TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/22 W147 1259498-2

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Veröffentlicht am 22.06.2020
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Entscheidungsdatum

22.06.2020

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W147 1259498-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. März 2019, Zl. 742279810-180940059, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 und 5 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig und muslimischen Glaubens wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 4. Februar 2011, Zl. D6 259498-0/2008/2E der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2. Am 27. Juli 2016 reiste der Beschwerdeführer per Luftweg von Wien in die Russische Föderation aus.

3. Am 26. März 2018 stellte der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in das Bundesgebiet einen Folgeantrag. Im Wesentlichen brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in Österreich aufgewachsen sei und die Schule besucht habe, daher Österreich als seine Heimat ansehe. Ansonsten habe der Beschwerdeführer keine Asylgründe. Im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte der Beschwerdeführer seitens der Polizei oder Behörden festgenommen, entführt oder gefoltert zu werden.

4. Am selben Tag stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in die Russische Föderation.

5. Mit Schreiben vom 3. April 2018 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass seine Heim- bzw. Ausreisekosten nicht übernommen werden, da der Beschwerdeführer bereits am 27. Juli 2016 im Rahmen des Rückkehrprojektes freiwillig heimgekehrt sei und daher von einer Dauerhaftigkeit der Rückkehr nicht ausgegangen werden könne.

6. Mit Schreiben vom 5. April 2018 widerrief der Beschwerdeführer seinen Antrag auf freiwillige Rückkehr, aus persönlichen Gründen.

7. Nach Zulassung des Verfahrens gab der Beschwerdeführer im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vom 13. Juni 2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen an, seine Familie sei von seinem drogenabhängigen Vater gezwungen worden im Jahre 2016 in die Russische Föderation zurückzukehren. Er habe nicht zurückgehen wollen. Der Vater des Beschwerdeführer habe behauptet, dass der Beschwerdeführer ab September wieder nach Österreich zurückkehren dürfe, um weiterhin die Schule zu besuchen. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe seinen Herkunftsstaat verlassen, da sein Cousin in Haft gewesen sei und vor seiner Haft 4 oder 5 maskierte Männer diesen mitgenommen haben. Er sei mit Plastikstangen geschlagen und mit Strom gefoltert worden, damit er den Namen von anderen Leuten angebe. Nach der Freilassung seines Cousin sollen diese Männer gesagt haben, sie würden wiederkommen. Aus diesem Grund habe sich der Beschwerdeführer zusammen mit seinem Cousin für die Flucht entschieden. Sie seien nach Weißrussland gegangen, haben es aber nicht weiter geschafft. Dort sollen sie einen Schlepper kennengelernt haben, für den sie ein Jahr lang auf dessen Bauernhof gearbeitet haben, damit dieser ihnen hilft weiterzureisen. Einer persönlichen Verfolgung sei der Beschwerdeführer nicht ausgesetzt, er sei lediglich mit seinem Cousin mitgekommen, weil er selbst wieder nach Österreich wolle und seinem Cousin als Sprachkundiger helfen wolle. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Aussage während der Ersteinvernahme anlässlich des Folgeantrags, dass er im Falle einer Rückkehr seitens der Behörden eine Festnahme, Folter oder eine Entführung befürchte, noch aufrecht halten wolle, gab der Beschwerdeführer an, dass dies nicht ihn persönlich betreffe, es treffe nur auf seinen Cousin zu. Im Falle seiner Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer dort nicht zu Recht zu kommen, da er in Österreich aufgewachsen sei. Sein Vater habe die Familie gezwungen zurückzukehren.

8. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. Jänner 2019, Zl. 742279810/180291557 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

9. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die „ARGE-Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien“ als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

10. Da der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. Jänner 2019, Zl. 742279810/180291557 keine Beschwerde erhob, erwuchs dieser am 27. Februar 2019 in Rechtskraft.

11. Mit Aktenvermerk vom 21. März 2019 wurde gegenständliches Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet.

12. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 4. Februar 2011, Zl. D6 259498-0/2008/2E, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF., aberkannt. Gemäß § 7 Absatz 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.).

Unter Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.

Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

Unter Spruchpunkt IV. wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

Unter Spruchpunkt V. wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei.

Die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bemessen.

Im Wesentlichen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer sich durch seine freiwillige und unterstützte Ausreise in den Herkunftsstaat unter den Schutz der Russischen Föderation begeben habe. Die Dauer des Aufenthalts und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich einen Reisepass ausstellen habe lassen, ließen den Rückschluss zu, dass seine Rückkehr die Motivation einer dauerhaften Sesshaftigkeit im Heimatland zum Ziel gehabt habe.

Zudem führte die belangte Behörde ins Treffen, der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine zum dauernden Aufenthalt berechtigten Verwandten, daher würde dadurch auch nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werden. Zum Privatleben des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten, indem er freiwillig und unterstützt in den Herkunftsstaat gereist sei, erkennen lassen, dass er keine besondere Bindung an Österreich habe. Daher sei die belangte Behörde zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer kein besonderes Interesse an einer Integration in Österreich habe und somit keine entsprechende Bindung an Österreich.

13. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 27. März 2019 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die „ARGE-Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien“ als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

14. Mit Schriftsatz vom 16. April 2019 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den genannten Bescheid, und ficht diesen in vollem Umfang an.

15. Mit Parteiengehör vom 7. April 2020 forderte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde zur Stellungnahme auf, aus welchen Überlegungen der Tatbestand des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides (Fünfjahresfrist) nicht zur Anwendung gelangte.

16. Am 9. April 2020 langte eine Stellungnahme seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Im Wesentlichen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung hinsichtlich der Fünfjahresfrist im angefochtenen Bescheid damit, dass sich die Fünfjahresfrist an das Niederlassungsrecht anlehne und das Niederlassungsrecht im § 45 Abs. 1 NAG grundsätzlich vorsehe, dass Drittstaatsangehörigen, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen tatsächlich niedergelassen waren, ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden könne. Die Fünfjahresfrist sei allerdings durchbrochen, wenn sich der Drittstaatsangehörige innerhalb dieser Frist insgesamt länger als zehn Monate oder durchgehend mehr als sechs Monate außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten habe. In diesen Fällen beginne die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt 1. ausgeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird den Feststellungen zugrunde gelegt.

1.1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität feststeht, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig sowie muslimischen Glaubens.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Familienangehörige in Österreich. Seit der Ausreise im Juli 2016 lebt die Kernfamilie des Beschwerdeführers wieder in der Russischen Föderation.

Der Beschwerdeführer ist ledig, hat keine Kinder und in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 27. März 2019 aufrecht mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und ist dies nach wie vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. der oben unter Punkt 1. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts. Der oben unter Punkt 2. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Richter auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich im Wesentlichen aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich stützen sich auf einen aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zum Familien- und Privatleben einschließlich allfälliger Aspekte einer Integration in Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers.

Die Feststellung zum Wohnsitz des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ergeben sich aus einer Abfrage im Zentralen Melderegister, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer von 29. November 2018 bis 29. März 2019 in XXXX seinen Hauptwohnsitz hatte. Seit 10. Mai 2019 ist der Beschwerdeführer XXXX gemeldet.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.

3.2. Zu Spruchteil A) Stattgebung

3.2.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Der mit „Aberkennung des Status des Asylberechtigten“ betitelte § 7 AsylG 2005 lautet wie folgt:

„(1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

(2) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."

Gemäß Art. 1 Abschnitt C der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), BGBl. Nr. 55/1955 und 78/1974, wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie

„1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder

2. die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder

3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des neuen Heimatlandes genießt; oder

4. sich freiwillig in den Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder

5. wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist. bestehen und sie daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

6. staatenlos ist und die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.“

Im konkreten Beschwerdefall ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging von einem Endigungsgrund und somit von § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus. Begründet hat die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass der in Art. 1 Abschnitt C Z 4 angeführte Endigungsgrund eingetreten sei, weil der Beschwerdeführer zwischen Juli 2016 und März 2018 in den Herkunftsstaat zurückgekehrt sei und sich einen Reisepass habe ausstellen lassen.

Dabei hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Bestimmung des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 außer Acht gelassen.

Gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 kann das Bundesamt einem Fremden der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

In ihrer Stellungnahme vom 9. April 2020 führte die belangte Behörde ihre Rechtsansicht zu § 7 Abs. 3 AsylG 2005 – wie im Verfahrensgang zusammengefasst – aus und begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sich der Beschwerdeführer mehr als zehn Monate außerhalb des Bundesgebiet aufgehalten habe, somit der Beginn des Fristenlaufes für die Vermutung der unwiderleglichen sozialen Verfestigung mit 26. März 2018 neuerlich zu laufen begonnen habe und der Beschwerdeführer sich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am 27. März 2019 gerade einmal ein Jahr im Bundesgebiet tatsächlich aufgehalten habe.

Der Beschwerdeführer ist nach wie vor unbescholten und hatte seinen Hauptwohnsitz jedenfalls bereits zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Bundesgebiet. Dem Beschwerdeführer wurde der Status des Asylberechtigten im Wege des Familienverfahrens mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 4. Februar 2011, Zl. D6 259498-0/2008/2E zuerkannt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde am 27. März 2019 war dem Beschwerdeführer bereits über fünf Jahre der Status des Asylberechtigten zugekommen.

Aus dem Verwaltungsakt geht nicht hervor, dass die belangte Behörde vor Bescheiderlassung die Niederlassungsbehörde verständigt hätte.

Auch im öffentlichen Recht ist bei einer Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind. § 6 ABGB verweist zunächst auf die Bedeutung des Wortlautes in seinem Zusammenhang. Dabei ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Dafür müssen die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses statt des subjektiven Verständnishorizonts der einzelnen Beteiligten im Vordergrund stehen (vgl. dazu Bydlinski in Rummel, ABGB I Rz 1 zu § 6). In diesem Sinne vertreten auch Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, S. 101 f, 1996, die Auffassung, dass die Bindung der Verwaltung an das Gesetz nach Art. 18 B-VG einen Vorrang des Gesetzeswortlautes aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation der Norm bewirke und den dem Gesetz unterworfenen Organen die Disposition über das Verständnis möglichst zu entziehen sei. Dies bedeute bei Auslegung von Verwaltungsgesetzen einen Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter „korrigierender Auslegungsmethoden“.

Der Wortlaut des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 ist eindeutig („Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat."). Die strikte Bindung der Vollziehung an den Wortlaut der Gesetze auf Grund des Gesetzmäßigkeitsgebotes des Art. 18 Abs. 1 B-VG bewirkt einen Vorrang der Wortinterpretation vor anderen Auslegungsmethoden. Der Wille des Gesetzgebers findet dabei nur soweit Berücksichtigung, als er aus dem geschriebenen Gesetzestext hervorgeht. Nach Ansicht des Obersten Gerichthofes ist es nicht Aufgabe der Gerichte, durch zu weitherzige Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen oder unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern (vgl. OGH 1.7.1992, 2 Ob 6/92).

Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 lässt sich keinerlei Hemmung oder Unterbrechung des Fristenlaufes von fünf Jahren ableiten und teilt daher das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht.

Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die weiteren Absätze des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 verweist („Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.“), ist zu betonen, dass aus einer verpflichtenden Verständigung der Aufenthaltsbehörde nicht zwingende eine Erteilung eines Aufenthaltstitels zu erblicken ist. Gerade in gegenständlichen Fallkonstellationen ist es daher denkmöglich, dass trotz des Ablaufs von fünf Jahren seit Zuerkennung des Status des/der Asylberechtigten, die Voraussetzungen für die Erteilung eines Titels nach dem NAG nicht vorliegen.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die von der belangten Behörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Voraussetzungen der Aberkennung des dem Beschwerdeführer zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 7 Abs. 3 AsylG 2005 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht vorliegen, sodass sich die mit Spruchpunkt I. vorgenommene Aberkennung des Status des Asylberechtigten als nicht gerechtfertigt erweist. Da die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides auf dessen Spruchpunkt I. aufbauen, ist dieser in Stattgebung der Beschwerde zur Gänze zu beheben.

Absehen vom Durchführen einer mündlichen Verhandlung:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im vorliegenden Fall geklärt.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall von einer mündlichen Verhandlung absehen, weil die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.3. Zu Spruchteil B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer allfälligen Hemmung des Fristenlaufes gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Fristenlauf Hemmungszeitraum Revision zulässig Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W147.1259498.2.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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