TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/22 W141 2224272-1

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Veröffentlicht am 22.06.2020
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Entscheidungsdatum

22.06.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W141 2224272-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den ÖZIV-Burgenland, Verband für Menschen mit Behinderungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Burgenland, vom XXXX , OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß
§§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1.    Der Beschwerdeführer hat am 11.02.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

1.2.    Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.03.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 30 vH bewertet wurde.

1.3.     Mit Schreiben vom 15.03.2019 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens übermittelt und diesem die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

1.4.    Mit Schreiben vom 03.04.2019 wurde der belangten Behörde vom Beschwerdeführer eine Vollmachtsbekanntgabe vorgelegt.

2.1.    Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.04.2019 hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 30 vH vorliegen würde.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

2.2.    Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 23.05.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben.

Unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass das Leiden „degenerative Veränderung der Wirbelsäule“ den Beschwerdeführer maßgeblich in seinem Beruf einschränken würde und er sich laufend in Physiotherapie befinde und auf Schmerzmittel angewiesen wäre. Der Grad der Behinderung sei hier als führendes Leiden zu niedrig eingeschätzt worden, da es in Zusammenschau mit der Ellenbogenverletzung zu einer negativen Wechselwirkung kommen würde, was den Grad der Behinderung erhöhe. Die funktionelle Einschränkung werde hier zusätzlich verstärkt. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass die Einschränkung durch die Verätzung am rechten Auge im Ergebnis der Begutachtung nicht angeführt worden wäre.

2.3.    Zur Überprüfung der neu vorgelegten medizinischen Beweismittel wurden von der belangten Behörde Sachverständigengutachten der Fachrichtung Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 09.07.2019 sowie ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung Augenheilkunde, ebenfalls basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.08.2019 und ein zusammenfassendes aktenmäßiges Gutachten am 24.09.2019 einer Ärztin für Allgemeinmedizin, mit dem Ergebnis eingeholt, dass ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt wurde.

2.4.    Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs hat weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1.    Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2.    Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.

1.2.1.  Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: gut
Größe: 166,00 cm Gewicht: 90,00 kg Blutdruck: n.e.

Klinischer Status – Fachstatus:
Caput: unauffällig
HWS: Rotation der HWS endlagig gering eingeschränkt

Rechte obere Extremität:
Schulter-, Ellbogen- Hand- und Fingergelenke aktiv und passiv frei, blande Narbe medial am Ellbogen
Periphere Sens. und DB zum Untersuchungszeitpunkt o.B.

Linke obere Extremität:
Schulter-, Ellbogen- Hand- und Fingergelenke aktiv und passiv frei,
Periphere Sens. und DB zum Untersuchungszeitpunkt o.B.

Gebrauchshand: rechts
BWS: achsengerade, nicht klopfdolent
Abdomen: weich, adipös, indolent
LWS: Klopfschmerz im unteren Lendenwirbelsäulendrittel, blande Narbe nach TLIF,
Schmerzausstrahlung in die li. untere Extremität, Lasegue re. neg., Lasegue li. pos. FBA 20cm
Becken: stabil

Rechte untere Extremität:
Hüfte: S 0-0-120, R 20-0-40, kein Rotations- oder Stauchungsschmerz
Knie: S 0-0-130, bandstabil, Meniskuszeichen neg.
Sprunggelenk: S 10-0-35
Zehenspitzen- und Fersenstand abgeschwächt möglich

Linke untere Extremität:
Hüfte: S 0-0-120, R 20-0-40, kein Rotations- oder Stauchungsschmerz
Knie: S 0-0-130, bandstabil. Meniskuszeichen neg.
Sprunggelenk: S 10-0-35
Zehenspitzen- und Fersenstand abgeschwächt möglich
Beinlängen seitengleich,
Muskulatur der oberen und unteren Extremität seitengleich ausgebildet.

Sehvermögen:
rechts +1,00sph +0,75cyl/154° 0,5 partim
links -0,50sph +0,50cyl/168° 1,0

Vorderer Abschnitt: rechts unten Hornhautnarbe mit Gefäßeinsprossung, Linse klar, links o.B.
Augenhintergrund: beidseits Sehnervenkopf vital gefärbt, Sehzentrum o.B., Gefäße altersentsprechend
Gesichtsfeld: rechts bei der Nase peripher nicht signifikante geringgradige Einschränkung (von der Nase), links o.B.

Diagnosen: irregulärer Astigmatismus rechts, Hornhautnarbe rechts, Z.n. Bulbusverätzung rechts, Hyperopie rechts, Myopie links, Astigmatismus beidseits

Zusammenfassung: Am rechten Auge besteht ein reduziertes Sehvermögen durch Hornhautnarben und eine dadurch verursachte unregelmäßige Hornhautkrümmung.

Gesamtmobilität – Gangbild:
Harmonisches Gangbild. Lagewechsel deutlich erschwert, An- und Auskleiden problemlos

Status Psychicus:
Zeitlich, örtlich und zur Person orientiert

1.2.2.  Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Fusion L5/S1

Wahl dieser Position im oberen Rahmensatz da eine deutliche Funktionseinschränkung verbunden mit Schmerzen gegeben ist.

02.01.02

40 vH

2

Zustand nach operativ versorgter Ellbogenluxation rechts 1999

fixer Rahmensatz

02.11.06

20 vH

3

Sehstörungen, Störung des zentralen Sehens (Sehschärfe mit Korrektur), Reduktion der Sehschärfe am rechten Auge infolge von Hornhautnarben K4/Z1

Fixer Rahmensatz, K4, weil das rechte Auge 0,5 Visus nicht vollständig erreicht

11.02.01

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Leiden 1 wird durch Leiden 2 und Leiden 3 nicht weiter erhöht, da eine geringe negative wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

1.3.    Der gegenständliche Antrag ist am 11.02.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt und aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister mit Stichtag 09.06.2020.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung des Beschwerdeführers gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf die im erstinstanzlichen Verfahren und der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers sowie auf der Aktenlage und die im Rahmen der Untersuchung und im Beschwerdeverfahren vorgelegten medizinischen Beweismittel.

Die durch die belangte Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen und der Aktenlage erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die befassten Sachverständigen fassen die durch den Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel nachvollziehbar wie folgt zusammen:

-        Befund von KH Wr. Neustadt: Der Beschwerdeführer wurde von 18.01.-20.01.2006 stationär wegen Hornhautverätzung Grad II rechts aufgenommen.

-        Befund von KH Wr, Neustadt von 09.07.2007: Die Hornhaut wuchs mit der Bindehaut zusammen und wurde operativ am 06.07.2007 getrennt.

Die vorgelegten medizinischen Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und die befassten Sachverständigen haben sich im Rahmen der Gutachtenserstellung damit auseinandergesetzt. Die angeführten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis der eingeholten Sachverständigenbeweise, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Leiden 1 – degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Fusion L5/S1 – wird unter Richtsatzposition 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH erfasst. Der Sachverständige für Orthopädie führt diesbezüglich nachvollziehbar aus, dass die Wahl dieser Position auf den oberen Rahmensatz erfolgt, da eine deutliche Funktionseinschränkung verbunden mit Schmerzen gegeben ist.

Der orthopädische Sachverständige beschreibt weiter, dass die Beurteilung des Leiden 2 – Zustand nach operativ versorgter Ellbogenluxation rechts 1999 – unter Richtsatzposition 02.11.06 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH erfolgt. Die Beurteilung erfolgt aufgrund eines fixen Rahmensatzes.

Der Sachverständige für Augenheilkunde hält überzeugend fest, dass das Leiden 3 – Sehstörungen – Störung des zentralen Sehens (Sehschärfe mit Korrektur), Reduktion der Sehschärfe am rechten Auge infolge von Hornhautnarben K4/Z1 – unter der Positionsnummer 11.02.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH einzustufen ist, da das rechte Auge 0,5 Visus nicht vollständig erreicht. Aus augenärztlicher Sicht ergibt sich der Grad der Behinderung durch die Sehvermögenreduktion am rechten Auge durch Hornhautnarben nach Verätzung. Die Beurteilung erfolgt anhand des fixen Rahmensatzes K4.

Zusammenfassend beträgt der Gesamtgrad der Behinderung insgesamt 40 vH. Leiden 1 wird durch Leiden 2 und Leiden 3 nicht weiter erhöht, da eine geringe negative wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Der Gesamtgrad der Behinderung wird im Vergleich zum allgemeinmedizinischen Vorgutachten vom 14.03.2019 um eine Stufe erhöht, da das Leiden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule aufgrund einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustands laut den Befunden (Befundprogredienz) erhöht wird. Das Wirbelsäulenleiden wird nunmehr mit 40 vH bewertet. Leiden 2 - Zustand nach operativ versorgter Ellbogenluxation rechts 1999 - und Leiden 3 - Sehstörungen - wurden neu anerkannt und in die Bewertung aufgenommen. Das Ellbogenleiden rechts wird mit 20 vH in die Bewertung aufgenommen. Aus augenärztlicher Sicht ergibt sich aus dem Leiden des rechten Auges 10 vH als Grad der Behinderung. Da nur eine geringe negative Leidensbeeinflussung besteht erhöhen Leiden 2 und Leiden 3 den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter. Keinen Grad der Behinderung erreicht die periphere Gesichtsfeldeinschränkung nasal am rechten Auge. Die Bewertung mit 40 vH ist somit nachvollziehbar und gerechtfertigt.

Die beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt.

Die Angaben des Beschwerdeführers konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis der eingeholten Sachverständigenbeweise, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Das Beschwerdevorbringen (inkl. der vorgelegten medizinischen Beweismittel) war somit nicht geeignet, die gutachterlichen Beurteilungen, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe
von 40 vH vorliegt, zu entkräften.

Die Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 BBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

–        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

–        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

–        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 1 sowie § 41 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft.

Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 11.02.2019 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Da ein Grad der Behinderung von 40 vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher im erstinstanzlichen Verfahren und im Rahmen des Beschwerdeverfahren ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen hervorzurufen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W141.2224272.1.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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