentlich einen Computerkurs nur für Frauen und einmal wöchentlich einen gemischten Kurs ab. 2016 waren viele internationale und nichtstaatliche Organisationen wie IOM, UNICEF, Save the Children und nationale NGOs (Kroatisches Rotes Kreuz, Croatian Law Center, JRS, Center for Peace Studies, u.a.) in beiden Empfangszentren aktiv. Es wurden auch verschiedene soziale und pädagogische Aktivitäten für Frauen und Kinder organisiert. Kroatisch-Sprachkurse werden vom Kroatischen Roten Kreuz, dem Center for Peace Studies und dem Jesuitischen Flüchtlingsdienst organisiert. Die Freiwilligen des Centre for Peace Studies sind in beiden Aufnahmezentren für Asylwerber präsent. Freiwillige führen psychosoziale Hilfstätigkeiten für Asylsuchende in den Zentren durch (Information über Asylsystem, kroatische Kultur und Geschichte, psychosoziale Unterstützung, kroatische Sprache, Sport- und gesellschaftliche Aktivitäten, Workshops). Weiters bietet seit November 2017 das Centre for Peace Studies eine Rechtsberatung für Asylwerber an. Das kroatische Babtist Aid ist im Unterbringungszentrum in Zagreb präsent und bietet Sprachkurse in kroatischer und deutscher Sprache, kreative Workshops, IT-Kurse und organisiert Tagesausflüge (AIDA 3.2018; vgl. VB 8.11.2017).

Im Sommer 2018 begann die Renovierung des Unterbringungszentrums „Hotel Porin“ in Zagreb; geplante Fertigstellung ist im Juni 2019. Als Erstes wird der linke Flügel, in dem sich 56 Zimmer befinden, renoviert. Aufgrund der geringeren Anzahl von Asylwerbern wurden diese während der Renovierungsarbeiten nicht umgesiedelt, sondern lediglich in einemn anderen Flügel verlegt. Dies führte dazu, dass einige im Zentrum tätige Organisationen ihre Räumlichkeiten verloren. Während der Teilrenovierung stehen von 600 Plätzen ca. 400 zur Verfügung. Die Errichtung eines neuen Aufnahmezentrums in Mala Gorica ist in Planung (W-CCRI 23.7.2018; vgl. VB 20.4.2018).

Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden. In Einzelfällen gab es, obwohl rechtlich nicht vorgesehen, immer wieder humanitäre Ausnahmen (AIDA 3.2018).

Mit Stand am 4.11.2018 waren in den kroatischen Unterbringungseinrichtungen insgesamt 372 Personen aufhältig: in Zagreb „Hotel Porin“ 293 Asylwerber (205 Männer, 48 Frauen, 40 Minderjährige); in Jezevo 21 Asylwerber (18 Männer, 3 Frauen) und in Kutina 58 Asylwerber (14 Männer, 13 Frauen, 31 Minderjährige) (VB 6.11.2018).

Zudem verfügt Kroatien über ein geschlossenes (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen (27 Plätze für Vulnerable). Darüber hinaus gibt es ein Transitzentrum in Trilj mit 62 Plätzen (12 Plätze für Vulnerable) und in Torvarnik ebenfalls mit 62 Plätzen (12 Plätze für Vulnerable) – nach Angaben des Verbindungsbeamten des BM.I beträgt die Kapazität ca. 90 Plätze pro Zentrum; beide Zentren werden statt dem Asylbereich für die Verwahrung festgenommener illegaler Migranten genutzt. 2017 wurden gemäß kroatischen Innenministerium 134 Asylwerber in Jezevo festgehalten. Betreffend der Zahl der dort festgehaltenen Minderjährigen gehen die Quellen auseinander. Nach Angaben des kroatischen Innenministeriums wurden 2017 ein Kind und sechs UMA in Jezevo inhaftiert. Laut der Direktion der Grenzsicherung wurden hingegen 68 Kinder, davon fünf UMA dort festgehalten. 2017 wurden in Tovarnik 27 Kinder und in Trilj fünf Kinder verhaftet. Weiters wurde 2017 ein Opfer von Menschenhandel in Jezevo inhaftiert. Nach Angaben des Innenministeriums wurde die Person sofort freigelassen, nachdem ihre Vulnerabilität erkannt wurde. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst kritisierte jedoch die mangelhafte Vorgehensweise der Behörde, da sich der Opfer im jeweiligen Fall ein Monat lang in Haft befand (AIDA 3.2018; vgl. VB 8.11.2017).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (26.5.2017): Refugees sent back from Austria find new hope in Croatia, http://www.unhcr.org/news/stories/2017/5/5922f6064/refugees-sent-austria-find-new-hope-croatia.html, Zugriff 31.10.2018

-        VB des BM.I für Kroatien (6.11.2018): Bericht des VB, per E-Mail

-        VB des BM.I für Kroatien (20.4.2018): Bericht des VB, per E-Mail

-        VB des BM.I für Kroatien (8.11.2017): Bericht des kroatischen Innenministeriums, per E-Mail

-        W-CCRI – Welcome – Croatian Central Refugee Information (23.7.2018): Europe is implementing „pass the buck“ approach, http://welcome.cms.hr/index.php/en/2018/07/23/europe-is-implementing-pass-the-buck-approach/, Zugriff 31.10.2018

5.2.    Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung ist verfügbar im Unterbringungszentrum Zagreb und wenn nötig auch im Unterbringungszentrum Kutina. In Kutina kommt der Arzt auf Anfrage oder wenn eine bestimmte Anzahl von Asylwerbern medizinische Versorgung benötigen. Ansonsten ist medizinische Versorgung in der Notaufnahme verfügbar. Ein Zahnarzt bietet seine Dienste auf freiwilliger Basis an (AIDA 3.2018). Zusätzlich zu diesen Maßnahmen arbeitet Médecins du Monde (MdM) mit zwei Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester und zwei Dolmetschern in beiden Zentren. Das Team bietet primäre medizinische Beratung 4 Tage/Woche in Zagreb und 2 Tage/Woche in Kutina. Daneben führt es 2 Tage/Woche eine offizielle Erstuntersuchung von neu eingetroffenen Asylwerbern durch und organisiert auch zweimal im Monat Besuche von externen Fachärzten für Gynäkologie, Pädiatrie, Psychiatrie und von einem Physiotherapeuten (AIDA 3.2018; vgl. MdM 6.2018). Weiters führt ein Psychologe vom MdM Untersuchungen zur Beurteilung der psychischen Gesundheit und psychotherapeutische Einzelberatung durch. Darüber hinaus bietet als Teil des MdM-Teams ein Sozialarbeiter Informationen, Anleitungen und praktischen Support (z.B. Begleitung von Patienten in Gesundheitseinrichtunen, Begleitung von Kindern von Asylwerbern zur Impfung) für Asylwerber, aber auch für Schutzberechtigte, damit sie ihre Rechte geltend machen können. Durch Workshops oder individuelle Beratung informiert das medizinische Team von MdM über Prävention von Infektionskrankheiten, Hygiene, Zugang zur Gesundheitsversorgung und Familienplanung (MdM 6.2018). Daneben wurde im August 2017 im Gesundheitszentrum in Dugave ein Ambulatorium für Asylwerber in Betrieb genommen. Der Verband baptistischer Kirchen organisiert unter anderem auch den Transport zu einem Zahnarzt. Mehrere andere NGOs (Jesuitischer Flüchtlingsdienst, Society for Psychological Assistance, Croatian Law Centre oder Rehabilitation Centre for Stress and Trauma) boten 2016 psychologische Betreuung an. Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich. Ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler existiert nicht, sie werden oft an den Arzt im Unterbringungszentrum verwiesen. Für traumatisierte Asylsuchende, die in Kutina untergebracht sind, ist psychosoziale Unterstützung im neuropsychiatrischen Krankenhaus in Popova?a verfügbar. Seit 2010 betreibt das Croatian Law Centre das Projekt “Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants”. Das Projekt wird auch 2018 fortgesetzt. Es ist psychosoziale Unterstützung durch das Kroatische Rote Kreuz und psychologische Beratung durch externe Psychologen für Asylbewerber und Flüchtlinge verfügbar. Auch das Rehabilitation Centre for Stress and Trauma bietet psychologische Unterstützung, unter anderem für Folteropfer. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst unterstützt besonders Frauen beim Zugang zu medizinischer und psychologischer Hilfe. Seit März 2015 bietet das Zentrum für Kinder, Jugend und Familie (Modus), kostenlose Beratung und Psychotherapie für Asylsuchende und Flüchtlinge im Zentrum Zagreb an. Im Jahr 2016 und 2017 wurde die Beratung vor allem in ihren Räumlichkeiten organisiert, und zwar von ausgebildeten Beratern und Psychotherapeuten und Dolmetschern (AIDA 3.2018; vgl. EASO o.D.; VB 8.11.2017).

MdM, das Rehabilitation Centre for Stress and Trauma, JRS sowie andere NGOs berichten über Defizite im Gesundheitssystem sowie über eine enge Auslegung des gesetzlichen Rahmens. Der Mangel an Übersetzern ist weiterhin ein Problem für die medizinische Betreuung (AIDA 3.2018). Weites ist einem Bericht vom MdM vom 2018 zu entnehmen, dass die psychische Gesundheit von Flüchtlingskindern und Asylwerbern weiterhin eine der größten Herausforderungen bei der Organisation eines umfassenden und dauerhaften Supportsystems für Asylwerber darstellt – nicht nur in Kroatien, sondern sowohl im übrigen Europa als auch weltweit (MdM 6.2018).

Asylsuchende in Kroatien haben gemäß den Gesetzen Anspruch auf medizinische und psychologische Versorgung. Das Asylgesetz beschränkt die Krankenversorgung auf Notfallversorgung und essenzielle Behandlung von Krankheiten und ernsthaften psychischen Zuständen. Dies hat besonders Auswirkungen auf asylwerbende bzw. migrierende Kinder und Schwangere. Eine zusätzliche Barriere beim Zugang zu medizinischer Versorgung ist die Sprache, da der Staat für diese Zwecke keine kostenlose Dolmetschdienstleistungen zur Verfügung stellt und die meisten Asylsuchenden diese nicht selbst bezahlen können. Es wird auch bemängelt, dass viele Kinder von Asylwerbern bzw. Migranten nicht gegen vermeidbare Krankheiten geimpft werden. Es wird berichtet, dass sich die medizinische Versorgung im „Hotel Porin“ seit September 2016 durch regelmäßige Anwesenheit eines Hausarztes und durch die Unterstützung der NGO Médecins du Monde (MdM) verbessert hat. Allerdings wird moniert, dass die nationalen Behörden die von MdM angebotenen Leistungen selbst erbringen sollten. Auch kritisiert wird, dass es in Kutina keine regelmäßigen Ordinationszeiten eines Hausarztes gibt (UNHRC 28.4.2017).

Derzeit gibt es keine registrierten drogensüchtigen Asylwerber in Kroatien. Wenn sich aber ein Asylwerber bei seinem ersten Gesundheitscheck als drogenabhängig deklariert (das gilt auch für Dublin-Rückkehrer, falls im Rahmen des Dublin-Verfahrens keine medizinischen Unterlagen übermittelt wurden), wird eine medizinische Überprüfung vorgenommen und eine für den Betreffenden notwendige Therapie festgelegt. Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Asylwerber auf einer höheren Dosis oder anderen Substitutionsmedikamenten bestanden haben und angaben, diese auch in anderen Mitgliedsstaaten erhalten zu haben. Kroatien betont jedoch, dass jedem Asylwerber, welcher sich als Drogensüchtiger deklariert, nach medizinischen Tests seitens der zuständigen Behörde, die notwendige Therapie vorgeschrieben wird (VB 8.11.2017).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen

von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        EASO – European Asylum Support Office (o.D.): Annual report on the situation of asylum in the European Union – 2017, https://www.easo.europa.eu/easo-annual-report, Zugriff 31.10.2018

-        MdM – Médecins du Monde (6.2018): Croatia – Hidden (human) faces of European Union’s Dublin regulation from a health perspective, https://dujieoqn176qs.cloudfront.net/sites/www.doktersvandewereld.be/files/publicatie/attachments/mdm-be_-_croatia_hidden_human_faces_dublin_-_june_2018.pdf, Zugriff 13.11.2018

-        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

-        UNHRC – UN Human Rights Council (28.4.2017): Report of the Special Rapporteur on the right of everyone to the enjoyment of the highest attainable standard of physical and mental health on his visit to Croatia, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1496843413_g1710770.pdf, Zugriff 31.10.2018

-        VB des BM.I für Kroatien (8.11.2017): Bericht des kroatischen Innenministeriums, per E-Mail

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht.

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html

Aktuell ist die Anzahl der Infizierten in Kroatien, ähnlich wie in Österreich, rückläufig.

Stand 27.05.2020: Insgesamt bestätigte Fälle: 2244. Davon 101 verstorbene Personen und noch 198 aktiv erkrankte Personen.

Quelle: https://coronavirus.jhu.edu/map.html

A)       Beweiswürdigung

Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

[ … ]

?        Betreffend die Feststellungen zur Lage im Mitgliedsstaat:

Die Feststellungen zum Mitgliedstaat basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 5 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation im Mitgliedstaat ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte „notorische“ Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 13-MSA1998-89) keines Beweises. „Offenkundig“ ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder „allgemein bekannt“ (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch „bei der Behörde notorisch“ (amtsbekannt) geworden ist; „allgemein bekannt“ sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen – ohne besondere Fachkenntnisse – hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleich lautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Konkret zu Kroatien befragt gaben Sie an, dass Sie nicht nach Kroatien wollen würden. Sie würden wissen, dass sich Ihre minderjährigen Kinder in dem Land befinden würden, aber Sie würden trotzdem nicht nach Kroatien wollen. Sie hätten in Kroatien keinen Asylantrag gestellt, weil Sie Angst gehabt hätten, dass Sie von der kroatischen Polizei geschlagen werden. Sie hätten in Bosnien Rückkehrer aus Kroatien gesehen und diese hätten berichtet, von der kroatischen Polizei geschlagen worden zu sein.

Konkret Sie betreffende Vorfälle gab es nie.

Da Sie in Kroatien auch nie Ihre Finderabdrücke abgegeben hätten, wäre für Sie nicht nachvollziehbar, warum Kroatien für Ihre Verfahren zuständig sein sollte.

Zur Zustimmung zur Übernahme des Verfahrens durch die kroatischen Behörden. Es wurde Ihnen, trotz vorheriger Zulassung, eine Rechtsberatung ermöglicht. Dabei wurde Ihnen die Zuständigkeit Kroatiens aufgrund der Zustimmung Kroatiens gem. Art.11 der Dublin VO erläutert. Der Artikel hat das hohe Ziel eine Trennung von Familienmitglieder zu verhindern. Sie selbst bestätigten, dass Sie mit der Rechtsberatung über die Zuständigkeit Kroatiens gesprochen haben. Auch wenn es Ihnen, Ihren eigenen Angaben zufolge, nicht sehr wichtig erscheint, ob Ihre Kindern von Ihnen getrennt sind.

Soweit Sie angeben, dass Flüchtlinge von der kroatischen Polizei geschlagen worden wären und Sie deswegen aus Angst keinen Asylantrag in Kroatien gestellt hätten wird angeführt, dass es im aktuellen Länderinformationsblatt Berichte zu sogenannten Push-backs gibt. Dabei handelte es ich angeblich um Verweigerung der Asylantragstellung in Kroatien in Verbindung mit kollektiven Zurückschiebungen nach Bosnien oder nach Serbien. Den kroatischen Beamten wurde dabei auch Gewalt und Diebstahl vorgeworfen. Das kroatische Innenministerium wies jedoch diese Vorwürfe zurück. Alle Anzeigen von Menschenrechtsorganisationen wären im Rahmen der Möglichkeiten überprüft worden.

Es sei hier erwähnt, sollten Amtshandlungen der Sicherheitskräfte tatsächlich nicht maßhaltend sein, ist nicht zu erwarten, dass Sie im Fall einer Dublin-Rücküberstellung mit Übergriffen von Sicherheitskräften zu rechnen hätten, da diese Rücküberstellung durch geschulte Beamte im Wege einer angekündigten geordneten Übernahme erfolgen würde.

Sie selbst gaben sogar an, dass Ihre Kinder in Kroatien in sicheren Händen wären. Sie hätten dies nicht gesagt, wenn Sie vom Gegenteil überzeugt wären.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Kroatien aufgrund der Dublin III Verordnung zur Übernahme bereiterklärte und somit europarechtlich zur Prüfung des Asylantrages verpflichtet ist. Ebenso hat Kroatien die Statusrichtlinie, die Verfahrensrichtlinie und die Aufnahmerichtlinie anzuwenden, ein den dort genannten Anforderungen entsprechendes Asylverfahren zu führen, beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Schutz zu gewähren und für die Dauer des Verfahrens eine entsprechende Grundversorgung zu bieten. Es gibt keine Hinweise darauf, warum Kroatien in Ihrem Fall Ihren Asylantrag nicht unter Einhaltung der innerstaatlichen, völker- und europarechtlichen Bestimmungen prüfen und eine entsprechende Entscheidung treffen sollte, weshalb die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der „Sicherheit“ der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall nicht erschüttert werden konnte. Gem. Art. 16 (3) und (4) der Aufnahmerichtlinie können die Mitgliedstaaten Sanktionen für grobe Verstöße gegen die Vorschriften der Unterbringungszentren und grob gewalttätiges Verhalten festlegen.

Es ist auch auszuführen, dass sich Asylwerber im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen können, in dem sie bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten können. Es ist auch auf den Hauptzweck der Dublin-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsreglung zu treffen ist. Schwierige Lebensbedingungen, wie etwa regional bestehende Engpässe bei den Aufnahmekapazitäten oder Umstände, wie sie von Ihnen bemängelt wurden, weisen selbst im Falle ihres Zutreffens keine die Schwelle des Art. 3 EMRK übersteigende Eingriffsintensität auf (vgl. dazu in einem ähnlich gelagerten Fall Erkenntnis des AGH vom 13.03.2013, Zl. S2 433.030-1/2013/3E)

Zusammenfassend ergibt sich auch ausgehend aus Ihren eigenen Angaben sowie der vorliegenden Länderfeststellungen, dass in Kroatien die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Sie haben auch nicht vorgebracht, in Kroatien Misshandlung, Verfolgung oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt gewesen zu sein.

Die Feststellungen zur Pandemie ergeben sich aus dem Amtswissen sowie die konkreten Daten aus den Angaben der John Hopkins University in Baltimore, USA, die ausführlich Daten rund um die Pandemie sammelt, auswertet und zur Verfügung stellt.

Die Feststellungen zum Virus SARS-CoV-2 ergeben sich aus den vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz als oberste Gesundheitsbehörde veröffentlichte Informationen.“

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das BFA im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus, der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 11 Dublin III-VO formell erfüllt (und sohin Kroatien) für die Prüfung des Antrages zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Der im Spruch genannte Staat sei bereit, den BF einreisen zu lassen und seinen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen. Es sei festzustellen, dass in Kroatien, einem Mitgliedstaat der EU mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Weiters lägen keine humanitären Gründe gem. Art. 16 und 17 Abs. 2 leg.cit. vor. Die Ausweisung des BF stelle mangels familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich und aufgrund seiner zu kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet keine Verletzung von Art. 8 EMRK dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des BF. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass er nicht nach Kroatien zurückkehren wolle, auch wenn er wisse, dass seine Kinder dort seien. Er habe Angst, dass er von der Polizei in Kroatien geschlagen werden würde. Er habe auch Rückkehrer aus Kroatien gesehen, die von der Polizei gewaltsam zurückgewiesen worden seien. Das BFA habe diese Einwendungen des BF nicht ausreichend gewürdigt.

Mit Schreiben vom 09.06.2020 bekräftigte Kroatien, dass es im besten Interesse der Kinder gelegen wäre, wenn ihr Vater, der BF so schnell als möglich nach Kroatien kommen würde.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Festgestellt werden zunächst der dargelegte Verfahrensgang sowie der ebenfalls oben dargestellte Reiseweg des BF.

Besondere, in der Person des Antragstellers gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Kroatien sprechen, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Lage im Mitgliedstaat an.

Tödliche bzw. akut lebensbedrohliche Erkrankungen hat der BF keine geltend gemacht.

Der BF hat keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Seine 3 Kinder befinden sich allesamt in Kroatien!

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum Reiseweg stützen sich auf den Akt des BFA und das darin befindliche Vorbringen des BF.

Die Feststellungen zur gesundheitlichen und familiären Situation des BF ergeben sich ebenfalls aus seinem Vorbringen. Akut lebensbedrohliche Erkrankungen wurden vom BF zu keinem Zeitpunkt vorgebracht.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt hat in den angefochtenen Bescheiden neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Kroatien auch Feststellungen zur kroatischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf „Dublin-Rückkehrer“) samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich sohin den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung betreffend die Lage in Kroatien an.

Soweit in der Beschwerde pauschal eingewendet wird, dass der BF befürchte, in Kroatien von der Polizei geschlagen zu werden, entbehrt dies jeglicher Grundlage, und hat der BF auch keinerlei diesbezügliche persönliche negative Erfahrungen vorbringen können. Der Einwand, dass der BF gesehen habe, dass Asylwerber von Kroatien an der Grenze zurückgewiesen worden seien, geht insofern ins Leere, als sich Kroatien zur Rückübernahme des BF bereit erklärt hat und demgemäß ein „Pushback“ an der Grenze in casu ausgeschlossen werden kann.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“

§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates („Dublin III-VO“) zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:

„KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 8

Minderjährige

(1) Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich ein Familienangehöriger oder eines der Geschwister des unbegleiteten Minderjährigen rechtmäßig aufhält, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient. Ist der Antragsteller ein verheirateter Minderjähriger, dessen Ehepartner sich nicht rechtmäßig im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhält, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich der Vater, die Mutter, oder ein anderer Erwachsener — der entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats für den Minderjährigen zuständig ist — oder sich eines seiner Geschwister aufhält.

(2) Ist der Antragsteller ein unbegleiteter Minderjähriger, der einen Verwandten hat, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, und wurde anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt, dass der Verwandte für den Antragsteller sorgen kann, so führt dieser Mitgliedstaat den Minderjährigen und seine Verwandten zusammen und ist der zuständige Mitgliedstaat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.

(3) Halten sich Familienangehörige, Geschwister oder Verwandte im Sinne der Absätze 1 und 2 in mehr als einem Mitgliedstaat auf, wird der zuständige Mitgliedstaat danach bestimmt,

was dem Wohl des unbeg

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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