Entscheidungsdatum
19.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W277 2227408-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige Somalias, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1. Sie wurde am XXXX von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab sie an, dass die Sicherheit in ihrem Land katastrophal gewesen wäre und sie dort „keine Arbeit“ hätte finden können. Sie gehöre einem „bestimmten“ Stamm an, der in Somalia verfolgt werde. Sie hätte ihren Kindern keine Ausbildung ermöglichen können. Weitere Fluchtgründe lägen nicht vor. Aufgrund der Sicherheitslage im Herkunftsstaat befürchte sie bei einer Rückkehr getötet zu werden.
2. Die BF wurde am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen und zu ihrer Person befragt.
2.1. Am XXXX wurde die BF vor dem BFA ein weiteres Mal niederschriftlich einvernommen und gab hierbei an, dass die Gründe für ihre Ausreise aus Somalia wirtschaftliche Probleme, Sicherheitsprobleme und ihre Schwiegermutter gewesen seien.
Ihre Kinder würden wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage keine Ausbildung erhalten und könnten nur die Koranschule besuchen. Die BF sei von der Schwiegermutter, mit welcher sie im gemeinsamen Haushalt gelebt hätte, beschimpft, beleidigt, geohrfeigt, an den Haaren gezogen und mit dem Tod bedroht worden. Sie sei auch aufgrund ihrer Behinderung beleidigt worden. Die al Shabaab hätte ein Mal ihrem Mann gedroht, weil er Zigaretten verkauft hätte. Die BF selbst sei nicht von der al Shabaab bedroht worden und hätte keine Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt. Zudem hätte die al Shabaab ihrer Familie verboten, ein Geschäft zu eröffnen, in welchem sie Lebensmittel und auch Tabak verkaufen wollten. Weitere Probleme in ihrem Herkunftsstaat habe sie nicht gehabt. Im Falle einer Rückkehr würde ihr keine Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe seitens der somalischen Regierung oder regierungsähnlichen Einrichtungen drohen.
Vorgelegt wurde eine XXXX , ein Röntgenbericht vom XXXX und ein Befundbericht vom XXXX .
2.2. In den Niederschriften der Einvernahme beim BFA vom XXXX und XXXX wurde die BF unter dem Namen „ XXXX “ geführt. Mit Aktenvermerk vom XXXX korrigierte das BFA den Namen der BF von „ XXXX “ auf „ XXXX “. Die falsche Namensbezeichnung resultierte auf einem XXXX .
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF vom XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde der BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach XXXX gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
3.1. Das BFA stellte der BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
4. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob die BF durch ihre rechtsfreundliche Vertretung, den XXXX , binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte dabei im Wesentlichen vor, dass sowohl die Beweiswürdigung als auch die rechtliche Beurteilung der Behörde unschlüssig und das Ermittlungsverfahren mangelhaft gewesen sei. Weiters enthielt die Beschwerde Auszüge aus Berichten betreffend die Sicherheitslage, zur Gruppe der al Shabaab, zu Angehörigen der Minderheitenclans und zur Lage von Frauen, Frauen aus Minderheitenclans sowie Frauen mit Behinderungen in Somalia.
Vorgelegt wurde ein Befundbericht vom XXXX .
5. Mit Beschwerdevorlage vom XXXX legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.
6. Mit Schreiben vom XXXX berichtigte das BFA den Spruchpunkt V. seines Bescheides vom XXXX dahingehend, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte Strafregisterabfragen durch. Es scheint keine Verurteilung auf.
II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person der BF
1.1.1. Die BF ist eine volljährige, somalische Staatsbürgerin sunnitisch-muslimischen Glaubens. Sie stammt aus dem Dorf XXXX in der XXXX , und gehört dem Clan der XXXX , XXXX an.
1.1.2. Die BF hat in ihrem Herkunftsstaat XXXX besucht und kann lesen und schreiben. Sie verfügt über keine Berufsausbildung. Im Herkunftsstaat hat sie gelegentlich selbstgebackene Teigtaschen XXXX verkauft.
1.1.3. Die BF ist traditionell verheiratet. Ihr Ehemann, ihre Kinder und die Schwiegermutter leben im Herkunftsstaat. Sie hat aktuell fernmündlichen Kontakt zu ihrem Ehemann. Sie verfügt über keine weiteren Angehörigen.
1.1.4. Die BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. In XXXX besteht eine XXXX
1.1.5. Sie ist im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF
Die BF ist keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Somalia ausgesetzt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia
Aus den ins Verfahren eingeführten und im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.09.2019 (in der Folge: LIB 2019) zitierten Länderberichten zur Lage in Somalia ergibt sich Folgendes:
1.3.1. Sicherheitslage XXXX
Bislang ist die Macht der Regierung von HirShabelle auf Teile von Middle Shabelle bzw. Jowhar beschränkt. Sie hat Einfluss entlang der Straße von Jowhar nach Mogadischu. Zudem kann HirShabelle auch in Belet Weyne – beschränkt – Einfluss ausüben (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, S.78). Insgesamt sind bei den Verwaltungen von HirShabelle und Belet Weyne Verbesserungen zu verzeichnen. Zusätzlich konnte die Sicherheitslage entlang der Straße Jowhar - Buulo Barde - Belet Weyne wesentlich verbessert werden, die Straße gilt aber noch nicht als durchgehend sicher (BMLV 3.9.2019).
Die Hauptstadt von Hiiran, Belet Weyne, befindet sich unter Kontrolle von Regierungskräften und AMISOM (PGN - Political Geography Now (8.2019): Somalia Control Map & Timeline - August 2019). Es kann hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. In jüngerer Vergangenheit konnte westlich von Belet Weyne keine wesentliche Präsenz der al Shabaab verzeichnet werden. Vor allem der Bereich entlang der somalisch-äthiopischen Grenze ist aktuell als sicher anzusehen (BMLV 3.9.2019). Im April 2016 haben Gemeinden im südlichen Hiiraan al Shabaab Widerstand entgegengesetzt.
Belet Weyne ist vergleichsweise stabil, es kommt nur sporadisch zu Gewalt oder Attacken der al Shabaab (DI - Development Initiatives (6.2019): Towards an improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia, S.7). In Belet Weyne gibt es eine relativ starke Bezirksverwaltung und lokal rekrutierte Polizeikräfte. Clan-Konflikte werden nicht mehr in der Stadt, sondern außerhalb ausgetragen. Es gibt dort Stützpunkte dschibutischer AMISOM-Truppen, der äthiopischen Armee sowie von einer Brigade der somalischen Armee. Die in Belet Weyne vorhandene Präsenz der al Shabaab scheint kaum relevant, es kommt zu wenigen Vorfällen (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, S.79f). Allerdings hat al Shabaab die Präsenz in Belet Weyne verstärkt, im Bezirk gibt es vermehrt Zwischenfälle. Die Angriffe richten sich üblicherweise nicht gegen Zivilisten, wiewohl ein Risiko von Kollateralschäden besteht (LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, S.31).
1.3.2. Minderheiten und Clans - Bevölkerungsstruktur
In weiten Teilen ist die Bevölkerung Somalias religiös, sprachlich und ethnisch weitgehend homogen (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, S.12). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85% der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, S.33). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6% bis hin zu 33%. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia, S.42; vgl. SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, S.12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 4.3.2019, S.12; vgl. SEM 31.5.2017, S.5). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, S.5).
Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017, S.8). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia – Innenpolitik). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S.8). Es gibt keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI - Landinfo (Norwegen) (4.4.2016): Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in Southern Somalia, S.9).
1.3.3. Hawiye
Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S.5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung. „Noble“ Clanfamilien sind meist Nomaden.
Die Hawiye zählen zu den noblen Clanfamilien und leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.
Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil-Mirifle stellen je ca. 20-25% der Bevölkerung, die Dir deutlich weniger (AA 5.3.2019b). Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u.a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, S.25).
Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen „nobler“ Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, S.5).
Politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament sind um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren (ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia, S.4f).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, S.55f).
1.3.4. Frauen
Die Verfassung verbietet die Diskriminierung von Frauen (USDOS 13.3.2019, S.30). Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär (AA 4.3.2019, S.14). Frauen werden in der somalischen Gesellschaft, in der Politik und in den Rechtssystemen systematisch Männern untergeordnet (LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (16.4.2019): Somalia – Kvinnlig könsstympning, S.10). Sie genießen nicht die gleichen Rechte wie Männer und werden systematisch benachteiligt. Frauen leiden unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung, Politik und Unterbringung. Es finden sich politische Ansätze, mit denen mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau angestrebt wird (AA 4.3.2019, S.14f). Im Mai 2016 war der National Gender Policy Plan verabschiedet worden, um Frauen in die Bereiche Politik, Wirtschaft und Bildung besser einzubinden. Daraufhin hat der Somali Religious Council die Regierung öffentlich davor gewarnt, sich derart für Frauen einzusetzen. Auch die vorgesehene 30%-Frauenquote für Abgeordnete im somalischen Parlament wurde als gefährlich bezeichnet (USDOS 13.3.2019, S.30). Andererseits ist es der Regierung gelungen, Frauenrechte etwas zu fördern: Immer mehr Mädchen gehen zur Schule, die Zahl an Frauen im öffentlichen Dienst wächst (ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab’s Insurgency, S.3). Da Frauen in den Jahren des Krieges zu den eigentlichen Brotverdienern der Familie geworden sind, ist es zudem üblich, in Städten wie Mogadischu oder Hargeysa Kleinhändlerinnen anzutreffen, die Khat, Gemüse oder Benzin verkaufen (TE - The Elephant / Rasna Warah (11.3.2019): The Invisible Clan: Is Somalia Ready for a Women’s Revolution?; vgl. LIFOS 16.4.2019, S.11; FIS - Finnish Immigration Service (Finnland) (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, S.24).
1.3.5. Grundversorgung/Humanitäre Lage in Somalia
Die humanitäre Krise in Somalia bleibt eine der komplexesten und am längsten dauernden weltweit (SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Nicholas Haysom (3.1.2019): Statement to the Security Council on Somalia, S.4f). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Landesteilen nicht gewährleistet (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019a): Somalia – Wirtschaft; vgl. AA 4.3.2019, S.20). Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia zum Land mit dem fünftgrößten Bedarf an internationaler Nothilfe weltweit (AA 4.3.2019, S.4; vgl. AA 5.3.2019a). Auch der bewaffnete Konflikt trägt seinen Teil dazu bei (SRSG 3.1.2019, S.4f).
Große Teile der Bevölkerung sind hinsichtlich Armut und Nahrungsversorgung vulnerabel. Eine Schätzung besagt, dass rund 77% der Bevölkerung mit weniger als 1,9 US-Dollar pro Tag auskommen müssen und daher als extrem arm gelten – dies insbesondere in ländlichen Gebieten und IDP-Lagern (UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, Abs.20). Nach anderen Angaben leben 69% der Bevölkerung in Armut (USDOS 13.3.2019, S.37), dh. fast einer von drei Somalis lebt in extremer Armut. Dabei finden sich die höchsten Raten bei IDPs, in ländlichen Gemeinden und bei Nomaden (UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, S.4). Die ländliche Bevölkerung und IDPs befinden sich in der am meisten vulnerablen Position. Erstere verfügen kaum über Mittel, um die durch die Dürre entstandenen Verluste wieder wettzumachen. Dadurch sind sie hinsichtlich neuerlicher Katastrophen wehrlos (UNSC 21.12.2018, S.14).
60% der Somali sind zum größten Teil von der Viehzucht abhängig, 23% sind Subsistenz-Landwirte (OXFAM / REACH (6.2018): Drought, Displacement and Livelihoods in Somalia/Somaliland. Time for gender-sensitive and protection-focused approaches, S.4). Zwei Drittel der Bevölkerung leben im ländlichen Raum. Sie sind absolut vom Regen abhängig. In den vergangenen Jahren haben Frequenz und Dauer von Dürren zugenommen. Deswegen wurde auch die Kapazität der Menschen, derartigen Katastrophen zu begegnen, reduziert. Mit jeder Dürre wurden ihre Vermögenswerte reduziert: Tiere starben oder wurden zu niedrigen Preisen verkauft, Ernten blieben aus; es fehlt das Geld, um neues Saatgut anzuschaffen (TG - The Guardian (8.7.2019): In Somalia, the climate emergency is already here. The world cannot ignore it). Zusätzlich verstärken Mangel an Bildung, übermäßige Abhängigkeit von einem Einkommen aus der Landwirtschaft, Arbeitslosigkeit, geringes Vermögen und eine große Personenzahl im Haushalt die Vulnerabilität im Fall einer Katastrophe (z.B. Naturkatastrophe) (UNSC 15.5.2019, Abs.20). Bereits 2016/17 wurden im Zuge der Dürre fast eine Millionen Somali vertrieben. Nur aufgrund großangelegter und erfolgreicher humanitärer Hilfe wurde eine Hungersnot verhindert (SLS - Somaliland Standard (12.7.2019): Response plan for impact of poor Gu rains in place to avoid a major crisis in Somalia; vgl. SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Michael Keating (13.9.2018): Briefing to the Security Council on Somalia, S.1).
Zwischenzeitlich hatte sich die humanitäre Situation aufgrund guter Regenfälle im Jahr 2018 etwas entspannt (SRSG 3.1.2019, S.4f; vgl. NLMBZ 3.2019, S.49). Die Sicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung hatte sich verbessert (UNSC 21.12.2018, S.14; vgl. USDOS 13.3.2019, S.22) – nicht zuletzt aufgrund fortgesetzter humanitärer Hilfe und aufgrund überdurchschnittlicher Regenfälle (USDOS 13.3.2019, S.22). Trotzdem blieb auch dann die Zahl der auf Hilfe angewiesenen Menschen bei 4,2 Millionen (SRSG 3.1.2019, S.4f; vgl. UNSC 21.12.2018, S.14).
1.3.5.1. IDPs/ Versorgungslage
Somalia steht wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen (SLS 12.7.2019; vgl. UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.7.2019): Humanitarian Bulletin Somalia, 1-31 July 2019, S.1). Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu-Regenzeit (April-Juni) 2019 (UNSC - UN Security Council (15.8.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, Abs.38ff). Bereits zuvor war die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) 2018 schlecht ausgefallen. Anfang 2019 war es ungewöhnlich trocken. Mit Ausnahme der Gu im Jahr 2018 ist seit Ende 2015 jede Regenzeit unterdurchschnittlich ausgefallen (UNSC 15.8.2019, Abs 38ff).
Versorgungslage / IPC [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot]: Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung (UNOCHA 31.7.2019, S.1). In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Viele Menschen aus ländlichen Gebieten sind in Städte gezogen, um Zugang zu Hilfsgütern zu erhalten (BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (20.5.2019): Briefing Notes 20. Mai 2019, S.5).
Dabei ist die Stadtbevölkerung von IPC 3 oder 4 anteilig weit weniger betroffen als die Menschen in ländlichen Gebieten oder IDPs.
Geht die Hilfeleistung zurück, ist von einer Verschlechterung auszugehen.
Die IDPs sind in manchen Städten besonders von Unterernährung betroffen, in anderen weniger stark. Anfang September 2019 wurde die Situation bezüglich Unterernährung wie folgt dargestellt [GAM = akute Unterernährung; SAM = schwere akute Unterernährung]:
Belet Weyne District (Riverine) Hiiraan GAM 19,6 SAM 4,1
Belet Weyne Urban Stadt, Hiiraan GAM 17,4 SAM 4,2
Bei gegebener humanitärer Hilfe galt für die meisten ländlichen Gebiete im September 2019 IPC 2. In Teilen von Hiiraan galt IPC 3. In der Stadt Hiiraan Hiiraan wird mitunter auch IPC 3 verzeichnet – dies ist bedingt durch hohe Lebenskosten und begrenzte Einkommensmöglichkeiten (FEWS 2.9.2019a).
Die Bundesregierung und Hilfsorganisationen haben einen Drought Impact Response Plan (DIRP) auf die Beine gestellt, damit soll 4,5 Millionen Menschen kritisch notwendige lebenserhaltende Unterstützung zukommen (UNOCHA 31.7.2019, S.1; vgl. SLS - Somaliland Standard (12.7.2019): Response plan for impact of poor Gu rains in place to avoid a major crisis in Somalia). Mit der Umsetzung wurde bereits begonnen. Die Kosten wurden bis Dezember 2019 mit 686 Millionen US-Dollar beziffert. Insgesamt sind die Hilfsprogramme aber unterfinanziert, manche Agenturen müssen ihre Maßnahmen sogar zurückfahren (UNOCHA 31.7.2019, S.1f). Hilfsprojekte von internationalen Organisationen oder NGOs erreichen in der Regel nicht alle Bedürftigen (AA 4.3.2019, S.20).
In Belet Weyne ist folgende Organisation in folgendem Bereich tätig:
Belet Weyne (Bildung, Schutz, Ernährung und Gesundheit, Nahrungsversorgungssicherheit, humanitäre Hilfe, Geldtransfer-Programme): UNICEF, Danish Refugee Council (DRC), the International Committee of the Red Cross (ICRC), Relief International, World Food Programme (WFP), Merci, World Health Organisation (WHO), UN OCHA, WARDI, Green Hope, Global Guardian Somalia Security Services, Beledweyne Private School (DI - Development Initiatives (6.2019): Towards an improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia, S.25f);
Die al Shabaab und andere nichtstaatliche Akteure behindern die Leistung humanitärer Hilfe und die Lieferung von Hilfsgütern an vulnerable Bevölkerungsteile – speziell in Süd-/Zentralsomalia (USDOS 13.3.2019, S.15/21; vgl. SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group / UN Security Council (9.11.2018): Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea submitted in accordance with resolution 2385 (2017), S.5f/42; UNSC 15.5.2019, Abs.72). In den Gebieten unter Nach anderen Angaben erlaubt al Shabaab Hilfsorganisationen zunehmend, auf ihrem Gebiet tätig zu sein (ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab’s Insurgency, S.11). Es kam außerdem zur Plünderung humanitärer Hilfsgüter durch al Shabaab (USDOS 13.3.2019, S.16).
Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem (BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, S.30), keinen sozialen Wohnraum und keine Sozialhilfe (AA 4.3.2019, S.20). Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor (BS 2018, S.30). Das eigentliche soziale Sicherungsnetz für Personen, deren Unterhalt und Überleben in Gefahr ist, bilden (Sub-)Clan (OXFAM / REACH (6.2018): Drought, Displacement and Livelihoods in Somalia/Somaliland. Time for gender-sensitive and protection-focused approaches, S.11f; vgl. BS 2018, S.30, AA 4.3.2019, S.20), erweiterte Familie (BS 2018, S.30; vgl. AA 4.3.2019, S.20) und Remissen aus dem Ausland (BS 2018, S.30). Während Krisenzeiten (etwa Hungersnot 2011 und Dürre 2016/17) helfen neben Familie und Clan auch andere soziale Verbindungen – seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten. Auch für IDPs stellen solche Netzwerke die Hauptinformationsquelle dar, wo sie z.B. Unterkunft und Nahrung finden können (DI 6.2019, S.15).
Generell stellt in (persönlichen) Krisenzeiten die Hilfe durch Freunde oder Verwandte die am meisten effiziente und verwendete Bewältigungsstrategie dar (DI 6.2019, S.17).
Die hohe Anzahl an IDPs zeigt aber, dass manche Clans nicht in der Lage sind, der Armut ihrer Mitglieder entsprechend zu begegnen. Vor allem, wenn Menschen in weit von ihrer eigentlichen Clan-Heimat entfernte Gebiete fliehen, verlieren sie zunehmend an Rückhalt und setzen sich größeren Risiken aus. Eine Ausnahme davon bilden Migranten, die ihren Familien und Freunden mit Remissen helfen können (DI 6.2019, S.12).
1.3.6. Medizinische Versorgung in Somalia
Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft (AA 4.3.2019, S.21; vgl. FIS - Finnish Immigration Service (Finnland) (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, S.35). Medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung (AA 5.3.2019a), de facto ist nur eine Primärversorgung verfügbar (FIS 5.10.2018, S.35). Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen (AA 4.3.2019, S.21).
Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Zudem behindert die unzureichende Sicherheitslage ihre Arbeit. Versorgungs- und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen mussten auch immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Anordnungen örtlicher (islamistischer) Machthaber unterbrochen werden (AA 4.3.2019, S.21). Der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus ist erheblich schlechter. In manchen Spitälern kann bei Notlage über die Ambulanzgebühr verhandelt werden (FIS 5.10.2018, S.36).
Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer. Schon ein kleiner operativer Eingriff kostet 100 US-Dollar. Üblicherweise sind die Kosten für eine Behandlung vom Patienten zu tragen (FIS 5.10.2018, S.35f). Insgesamt betreibt die SRCS 75 stationäre und 54 mobile Kliniken und gibt an, damit rund 2 Millionen Menschen abzudecken (SRCS - Somali Red Crescent Society (6.2019): Annual Report 2018, S.9f).
Speziellere medizinische Versorgung – etwa Chirurgie – ist nur eingeschränkt verfügbar. In öffentlichen Einrichtungen fast gar nicht, unter Umständen aber in privaten. Patienten, die auf eine anspruchsvolle Behandlung angewiesen sind, müssen nach Somaliland, Kenia oder Äthiopien ausweichen (FIS 5.10.2018, S.35).
Orthopädische Behandlungen gibt es nur in eingeschränktem Ausmaß (FIS 5.10.2018, S.35).
Grundlegende Medikamente sind verfügbar, darunter solche gegen die am meisten üblichen Krankheiten sowie jene zur Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie und von Geschwüren. Auch Schmerzstiller sind verfügbar. In den primären Gesundheitszentren ländlicher Gebiete kann es bei Medikamenten zur Behandlung chronischer Krankheiten zu Engpässen kommen (FIS 5.10.2018, S.37). Nach anderen Angaben kommt es in Krankenhäusern allgemein immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und anderen medizinischen Verbrauchsmaterialien (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia – Reise- und Sicherheitshinweise – Reisewarnung).
Medikamente können ohne Verschreibung gekauft werden. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in erster Linie über private Apotheken. Für Apotheken gibt es keinerlei Aufsicht (FIS 5.10.2018, S.37).
1.3.7. Behandlung von Rückkehrern, insbesondere Behandllung von Rückkehrern durch die al Shabaab
Es sind keine Fälle bekannt, wo somalische Behörden Rückkehrer misshandelt haben (NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia, S.52).
Rückkehrern in Gebiete von al Shabaab könnte zwar vorgeworfen werden, als Spione zu dienen (BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, S.42); ob ein Rückkehrer tatsächlich zum Ziel von al Shabaab wird, hängt aber maßgeblich von seinem eigenen Verhalten ab. Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur al Shabaab (DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017): South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016, S.24).
1.3.8. Rückkehrspezifische Grundversorgung
Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, S.5/31f). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein (ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia, S.17; vgl. LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, S.63). Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld gestaltet sich die Situation schwierig. Ein Netzwerk ist z.B. hinsichtlich Arbeitssuche wichtig [siehe Abschnitt 21.1] (FIS - Finnish Immigration Service (Finnland) (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, S.22). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (10.2017): Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, S.73f).
Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Diesbezüglich auftretende Probleme können durch ein vorhandenes Netzwerk abgefedert werden (LIFOS 3.7.2019, S.63). Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden (AA 4.3.2019, S.20f).
Prinzipiell gestaltet sich die Rückkehr für Frauen schwieriger als für Männer. Eine Rückkehrerin ist auf die Unterstützung eines Netzwerks angewiesen, das in der Regel enge Familienangehörige – geführt von einem männlichen Verwandten – umfasst. (FIS 5.10.2018, S.23).
1.4. Zur Situation der BF im Falle ihrer Rückkehr
Die BF würde bei einer Rückkehr nach Somalia mangels familiärer Unterstützungsmöglichkeiten, mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit aufgrund des Fehlens jeglicher Berufsausbildung sowie der prekären Versorgungslage im XXXX Gefahr laufen, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu sein.
2. Beweiswürdigung
2.1. Zur Person der BF
2.1.1. Die Identität der BF konnte mangels Vorlage von Dokumenten nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich des Namens „ XXXX “ und des Geburtsdatums „ XXXX “ Verfahrensidentität vorliegt. Die Feststellungen bezüglich ihrer Staats- und Religionszugehörigkeit sowie ihrer somalischen Herkunft ergeben sich aus ihren insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und dem BFA sowie ihren Kenntnissen der somalischen Sprache (AS 9, AS 58, AS 77).
Es haben sich in einer Gesamtbetrachtung keine Hinweise ergeben an ihren Angaben, in XXXX geboren, aufgewachsen zu sein und ebendort bis zu ihrer Ausreise gelebt zu haben (AS 57, AS 81 sowie Bescheid, S.10 und 11), zu zweifeln. Es ist folglich davon auszugehen, dass die BF aus dem XXXX in der Region XXXX stammt.
Ebenso glaubhaft sind ihre Angaben betreffend ihre Clanzugehörigkeit zu den XXXX (AS 9, AS 58, AS 77).
2.1.2. Die Feststellung, dass die BF in XXXX hat, lesen und schreiben kann, keine Berufsausbildung abgeschlossen hat und XXXX hat, ergibt sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren (AS 9, AS 59, AS 60, AS 77).
2.1.3. Seitens BFA wurde festgestellt, dass die BF im Herkunftsstaat eine traditionelle Ehe geschlossen und Kinder hat, welche zum gegenwärtigen Zeitpunkt im gemeinsamen Haushalt mit der Schwiegermutter leben (Bescheid S. 11). Es haben sich keine Hinweise ergeben, die daran zweifeln ließen (AS 11, AS 77, AS 79, AS 83). Widersprüchlich waren jedoch ihre Angaben betreffend den aktuellen Kontakt zu ihrem Ehemann (AS 59 und AS 60 sowie AS 87). Es ist in einer Gesamtbetrachtung und vor dem Hintergrund ihrer Schilderung der aktuellen Lebenssituation der Kernfamilie (AS 83), davon auszugehen, dass ihre Aussage, gegenwärtig, fernmündlichen Kontakt zu ihrem Mann zu haben, der Wahrheit entspricht (AS 87).
Es haben sich keine Hinweise ergeben, an ihren diesbezüglich konstanten Angaben, keine weiteren Angehörigen im Herkunftsstaat zu haben, zu zweifeln (AS 11, AS 57, AS 59, AS 77, AS 81, AS 83).
2.1.4. XXXX ist zu entnehmen, dass im rechten Becken sowie im XXXX behandelt wird (AS 95ff.). Ein Hinweis auf das Vorliegen einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung ist den vorlegten Befunden nicht zu entnehmen und hat die BF auch nicht behauptet (AS 75), weshalb sich das BVwG auch nicht veranlasst sah, von Amts wegen Begutachtungen ihres Gesundheitszustands vorzunehmen.
2.1.5. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus einem aktuellen Auszug des Strafregisters der Republik Österreich.
2.2. Zum Fluchtvorbringen der BF
Dass die BF keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Somalia ausgesetzt ist, ergibt sich daraus, dass ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft ist.
2.2.1. Ihre Angaben bei ihrer Erstbefragung und auch in der niederschriftlichen Einvernahme beim BFA, dass sie aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in Somalia keine Arbeit habe finden können und ihren Kindern auch keine Ausbildung hätte ermöglichen können (AS 17 sowie AS 85), mögen zwar den Tatsachen entsprechen, ein (asylrelevanter) Verfolgungsgrund kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden.
2.2.2. Die pauschalen Angaben der BF, aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage in Somalia Angst zu haben, getötet zu werden (AS 17) sind vor dem vor dem Hintergrund der unter II.1.3.1. zitierten, aktuellen Länderberichte zu XXXX nicht nachvollziehbar, zumal sich die Sicherheitslage in dieser Region in jüngster Zeit wesentlich verbessert hat. Die Hauptstadt von XXXX , befindet sich unter Kontrolle von Regierungskräften und AMISOM, kann hinsichtlich einer Anwesenheit von auch staatlichem Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden und ist vergleichsweise stabil. Es konnte auch in jüngerer Vergangenheit westlich von XXXX keine wesentliche Präsenz der al Shabaab verzeichnet werden. Vor allem der Bereich entlang der XXXX ist aktuell als sicher anzusehen, weshalb eine Verfolgung der BF aufgrund der Sicherheitslage in ihrem Herkunftsort auszuschließen ist.
2.2.3. In ihrer Erstbefragung schilderte die BF keine Befürchtungen hinsichtlich einer Bedrohung oder Verfolgung durch Mitglieder der al Shabaab. In der niederschriftlichen Einvernahme beim BFA gab sie an, nie von Mitgliedern der al Shabaab bedroht worden sein (AS 85). Auch habe es keine Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden oder sonstige Probleme in ihrem Herkunftsland gegeben (AS 87). Weiters gab sie an, dass ihr bei Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Verfolgung drohen würde (AS 89).
Eine Bedrohung ihrer Person durch konkrete Mitglieder der al Shabaab hat die BF zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens anführt. Aus ihren Angaben, dass ihr Ehemann ein Lebensmittelgeschäft gehabt und die al Shabaab diesem im XXXX gesagt hätte, dass sie keinen Tabak verkaufen dürften und sie daraufhin ihr Geschäft schließen hätten müssen (AS 59), ist keine konkrete, gegen sie gerichtete Verfolgungshandlung erkennbar. Zudem ist diese Angabe vor dem Hintergrund ihrer Schilderung in ihrer zweiten niederschriftlichen Einvernahme beim BFA, dass die al Shabaab „ihnen“ verboten hätte, gar ein Geschäft zu eröffnen (AS 85), widersprüchlich.
In einer Gesamtbetrachtung ihrer Angaben ist die Behauptung, dass ihr Mann von der al Shabaab bedroht worden wäre, als Steigerung des Vorbringens zu werten (AS 85). Selbst bei einer Wahrunterstellung dieses Vorfalles in dieser geschilderten Variante, ist eine Verfolgungsgefahr durch die al Shabaab für die BF nicht nachvollziehbar, zumal sie selbst angab, nie persönlich von der al Shabaab bedroht worden zu sein (AS 85). Eine aktuelle Verfolgung ihrer Person ist ebenso nicht nachvollziehbar, da ein solches Geschäft durch ihren Ehemann nicht betrieben wird.
Bei ihren weiteren, pauschalen Schilderungen in der zweiten niederschriftlichen Einvernahme beim BFA, dass es Regeln gebe und man von der al Shabaab getötet werde, wenn man nach Europa gehen und zurückkommen würde, weil man im Land von Ungläubigen gewesen wäre und die al Shabaab überall sei, überall Spione hätte und daher herausfinden könnte, dass sie in Europa gewesen sei (AS 87), sind allgemeine Mutmaßungen der BF, denen es an einer konkreten Verfolgungsgefahr bzw. -bedrohung ihrer Person mangelt. Auch vor dem Hintergrund der zitierten Länderberichte, sind ihre Angaben nicht objektivierbar, zumal diesen zu entnehmen ist, dass allein die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückkehrt- auch bei einer Rückkehr in den von der al Shabaab dominierten Gebieten- keine Rolle spiele. Die BF stammt zudem aus einem Gebiet, in welchem die Präsenz der al Shabaab kaum relevant ist und es zu wenig Zwischenfällen kommt. Auch seltene Angriffe in der Hauptstadt von XXXX richten sich üblicherweise nicht gegen Zivilisten.
In einer Gesamtbetrachtung sind ihre diesbezüglichen Angaben daher als Schutzbehauptungen zur Steigerung ihres Fluchtvorbringens zu werten.
2.2.4 Die Angaben der BF in der Erstbefragung, einem bestimmten Stamm anzugehören, der in Somalia verfolgt werde (AS 17) und im Herkunftsstaat aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit verachtet zu werden, da es sich beim XXXX handle und ihr Clan in XXXX nicht besonders gern gesehen werde (AS 77), sind vor dem Hintergrund der zitierten Länderberichte nicht nachvollziehbar.
Vielmehr gehört die BF als Angehörige des Clans der XXXX an (AS 119), welcher einen der XXXX Somalias darstellt und sie somit eine Clanangehörige eines noblen Clans ist (s. II.1.3.3. sowie LIB 2019, S. 83). Den Länderberichten ist weiters zu entnehmen, dass bei der Bildung der Bundesstaaten im Sinne der Clan-Balance der Herkunftsort der BF, Bundesstaat XXXX , für die XXXX vorgesehen wurde (s. II.1.3.3. sowie LIB 2019, S. 10).
Eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu dem Subclan der XXXX kann weder den Länderberichten entnommen, noch nachvollzogen werden. Die BF vermochte dies auch nicht substantiiert darzulegen, zumal sie nicht erläutern konnte, von welchem Clan ihr Subclan bedroht werde.
Darüber hinaus gab sie auch selbst beim BFA an, nie aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit bedroht worden sein (AS 77).
Eine aktuelle Verfolgung oder Bedrohung ihrer Clanzugehörigkeit ist unzweifelhaft auszuschließen.
2.2.5. Der weitere, von der BF erstmals beim BFA in ihrer zweiten Einvernahme geschilderte, Fluchtgrund aufgrund einer Bedrohung gegen Leib und Leben durch ihre Schwiegermutter, ist nicht glaubhaft.
Die BF führte in ihrer ersten Befragung beim BFA an, kein sehr gutes Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter zu haben (AS 59). In ihrer zweiten Befragung gab sie an, dass ihre Schwiegermutter der Grund für ihre Flucht gewesen sei (AS 81). Ihre Schwiegermutter hätte sie kontinuierlich beschimpft und beleidigt (AS 85). Auf Nachfrage, ob sie geschlagen worden wäre, gab sie an, dass ihre Schwiegermutter sie geohrfeigt und an den Haaren gezogen hätte (AS 87). Zusätzlich führte sie im weiteren Verlauf der Befragung an, dass sie von ihrer Schwiegermutter immer mit dem Tod bedroht worden wäre und sie Angst gehabt hätte, dass diese die Drohungen verwirklichen würde (AS 87).
In einer Gesamtbetrachtung all ihrer diesbezüglichen Angaben und auch vor dem Hintergrund, dass die BF eine Bedrohung gegen Leib und Leben durch ihre Schwiegermutter in ihrer Erstbefragung mit keinem Wort erwähnt hat, ist unzweifelhaft davon auszugehen, dass es sich hierbei um den Versuch der Konstruktion eines weiteren Fluchtvorbringens handelt. Zwar verkennt das Bundesverwaltungsgericht hierbei nicht, dass die Erstbefragung sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Nach ständiger Judikatur sind jedoch die Angaben in der Erstbefragung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit im Asylverfahren nicht gänzlich unbeachtlich (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189). Selbst wenn die näheren Fluchtgründe nicht zu erfragen sind, so ist doch zu berücksichtigen, dass Änderungen im Vorbringen die Glaubwürdigkeit der BF massiv erschüttern.
Selbst bei Wahrunterstellung eines schlechten Verhältnisses zu ihrer Schwiegermutter, kann hieraus kein Fluchtgrund abgeleitet werden.
Die zu einem späteren Verfahrenszeitpunkt vor dem BFA behaupteten Misshandlungen durch diese sind als Steigerung des Fluchtvorbringens zu werten.
2.2.6. Die BF gab an, dass ihre Kinder aufgrund ihrer „Behinderung“ immer beleidigt worden seien (AS 85). Eine Misshandlung oder Verfolgung aufgrund des Vorliegens einer Behinderung hat die BF nicht behauptet. Es ist aufgrund ihrer Angaben auch nicht auf eine aktuelle Bedrohung oder Verfolgung XXXX zu schließen.
2.3. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.09.2019 wiedergegebenen und zitierten Berichten. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden im angefochtenen Bescheid und unter Punkt II.1.3. zitiert. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln.
Den Länderberichten wurde seitens der BF weder in ihrer niederschriftlichen Einvernahme, noch in ihrer Beschwerde substantiiert entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.
2.4. Zur Situation der BF im Falle einer Rückkehr
2.4.1. Die BF wurde im Dorf XXXX in XXXX sozialisiert, hat dort die Grundschule besucht und hielt sich ebendort bis zu ihrer Ausreise am XXXX auf (AS 13, AS 57).
Es haben sich in einer Gesamtbetrachtung keine Hinweise ergeben, an ihren Angaben, vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsland mit ihrem Ehemann, ihren Kindern und ihren Schwiegereltern im Elternhaus des Mannes in XXXX gelebt zu haben (AS 57, AS 85 sowie Bescheid S. 11), zu zweifeln. Ebenso verhält es sich zu ihren Angaben, dass die Eltern der BF bereits verstorben seien und sie keine weiteren Angehörigen in direkter Linie hat (AS 57, AS 59).
2.4.2. Wie unter II.1.1.2 festgestellt, sind ihre Angaben, keine Berufsausbildung genossen zu haben, in ihrem Herkunftsland keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen zu sein, glaubhaft (s. II.2.1.2.), weshalb die Annahme, im Falle einer Rückkehr selbsterhaltungsfähig einer Beschäftigung nachgehen zu können, nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Ihre Angaben, keiner körperlichen Tätigkeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb nachgehen zu können, sind vor dem Hintergrund der bei ihr vorliegenden XXXX (AS 97), nachvollziehbar, zumal die BF auch angab, dass dies ihr auch vor Ihrer Ausreise aus dem Herkunftsland nicht möglich war (AS 77). Dass sie ein regelmäßiges und für ihren Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen durch den Verkauf selbstgebackener Speisen im Herkunftsland zu erzielen könnte (AS 60), kann mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden.
2.4.3. Ihre Angabe, dass sich der Ehemann und ihre Kinder in einer wirtschaftlich schlechten Situation befinden (AS 59, AS 83), ist vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Versorgungslage ihrer Herkunftsregion rund um den Bezirk XXXX nachvollziehbar (S.II.1.3.5. sowie LIB 2019, S. 32). Den zitierten Länderberichten ist zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in dieser Region nicht gewährleistet ist und sich insbesondere die ländliche Bevölkerung in einer äußerst vulnerablen Position befindet, da sie kaum über Mittel verfügt, um die aufgrund der Dürre entstandenen Verluste wieder auszugleichen. Die XXXX ist aktuell mit IPC 3 (Crisis) einzustufen (s. II.1.3.5.1. sowie LIB 2019, S. 124) und weist den XXXX . Die Stadtbevölkerung ist von IPC 3 weit weniger betroffen als die Menschen, wie die BF, die in ländlichen Gebieten leben (s.II.1.3.5.1. sowie LIB 2019, S. 125). Es wurden Hilfsprogramme in die Wege geleitet, welche jedoch insgesamt unterfinanziert sind, weshalb manche Agenturen ihre Maßnahmen einschränken mussten (s.II.1.3.5.1. sowie LIB 2019, S. 127).
Eine finanzielle Unterstützung durch ihre Familie ist daher vor dem Hintergrund der aktuellen Versorgungslage in ihrer Herkunftsregion und ihren diesbezüglich glaubhaften Schilderungen der aktuellen Situation, in welcher sich der Ehemann mit den gemeinsamen Kindern befindet, auszuschließen.
2.4.4. Den Länderberichten zu Folge, fällt die soziale Unterstützung in den privaten Sektor. Das soziale Sicherungsnetz für Personen, deren Überleben und Unterhalt gefährdet sind, bildet der (Sub-)Clan, erweiterte Familie und Remissen aus dem Ausland. In (persönlichen) Krisenzeiten stellt zudem die Hilfe durch Freunde und Verwandte die effizienteste, und am häufigsten verwendete Bewältigungsstrategie dar (II.1.3.5. sowie LIB 2019, S. 128). Zudem gestaltet sich die Rückkehr für Frauen prinzipiell schwerer als für Männer. Eine Rückkehrerin ist von einem Netzwerk abhängig, welches grundsätzlich ihre Familienangehörigen umfasst (II.1.3.8. sowie LIB 2019, S. 131).
Eine Unterstützung durch die Familie der BF ist -wie unter II.2.4.3. erläutert- auszuschließen. Ebenso sind Remissen aus dem Ausland auszuschließen, zumal die BF nicht über Angehörige außerhalb ihres Herkunftsstaates verfügt (AS 91), und das Bestehen eines zusätzlichen, sozialen Netzwerks außerhalb der angeführten Kernfamilie im Verfahren nicht hervorgekommen ist.
Der Schutz der BF als Angehörige des XXXX durch den Clan der XXXX , welcher einen der größten Clans Somalias darstellt, ist nicht denkunmöglich. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Unterstützung durch den Clan allein die Existenz der BF zu sichern vermag, zumal sich auch der Ehemann und die gemeinsamen Kinder in einer als prekär zu beurteilenden, finanziellen Situation befinden.
2.4.5. Die bei der BF vorliegende XXXX stellt -wie unter II.2.1.4. erläutert- keine akut lebensbedrohliche Krankheit dar. Die BF ist vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde grundsätzlich nicht in ihrer Fortbewegung beeinträchtigt, zumal sie auch selbst angab, zu Fuß über längere Strecken gehen zu können (AS 61). Sie wurde im Bundesgebiet orthopädisch mit Infiltrationen behandelt. Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass die medizinische Versorgung in ganz Somalia äußerst mangelhaft ist (II.1.3.6. sowie LIB 2019, S. 131). Eine kostenfreie Primärversorgung wird von internationalen Organisationen zur Verfügung gestellt und ist für Patienten kostenfrei, für Medikamente und operative Eingriffe muss jedoch bezahlt werden (s. II.1.3.6. sowie LIB S. 131 f.). Speziellere medizinische Versorgung ist in Somalia nur eingeschränkt verfügbar. Die für die BF notwendigen orthopädischen Behandlungen sind nur in eingeschränktem Ausmaß vorhanden (s.II.1.3.6. sowie LIB 2019, S. 133). Es ist somit zwar denkbar, jedoch unwahrscheinlich, dass die BF im Heimatstaat entsprechende Infiltrationen zur Schmerzlinderung erhalten kann. Auch für den Fall, dass Infiltrationen verfügbar wären, ist davon auszugehen, dass die BF die finanziellen Mittel für die Behandlung nicht aufbringen könnte, zumal ihre Angaben, über keine finanziellen Mittel zu verfügen (AS 83), glaubhaft sind.
2.4.6. Die BF hat nach der Ausreise aus ihrem Heimatdorf XXXX gelebt (AS 57). Eine Verlegung des Familienlebens und des Wohnsitzes nach XXXX ist insofern nicht zumutbar, als die Familie der BF an die Landwirtschaft, deren Bewirtschaftung die Existenzgrundlage der gesamten Familie darstellt, gebunden ist. Die mangelnde Berufsausbildung und -erfahrung der BF stehen der Aufnahme einer Beschäftigung und in weiterer Folge dem Aufbau einer Existenz in XXXX ebenfalls entgegen.
2.4.7. Die für die BF zu prognostizierende Rückkehrsituation in Somalia erweist sich somit in einer Gesamtbetrachtung aufgrund der objektiven Berichtslage in Zusammenschau mit den individuellen Umständen der BF zum Entscheidungszeitpunkt dergestalt, dass im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsort davon auszugehen ist, dass die BF aufgrund kurzer Schul- bzw. mangelnder Berufsausbildung und -erfahrung sowie der schlechten Versorgungslage und dem daraus folgenden Mangel an Unterstützung durch ihre Familie, Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zum Spruchteil A)
3.1.1. Zu Spruchpunkt I.
3.1.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
3.1.1.2. Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen."
Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.1.1.3. Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389). Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens nimmt folglich die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung ein (VwGH vom 20.06.1990, 90/01/0041).
3.1.1.4. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher die BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.1.1.5. Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
3.1.1.6. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt hieraus, dass, wie bereits oben in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2. erörtert wurde, die BF in Bezug auf ihre vorgebrachten Fluchtgründe betreffend eine aktuelle Bedrohung durch ihre Schwiegermutter sowie die al Shabaab persönlich unglaubwürdig war. Ihre diesbezüglichen Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens waren nicht hinreichend konsistent. Die Glaubhaftmachung stellt jedoch- wie unter II.3.1.1.3. angeführt- ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl dar.
Die durch die BF ins Treffen geführten Gründe umfassen einerseits die wirtschaftliche Lage in Somalia. Zwar war sie hinsichtlich dieser Angaben nicht persönlich unglaubwürdig, es handelt sich hierbei dennoch um keine der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgelisteten Fluchtgründe.
Ihr Fluchtvorbringen betreffend die schlechte Sicherheitslage in ihrem Herkunftsort sowie eine Verfolgung aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit zum XXXX und dem XXXX andererseits, waren weder glaubhaft, noch lassen sie sich vor dem Hintergrund der Länderberichte objektivieren. Zudem gab die BF auch selbst an, nie persönlich bedroht worden zu sein.
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sie einer ernstlichen Bedrohung ausgesetzt sei bzw. Gefahr liefe, Übergriffe zu erleiden. Die BF konnte weiters auch nicht substantiiert angeben, vor wem aktuell eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gegeben sei.
Mangels Bestehens einer aktuell drohenden Verfolgung maßgeblicher Intensität aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, ist daher die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch das BFA nicht zu beanstanden.
3.2. Zu Spruchpunkt II.
3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.
Die Außerlandesschaffung einer Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn die Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH vom 8.09.2016, Ra 2016/20/0063).
3.2.2. Vor dem Hintergrund der unter Punkt II.1.3. zitierten, aktuellen Länderberichte und den Feststellungen zur Person der BF unter Punkt II.2.1. sowie zur Rückkehrsituation der BF unter Punkt II.2.4. ergeben sich konkrete Hindernisse betreffend eine sofortige Rückverbringung der BF in ihren Herkunftsstaat.
Die BF verfügt über eine kurze Grundschul-, jedoch keine Berufsausbildung. Sie ist im Herkunftsstaat keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen. Sie verfügt nicht über finanzielle Mittel, mit welchen sie ihre Existenz bei einer Rückkehr sichern könnte. Eine finanzielle Unterstützung durch den Ehemann ist aktuell nicht mit hoher Wahrscheinlichke