TE Bvwg Beschluss 2020/6/16 G311 2230250-1

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Entscheidungsdatum

16.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G311 2230250-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2020, Zahl: XXXX , betreffend Erlassung eines Einreiseverbotes:

A)       In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Spruchpunkt VI. des Bescheides zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)              Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer und seine Ehefrau befänden sich zumindest seit 22.01.2020 im Bundesgebiet und seien von Organen der Finanzpolizei aufgrund einer anonymen Anzeige bei der Ausübung selbstständiger Massagetätigkeiten in einem illegal von ihnen gemeinsam geführten Massagestudio in einer Wohnung, somit bei der Ausübung einer illegalen Erwerbstätigkeit, am 04.02.2020 betreten worden, ohne über die Erforderlichen Aufenthaltsberechtigungen und Bewilligungen zu verfügen.

Mit Schriftsatz der bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 19.02.2020 wurde ausschließlich gegen das in Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides erlassene Einreiseverbot fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Die übrigen Spruchpunkte erwuchsen somit in Rechtskraft.

Festzuhalten ist, dass das Bundesamt das gegenständliche Einreiseverbot auf eine illegale Arbeitsaufnahme und einen Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) gestützt hat.

Laut Niederschrift der Finanzpolizei liegt jedoch der Verdacht der Übertretung der Gewerbeordnung vor. Der Beschwerdeführer brachte seine eigenen Massagetische aus Serbien mit und hat in Österreich „gegen Trinkgeld“ selbstständig massiert. Es liegt daher kein Bezugspunkt zum AuslBG vor.

Es sind keine rechtskräftigen Bestrafungen nach der Gewerbeordnung iSd § 53 Abs. 2 Z 1 FPG oder eine sonstige Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung aktenkundig.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

„13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015, Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).

14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN).“

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln.

Der Beschwerdeführer wurde von Organen der Finanzpolizei bei der Ausübung einer potenziell rechtswidrigen selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem bewilligungspflichtigen, gebundenen Gewerbe nach der GewO betreten. Der Beschwerdeführer war somit nicht für einen Dienstgeber als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer tätig, sodass keine Bezugspunkte zum AuslBG vorliegen.

Es wurden vom Bundesamt keinerlei weiteren Ermittlungsschritte getätigt. Insbesondere wurde nicht ermittelt, ob der Beschwerdeführer über eine entsprechende Gewerbeberechtigung verfügt bzw. ob eine rechtskräftige Bestrafung nach der Gewerbeordnung iSd § 53 Abs. 2 Z 1 FPG oder einer sonstigen Verwaltungsstrafbestimmung vorliegt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren nach Erhebungen zum Vorliegen allfälliger rechtskräftiger Bestrafungen nach der Gewerbeordnung oder sonstiger Übertretungen, allenfalls durch Abfrage der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen und Einholung allfälliger Verwaltungsstraferkenntnisse bzw. –verfügungen mit dem konkreten Verhalten des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben und eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu treffen haben.

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Da alle Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG vorliegen, war Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2230250.1.00

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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