Entscheidungsdatum
16.06.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W128 2229169-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle Wien vom 10.01.2020, Zl. 448060801, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsbürgerin, ist seit 24.09.2018 in Österreich aufrecht gemeldet. Seit dem Wintersemester 2018 studiert sie in Wien das Bachelorstudium "Internationale Betriebswirtschaft".
2. Am 07.10.2019 stellte die Beschwerdeführerin erstmals einen Antrag auf Studienbeihilfe. Dieser wurde mit Bescheid vom 13.11.2019, ZL445301401, mangels Gleichstellung gemäß § 4 StudFG, abgewiesen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Vorstellung.
3. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid gab der Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Wien der Vorstellung keine Folge und begründete dies mit dem Mangel der hierfür notwendigen Integration in das österreichische Bildungs- oder Gesellschaftssystem.
4. In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie bereits durch ihre Unionsbürgerschaft die Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern erfülle.
5. Mit Schreiben vom 27.02.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die am XXXX geborene Beschwerdeführerin ist rumänische Staatsbürgerin. Sie absolvierte am 11.07.2018 ihre Reifeprüfung am XXXX (Gymnasium) " XXXX " in XXXX (Rumänien), welches keine österreichische Schule im Ausland ist.
Seit dem Wintersemester 2018/2019 ist die Beschwerdeführerin für das Bachelorstudium "Internationale Betriebswirtschaft" an der Universität Wien inskribiert.
Die Beschwerdeführerin ist seit 24.09.2018 dauerhaft in Österreich aufhältig und nicht laufend berufstätig. Ihre Eltern leben und arbeiten in Rumänien.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu A)
3.2.1. Gemäß § 1 Abs. 4 StudFG ist zur Beurteilung von Ansprüchen der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich, soweit nichts anderes festgelegt ist.
Gemäß § 2 StudFG können österreichische Staatsbürger sowie gleichgestellte Ausländer und Staatenlose Förderungen erhalten.
Gemäß § 4 Abs. 1 StudFG sind Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens zur Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und von Vertragsparteien des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sowie Drittstaatsangehörige österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, soweit es sich aus diesen Übereinkommen ergibt.
Gemäß § 4 Abs. 1a StudFG erfüllen EWR-Bürger die Gleichstellungsvoraussetzungen, wenn sie
1. Wanderarbeitnehmer im Sinne des Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) oder Kinder von Wanderarbeitnehmern sind oder
2. das Recht auf Daueraufenthalt in Österreich im Sinne des Artikels 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, haben oder
3. in das österreichische Bildungs- oder Gesellschaftssystem integriert sind.
Gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, hat das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten.
3.2.2. Gegenständlich kann ausgeschlossen werden, und ist dies auch unstrittig, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Wanderarbeitnehmerin bzw. um eine Familienangehörige von Wanderarbeitnehmern iS § 4 Abs. 1a Z 1 handelt.
Zu prüfen bleiben daher die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1a Z 2 und 3 StudFG.
3.2.3. Wenn die Beschwerdeführerin ausführt, sie habe schon alleine aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes Anspruch auf Studienbeihilfe, da eine Einschränkung von Sozialleistungen nur auf Grundlage von klaren und im Voraus benannten Kriterien erfolgen dürfe, so ist ihr entgegen zu halten, dass § 4 Abs. 1a Z 2 StudFG unmissverständlich auf das Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Artikels 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen abstellt.
Entsprechend dieser Bestimmung wird das Recht auf Daueraufenthalt erst durch einen rechtmäßigen fünf Jahre lang ununterbrochen Aufenthalt in Österreich erworben. Dies ist bei der Beschwerdeführerin unstrittig nicht der Fall.
3.2.4. Zur Integration in das österreichische Bildungssystem führte der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 2019, Ro 2018/10/0028, zusammengefasst Folgendes aus:
Aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (vgl. EuGH 15.03.2005, Bidar, C-209/03; 23.10.2007, Morgan und Bucher, C-11/06 und C-12/06; 18.11.2008, Förster, C-158/07; 18.07.2013, Prinz und Seeberger, C-523/11 und C- 585/11; 26.02.2015, Martens, C-359/13) folgt, dass zur Beurteilung einer ausreichenden Integration des Antragstellers in die Gesellschaft des Leistungsstaates im Rahmen einer Einzelfallprüfung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die eine besondere Verbundenheit mit diesem Staat auszudrücken vermögen, wie etwa - jeweils bezogen auf den Leistungsstaat - die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, die Staatsangehörigkeit, die Absolvierung eines erheblichen Teils der Schulausbildung, Familie, Beschäftigung, Sprachkenntnisse und sonstige soziale oder wirtschaftliche Bindungen.
In diesem Sinn ist auch die im Lichte der EuGH-Rechtsprechung entstandene innerstaatliche Vorschrift des § 4 Abs. 1a Z 3 StudFG hinsichtlich der Integration in das österreichische Gesellschaftssystem zu verstehen.
Da darüber hinaus innerstaatlich alternativ auch die Integration in das österreichische Bildungssystem gesondert angeführt ist, sind diesbezügliche Integrationsmaßnahmen nicht nur - soweit damit auch eine gesellschaftliche Verbindung zu dem Mitgliedstaat, der die Leistung erbringen soll, einhergeht - bei der Integration in die Gesellschaft dieses Staates zu berücksichtigen, sondern auch als Integrationsmaßnahme ins Bildungssystem. Eine bloße Bildungsintegration könnte etwa dann vorliegen, wenn eine österreichische Schule im Ausland besucht wird.
Das österreichische Bildungssystem umfasst alle Stufen der Internationalen Standardklassifikation im Bildungswesen (ISCED), beginnend mit dem frühkindlichen Bildungsbereich vor Schuleintritt (Kindergarten) bis zur höchsten Bildungsstufe, den Doktoratsstudien oder gleichwertigen Bildungsabschlüssen.
Im Rahmen einer Einzelfallprüfung ist der Integrationsgrad einer Person in das Bildungs- oder Gesellschaftssystem zu beurteilen. Bei der Bewertung der einzubeziehenden Kriterien spielen naturgemäß jedenfalls die Intensität der Integrationsmaßnahmen sowie deren Dauer und zeitliches Naheverhältnis zum Antragszeitpunkt eine maßgebliche Rolle, wobei auch die in den anderen Ziffern des § 4 Abs. 1a StudFG zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers zu berücksichtigen ist.
Für den Fall der Beschwerdeführerin bedeutet das:
Die rumänische Beschwerdeführerin absolvierte die Reifeprüfung an keiner österreichischen Schule im Ausland. Zum Antragszeitpunkt 07.10.2019 lebten und arbeiteten die Eltern der Beschwerdeführerin in Rumänien; die Beschwerdeführerin war in Österreich nicht laufend berufstätig und hält sich erst seit September 2018 in Österreich auf. Damit war sie zum Antragszeitpunkt noch nicht ausreichend in das österreichische Gesellschaftssystem integriert (vgl. dazu auch Marinovic/Egger, Studienförderungsgesetz7 [2018], Erl. zu § 4 Abs. 1a). Das wird von der Beschwerdeführerin auch nicht in Abrede gestellt.
Es kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin, die seit dem Wintersemester 2018 ihr Studium an der Universität Wien betreibt, bereits ausreichend in das österreichische Bildungssystem integriert war, da die Integrationsleistung iSd § 4 Abs. 1a StudFG 1992 danach zu beurteilen ist, ob die Beschwerdeführerin einen "erheblichen Teil der Schulzeit" in Österreich absolviert hat, was wiederum unstrittig nicht der Fall war. (vgl. VwGH vom 25.06.2019, Ro 2018/10/0028).
3.2.5. Folglich ist der Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Wien zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1a StudFG zum Antragszeitpunkt nicht erfüllt waren, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist.
3.2.6. Eine Verhandlung (sie wurde nicht beantragt) konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12).
3.3. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der - unter Punkt 3.2 dargestellten - bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
EWR-Bürger Gleichstellung Stipendium Studienbeihilfe StudienbeihilfenbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W128.2229169.1.00Im RIS seit
06.10.2020Zuletzt aktualisiert am
06.10.2020