TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/17 W162 2223064-1

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Veröffentlicht am 17.06.2020
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Entscheidungsdatum

17.06.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W162 2223064-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER, BA MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 12.08.2019, durch Passausstellung, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)       

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte durch Vorlage eines Konvoluts an Unterlagen am 12.02.2019 (einlangend am 19.02.2019) die Neuausstellung eines Behindertenpasses wegen Ungültigkeit.

2. Im Auftrag der belangten Behörde erfolgte am 24.06.2019 eine Begutachtung aufgrund persönlicher Untersuchung durch einen Sachverständigen für Allgemeinmedizin. Dabei wurde im Sachverständigengutachten vom 15.07.2019 aufgrund der Leiden „Künstliche Harnableitung nach außen“, „Narbenbruch“, „Koronarsklerose, Zustand nach Stent 1996“, „Zustand nach Dickdarmcarcinom mit Hemicolektomie 0272014“, „Zustand nach Venenthrombose 06/2014“ und „Okuläre Mysthenie seit 2012“ ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 15.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit gegeben, dazu binnen einer Frist von 2 Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

4. Im Zuge des Parteiengehörs erstattete der Beschwerdeführer am 21.07.2019 eine Stellungnahme und brachte darin vor, dass er mit der durchgeführten Untersuchung nicht zufrieden sei. Er beantragte die Untersuchung durch einen Orthopäden. Er könne sich nicht selbstständig die Socken und Schuhe anziehen, habe Knieprothesen und verwende einen Gehstock. Auf seine Gesamtsituation sei nicht eingegangen worden. Seine Harnblase und ein Teil des Dickdarmes seien wegen Blasen-, Darm- und Prostatakrebs entfernt worden. Er habe Beschwerden durch die Verwachsungen im Bauch und an der Bauchdecke habe er einen Narbenbruch. An der Gesamtsituation seit seiner Erstuntersuchung, wo ihm 80% GdB gewährt worden waren, habe sich nichts Wesentliches verändert, außer, dass sein Seitenausgang rückoperiert worden sei und er nun Knieprothesen habe. Er monierte, dass ein deutlich höherer GdB als 50% bestehe.

5. Aufgrund der Einwendungen im Zuge des Parteiengehörs erfolgte eine Stellungnahme vom 08.08.2019 durch den Sachverständigen, der den Beschwerdeführer persönlich untersucht hatte. Darin wurde ausgeführt, dass sich die Beweglichkeit in beiden Kniegelenken im Normbereich befinde und sich keine Funktionseinschränkungen ergeben würden. Die Nephrostomie, der Zustand nach multiplen Carcinomen und der Narbenbruch, seien berücksichtigt worden. Nach nochmaliger Durchsicht bestätigte der Sachverständige den Gesamtgrad der Behinderung von 50%.

6. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 12.08.2019, durch Passausstellung, wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle. Verwiesen wurde auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens.

7. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht am 25.08.2019 (einlangend am 29.08.2019) Beschwerde erhoben, worin lediglich pauschal Beschwerde gegen den GdB, der von ursprünglich 80% auf nunmehr 50% herabgesetzt worden war, erhoben wurde. Weiters wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer durch seine Multimorbidität mit Nephrostomie-Sackerl beidseits und Knieprothesen beidseits keine längeren Strecken gehen könne und keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen könne. Verwiesen wurde zudem auf seine Stellungnahme vom 21.07.2019. Dieser Beschwerde wurden keinerlei Beweismittel beigefügt.

8. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 03.09.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

9. Das Bundesverwaltungsgericht holte ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie vom 30.01.2020 aufgrund persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers ein. Dabei wurde unter Zugrundelegung der bereits festgestellten Leiden und unter Hinzufügung der Leiden „Knietotoalendoprothese beidseits“ sowie „degenerative Veränderungen Wirbelsäule“ erneut ein GdB von 50% festgestellt. Ausgeführt wurde, dass das Leiden 1 „Künstliche Harnableitung nach außen“ durch die weiteren Leiden nicht erhöhe, da keine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung vorliege.

10. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer wurden vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens im Zuge des Parteiengehörs gem. § 45 AVG in Kenntnis gesetzt und ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Bis dato langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem festgestellten GdB von 50 v.H. nicht zufrieden zeigte, war dies zu überprüfen.

1.       Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Der Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses ist am 12.02.2019 (einlangend am 19.02.2019) bei der belangten Behörde eingelangt.

Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 03.09.2019 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 v.H.

1.3. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Künstliche Harnableitung nach außen (Nephrostoma beidseits)

Unterer Rahmensatz, da bei Zustand nach Blasenkarzinomen 06/2014 mit komplikationsreichem Verlauf Anlage eines Ileum-Konduits, Entfernung und Anlage eines Ileostoma, Rückoperation des Ileostoma und verbleibender Nephrostomata beidseits gute Versorgungsmöglichkeit besteht.

08.01.03

50

2

Narbenbruch der Bauchwand

2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden und Tragen eines Bruchmieders.

07.08.01

30

3

Koronarsklerose, Zustand nach Stent 1996

Unterer Rahmensatz, da unter antihypertensiver Dauermedikation stabil.

05.05.02

30

4

Zustand nach Dickdarmkarzinom mit Hemikolektomie 02/2014

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz da kein Hinweis auf Rezidiv, jedoch rezidivierende Beschwerden mit Verstopfungsneigung und regelmäßige Kontrollen erforderlich.

13.01.02

20

5

Zustand nach Venenthrombosen 06/2014

Unterer Rahmensatz, da orale Antikoagulation erforderlich.

05.08.01

10

6

Okuläre Mysthenie seit 2012

Unterer Rahmensatz, da keine Therapie.

04.07.01

10

7

Knietotalendoprothese beidseits

Unterer Rahmensatz, da beidseits geringgradige funktionelle Einschränkung.

02.05.19

20

8

Degenerative Veränderungen Wirbelsäule

Unterer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden bei geringen funktionellen Einschränkungen.

02.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

Leiden 1 wird durch die Leiden 2-8 nicht erhöht, da keine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung mit führendem Leiden 1 vorliegt.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1. Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2. Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie vom 30.01.2020 aufgrund persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers ist schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befundes, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Sämtliche vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt. Es wurden keine Beweismittel vorgelegt, welche im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises stehen, weder wird ein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde noch liegen Anhaltspunkte vor, dass Aspekte des Gesamtleidenszustandes unberücksichtigt geblieben sind. Im Ergebnis bestätigt die Einschätzung der vom Bundesverwaltungsgericht beauftragten Sachverständigen die bereits vorgenommene Beurteilung durch einen Sachverständigen für Allgemeinmedizin vom 15.07.2019, die ebenfalls aufgrund persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers ergangen ist.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach dem konkret vorliegenden Krankheitsbild beurteilt. Die Sachverständige für Orthopädie führte in ihrem Gutachten vom 30.01.2020 überzeugend aus, dass im Fall des Beschwerdeführers die Leiden „Künstliche Harnableitung nach außen“, „Narbenbruch der Bauchwand“, „Koronarsklerose, Zustand nach Stent 1996“, „Zustand nach Dickdarmkarzinom mit Hemicolektomie 02/2014“, „Zustand nach Venenthrombose 06/2014“ und „Okuläre Mysthenie seit 2012“ vorliegen. Des Weiteren fügte die Sachverständige zwei weitere Leiden ihrer Einschätzung hinzu. Insgesamt bestätigte sie jedoch die bereits erstinstanzlich vorgenommene Einschätzung eines Gesamtgrades der Behinderung von 50% und führte nachvollziehbar aus, dass die zwei neu hinzugekommenen Leiden „Knietotalendoprothese beidseits“ und „Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule“ keine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung hervorrufen könnten. Diese Einschätzung ist für den erkennenden Senat im Sinne der anzuwendenden Rechtslage nachvollziehbar und korrekt.

Der Beschwerdeführer ist dem auf persönlichen Untersuchungen basierenden Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Beweiswürdigend ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seinem Vorbringen lediglich pauschal vorgebracht hat, dass er den Grad der Behinderung beeinspruche, jedoch inhaltlich lediglich auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verwies. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass dies nicht Verfahrensgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist, zumal es sich hier um die Neuausstellung des Behindertenpasses handelt. Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel betrifft das Verfahren 2223065-1, welches gleichfalls am heutigen Tage entschieden wurde. Der Beschwerde wurden keinerlei Beweismittel oder nähere Ausführungen, mit welcher konkreten Beurteilung er sich nicht einverstanden erkläre oder worin er dem verfahrensgegenständlichen Bescheid entgegentrete, beigefügt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des medizinischen Sachverständigengutachtens. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass das Sachverständigengutachten auf einer persönlichen Untersuchung basiert. Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde insgesamt umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Das eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 ist auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum 31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt. (§ 55 Abs. 4 BBG)

Da der gegenständliche Antrag auf Neuausstellung eines Behindertenpasses am 12.02.2019 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen. (§ 43 Abs. 1 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)

Die Gesamteinschätzung vollzieht die Verwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis, den sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. VwGH vom 01.06.1999, Zl. 94/08/0088 mit Hinweis auf E 19.11.1997, 95/09/0232, 0233).

Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. (§ 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung)

Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen. (§ 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung)

Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(§ 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung)

Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine. (§ 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung)

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, war das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, eine geänderte Beurteilung zu begründen. Da das Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie vom 30.01.2020 einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von fünfzig (50) v.H. festgestellt hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt - nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und Beweismittel wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevanten Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind und resultiert daraus keine geänderte Beurteilung. Das Vorbringen steht nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W162.2223064.1.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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